Als Brüsseler Randgemeinden (ndl. Brusselse Rand, frz. périphérie bruxelloise), in Flandern aber auch manchmal Flämische Randgemeinden (ndl. Vlaamse Rand) genannt, bezeichnet man jene Gemeinden in der Brüsseler Peripherie, die zwar auf dem Gebiet der Flämischen Region liegen, aber unter sehr starkem Einfluss der Region Brüssel-Hauptstadt stehen. Sechs dieser Gemeinden bieten Spracherleichterungen für ihre französischsprachigen Einwohner: Kraainem (frz. Crainhem), Drogenbos, Linkebeek, Sint-Genesius-Rode (frz. Rhode-Saint-Genèse), Wemmel und Wezembeek-Oppem.
Die jahrelange „Französisierung“ und genaue Definition der Rechte der französischsprachigen Bevölkerung, die in manchen Gemeinden tatsächlich zahlreicher vertreten ist als die niederländischsprachige Bevölkerung, befinden sich heute im Zentrum des flämisch-wallonischen Konfliktes.
Geschichtlicher Hintergrund
BearbeitenGeographische Lage
BearbeitenEs gibt keine genaue geografische Definition des „Randes“. Manchmal werden alle Gemeinden des Bezirks Halle-Vilvoorde zu den Brüsseler Randgemeinden gezählt, manchmal nur die direkten Nachbargemeinden Brüssels oder einer Gemeinde mit Spracherleichterungen (d.h. 18 Gemeinden aus dem Bezirk Halle-Vilvoorde und eine Gemeinde aus dem Bezirk Löwen). Es scheint jedoch unumstritten zu sein, dass allein Gemeinden aus der Provinz Flämisch-Brabant zu den Brüsseler Randgemeinden gezählt werden.
Dennoch hat man von flämischer Seite versucht, die Brüsseler Randgemeinden aufgrund verschiedener Einzugsgebiete von Flüssen und Bächen in Nord-, Ost-, Süd- und Westrand einzuteilen.
„Noordrand“
BearbeitenAls den Nordrand kann man das Gebiet zwischen dem Maalbeek und dem Tangebeek bezeichnen. Folgende Ortschaften sind betroffen:
- Relegem (Gemeinde Asse)
- Wemmel (Fazilitäten-Gemeinde)
- Hamme (Gemeinde Merchtem)
- Meise (Gemeinde Meise)
- Strombeek-Bever, Grimbergen und Beigem (Gemeinde Grimbergen)
- Koningslo (Gemeinde Vilvoorde)
- eventuell: Neder-Over-Heembeek (Gemeinde Brüssel)
„Oostrand“
BearbeitenUnter dem Ostrand versteht man das Gebiet entlang der Woluwe. Folgende Ortschaften sind betroffen:
- Kraainem (Fazilitäten-Gemeinde)
- Wezembek und Oppem (Gemeinde Wezembeek-Oppem, Fazilitäten-Gemeinde)
- Sint-Stevens-Woluwe, Zaventem, Nossegem und Sterrebeek (Gemeinde Zaventem)
- Diegem und Machelen (Gemeinde Machelen)
- Jezus-Eik (Gemeinde Overijse)
- eventuell: Haren (Gemeinde Brüssel)
„Zuidrand“
BearbeitenDie Gemeinden des Südrands befinden sich in dem Gebiet zwischen dem Linkebeek und dem Molenbeek. Folgende Ortschaften sind betroffen:
- Linkebeek und 't Holleken (Gemeinde Linkebeek, Fazilitäten-Gemeinde)
- Drogenbos (Fazilitäten-Gemeinde)
- Sint-Genesius-Rode (Fazilitäten-Gemeinde)
- Beersel
- eventuell: Sint-Pieters-Leeuw, besonders Zuun und Negenmanneke
„Westrand“
BearbeitenDer Westrand befindet sich zwischen dem Neerpedebeek, dem Vogelzangbeek und dem (westlichen) Molenbeek. Folgende Ortschaften sind betroffen:
- Zellik (Gemeinde Asse)
- Groot-Bijgaarden, Dilbeek, Itterbeek, Sint-Anna-Pede und Sint-Gertrudis-Pede (Gemeinde Dilbeek)
- Tomberg und Boven-Pede (Gemeinde Lennik)
- Vlezenbeek (Gemeinde Sint-Pieters-Leeuw)
- eventuell: Neerpede (Gemeinde Anderlecht)
Politik und Demographie
BearbeitenDe Standaard: De Rand verfranst steeds meer Lesoir.be: La périphérie se francise encore
Gemeinden mit Spracherleichterungen
BearbeitenHauptartikel: Sprachgesetzgebung in Belgien
Die Brüsseler Randgemeinend befinden sich alle vollständig im niederländischen Sprachgebiet. Jedoch gibt es für sechs dieser Gemeinden, nämlich in Drogenbos, Kraainem, Linkebeek Sint-Genesius-Rode, Wemmel und Wezembeek-Oppem, Spracherleichterungen für die französischsprachige Bevölkerung. Die Spracherleichterungen sind gestattet in Verwaltungsangelegenheiten, im Gerichtswesen, im Unterrichtswesen und im Betriebsleben.
Besonders der Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten, so wie vorgesehen durch die koordinierte Gesetzgebung vom 18. Juli 1966, bedarf einer besonderen Erklärung.[1] Für die „lokalen Dienststellen“, d.h. insbesondere die Gemeinden und die öffentlichen Sozialhilfezentren (ÖSHZ), ist für den Sprachengebrauch Folgendes vorgesehen:
- Beziehungen mit Privatpersonen: Niederländisch oder Französisch, je nachdem in welcher Sprache sich die Person an die Verwaltung richtet.
- Beziehungen mit Privatunternehmen aus Gemeinden, die aus einem homogenen Sprachgebiet stammen: Die Sprache des Gebietes, in der sich die Herkunftsgemeinde befindet.
- für die Öffentlichkeit bestimmte Bekanntmachungen und Mitteilungen: Niederländisch und Französisch mit Vorrang fürs Niederländische.
- Bekanntmachungen der Standesämter: Die Sprache der Urkunde, auf die sich die Bekanntmachung bezieht.
- für die Öffentlichkeit bestimmte Formulare: Niederländisch und Französisch.
- Urkunden, die sich auf Privatpersonen beziehen:
- Für Drogenbos, Kraainem, Linkebeek und Wemmel: Niederländisch oder Französisch, je nach Wunsch der Interessehabenden.
- Für Sint-Genesius-Rode und Wezembeek-Oppem: Niederländisch, mit der Möglichkeit, sich kostenlos eine französische Übersetzung aushändigen zu lassen. Es wird keine Rechtfertigung benötigt.
- Bescheinigungen, Erklärungen und Genehmigungen für Privatpersonen: Niederländisch oder Französisch, je nach Wunsch der Interessehabenden.
Lokale Dienststellen, die in den Brüsseler Randgemeinden angesiedelt sind, bedienen sich in ihren Innendiensten, in ihren Beziehungen mit Dienststellen, denen sie unterstehen, und in ihren Beziehungen mit Dienststellen des niederländischen Sprachgebietes und von Brüssel-Hauptstadt ausschließlich der niederländischen Sprache.
In lokalen Dienststellen der Randgemeinden darf niemand in ein Amt ernannt oder befördert werden, wenn er die niederländische Sprache nicht beherrscht. Bewerber werden nur zur Prüfung zugelassen, wenn aus den erforderlichen Diplomen hervorgeht, dass sie in der niederländischen Sprache unterrichtet wurden. In Ermangelung eines solchen Diploms muss die Kenntnis der Sprache vorher durch eine Prüfung nachgewiesen werden.
Aktuelle Konflikte
BearbeitenDas „Peeters-Rundschreiben“
BearbeitenUnter dem „Peeters-Rundschreiben“ versteht man das Rundschreiben BA 97/22 vom 16. Dezember 1997 an die flämischen Provinzgouverneure, das aus der Feder von Leo Peeters, ehemaliger flämischer Minister der innere Angelegenheiten, der Städtepolitik und des Wohnungswesens.
In diesem Rundschreiben erklärt der Minister, wie die Gesetgebung über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten in besonderer Hinsicht auf die Spracherleichterungen auszulegen ist.
„In bepaalde gemeenten in het Nederlands taalgebied bestaan taalfaciliteiten voor Franstaligen. Die faciliteiten doen geen afbreuk aan de eentaligheid van het gebied in kwestie. De faciliteiten houden in dat de overheid voor een beperkt aantal precies omschreven verrichtingen van de algemene regel (streektaal is bestuurstaal) moet afwijken ten voordele van de bestuurden die de voorkeur geven aan het Frans, meestal slechts op hun uitdrukkelijk verzoek.“
„In gewissen Gemeinden im niederländischen Sprachgebiet bestehen Spracherleichterungen für Französischsprachige. Diese Fazilitäten beeinträchtigen nicht die Einsprachigkeit des erwähnten Gebietes. Die Erleichterungen beinhalten, dass die öffentlichen Behörden für eine begrenzte Anzahl genau umschriebener Handlungen von der allgemeinen Regel (Gebietssprache ist Amtssprache) abweichen muss zum Vorteil der Bürger, die das Französische bevorzugen, meistens allein auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin.“
Der Minister erklärt in diesem Rundschreiben, dass in allen Gemeinden – auch in den Gemeinden mit Spracherleichterungen für die französischsprachige Bevölkerung – im Prinzip die niederländische Sprache benutzt werden muss. Die französische Sprache darf nur in den „Fazilitätengemeinden“ benutzt werden und nur unter folgenden Bedingungen:
- [...]
Dieses Rundschreiben wird seit seiner Unterzeichnung vehement von der französischsprachigen Politikern kritisiert, und insbesondere seitens der Partei FDF (Front démocratique des francophones), die sich als die Verteidigerin der frankophonen Minderheit in den Brüsseler Randgebieten sieht. Die Frankophonen bemängeln folgende Punkte:
- Die Zuständigkeitsverteilungen seien missachtet worden: Es handele sich um ein Rundschreiben eines flämischen Regionalministers, wobei die Gesetzgebung föderal sei.
- Das Rundschreiben habe nur einen informativen Wert und sei nicht rechtsverbindlich für die Bürgermeister.
- Die Gesetgebung über den Sprachengebrauch werde falsch ausgelegt: Sie sei so zu interpretieren, dass ein Bürger nur ein einziges Mal zu beantragen braucht, dass er in französischer Sprache mit der Gemeindeverwaltung in Kontakt treten möchte und dass diese Bitte so lange gelte, bis das der Bürger sie zurückziehe.
Der Streit um die Verfassungs- und Rechtmäßigkeit des Peeters-Rundschreibens kann wie folgt zusammengefasst werden:
- [...]
Dieser Streit taucht auch heute immer wieder in der Aktualität auf und befindet sich im Zentrum des flämisch-wallonischen Konfliktes.
Die Nichternennung von drei Bürgermeistern
BearbeitenEine direkte Folge der verschiedenen Interpretationen der Sprachengesetzgebung und des Streites um das Peeters-Rundschreiben ist, dass drei Bürgermeister des FDF (aus den Gemeinden Kraainem, Wezembeek-Oppem und Linkebeek), die – gemäß der frankophonen Interpretation – Wahlvorladungen, die an frankophone Wähler der ihrer Gemeinde gerichtet waren, direkt in französischer Sprache verschickt hatten, wegen der Verletzung der Sprachengesetzgebung vom flämischen Innenminister Marino Keulen nicht ernannt wurden, obwohl sie bei den Gemeinderatswahlen von 2006 die Mehrheit in ihrer Gemeinde erlangt hatten.[2]
Diese französischsprachigen Wahlvorladungen durften in der Tat – laut der flämischen Interpretation – allein verschickt werden, nachdem zuerst eine niederländische Wahlvorladung an alle Bürger der Gemeinde verschickt wurde und nachdem, in einem weiteren Schritt, eine offizielle Anfrage für eine französischsprachige Wahlvorladung der Gemeinde vorlag. Diese drei Bürgermeister wurden von der flämischen Seite aufs Schärfste kritisiert, während sie von frankophoner Seite vollste Unterstützung genießen konnten. Somit erlangte die Angelegenheit einen symbolischen Wert, sowohl auf flämischer als auch auf wallonischer Seite, was eine eventuelle Kompromisslösung erschwert.
Besonders dieses Dossier verhinderte auch die Erarbeitung einer neuen Staatsreform nach den Föderalwahlen von 2007 und führten dazu, dass der Regierungsbildner Yves Leterme sich zurückziehen musste und unter Guy Verhofstadt eine Übergangsregierung gebildet wurde.[3]
Bis heute sind die drei Bürgermeister immer noch nicht ernannt und müssen seit 2006 den Titel „scheidender Bürgermeister“ tragen.
http://www.demorgen.be/dm/nl/5036/Wetstraat/article/detail/1086939/2010/03/30/Franstalige-burgemeesters-uit-rand-alweer-niet-benoemd.dhtml http://www.lalibre.be/actu/belgique/article/572700/facilites-bourgeois-rejette-la-3e-demande-de-nomination-des-bourgmestres.html
Der Wahlbezirk Brüssel-Halle-Vilvoorde
BearbeitenDer „Wooncode“ und die Sprachenklausel
BearbeitenEin weiterer Streitpunkt ist der flämische „Wooncode“, d.h. das flämische Dekret, das den Zugang zu flämischen Sozialwohnungen regelt.[4] Im Jahre 2006 wurde nämlich auf Vorschlag von Marino Keulen der Titel VII dieses Dekretes abgeändert indem eine „Sprachenklausel“ bei der Vergabe von Sozialwohnungen eingeführt wurde. Der neue Artikel 92, §3, 6° sah vor, dass wenn sich die Sozialwohnung auf dem homogenen niederländischen Sprachgebiet befindet (d.h. nicht in einer der Gemeinden mit Spracherleichterungen), der Antragsteller „den Willen haben muss, Niederländisch zu lernen“. Für die Gemeinden mit Spracherleichterungen sah der Punkt 7° vor, dass diese Pflicht „unbeschadet der Spracherleichterungen“ besteht. Die Person, die beweisen kann, dass sie die niederländische Sprache beherrscht, ist von dieser Auflage entbunden
Die frankophonen Parteien sahen in dieser Klausel eine Provokation und eine klare Diskriminierung der in Flandern lebenden Französischsprachigen. Das Recht auf eine Wohnung, welches in Artikel XX (23?) der Verfassung vorgesehen ist, dürfe nicht einer Sprachenbedingung unterworfen werden. Auch eine Migration von Sozialhilfeantragstellern in die Wallonie und nach Brüssel wurde befürchtet. Auf flämischer Seite argumentierte man mit einer besseren Integration sowohl der nicht-niederländischsprachigen Belgier, als auch der anderen Ausländer in Flandern. Zudem seien die Sprachenkurse kostenlos angeboten, es handele sich nur um ein Anfängerniveau (A1 - NT2) und es gäbe auch kein Sprachprüfung.
- Staatsrat OK [3]
- Konzertierungsausschuss
- Interessenkonflikt Französisches Parlament (3. Mai 2006) [4]
- Europäische Kommission begutachten wooncode und sieht Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Arbeiter (Art. 12 EG) [5]
- zsf. [6]
- EU lehnt wooncode ab [7] - aber keine juristischen Schritte?
- Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof: 2007 lehnt Aufhebung ab
- Zaventem verkauft Land nur an niederländischsprachige - Maingain beklagt sich bei EU[8] [9] ; idem Vilvoorde [10]
- UN Kommittee sieht Rassismus-Gefahr [11] - UN unter frankophonem einfluss? [12]
- Premier Leterme verteidigt wooncode [13]
- Verfassungsgerichtshof aber 10. Juli 2008 Urteil [14] - Art. 6° annuliert (clause résolutoire expresse pas ok), 7° ok, aber "unbeschadet"! --> man versucht Gleichgewicht zu halten
"wonen in eigen streek" - keine frankophonen [19] [20], F. Van den Bossche will abändern
Skandal, Abkommen zwischen BM und privaten (nur für ndl.): [21] [22]
Die Erweiterung der Region Brüssel-Hauptstadt
BearbeitenDer Flughafen Brüssel-Zaventem
BearbeitenLiteratur
BearbeitenWeblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Eine inoffizielle koordinierte Version dieser Gesetzgebung ist in deutscher Sprache erhältlich auf der Webseite der Zentralen Dienststelle für deutsche Übersetzungen des Bezirkskommissariats Malmedy.
- ↑ Lalibre.be: Keulen ne nommera pas trois bourgmestres francophones (14. November 2007) (frz.).
- ↑ Lalibre.be: La riposte francophone (16. November 2007) (frz.).
- ↑ Flämisches Dekret vom 15. Juli 1997 den Wohnungskodex enthaltend.