Meeresschildkröte im Korallenriff

Der Wert der Natur wurde bislang noch nicht exakt ermittelt. Da die Natur für die meisten Menschen derzeit keinen besonderen Wert hat, gehen viele von ihnen entsprechend achtlos mit ihr um ...

Dabei berechnete man nicht den Gesamtwert der Natur, sondern immer nur Teile, wie Baumstämme, Ackerland, Wasser oder Wildtiere. Da alle Lebewesen auf der Welt auf saubere Luft, sauberes Wasser und giftfreie Nahrung angewiesen sind, muss man der Natur einen viel höheren Wert beimessen, als der Summe ihrer Teile. Der Gesamtwert der Natur ist nicht meßbar. Dagegen lässt sich der materielle Wert von einzelnen gehandelten Naturgütern leicht ermitteln. Beispielsweise kostet ein Kilo Hering[1] im Supermarkt etwa drei bis acht Euro. Im Wald gesammelte und dann getrocknete Steinpilze kosten pro Kilo zwischen 70 und 100 Euro.

Komplizierter ist der Wert eines ganzen Ökosystems zu ermitteln. Wissenschaftler aus Großbritannien berechneten den Wert, den die Natur der Insel als Beitrag zur britischen Wirtschaft leistet. Dabei bezogen sie viele erdenkliche Kleinigkeiten mit ein. Sie errechneten den Erholungswert der Landschaft ebenso wie den Wert der Regenwürmer als Köder für Angler und kamen auf einen Betrag von acht Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Geschichte

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Bereits zu Beginn der 1980er Jahre versuchte der Biochemiker Frederic Vester den Wert der Natur anhand eines Blaukehlchens zu berechnen. Er kam dabei auf einen Preis von 237 Franken und 16 Rappen.[2]

Beispiel Korallenriffe

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Weichkoralle

Die UNEP schätzt den materiellen Wert der Korallenriffe auf einen Betrag von 100.000 bis 600.000 US-Dollar pro Quadratkilometer und Jahr. Werden die Kosten für den effektiven Schutz eines Korallenriffs dagegengerechnet, belaufen sich diese Kosten nur auf 775 US-Dollar[3]. Der hohe Wert der Riffe setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen. Korallenriffe verhindern Erosion und das Fortspülen ganzer Strände. Sie haben eine wichtige Funktion für die lokale Fischerei und einen hohen Erholungswert für Menschen. Korallenriffe sind wahre Brutstätten für Fische und andere Meerestiere. Für den Tourismus sind sie unersetzlich. Denn in vielen Regionen der Erde gibt es kaum andere Sehenswürdigkeiten als die prächtigen Korallenriffe vor der Küste. Nur wenn die Menschen vor Ort den materiellen Wert der Korallenriffe erkennen, werden sie diese auch schützen.

Schutz vor Erosion

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Die UNEP schätzt, dass ein typisches Korallenriff bis zu 90 Prozent der Energie, die mit Wind und Wellen auf die Küste treffen, aufnehmen kann. In ihrem Report zitiert die UNEP eine Studie aus Sri Lanka, in der es heißt, dass ein Quadratkilometer Korallenriff jährlich zirka 2.000 Kubikmeter Küstenerosion verhindert.

Dort wo Riffe beschädigt oder zerstört wurden, können künstliche Barrieren sehr viel kosten. Nach der Zerstörung der natürlichen Riffe auf den Malediven betrugen die Kosten für die Installation von künstlichen Wellenbrechern aus Beton 10 Millionen US-Dollar pro Kilometer.

Tourismus

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Taucher an einem Korallenriff.

In den Teilen von Indonesien und in der Karibik, in denen der Tourismus die Haupteinnahmequelle der Bevölkerung ist, werden Riffe mit einem Wert von 1 Million US-Dollar pro Quadratkilometer und Jahr geschätzt. Diese Schätzung basiert auf dem Wert des Erhalts der Sandstrände und der Anziehungskraft der Natur auf Urlauber, die zum Schnorcheln und Tauchen kommen.

Ein Beispiel für den touristischen Wert der Korallenriffe und eines intakten Ökosystems ist der Indonesische Bunaken Meeres-Nationalpark in Sulawesi. Hier verdienen Angestellte im Tourismus im Schnitt 114 US-Dollar im Monat. Fischer verdienen hingegen nur 44 US-Dollar. Mit sanftem Schildkröten Tourismus lässt sich dreimal soviel Geld verdienen wie mit der Jagd auf die bedrohten Meerestiere. Das zeigt ein Vergleich von 18 Fallstudien im Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean.

Jedes Jahr besuchen mehr als 1,8 Millionen Touristen das Great Barrier Reef und geben geschätzte 4,3 Milliarden Australische Dollar aus. Dieses Geld steht in direkter Verbindung mit dem Riff. Es fließt an Tauchschulen, an Bootsvermieter, Hotels und Restaurants. In der Karibik berechnet die UNEP den jährlichen Nettonutzen des Tourismus auf zwei Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2000 wurden 625 Millionen US-Dollar davon direkt für den Tauchtourismus an den Riffen ausgegeben.

Damit setzt das Riff mehr Geld um als zwei neu gebaute mittlere Kommissionierläger der Firma Ikea in Dortmund Mengede und Kiew, Ukraine.

 
Anemonenfisch

Die UNEP sagt, dass geschätzte 30 Millionen Fischer in der dritten Welt, in größerem oder kleinerem Umfang von den Korallenriffen abhängig sind. Beispielsweise auf den Philippinen hängt der Lebensunterhalt von mehr als einer Million Fischer direkt von den Korallenriffen ab. Die UNEP schätzt, dass die Fischerei am Korallenriff zwischen 15.000 US-Dollar und 150.000 US-Dollar pro Quadratkilometer im Jahr einbringt. Allein die Fische, die für Aquarien gefangen werden, haben in Europa und den USA einen Wert von 500 US-Dollar pro Kilogramm. Dem gegenüber steht der Wert der Speisefische, die am Riff gefangen werden, bei nur sechs US-Dollar. Die Zierfisch-Exporteure beschäftigen weltweit etwa 50.000 Menschen und generieren allein in Sri Lanka jährlich 5,5 Millionen US-Dollar Umsatz.

Aus medizinischer Sicht haben Korallenriffe einen Wert von 6.000 US-Dollar pro Hektar. So hat man herausgefunden, dass der menschliche Körper den Klebstoff, mit dem sich Muscheln an Felsen festhalten, nicht abstößt. Dieser Klebstoff eignet sich zur Heilung von Knochenbrüchen und zum Wundverschluss. Besonders in Schwämmen und anderen wirbellosen Tieren lassen sich Substanzen gegen Krebs und Alzheimer finden. Viele neue Antibiotika stammen aus den Korallenriffen.

In der Bionik ist der Wert der Korallenriffe noch gar nicht abzuschätzen. Immer neue Anwendungen werden hier entdeckt. Die Struktur der Kieselalgen nutzt man als Vorlage für Autofelgen. Schwimmer erreichen mit Schwimmanzügen, die der Haihaut nachempfunden wurden, immer neue Rekorde.

Beispiel Mangroven

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Mangroven bieten nicht nur Schutz vor Tsunamis, sie sind wichtige Laichgründe für viele Fischarten. Die Jungfische finden zwischen den Wurzeln Schutz. Mangroven sind gleichermaßen wichtige Ökosysteme für Meeres- und Süßwassertiere. Sie verhindern wirksam Küstenerosion und Sturmschäden.

Eine Studie vom Oktober 2005 zeigte, dass Bereiche mit Mangrovenwäldern deutlich weniger durch den Tsunami 2004 in Südostasien beschädigt wurden als Gebiete ohne Mangroven.

Der Wert dieses Ökosystems liegt durchschnittlich bei mehr als 100.000 US-Dollar pro Quadratkilometer. In Thailand liegt der Wert bei 3,5 Millionen US-Dollar pro Quadratkilometer. In Matang, Malaysia, wird ein 400 Quadratkilometer großer Mangrovenwald mit 100 Millionen US-Dollar Nutzen pro Jahr für die Fischerei veranschlagt. Außerdem werden mit den Matang-Mangroven weitere Einnahmen durch forstwirtschaftliche Erzeugnisse im Wert von zehn Millionen US-Dollar pro Jahr erwirtschaftet.

Beispiel Insekten

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Hummel (Apinae Bombus).

John Losey, ein US-amerikanischer Forscher von der Cornell University hat gemeinsam mit seinem Kollegen Mace Vaughan von der Xerces Society for Invertebrate Conservation ausgerechnet, wie wertvoll zumindest ein Teil der Arbeit der Insekten ist. Demnach tragen die Insekten jährlich einen Wert von 57 Milliarden US-Dollar zur Wirtschaft der USA bei.

Sie dienen als Nahrungsquelle für Wildtiere wie zum Beispiel Vögel, die ihrerseits einen Nutzen von 50 Milliarden US-Dollar für die Wirtschaft erbringen. Als Schädlingsbekämpfer sind die Insekten 4,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr wert. Sie bestäuben Pflanzen im Wert von drei Milliarden US-Dollar. Diese Zahlen erscheinen sehr hoch, doch nach Losey’s Aussage sind sie äußerst konservative Schätzungen. Sie entsprechen wahrscheinlich nur einem Bruchteil des wahren Wertes der Insekten. Denn wichtige Bereiche wie die Zersetzung von Kadavern, Laub und Totholz, die Produktion von Honig und anderen Naturstoffen, wurden in die Untersuchung nicht einbezogen.

Wert der Natur für die Wirtschaft

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Die Folgen einer finanziellen Unterschätzung der Natur können für die Wirtschaft verheerend sein. Selbst Versicherungsgesellschaften fordern heute Präventionsmaßnahmen zum Schutz der Natur, weil sich diese auszahlen. Denn durch klimabedingte Stürme und Hochwasser entstehen gigantischen Schäden. Für die Tourismusindustrie liegt der Wert der Natur klar auf der Hand. Touristen besuchen keine zerstörten Landschaften, wie etwa Tagebaue. Der Ertrag aus einer intakten Naturlandschaft übersteigt den Wert der von Menschen geschaffenen Attraktionen bei weitem.

In der Kosten-Nutzen-Analyse des einzelnen Verbrauchers überwiegt allerdings zumeist der Ertrag den persönlichen Kosten, da der Wertverlust der Natur nicht vom Verursacher, sondern als externe Kosten gesamtgesellschaftliche getragen wird.

Die Ressourcen der Natur sind als knappe Güter nicht unbegrenzt verfügbar, weisen gleichzeitig aber den Charakter freier bzw. öffentlicher Güter auf. Mit der Frage nach den Ursachen und Lösungsmöglichkeiten dieser Umweltprobleme befasst sich die Umweltökonomik. In der ökologieorientierten Betriebswirtschaftslehre wird versucht den durch wirtschaftliches Handeln entstandenen Schaden zu vermeiden, vermindern oder vorzubeugen.

Siehe auch

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Literatur

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  • Claudia Nielsen: Der Wert stadtnaher Wälder als Erholungsraum: Eine ökonomische Analyse am Beispiel von Lugano. Rüegger Verlag 1992. ISBN 3725304610.
  • Hans Immler: Natur in der ökonomischen Theorie III. Vom Wert der Natur. Zur ökologischen Reform von Wirtschaft und Gesellschaft. Verlag für Sozialwissenschaften 1989. ISBN 3531120565.
  • Kirsten Meyer: Der Wert der Natur. Mentis-Verlag; Juni 2003. ISBN 3897853647.
  • Werner Beck, Hans Immler und Martin Schindehütte (Herausgeber): Vom Wert der Natur: Zur Rückkehr der Natur in die Gesellschaft. Verlag Evangelische Akadamie Hofgeismar 1991. ISBN-10 3892811911.

Einzelnachweise

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  1. „Synergien im Einkauf der Rohware können verhältnismäßig leicht hergestellt werden, da v. a. der Hering ein Standardprodukt darstellt, auf das die meisten Unternehmen angewiesen sind. Gleichzeitig ist dieser von hohen Preissteigerungen betroffen, die aller Einschätzung nach weiter anhalten werden. Während das Kilogramm Hering 2003 noch 60 Cent kostete, müssen nun 90 Cent aufgebracht werden.“ Wiebke Lang, Julia Rippe: Entwicklungstendenzen in der Fischwirtschaft: Chancen und Risiken für den Standort Cuxhaven. Forschungsbericht des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen (PDF-Dokument). Seite 46, 47.
  2. http://www.uvek.admin.ch/dokumentation/00476/00477/00932/index.html?lang=de
  3. UNEP-Studie: Wertvolle Korallenriffe. „In ihrer Studie haben die Wissenschaftler der UNEP Zahlen und Daten zusammengetragen. (...) So schätzen die Autoren der Studie den Wert gesunder Korallenriffe auf 100.000 bis 600.000 US-Dollar pro Quadratkilometer und Jahr. Dieselben Korallenriffe in Schutzgebieten zu erhalten, würde 775 US-Dollar pro Quadratkilometer kosten.“
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[[Kategorie:Korallenriff]], [[Kategorie:Naturschutz]]