Die Präsidentschaftswahl in Weißrussland 2020 endete am 9. August 2020. Bereits ab dem 4. August konnten Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben. Die Wahl wurde von anhaltenden Protesten in Belarus (deutsch auch Weißrussland) begleitet und von der COVID-19-Pandemie überschattet. Sie gilt als Scheinwahl, weil relevante Gegenkandidaten festgenommen wurden und Wahlmanipulationen nachgewiesen werden konnten.[1][2] Nach der Wahl floh die Oppositionskandidatin Swjatlana Zichanouskaja nach Litauen (in der internationalen Presse oft Sviatlana Tsikhanouskaya geschrieben). Bei den täglichen Protesten wurden bis zum 13. August 2020 über 6000 Menschen festgenommen, 250 verletzt und zwei getötet.[3][4] Die Polizei schoss teilweise mit scharfer Munition auf Demonstranten.[5]
Hintergrund
BearbeitenSeit dem Zerfall der Sowjetunion und der Etablierung eines unabhängigen weißrussischen Staates (Belarus) im Jahre 1991 fanden fünf Präsidentschaftswahlen statt (Juni 1994, September 2001, März 2006, Dezember 2010 und Oktober 2015), aus denen stets Aljaksandr Lukaschenka, dem vorgeworfen wird, sein Land diktatorisch zu regieren, als Sieger hervorging. Mit Ausnahme der ersten entsprach keine davon demokratischen Standards.[6][7][8] Erreicht kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, würde eine Stichwahl notwendig. Dies war bisher jedoch nie der Fall.
Festnahme von Oppositionellen und Proteste vor der Wahl
BearbeitenLukaschenka verharmloste die COVID-19-Pandemie in Weißrussland seit ihrem Beginn und ließ Massenveranstaltungen ohne Vorsichtsmaßnahmen stattfinden. Nach Schätzungen galten bis Ende Juni in Weißrussland fast 62.000 Menschen als infiziert und bis Ende Juli fast 68.000. Dies – und die anhaltende Wirtschaftsschwäche im Land – haben der Opposition einen enormen Zulauf verschafft, der sich zu größeren Massenprotesten ausweitete.[9][10] Die Behörden versuchten, die Demonstrationen und Kundgebungen der Opposition zu verbieten; sie gingen teils mit Gewalt gegen sie vor.[1] Hunderte Teilnehmer wurden festgenommen.[11] Die vier aussichtsreichsten Kandidaten, die gegen den Amtsinhaber Lukaschenka antreten wollten, wurden nicht zur Wahl 2020 zugelassen und teilweise verhaftet, obwohl sie im Vorfeld hunderttausende Unterstützer-Unterschriften gesammelt hatten.[12] Dazu gehören:
- Mikalaj Statkewitsch, sozialdemokratischer Politiker (BSDP NH)[13]
- Wiktar Babaryka, Bankmanager und Politiker
- Waleryj Zapkala, Diplomat und Geschäftsmann
- Sjarhej Zichanouski, Videoblogger und Geschäftsmann
Statkewitsch und Zichanouski wurden im Vorfeld verhaftet und konnten ihre Kandidatur deshalb nicht einreichen. Gegen Babaryka begann im Juni ein Strafverfahren wegen angeblicher Geldwäsche; Zapkalas Unterschriften auf den Unterstützerlisten wurden nicht anerkannt.[14] Nach der Verhaftung Zichanouskis gab seine Frau Swjatlana Zichanouskaja bekannt, an seiner Stelle zur Wahl anzutreten.[15] Zu ihrem ersten Wahlkampfauftritt am 19. Juli in Minsk kamen mehrere Tausend Menschen.[16] Die Frauen der verhafteten Kandidaten Babaryka und Zapkala schlossen sich ihr bald an.[17][18] Lukaschenka behauptete, Weißrussland sei noch nicht reif für eine Frau an der Spitze.[14] Bereits im Juni hatte Zichanouskaja berichtet, ihr sei angedroht worden, dass sie verhaftet werde und ihre Kinder weggenommen würden, sollte sie weiter Wahlkampf betreiben. Sie schickte ihre Kinder daraufhin zu ihrer Großmutter ins Ausland.[19] Bereits zuvor waren anderen Oppositionskandidaten das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und diese stattdessen in staatliche Waisenhäuser verbracht worden.[20]
Bei einer von der Regierung organisierten Kundgebung am 6. August spielten die DJs Kiryl Halanau und Uladzislau Sakalouski unangekündigt das Lied Wir warten auf Veränderungen von Wiktor Zoi, das als inoffizielle Hymne der 1980er Freiheitsbewegung gilt. Die anwesende Menge begann mitzusingen, doch Sicherheitskräfte schritten ein, beendeten das Konzert und nahmen beide DJs fest. Sie wurden im Eilverfahren zu 10 Tagen Haft verurteilt.[21]
In der Woche vor der Wahl wurde die Wahlkampfleiterin von Swjatlana Zichanouskaja vorübergehend festgenommen.[22][23] Insgesamt waren sieben ihrer Mitarbeiter vor der Wahl festgenommen worden.[23] Laut der weißrussischen Menschenrechtsorganisation Wjasna seien im Rahmen des Wahlkampfes mehr als 1300 Personen festgenommen worden. Davon seien 25 politische Gefangene.[24]
Festnahme russischer Söldner
BearbeitenDarüber hinaus wurden 33 mutmaßliche Söldner der paramilitärischen russischen Wagner-Gruppe in Minsk festgenommen, die regelmäßig verdeckte Operationen für einen russischen Geheimdienst durchführt. Lukaschenka warf Russland daraufhin vor, Belarus militärisch destabilisieren zu wollen.[25][26] Bisher galt er als enger Verbündeter Putins. Seit dem Krieg in der Ukraine im Jahr 2014 habe sich dieses Verhältnis jedoch verschlechtert, so Beobachter. In den Medien wurde kolportiert, Lukaschenka befürchte, dass Russland versuchen könnte, als nächstes Weißrussland zu annektieren und ihn abzusetzen. Tatsächlich besteht bereits seit 1997 ein von ihm unterzeichnetes Abkommen, das einen Zusammenschluss beider Länder vorsieht. Jedoch distanzierte sich Lukaschenka davon.[27][28][29]
Am 14. August wurden die Söldner der Gruppe Wagner freigelassen und nach Russland überstellt.[30]
Eingeschränkte Berichterstattung
BearbeitenDie Berichterstattung zur Wahl wurde eingeschränkt: Mehr als 100 Vertreter internationaler Medien hatten keine Akkreditierung erhalten. Reporter ohne Grenzen zählte am Wochenende der Wahl mindestens 40 Journalistinnen und Journalisten, die festgenommen wurden.[23] Darunter ein Korrespondent der Deutschen Welle, der zu zehn Tagen Haft verurteilt worden war.[31]
Laut Spiegel konnten Journalisten vor der Wahl teilweise nicht live per Videoübertragung berichten; auch Telefonverbindungen seien zusammengebrochen. Am Wahltag meldeten oppositionelle Telegram-Kanäle, dass YouTube und andere Internetseiten kaum erreichbar seien. Auch verschlüsselte VPN-Verbindungen würden nicht funktionieren.[23]
App-Entwicklung als Versuch der Wahlbeobachtung durch die Opposition
BearbeitenOppositionelle entwickelten eine App, bei der Wähler nach einer Registrierung ein Foto vom Stimmzettel einreichen konnten. Rund eine Million Nutzer, etwa ein Neuntel der weißrussischen Bevölkerung, hatten sich bei der App registriert. Der Entwickler der App sowie mindestens sechs oppositionelle Wahlbeobachter wurden festgenommen und offiziell wegen Widerstandes gegen die Polizei verhaftet und zu sechs bis zwölf Tagen Haft verurteilt. Die Oppositionellen hatten zuvor eine Klage einreichen wollen, weil sie Ungenauigkeiten beobachtet hatten.[32]
Kandidaten
BearbeitenDie Zentrale Wahlkommission hat fünf Kandidaten zur Wahl zugelassen:[33]
Kandidat | Einzelheiten | Foto |
---|---|---|
Aljaksandr Lukaschenka | Präsident von Weißrussland | |
Sjarhej Tscheratschen | Weißrussische Sozialdemokratische Hramada (BSDH) | |
Hanna Kanapazkaja | Parlamentsmitglied (2016–2019) | |
Andrej Dsmitryjeu | Co-Vorsitzender von Sag die Wahrheit | |
Swjatlana Zichanouskaja | Frau des abgelehnten Bewerbers Sjarhej Zichanouski |
Ablauf der Wahl
BearbeitenDie Wahllokale wurden bereits einige Tage vor dem Wahltag zur Abstimmung benutzt. So wurden Studenten und Staatsbeamte aufgefordert, schon vor dem eigentlichen Wahltag abzustimmen. Laut Kritikern geschah dies, um eine Wahlfälschung vorzubereiten.[32] Die Opposition rief am Wahltag zu Protesten auf.[34]
Unabhängige Wahlbeobachter stellten bereits am 4. August, dem ersten Tag des vorgezogenen Wahlzeitraums, über 2.000 Verstöße gegen die Wahlgrundsätze fest: So wurden etwa Wähler am Betreten der Wahllokale gehindert, Wahlurnen nicht versiegelt und Vorhänge an Wahlkabinen entfernt.[35] Einige Wahlbeobachter wurden daraufhin festgenommen.[36] Allgemein war die Beobachtung der Wahl stark eingeschränkt; die OSZE reiste daher gar nicht erst an. Seit 1995 erkannte die OSZE keine Wahl in Weißrussland als frei und fair an.[37][38] Ein geleaktes Video, das mutmaßlich das Training von Wahlhelfern zeigt, nennt sogar bereits die im Vorfeld festgelegten Endergebnisse der Wahl.[39]
Auch aufgrund des Ausschlusses aussichtsreicher Gegenkandidaten im Vorfeld hielten manche Kommentatoren die Wahl bereits vor dem Wahltag für „weder frei noch fair“.[40]
Ergebnisse
BearbeitenLaut belarussischen Staatsmedien soll Amtsinhaber Lukaschenka gemäß Nachwahlbefragungen 79 Prozent der Stimmen, die aussichtsreichste Gegenkandidatin Zichanouskaja 6,9 Prozent der Stimmen erhalten haben. Diese Zahlen gelten für unabhängige Beobachter und die Opposition als gefälscht und damit nicht aussagekräftig.[41][42] Swjatlana Zichanouskaja erklärte sich zur Wahlsiegerin.[43]
Die prozentualen Gesamtergebnisse der Kandidaten sowie die Wahlbeteiligung in den einzelnen Oblasten wurden am Tag nach der Wahl publiziert. Die konkrete Gesamtanzahl an Stimmen für die jeweiligen Bewerber wurde am 14. August mitgeteilt. Aufgeschlüsselt nach Oblasten oder Wahlräumen gibt es bisher keine Ergebnisse.
Alle vier Oppositionskandidaten legten Beschwerde gegen die Ergebnisse bei der Belarussischen Wahlkommission ein, welche abgewiesen wurden.[44]
Nr. | Verwaltungsgebiet | Registrierte Wähler |
Abgegebene Stimmen | Aljaksandr Lukaschenka | Sjarhej Tscheratschen | Hanna Kanapazkaja | Andrej Dsmitryjeu | Swjatlana Zichanouskaja | Stimmen gegen alle 5 Kandidaten | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Anzahl | % | Anzahl | % | Anzahl | % | Anzahl | % | Anzahl | % | Anzahl | % | Anzahl | % | |||
1 | Oblast Brest | 92,14 | ||||||||||||||
2 | Oblast Wizebsk | 82,73 | ||||||||||||||
3 | Oblast Homel | 89,81 | ||||||||||||||
4 | Oblast Hrodna | 88,62 | ||||||||||||||
5 | Oblast Minsk Region | 84,81 | ||||||||||||||
6 | Oblast Mahiljou | 90,96 | ||||||||||||||
7 | Stadt Minsk | 66,45 | ||||||||||||||
Gesamt | 5.818.955 | 84,17 | 4.661.075 | 80,08 | 66.613 | 1,15 | 97.489 | 1,68 | 70.671 | 1,21 | 588.622 | 10,09 | 267.360 | 4,60 |
Proteste nach der Wahl, Verhaftungen und Misshandlungen durch die weißrussische Staatsgewalt
BearbeitenNoch am Wahlabend wurden laut lokalen Medien Teile des Zentrums der Hauptstadt Minsk, darunter der Unabhängigkeitsplatz, abgesperrt. Außerdem seien Stationen der Metro Minsk geschlossen worden.[34] Nach der Verkündung des vorläufigen amtlichen Ergebnisses, wonach Amtsinhaber Lukaschenka die Wahl mit Abstand gewonnen habe, kam es noch am Wahlabend in zahlreichen Städten in Belarus zu Massenprotesten gegen Wahlfälschung. In Minsk, wo rund 100.000 Menschen auf die Straße gingen[42], setzte die Polizei unter anderem Blendgranaten ein, mehrere Personen wurden festgenommen und verletzt.[46] Eine Person starb.[47] Es marschierten bewaffnete Soldaten auf, zahlreiche Webseiten, Messenger-Dienste und VPN-Server waren nicht mehr erreichbar und Straßenlaternen wurden abgeschaltet. Allein in dieser Nacht wurden über 3.000 Menschen verhaftet, davon rund 1.000 in Minsk. Landesweit ereigneten sich Proteste in etwa 30 Städten.[48]
Am Tag nach der Wahl wurde Amtsinhaber Lukaschenka durch die Wahlbehörde zum Sieger erklärt.[49] Zichanouskaja hatte zuvor am Wahlabend angekündigt, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen.[50] Am 11. August floh sie nach Litauen.[51] Zuvor war sie festgenommen und mutmaßlich zu einer Videobotschaft gezwungen worden.[52][53]
Seit dem 9. August kam es wiederholt zu Protesten. In der Nacht vom 10. August zogen erneut tausende Menschen durch Minsk und anderen Städten. Ein weiterer Demonstrant wurde dabei getötet. Nach Angaben des belarussischen Innenministeriums soll ein Sprengsatz in seiner Hand explodiert sein. Am 15. August wurde jedoch ein Video veröffentlicht, das zeigt, dass der Demonstrant sich mit erhobenen leeren Händen den Polizisten angenähert hat und dann erschossen wurde.[54] Aufnahmen zufolge prügelten Sicherheitskräfte auf mehrere friedliche Menschen ein und verwendeten erneut Blendgranaten und Gummigeschosse.[55] Insgesamt wurden ca. 6700 Demonstranten von der Polizei festgenommen und teils unter menschenunwürdigen Umständen in überfüllten Gefängnissen festgehalten; auch von Folter wurde berichtet.[56][57] 250 Menschen wurden bei den Protesten so schwer verletzt, dass sie in Krankenhäuser stationär aufgenommen wurden.[58] Vereinzelt solidarisierten sich Sicherheitskräfte in den Tagen nach der Wahl mit den Protestierenden.[58][59]
In der Nacht zum 12. August machten laut Angaben des Innenministeriums Polizisten vereinzelt Gebrauch von ihren Schusswaffen.[60] Vermummte Einsatzkräfte ohne Erkennungsmarke hatten Videos zufolge wahllos Menschen auf der Straße aufgriffen und mit Knüppeln auf sie eingeschlagen.[60]
Am 12. August 2020 starb ein herzkranker 25-Jähriger nach einer Festnahme.[61] Der Mann wurde nach Angaben seiner Mutter in Homel festgenommen als er auf dem Weg zu seiner Freundin war. An den Protesten habe er sich nicht beteiligt.[62]
Am 13. August 2020 brach ein landesweiter Generalstreik in mehreren staatlichen Betrieben aus. Sie protestierten damit gegen die mutmaßliche Wahlfälschung und forderten ein Ende der Gewalt sowie den Rücktritt Lukaschenkas. Im Verlaufe des Tages gingen noch mehr Menschen in Minsk und anderen Städten auf die Straße als es üblich der Fall gewesen ist.[63]
In der Nacht zum 14. August 2020 ließ die Regierung eigenen Angaben zufolge knapp 1000 Inhaftierte vorläufig frei, die in den Tagen zuvor willkürlich am Rande von Demonstrationen festgenommen worden waren; darunter waren laut Berichten auch zahlreiche Unbeteiligte.[64] Viele der Entlassenen berichteten von Misshandlungen in den Gefängnissen und zeigten ihre dort zugefügten Wunden.[65] Einige Insassen berichteten von Stromstößen und glühenden Zigaretten als Foltermethode.[56] Bildaufnahmen belegen diese Behauptungen.[66] Laut einem Zeugenbericht wurden alle Insassen geschlagen; darunter auch 13- bis 15-jährige Teenager.[65] Freigelassene Frauen aus einem Gefängnis in Minsk berichteten von 36 Personen, die in eine für vier Menschen ausgelegte Zelle gezwengt worden waren und stetig mit Wasser begossen wurden. Ihr Anrecht auf ein Treffen mit einem Anwalt wäre ihnen dagegen mit der Begründung eines Infektionsrisikos aufgrund der COVID-19-Pandemie verwehrt worden.[66] Außerdem hätten sich die Frauen dreimal ausziehen müssen und dabei jeweils einer Durchsuchung unterziehen müssen.[66]
Das weißrussische Innenministerium bestritt die Misshandlungen von Gefangenen.[66]
Am 16. August 2020 kam es zu Protesten, unter anderem in der Hauptstadt Minsk. An einem dortigen Protestmarsch gegen Staatschef Lukaschenka beteiligten sich unter anderem Journalisten des Staatsfernsehens, Forscher, Geschäftsleute und zwei ranghohe Diplomaten. Schätzungen zufolge nahmen etwa 200.000 Demonstranten am Protestmarsch teil. An einer Demonstration für Lukaschenka nahmen etwa 3000 Menschen teil; Berichten zufolge waren viele mit Bussen aus anderen Städten in die Hauptstadt gebracht worden; einige Staatsbedienstete berichteten, sie seien gezwungen worden, Lukaschenka die Treue zu schwören.
Am 17. August 2020 gab es erneut Proteste und Streiks gegen den Präsidenten. Das Staatsfernsehen Belarus 1 wurde ebenfalls bestreikt.[67] Lukaschenka hielt eine Ansprache bei einem Werksbesuch, dort wurde er ausgebuht.[68]
Lukaschenka, der sonst Neuwahlen immer abgelehnt hatte, schlug am 17. August 2020 erstmals eine Verfassungsänderung vor, die durch ein Referendum herbeigeführt werden solle, die auch Neuwahlen ermöglichen würde. Allerdings bekräftigte er auch den seiner Auffassung nach erreichten Sieg bei der Präsidentschaftswahl und lehnte Reformen aufgrund des Drucks der Straße ab.[69]
Weitere Gründe für die Proteste
BearbeitenGründe für die Proteste nach den Präsidentschaftswahlen sind neben der Durchführung der Wahlen ohne anerkannte Beobachter und der Manipulation des Wahlergebnisses auch, wirtschaftlichen und politischen Ursprungs. Hierzu gehört die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland, sinkende Ölpreise, eine eingeschränkte Subventionspolitik Russlands, die zur Verringerung der Staatseinnahmen führte, sowie ein Missmanagement in der Corona-Krise.[70]
Internationale Reaktionen
BearbeitenDer russische Präsident Wladimir Putin sowie Chinas Oberster Führer Xi Jinping gratulierten Aljaksandr Lukaschenka zur Wahl.[71] Ebenso der syrische Machthaber Assad[72], der türkische Präsident Erdoğan[73] und Nicolás Maduro aus Venezuela.[74]
Zahlreiche westliche Staaten äußerten sich dagegen besorgt über die Entwicklung in Belarus und verurteilten die Gewalt scharf; darunter alle EU-Mitgliedstaaten, die USA[75][76], Kanada[77], die Schweiz[78] und Großbritannien.[79] Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sprach von „Staatsterrorismus“. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erschüttert über die Vorgänge.[80] Die EU verlangte eine Freilassung der Gefangenen. Die Außenminister der EU-Staaten beschlossen am 14. August 2020 in einer außerplanmäßigen Konferenz Sanktionen gegen Verantwortliche, die für die Gewalt gegen Demonstranten und für die Fälschung des Wahlergebnisses verantwortlich sind.[81]
Amnesty International bewertete die gehäuften Misshandlungen an den Festgenommenen als von der weißrussischen Führung verordnete systematische Folter.[66]
Am 17. August 2020 berief EU-Ratspräsident Charles Michel aufgrund der Situation einen Belarus-Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs für den 19. August 2020 ein. Er äußerte, die Menschen in Belarus hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und ihre Führung frei zu wählen.[82]
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief Lukaschenko zum Gewaltverzicht und zum Dialog mit der Opposition auf. Er äußerte, das Militär solle sich nicht am eigenen Volk versündigen.[83] Einige Politiker, etwa aus Osteuropa, wurden noch deutlicher: Der litauische Außenminister bezeichnete Lukaschenka sogar wiederholt bereits als „ehemaligen Präsidenten”.[84] Die FDP organisierte mehrere Kundgebungen in Solidarität mit Belarus und forderte sofortige, demokratische Neuwahlen.[85]
Der belarussische Botschafter in der Slowakei, Igor Leschtschenja, solidarisierte sich in einer Videobotschaft mit den Demonstrationen; Er sei außerdem schockiert über die Folterungen und die von der Polizei ausgehende, anderweitige Gewalt gegenüber den Demonstranten.[86]
Literatur
Bearbeiten- Olga Dryndova (2019): Parlamentswahlen in Belarus: neue Tendenzen, alte Regeln, unklare Aussichten. Belarus-Analysen. Ausgabe 46 (04.12.2019) doi 10.31205/BA.046.01
Weblinks
Bearbeiten- Belarus: Lukaschenko-Herausforderer von Wahl ausgeschlossen, Zeit Online, 14. Juli 2020
- Proteste vor Präsidentenwahl: Zahlreiche Festnahmen in Belarus, tagesschau.de, 15. Juli 2020
- Des dizaines d’arrestations en Biélorussie à l’approche de l’élection présidentielle, Le Monde, 20. Juni 2020
- Sascha schlägt zurück, Spiegel, 13. Juli 2020
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b Belarusian Authorities Cancel Opposition Campaigning Ahead Of Election. Abgerufen am 8. August 2020 (englisch).
- ↑ siehe auch FAZ.NET 9. August 2020: Der Dauerherrscher greift durch
- ↑ Belarus: Second protester dies and 6,000 arrested in demonstrations. Abgerufen am 13. August 2020 (englisch).
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- ↑ As Belarus Elects New Parliament, Lukashenka Says He Will Seek Another Presidential Term. In: RadioFreeEurope/RadioLiberty. 17. November 2019, abgerufen am 5. Februar 2020 (englisch).
- ↑ Opposition Wins No Seats in Belarus Election. In: Civil Rights Defenders. 22. November 2019, abgerufen am 5. August 2020 (amerikanisches Englisch).
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- ↑ faz.net: Wenn der Dauerherrscher keucht und Schweiß tupft
- ↑ Belarusians Protest Against Lukashenka's Run For Sixth Term As President. Abgerufen am 8. August 2020 (englisch).
- ↑ DER SPIEGEL: Belarus: Mehr als hundert Festnahmen bei Protesten – DER SPIEGEL – Politik. Abgerufen am 8. August 2020.
- ↑ Christina Hebel, DER SPIEGEL: Weißrussland: Präsident Alexander Lukaschenko erlebt neue Protestwelle vor Wahl – DER SPIEGEL – Politik. Abgerufen am 8. August 2020.
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- ↑ a b ЦИК огласил окончательные итоги выборов, auf news.tut.by
- ↑ Vorläufige Abstimmungsergebnisse, auf vybary2020.by
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- ↑ Опубликовано видео, как в Минске погиб Александр Тарайковский. У него ничего не было в руках — МВД утверждало, что он бросал бомбу. In: www.meduza.io. Abgerufen am 15. August 2020.
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- ↑ tagesschau.de: Lukaschenko: Neuwahl vielleicht - aber nicht jetzt. Abgerufen am 17. August 2020.
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- ↑ Erdogan Congratulates Lukashenko On Victory At Belarusian Presidential Election In: v, 12. August 2020 (en-EN).
- ↑ Maduro celebra "inobjetable victoria" de Lukashenko en Bielorrusia In: panorama.com.ve, 10. August 2020. Abgerufen am 11. August 2020 (spanisch).
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- ↑ DER SPIEGEL: EU-Außenminister bringen Sanktionen gegen Belarus auf den Weg - DER SPIEGEL - Politik. Abgerufen am 14. August 2020.
- ↑ EU-Ratschef beruft Belarus-Sondergipfel ein. In: zeit.de. 17. August 2020, abgerufen am 17. August 2020.
- ↑ Bundespräsident fordert Lukaschenko zum Dialog mit Opposition auf. In: zeit.de. 17. August 2020, abgerufen am 17. August 2020.
- ↑ https://twitter.com/linkeviciusl/status/1294977129504014336?s=21
- ↑ https://www.fdp.de/_die-eu-darf-zu-lukaschenko-nicht-schweigen
- ↑ Weißrussland-Proteste: Mehr als 100.000 Menschen gegen Lukaschenko auf der Straße - Merkel reagiert. 17. August 2020, abgerufen am 17. August 2020.