Engagementpolitik bezeichnet die Gesamtheit der das bürgerschaftliche Engagement betreffenden politischen Strategien und Maßnahmen. "Politisch" meint dabei auch eine Einschränkung auf Akteure der politischen Sphäre. Strategien und Maßnahmen zivilgesellschaftlicher Organisationen, etwa der Wohlfahrtsverbände, werden üblicherweise nicht unter Engagementpolitik gefasst.
Spätestens mit der Einsetzung der Enquete Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" 1999 wurde Engagementpolitik in Deutschland als Handlungsfeld definiert:
"'Bürgerschaftliches Engagement ist eine unverzichtbare Bedingung für den Zusammenhalt der Gesellschaft' – mit dieser Grundüberzeugung hat der Deutsche Bundestag im Dezember 1999 die Enquete-Kommission 'Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements' eingesetzt und ihr den Auftrag erteilt, 'konkrete politische Strategien und Maßnahmen zur Förderung des freiwilligen, gemeinwohlorientierten, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichteten bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland zu erarbeiten'." [1]
Wie diese Aufgabenstellung zeigt, wird Engagementpolitik weitgehend verstanden als 'Engagementförderung', die im Wesentlichen eine Gewährleistung förderlicher Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement meint und weniger politische Reglementierungen des Engagements selbst.
"Engagementpolitik zu betreiben sollte im besten Sinne bedeuten, dass der Staat mittels Gesetz, Geld und Publizität lediglich Anreiz und Gelegenheitsstrukturen schafft, die individuelles Engagement ermöglichen und zivilgesellschaftliche Organisationen stärken." [2]
Handlungsfelder
BearbeitenInhaltlich lässt sich engagementfördernde Politik im Wesentlichen in drei Felder gliedern:
- Gesetzliche Rahmenbedingungen: Wesentlich sind steuerliche Vergünstigungen wie Übungsleiter- / und Ehrenamtspauschale sowie Regelungen zum Versicherungsschutz Engagierter. Erhebliche Auswirkungen auf das Engagement können aber z.B. auch arbeitsrechtliche Regelungen haben, die die "work-life-balance" beinflussen (flexible Arbeitszeit, Freistellungen, Elternzeit...), Regelungen zu Fort- und Weiterbildung u.A. [3]
- Infrastruktur-Förderung: neben eigenen Leistungen der Verwaltung wie etwa Informationsportalen im Internet und Ansprechstellen vor Ort werden zivilgesellschaftliche Einrichtungen gefördert, wie Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenagenturen, Selbsthilfekontaktstellen, Mehrgenerationenhäuser, Bürgerstiftungen, Freiwilligenakademien. Diese Organisationen leisten wesentlich die unmittelbare Engagementförderung (Freiwilligenmanagement, Qualifizierung, Vermittlung, Öffentlichkeitsarbeit etc.).
- Projektförderungen, die der Entwicklung neuer Handlungsansätze und Verfahrensweisen sowie dem Aufbau von Infrastrukturen dienen. [4]
Aus Sicht der bürgerschaftlich Engagierten besteht der größte Handlungsbedarf der Engagementpolitik in besserer Information über Engagementmöglichkeiten, gefolgt von besserer steuerlicher Absetzbarkeit und Anerkennung in den Medien.[5]
Institutionelle Verankerung
BearbeitenIn Politik / Verwaltung ist Engagementpolitik auf den drei föderalen Ebenen insbesondere in folgenden Organisationen angesiedelt:
Auf Bundesebene:
- im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Bundestages
- in der Unterabteilung 31 des BMFSFJ (vgl. Organigramm des BMFSFJ)
Auf Landesebene:
- in Landesnetzwerken [6]
- in unterschiedlich angesiedelten Stabsstellen u.Ä.
Kommunal:
- in Fachstellen / -Referaten
Aktuelle Entwicklungen
BearbeitenNationale Engagementstrategie
BearbeitenEnde 2010 hat das BMFSFJ mit der Formulierung einer 'nationalen Engagementstrategie' einen Schritt in Richtung einer Gesamtkonzeption der Engagementpolitik unternommen: "Mit der Nationalen Engagementstrategie legt die Bundesregierung die Grundlage für eine gemeinsame und aufeinander abgestimmte Engagementförderung aller Ressorts. (...) Im Vertrauen auf die kreative Problemlösungsfähigkeit und das Interesse an Mitgestaltung und Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger will die Bundesregierung damit einen Rahmen für die freiheitliche, subsidiäre Selbstorganisation einer lebendigen Bürgergesellschaft schaffen." [7].
Während dieses Anliegen generell breite Zustimmung findet, wurde der vorliegende Strategieentwurf der Bundesregierung in der öffentlichen Debatte (vgl. www.engagementzweinull.de) teilweise scharf kritisiert. So stellt sie z.B. für die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege "keine Strategie im eigentlichen Sinne des Wortes dar. Sie enthält weder planvolle Vorgehensweisen zur Zielerreichnung noch definiert sie dafür notwendige strukturelle oder personelle Zuständigkeiten." [8]
Freiwilligendienste
BearbeitenDie verschiedenen [Freiwilliges Jahr|Freiwilligen Jahre] wurden zunächst für Jugendliche und junge Erwachsene als Engagementform mit besonderer Verbindlichkeit etabliert. 2011 wurde im Zuge der Aussetzung der Wehrpflicht und des damit einhergehenden Wegfalls der Zivildienstleistenden der Bundesfreiwilligendienst eingeführt, der allen Altergruppen offen steht. Die Engagementpolitik des Bundes erfährt damit eine Schwerpunktverschiebung hin zu Dienstformaten.
Teilweise ist umstritten, ob Freiwilligendienste als Form bürgerschaftlichen Engagements anzusehen sind.[9]
Infrastrukturförderung
BearbeitenInsbesondere bezüglich der Förderung von engagementförderlichen Infrastrukturen wird derzeit die Kompetenzverteilung der föderalen Ebenen diskutiert. Strittig ist insbesondere, ob regionale/ lokale Infrastruktureinrichtungen vom Bund gefördert werden dürfen. Ein vom BMFSFJ beauftragtes Gutachten des Sozialrechtlers Prof. Dr. jur Gerhard Igl kommt zu dem Ergebnis, dass dies verfassungskonform möglich wäre. Bundesfinanzministerium und Bundesrechnungshof widersprechen dem Gutachten.[10]
Referenzen
Bearbeiten- ↑ Deutscher Bundestag: Bericht der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements". Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Bundestags-Drucksache 14/8900. Berlin 2002, S. 2.
- ↑ Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) / BMFSFJ (Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Berlin 2009, S. 16.
- ↑ Vgl. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) / BMFSFJ (Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Berlin 2009, S. 145, 148f.
- ↑ Übersicht der Projekte des BMFSFJ vgl. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) / BMFSFJ (Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Berlin 2009, S. 151f.
- ↑ vgl. Gensicke, Thomas / Geiss, Sabine: Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009 - Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Bürgerschaftlichem Engagement. München 2010, S. 294.
- ↑ vgl. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) / BMFSFJ (Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Berlin 2009, S. 157ff.
- ↑ BMFSFJ 2010: Nationale Engagementstrategie. in: Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) (Hrsg): Nationales Forum für Engagement und Partizipation Band 4: Engagementpolitik im Dialog – Kommentare und Stellungnahmen zur Engagementstrategie der Bundesregierung. Berlin 2010, S. 8.
- ↑ Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) (Hrsg): Nationales Forum für Engagement und Partizipation, Band 4: Engagementpolitik im Dialog – Kommentare und Stellungnahmen zur Engagementstrategie der Bundesregierung. Berlin 2010, S. 51.
- ↑ Quelle?
- ↑ Vgl. Deutscher Bundestag:Bundesengagement auf regionaler Ebene umstritten. Pressemitteilung. Deutscher Bundestag 2010, Abruf 26.5.2011.
Literatur
Bearbeiten- Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) / BMFSFJ (Hrsg.): Bericht zur Lage und zu den Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Berlin 2009 (wzb_BE_2009 (PDF)).
- Deutscher Bundestag: Bericht der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements". Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Berlin 2002. Bundestags-Drucksache 14/8900.
- Gensicke, Thomas / Geiss, Sabine: Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009 - Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Bürgerschaftlichem Engagement. München 2010 (Gesamtbericht (PDF)) (Zusammenfassung (PDF)).
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) (Hrsg): Nationales Forum für Engagement und Partizipation: Ergebnisbericht Dialogforum Infrastrukturförderung (Newsletter 13/2010). Berlin 2010.
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) (Hrsg): Nationales Forum für Engagement und Partizipation, Band 4: Engagementpolitik im Dialog – Kommentare und Stellungnahmen zur Engagementstrategie der Bundesregierung. Berlin 2010, ISBN 978-3-00-033445-0 (nfep_bd4 (PDF)).
Links
Bearbeiten- Nationales Forum für Engagement und Partizipation
- Unteraussschuss Bürgerschaftliches Engagement im Deutschen Bundestag.
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) Zusammenschluss von Akteuren aus Bürgergesellschaft, Staat und Wirtschaft mit dem gemeinsamen Ziel der nachhaltigen Förderung von Bürgergesellschaft und bürgerschaftlichem Engagement.
- Initiative Zivilengagement Portal des BMFSFJ mit Informationen zur Engagementpolitik des Bundes.