Das Telegraphenamt Emden wurde am 24. November 1854 als Eisenbahn-Telegraphenanstalt der Eisenbahnstrecke Emden-Papenburg (Westbahn) eröffnet. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war das Telegrafenamt in Emden die wichtigste Übersee-Telegrafenstelle Deutschlands, dessen Entwicklung eng mit der Ausdehnung des deutschen Überseekabelbesitzes verbunden war.
Es war Seinerzeit das größte Kabelamt der Welt mit weltweiten Verbindungen. Die Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört.[1]
Namen:
- Kaiserl. Deutsches Telegraphenamt Emden
Gebäude
BearbeitenDas Kaiserliche Post- und Telegraphenamt an der Ecke Große Brück-Straße / An der Schlichte (jetzt Stephan-Straße) wurde 1876 bis 1879 im Stile der italienischen Renaissance für 480.000 Mark[Anm. 1] erbaut. Der Turm war 75 Meter hoch, trug vier Uhren und eine Glocke und hatte auf der Spitze einen Drachen als Windzeiger. 1897 wurde ein Erweiterungsbau für das Telegrafenamt bis zur Großen Osterstraße für 260.000 Mark[Anm. 2] angebaut.[2]
Geschichte
BearbeitenAm 5. November 1858 erfolgte die Inbetriebnahme des ersten deutsch-englischen Kabels nach Cromer (Norfolk) mit zwei Adern, das aber nur bis 1864 betriebsfähig blieb. 1866 verlegte die englische Reutergesellschaft ein vieradriges Ersatzkabel von Lowestoft über Norderney nach Norden (Ostfriesland), das durch oberirdische Leitungen nach Emden verlängert wurde.
Am 1. Januar 1867 übernahm die Norddeutsche Bundespostverwaltung das Amt Emden mit drei Leitungen und verlegte es am 21. April 1879 in ein reichseigenes Gebäude, das 1896 und 1910 vergrößert wurde.
Die Vereinigte Deutsche Telegraphengesellschaft legte 1871 ein vieradriges Kabel von Lowestoft über Borkum nach Greetsiel; von dort wurde eine oberirdische Linie, die 1881 durch ein Kabel ersetzt wurde, nach Emden gebaut.
Die ersten deutschen Seekabel nach Übersee wurden 1896 von Emden nach Vigo von der Deutschen Seetelegraphengesellschaft, 1900 über die Azoren nach New York von der Deutsch-Atlantische Telegraphengesellschaft gebaut.
Die Betriebseröffnung, durch Gesellschaftsbeamte im Reichsgebäude, fand am 7. Juni 1872 statt.
Auf einer Leitung wurden Telegramme für Amerika nach Valentia Island (Irland), von da weiter auf einem gemieteten Kabel der Anglogesellschaft nach New York befördert mit Umtelegrafierungen in London, Valentia, Hearts Content[Anm. 3] (Neufundland) und Sydney (Nova Scotia) (Kap-Breton-Insel). Die übrigen drei Leitungen dienten dem Verkehr mit London, zuerst mit Farbschreibern, von 1878 ab im Gegensprechbetrieb, nach Einrichtung von Übertragungen in Lowestoft 1884 mit Hughes (David Edward Hughes).
Zur Vermeidung der Umtelegrafierung in London legte die Gesellschaft 1881 ein Kabel über Borkum nach Valentia, das am 22. April 1882 in Betrieb genommen wurde.
Am 1. Januar 1889 gingen die beiden Kabel der deutschen Gesellschaft nach Valentia und Lowestoft in den Besitz des Deutschen Reiches über. Emden erhielt gute Verbindungen nach den größeren Orten Deutschlands und des Auslandes (Antwerpen, Amsterdam, Rotterdam, Malmö, Kopenhagen, Christiana und Wien). An Kabeln kamen hinzu:
- 1. 1891 und 1896 je ein vieradriges nach Bacton, Norfolk (England)
- 2. 24. Dezember 1896 ein einadriges nach Vigo (Spanien) zum Anschluss an die Linien der Eastern Kabelgesellschaft nach dem Mittelmeer, Afrika, Südamerika und dem fernen Osten
- 3. 1. September 1900 ein einadriges über die Azoren nach New York (Borkum-Horta-New York)
- 4. 1901 ein vieradriges nach Bacton
- 5. 30. Oktober 1903 ein zweites einadriges Kabel nach den Azoren, welches 1904 bis New York verlängert wurde
- 6. 26. August 1909 ein einadriges nach Teneriffa für den Verkehr nach Westafrika und Südamerika, das 1910 bis Monrovia, 1911 von da nach Pernambuco und 1913 von Monrovia nach Lome und Duala verlängert wurde
- 7. 1911 ein einadriges nach Brest, gewonnen durch Umlegung des seit 1900 unbenutzten Kabels Emden-Valentia
- 8. 1913 ein vieradriges über Norderney nach Mudesley (England)
Die Länge der in Emden mündenden Kabel betrug 1913 35.728 km mit 44.467 km Leitungen. Die Kabel zu 1, 4 und 8 gehörten je zur Hälfte der englischen und deutschen Verwaltung, die Kabel 2, 3 und 5 gehörten der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft, das Kabel 7 der deutschen Verwaltung. In die Adern der sechs deutsch-englischen Kabel waren in Emden Übertragungen eingeschaltet, so dass die größeren Anstalten Deutschlands unmittelbare Verbindungen mit London besaßen. 1913 betrug der in Emden umgearbeitete Telegrammverkehr 5,6 Millionen Telegramme, der Personalbestand des Amtes 361 Beamte und 26 Boten.
Nach dem Ersten Weltkrieg
BearbeitenWährend des Ersten Weltkrieges „ruhte“ der Auslandsverkehr: Die Kabel nach Vigo, Teneriffa, Azoren und Brest wurden von England am 5. August 1914 durchschnitten, die Kabel nach England außer Betrieb gesetzt.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs verlor Deutschland seine Seekabel.
Nach dem ersten Weltkrieg konnten nach langwierigen Instandsetzungsarbeiten in Betrieb genommen werden, am:
- 23. August 1919 das Kabel Emden-Bacton I
- 11. September 1919 Emden-Bacton II
- 29. September Emden-Mundesley
- 6. Oktober Emden-Bacton III
- 21. Mai 1921 Emden-Norderney-Lowestoft
- 6. Mai 1922 Emden-Borkum-Lowestoft
In diesen Kabeln betrieb Emden zwei Adern mit Baudot, ferner hatten Berlin zwei Siemens- und eine Baudot-, und eine Hughes-, Bremen zwei Hughes-, Leipzig, Köln, Berlin Börse (während der Börsenstunden), Prag und Wien je eine Hughesverbindung. Am 3. August 1923 wurde der Betrieb der Indoleitungen in zwei Adern wieder aufgenommen.
1924 konnte wieder eine leistungsfähige Seekabellinie von Emden auf die Azoren und ein Jahr später eine zweite unter Verwendung verbliebener alter Kabelstümpfe zwischen Emden und Vigo hergestellt werden.[3]
Am 18. Mai 1925 wurde ein Sechsersatz für Wechselstromtelegrafie mit Berlin in Betrieb genommen. Die großen Überseekabel sind durch den Friedensvertrag zum größten Teil abgetreten worden, nur die Strecken bis zur Straße von Calais verblieben den Besitzern.
Anfang Februar 1924 wurde der Stumpf des früheren Vigokabels in Dumpton, in der Nähe von Dover, gelandet und bis zur Kabelstation der Easterngesellschaft in London verlängert (siehe Easternkabel). Diese Verbindung wurde am 18. Februar 1924 in Betrieb genommen.
Zur Verbesserung des Telegrammverkehrs mit Amerika wurden am 27. Januar 1926 unmittelbare Verbindungen zwischen Emden und den Stationen der Western Union und der Commercial Kabelgesellschaft in London unter Benutzung je einer Ader der deutsch-englischen Kabel hergestellt. Diese wurden in Gegensprechbetriebe mit einer Übertragung in North Walsham zunächst mit Hughes,[4]vom 3. Mai 1926 ab mit Heberschreibern, ebenso wie das Easternkabel, betrieben. Seit dem 13. September 1926 arbeitete Emden auf der Leitung der Western Union nachts mit New York unmittelbar. Der Betrieb auf dem neuen Azorenkabel wurde am 4. März 1927 aufgenommen. Der Jahresverkehr betrug Ende der 1920er Jahre 4,5 Millionen Telegramme.[5]
Berühmt geworden durch den Betrieb der 5fach-Multiplexeinrichtungen für Überseekabelbetrieb der Western-Union Comp. angeschlossen Start-Stop-Fernschreibmaschinen.
Zweiter Weltkrieg
BearbeitenAm 31. März 1941 zerstörte eine Luftmine Teilbereiche des Telegraphenamtes an der Osterstraße, [6] siehe auch: Luftangriffe auf Emden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
BearbeitenNach dem Zweiten Weltkrieg, in dem sämtliche Überseekabelleitungen zerstört worden waren, wurde der Betrieb erst in den 1950er Jahren in ganz bescheidenen Umfang wieder aufgenommen. Als technische Einrichtungen sind Kabelapparate der Cable & Wireless Comp. eingesetzt worden, die durch interessante Lösungen der Probleme des Kabelanschlusses, der Zeichenentzerrung und der Fernschreibapparatetechnik bekannt geworden sind. Letztere ist durch die direkte Umsetzung der Kabel-Codezeichen in 5-Schritt-Start-Stop-Zeichen, also durch eine Kopplung von Morse- und Fernschreibmaschinentechnik gekennzeichnet. Die Seekabeltechnik älterer Art ist in den 1970er Jahren durch die Wechselstromtelegrafie auf den modernen Transatlantikkabeln und die Multiplex-Funkfernschreibsysteme verdrängt worden.[7]
Im Februar 1950 wurde ein Wählamt mit 2000 Anrufeinheiten ermöglichte das Selbstwählen im Ortsnetz, die Handvermittlung konnte sich auf die Ferngespräche konzentrieren. Die eigentlich für München bestimmte Anlage war etwas zu groß geraten, da nur 1400 Anschlüsse geschaltet waren. Emden gehörte deshalb zu den wenigen Städten in der Bundesrepublik, in denen ohne irgendwelche Beschränkungen an einem neuzeitlichen Fernsprechverkehr teilgenommen werden konnte. 1952 wurde das Telegraphenamt in Fernmeldeamt Emden umbenannt. Die Fernmeldedienststellen Norden, Aurich, Esens, Leer und Papenburg wurden dem Fernmeldeamt Emden unterstellt.
Eine Neuordnung des Telefonnetzes 1964 bringt die Verlegung der Hauptvermittlungsstelle in das zentraler gelegene Leer (Ostfriesland) mit sich.[8] Emden wird Knotenvermittlungsstelle und behält für rund 30 Jahre einen Fernmeldebezirk.[9]
Vorwahl 04 (Deutschland)#049 – Leer (Ostfriesland) und Umgebung
Denkmal
BearbeitenEin Denkmal für Heinrich von Stephan wurde 1895 vor dem Telegraphenamt an der damaligen Straße „An der Schlichte“ (jetzt Stephan-Straße) aufgestellt. Jetzt steht das Denkmal etwas zurückversetzt auf dem ehemaligen 1946 zugeworfenen Torfmarkt.
Siehe auch
Bearbeiten- Emden zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs
- Im Stadtteil Groß-Faldern befindet sich das teils erhaltene frühere Telegrafenamt aus dem späten 19. Jahrhundert. Auf diesem Gelände, das heute der Deutschen Telekom gehört, steht das höchste Bauwerk der Stadt, der Emder Fernsehturm.
Literatur
Bearbeiten- Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens
- Hans-Wilhelm Pruin: „Hundert Jahre Telefon in Ostfriesland - Erste Handvermittlung stand in Emden“; Deutsche Telekom Niederlassung Leer, T-Monitor vor Ort; 15. Juli 1997, 8 Seiten
- „Ostfriesland und die Fernmeldegeschichte“ von Otto Renken, 1995
- „Fernmeldeamt Leer“ (ohne Jahr und Verfasserangaben, aktuellstes Datum im Text 1980)
- Fritz Thole, Bremen:
- Aus der hundertjährigen Geschichte des Telegraphenamts Emden und der deutschen Seekabeltelegraphie in: Archiv für Deutsche Postgeschichte Heft 2/1955; S. 11–24
- Geschichte des Telegrafphenamts Emden. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen am 1. Januar 1955; herausgegeben von der Oberpostdirektion Bremen; Bremen 1955; 55 Seiten
- Gedruckte Jahresberichte der niederländischen Telegraphenverwaltung an den König über den Zustand der Telegraphen 1853–1869
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ 480.000 Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 4,23 Millionen Euro)
- ↑ 260.000 Mark (kaufkraftbereinigt in heutiger Währung: rund 2,20 Millionen Euro)
- ↑ en:Heart's Content, Newfoundland and Labrador
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ JALB-Alt-Emden-0010-01 Bildarchiv von Johannes a Lasco Bibliothek
- ↑ JALB-Alt-Emden-0116-12 Bildarchiv von Johannes a Lasco Bibliothek
- ↑ Karl Sautter, Geschichte der Deutschen Post, Teil 3, Geschichte der Deutschen Reichspost 1871 bis 1945; S. 211
- ↑ Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens; 1. Auflage; Band 1 A–K; S. 318: „Emden (Ostfr.)“ Aufsatz von Oberpostdirektor A. Kunert vom Telegraphenamt Emden
- ↑ Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens; 1. Auflage; Band 1 A–K; S. 319: „Emden (Ostfr.)“ Aufsatz von Oberpostdirektor A. Kunert vom Telegraphenamt Emden
- ↑ JALB-Alt-Emden-0106-02 Bildarchiv von Johannes a Lasco Bibliothek
- ↑ Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens, 2. Auflage; Band 1 A–F; S. 355: „Emden (Ostfr.)“
- ↑ Verfügung 133/1964 (H. 33, S. 332): Verlegung des Fernmeldeamts Emden nach Leer (Ostfriesl)
- ↑ Hans-Wilhelm Pruin: Hundert Jahre Telefon in Ostfriesland – Erste Handvermittlung stand in Emden; Deutsche Telekom Niederlassung Leer, T-Monitor vor Ort; 15. Juli 1997, S. 7
Weblinks
Bearbeiten- Das Telegrafenamt Emden, Große Osterstraße / Aus den Aufzeichnungen des Telegraphenamtes Emden vom 6. September 1944, Quelle: Postgeschichtliche Blätter Weser-Ems Band II/Heft 11, Jahrgang 1957, Seite 149 - 151; PDF-Datei vom Bunkermuseum Emden
Kategorie:Telekommunikations-Seekabel Kategorie:Geschichte Emdens