Benutzer:Karl.uni-marburg/Elisabeth-Hospital (Marburg)
Das Elisabeth-Hospital in Marburg war eine mittelalterliche medizinische Einrichtung, zu der eine 1228 geweihte Kapelle gehörte. Franz von Assisi gewidmet, stellt sie die älteste ihm geweihte Kirche nördlich der Alpen dar. Das Hospital, das sich in unter der Nordkonche der später errichteten Elisabethkirche befand, war zugleich die letzte Ruhestätte der Elisabeth von Thüringen. Die noch heute sichtbare Ruine des Elisabeth-Hospitals ist allerdings nicht zu dem Gebäudekomplex zu rechnen, in dem Elisabeth gewirkt hat. Der zu Elisabeths Lebzeiten errichtete Gebäudekomplex liegt rund 110 Meter in nordnordöstlicher Richtung ausgehend von der heutigen Sehenswürdigkeit.
Motive der Hospitalgründung
BearbeitenMit dem Tod Ludwig IV. eskalierten die Streitigkeiten und Konrad von Marburg vollzog die völlige Isolation Elisabeths zu ihren Verwandten. Eine Hospitalgründung durch sie war nicht ungewöhnlich, da das 12. und 13. Jahrhundert als Hochphase städtischer Hospitäler gilt.[1] Mit der monetären Abfindung in Höhe von 2000 Mark und der Zusprechung von Ländereien in Marburg brachte sie sich allerdings nicht in bereits bestehende caritative Stiftungen ein, sondern entschied sich für eine eigene aktive Selbstgestaltung. Wahrscheinlich von der damals in Nordfrankreich stark ausgeprägten Frauen- und Armutsbewegung sowie ihrer Partizipation an den Ideen der Franziskanermönche, formte sich Elisabehts religiöses Weltbild - bestehend aus freiwilliger dinglicher Armut und Wohltätigkeit.[2][3] Anders als in der Rezeption der letzten Jahrhunderte, gilt heute als wahrscheinlich, dass sie nicht zu den Franziskanerinnen zu zählen ist, da es Konrad war, der ihr das Gelübde abnahm und in seiner Funktion als Prämonstratenser niemanden in die franziskanische Gemeinde aufnehmen konnte.[4]
Das Hospital der Elisabeth
BearbeitenKurz nach der Ankunft in Marburg begann Elisabeth mit der Errichtung ihres Hospitals in einem Gebiet mit guter Infrastruktur. Dieser erste Bau, der capella modica, wurde nach dem 24. März 1228 auf Elisabeths Initiative auf einer Landzunge zwischen Marbach und Lahn errichtet und diente zugleich nach ihrem Ableben ab dem 19. November 1231 als Ort der ersten Grablegung.[5]
„Sie gründete auch ein Hospital zur Aufnahme von Pilgern und Armen vor den Mauern der Stadt Marburg in der Ebene des Tales, denn die Stadt selbst liegt auf dem Berg.“[6]
Das Vorhandensein natürlicher Spülkanalisationen, der Marbach und der Lahn, und der exponierten Lage vor den Toren der Stadt, qualifizierte dieses Gebiet für die Errichtung. Als Trinkwasserversorgung diente die rund 170 Meter in nordwestlicher Richtung gelegene Quelle, wo heute der St. Elisabethbrunnen zu finden ist. Eine gute Verkehrsanbindung, wichtig für die Fernhaltung der Kranken vom Stadtkern, war ebenfalls gegeben. Die Hospitalgründung geschah an einer direkten Verbindung von Kassel über die heutigen Marburger Stadtteile Wehrda und Ockershausen bis nach Frankfurt am Main.[7]
Der gesamte Hospitalbereich, zu dem neben der medizinischen Einrichtung, ihr eigenes Wohnhaus und, wie zu der damaligen Zeit üblich, auch ein Chor mit Altar zählte, wurde von einem Zaun umschlossen, wie eine zeitgenössische Beschreibung berichtet:
„Viele Gebrechliche und Kranke blieben beim Zaun des Hospitals und in den Winkeln des Hofs zurück.“[8]
Neubau nach Elisabeths Ableben
BearbeitenAufgrund des großen Andranges, entstanden durch die Verehrung Elisabeths und Berichten von Wundern an ihrem Grab, war es Konrad alsbald möglich eine Steinkirche über ihrem Grab zu errichten. Im Frühjahr 1232 entstand an dem Ort, an dem die Hospitalgründerin lag ein neuer, steinerner Bau - der Konradbau. Es ist davon auszugehen, dass die neue steinerne Basilika, ecclesia lapidea, nicht mehr der Aufgabe der Pflege Armer und Kranker nachkam, sondern als Pilger- und Kultort gedacht und genutzt war. Am 10. August 1232 erfolgte die Weihung der zwei Altäre des Neubaus durch Konrad und am 1. Mai 1236 fand unter Beisein Kaiser Friedrichs II. die feierliche Erhebung Elisabeths Gebeine und die Umbettung an einen "vorbereiteten Ort" (ad locum preparatum transtulerunt) innerhalb der Basilika statt.[9]
Nach Konrads Tod wurde das ursprüngliche Hospital 1234 vom Deutschen Orden übernommen und an ihrem Platz ab dem 14. August 1235 die Elisabethkirche errichtet. Mit dem Ausbau des Ortes für die Wallfahrt und der Heiligsprechung Elisabeths in 1235 erfolgte die Abtragung der Hospitalkapelle und der darunterliegenden Grabstätte Elisabeths im nördlichen Bereich.[10]
Das Hospital, von dem heute noch die Ruine des Chors das Stadtbild zeichnet und 1254 explizit der heiligen Elisabeth von Thüringen geweiht wurde, wurde in direkter Sichtweite zum entstehenden Bau der Elisabethkirche errichtet. Im Anschluss an die Fertigstellung des Nordchors der Elisabethkirche erfolgte der Abbruch des ursprünglichen Hospitals. Folglich lässt sich der Abrisszeitraum auf die Jahre zwischen 1244 - der Errichtung des Nordchores - und 1254 - der Weihung des neuen Hospitals - eingrenzen.[10]
Grabungsarbeiten im 20. Jahrhundert
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Vom 28. September 1970 bis zum 25. Juni 1971 erfolgte direkt nördlich an die Elisabethkirche angrenzend die bis heute größte Stadtkerngrabung Marburgs. Unter der Leitung Ubbo Mozers konnte ein Teil des Gebietes offengelegt und untersucht werden. Das Ziel der Grabungsarbeiten - angestrebt war eine vollständige Kartierung des Gebietes um Elisabeths Hospitalgründung - wurde aufgrund des Termindruckes der ausführenden Baufirmen, die für die Erneuerung des Stadtbildes sorgten, nicht erreicht. Nachdem es am 23. Juni 1971 zwischen dem Grabungsteam und Mitarbeitern der ausführenden Baufirmen zu einem Zusammenstoß kam, wurden die archäologischen Untersuchungen beendet.[11]
Durch seine Arbeit konnte Ubbo Mozer nachweisen, dass Elisabeth ihre Einrichtung vor den Toren der Stadt auf bis dahin unbebautem Gebiet errichtet hat. Die archäologischen Quellen konnten zum Teil in Einklang mit den schriftlichen Quellen gebracht werden, wonach Elisabeth ihr "Häuschen aus Lehm und Holz" errichtet haben soll.[12]
Zu den hochmittelalterlichen Siedlungsbefunden gehört zum einen, direkt an die Nordkonche der Elisabethkirche angrenzend, das Mauerwerk eines Gebäudes, das auf auf eine Mischkonstruktion zwischen älterem Pofsten- und entwickeltem Ständerbau hindeutet. Die Befunde, beispielsweise Randscherben verschiedener Kugeltöpfen aus dem 11. bis 13. Jahrhundert, deuten darauf hin, dass dieser zweiphasige Fachwerkbau spätestens mit der Verlegung von Bleiwasserleitungen um 1260 abgebrochen wurde. Anhand der nachgewiesenen Herdstelle ist die Funktion eines Wohnhauses naheliegend. Nördlich davon ließen sich Überreste zwei weiterer Gebäude finden, zu deren Funktion anhand des fehlenden Kontextes aber keine Aussage getroffen werden kann.[13] Um die Mauern des Konradbaus kam ein Friedhof in der Größe von 15 Gräbern mit 18 Bestattungen ans Tageslicht. Die Anordnung der Hände parallel zum Körper, die auch charakteristisch für Grablegungen in Basel, Dessau, Schleswig oder Dänemark des 13. und 14. Jahrhunderts sind und der Erkenntnis, dass vor Elisabeths Ankunft auf diesem Gebiet keine Kirche stand, lässt den Entschluss zu, dass es sich hier um ein frühstens 1228 errichteten Friedhof handelt. Bei den Bestatteten handelte es sich allerdings um Menschen von gehobenem Lebensstandard. Es wird sich hierbei weniger um von Elisabeth gepflegte Personen handeln. Die Theorie von Pilgern oder einflussreichen Personen, die in der Nähe der Heiligen bestattet werden wollten, ist näherliegend.[14]
Weitere Erkenntnisse folgten durch die Ausgrabungen 1997 innerhalb und 2009 außerhalb der Elisabethkirche.
2009 konnten im Bereich der Nordkonche größere Abschnitte des mittelalterlichen Baus freigelegt werden, der durch eine Abweichung der Ost-West-Ausrichtung von 20,5° auffällt. Die darüber erbaute Elisabethkirche hat lediglich eine Verdrehung um 7°. Die Maße des entdeckten Steingebäudes betragen 28,60 x 10,50 Meter, an das direkt östlich eine Kapelle mit halbrunder Apsis anschließt. Westlich konnten die quadratischen 10,50 x 10,50 Meter großen Umrisse eines Turmes freigelegt werden.[15] Bei der Neugestaltung des darum befindlichen Areals wurden zwei verschiedene Bodenbeläge gewählt und eine Informationstafel platziert, um auf die Grabungsergebnisse hinzuweisen.
Literatur
Bearbeiten- Thorsten Albrecht; Rainer Atzbach: Elisabeth von Thüringen. Leben und Wirkung in Kunst und Kulturgeschichte. Petersberg, Imhof 2007. ISBN 978-3-86568-123-2.
- Rainer Atzbach: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7.
- Ursula Braasch-Schwersmann: Das Deutschordenshaus Marburg. Wirtschaft und Verwaltung einer spätmittelalterlichen Grundherrschaft (= Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte, 11). Elwert, Marburg 1989, ISBN 3-7708-0907-6.
- Kurt Meschede: Das Elisabeth-Hospital zu Marburg an der Lahn. Ein bau- und medizingeschichtliches Denkmal aus der Nachstauferzeit, in: Medizinhistorisches Journal 4 (1969), 2. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1969, S. 139-167.
- Werner Moritz: Das Hospital im späten Mittelalter. Ausstellung des Hessischen Staatsarchivs Marburg. Elwert, Marburg 1983, ISBN 3-7708-0757-X.
- Klaus Peter Müller: Historische Photos aus dem Bereich des Deutschen Ordens an der Elisabeth-Kirche zu Marburg. Marburg 1982. ISBN 3-98000490-8-6.
- Bianca Nassauer: Elisabeth von Thüringen, eine Heiligenvita. Peter Lang, Frankfurt a. M. 2011, ISBN 978-3-631-60578-3.
- Philipps-Universität Marburg; Hessisches Landesamt für Geschichtliche Landeskunde (Hrsg.): Sankt Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige. Aufsätze, Dokumentation, Katalog. Thorbecke, Sigmaringen 1981, ISBN 3-7995-4035-0.
- Wolfhard Vahl: Konrad von Marburg, die Heilige Elisabeth und der Deutsche Orden (= Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg, 18). Hessisches Staatsarchiv Marburg, Marburg 2007, ISBN 3-88964-194-6.
- Paul Jürgen Wittstock; Katja Wehry: Elisabeth in Marburg. Der Dienst am Kranken. Bing und Schwarz, Kassel 2007. ISBN 3-925430-49-0 .
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Werner Moritz: Das Hospital im späten Mittelalter. Ausstellung des Hessischen Staatsarchivs Marburg. Elwert, Marburg 1983, ISBN 3-7708-0757-X, S. 104.
- ↑ Werner Moritz: Das Hospital im späten Mittelalter. Ausstellung des Hessischen Staatsarchivs Marburg. Elwert, Marburg 1983, ISBN 3-7708-0757-X, S. 108.
- ↑ Bianca Nassauer: Elisabeth von Thüringen, eine Heiligenvita. Peter Lang, Frankfurt a. M. 2011, ISBN 978-3-631-60578-3, S. 48-49.
- ↑ Bianca Nassauer: Elisabeth von Thüringen, eine Heiligenvita. Peter Lang, Frankfurt a. M. 2011, ISBN 978-3-631-60578-3, S. 50-51.
- ↑ Ursula Braasch-Schwersmann; Christa Meiborg: Elisabeth von Thüringen: Ihr Hospital in Marburg und die Deutschordensniederlassung im 13. Jahrhundert. Archäologische Baubefunde und schriftliche Überlieferung (2009)
- ↑ Ewald Könsgen: Das Leben der Heiligen Elisabeth. Elwert, Marburg 2007. ISBN 978-3-7708-1310-0, S. 58 f.).
- ↑ Thorsten Albrecht; Rainer Atzbach: Elisabeth von Thüringen. Leben und Wirkung in Kunst und Kulturgeschichte. Petersberg, Imhof 2007. ISBN 978-3-86568-123-2, S. 38.
- ↑ Rainer Atzbach: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7, S. 30-31.
- ↑ Ursula Braasch-Schwersmann; Christa Meiborg: Elisabeth von Thüringen: Ihr Hospital in Marburg und die Deutschordensniederlassung im 13. Jahrhundert. Archäologische Baubefunde und schriftliche Überlieferung (2009)
- ↑ a b Rainer Atzbach: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7, S. 31-32.
- ↑ Rainer Atzbach: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7, S. 1-8.
- ↑ Rainer Atzbach: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7, S. 218.
- ↑ Rainer Atzbach: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7, S. 29-53.
- ↑ Rainer Atzbach: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7, S. 59-88.
- ↑ Ursula Braasch-Schwersmann; Christa Meiborg: Elisabeth von Thüringen: Ihr Hospital in Marburg und die Deutschordensniederlassung im 13. Jahrhundert. Archäologische Baubefunde und schriftliche Überlieferung (2009)
Koordinaten: 50° 48′ 50,9″ N, 8° 46′ 12,3″ O
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