Transatlantifa ist ein nicht alltäglicher und seltener Begriff, der seit etwa 2015 zunehmend in politischen Auseinandersetzungen in Sozialen Medien verwendet wird. Mit dieser Unterseite möchte ich eine enzyklopädische Annäherung an das Lemma wagen.

Allgemeine Verwendung

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Eine allgemeine Verwendung des Begriffs Transatlantifa in seriöser wissenschaftlicher Literatur oder etwa in seriösen Medien existiert bisher nicht. Das liegt wahrscheinlich an dem Umstand, dass der Begriff überwiegend in den Sozialen Medien wie in Blogs, Facebook, YouTube oder Twitter von sehr unterschiedlichen Interessensgruppen als Abkürzung benutzt wird. Die Verwirrung um den Begriff rührt sicher auch aus dem Umstand heraus, dass er als Abkürzung für zwei unterschiedliche Bezeichnungen verwendet wird: einmal als Abkürzung für „Transatlantische Antifa“ und zum anderen für „Transatlantische Faschisten“.

Transatlantischer Faschismus

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Der Begriff „Transatlantischer Faschismus“ wird tatsächlich in der Wissenschaft verwendet. Geprägt hat ihn der argentinische Historiker Federico Finchelstein mit seiner vielzitierten Arbeit von 2010 unter dem Titel Transatlantic Fascism: Ideology, Violence and the Sacred in Argentina and Italy, 1919–1945, in der er den Einfluss des Faschismus von Mussolini auf die sozialen Bewegungen in Argentinien untersuchte. Heute und aktuell wird in der lateinamerikanischen Geschichtsforschung unter dem Begriff „Transatlantischer Faschismus“ der Einfluss des italienischen Faschismus auf verschiedene autoritäre Regimes Lateinamerikas untersucht. Der Begriff wurde - mit derselben Stoßrichtung - in der angelsächsischen Geschichtsforschung ausgeweitet und unter dem Begriff „Transatlantic Fascism“ verwendet. So etwa, wenn die University of Sheffield heute unter dem Titel „Transatlantic Fascism before Trump“ den Einfluss des Faschismus auf die rechten sozialen Bewegungen untersucht.[1]

Vor dem Jahr 2015 wurde der Begriff „Transatlantischer Faschismus“ oder „Transatlantischer Faschist“ außerhalb des wissenschaftlichen Kontextes äußerst selten gebraucht. So etwa in einem Artikel von Jungle World, indem beschrieben wird, dass der Erzbischof von Athen und Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, Christodoulos, den damaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton als „transatlantischen Faschisten“ geißelte.[2] Die französisch-sprachige Kanadische Zeitschrift „Le Journal des Alternatives“ bezichtigte die Bush-Administration 2003 als „fascisme transatlantique“.[3]

Transatlantische Antifa

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Der Begriff „Transatlantische Antifa“ kommt nur in Blogs und auf Facebook vor. So etwa in dem Blog Tichys Einblick.[4] Gemeint ist eine über den Atlantik greifende Zusammenarbeit von europäischen und amerikanischen Antifaschisten. Das gleiche Selbstverständnis scheinen Gruppen zu haben, die sich selbst so bezeichnen und diesbezüglich Aufkleber verteilen.[5]

Ursprung im deutschsprachigen Raum

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Ab dem Jahr 2015 konnte man in verschiedenen Blogs und auf Facebook die Verwendung des Begriffs „Transatlantifa“ für die unterschiedlichsten Personen und Einrichtungen beobachten.

Der größte Teil der Blogs und Facebook-Posts erfolgten im Umfeld von Anhängern, die an verschiedene Verschwörungen glauben. So etwa Pedro Kreye, alias Nemetico, einem der ersten Protagonisten des Begriffs im Jahr 2015, der „Nemeticos Politblog“ betrieb. In einem Artikel unter der Überschrift „Transatlantische Seilschaften promoten Transatlantifa-Ikone Jutta von Ditfurth“, wird nicht nur Jutta Ditfurth so verortet, sondern auch noch das „transatlantische Blog-Projekt“ The Huffington Post.[6] Ein paar Tage zuvor hatte Nemetico folgendes gepostet:

„Ich schlage zur begrifflichen Präzisierung die Bezeichnung TRANSATLANTIFA für diese (“antideutsche”) Pseudo-Antifa vor. Und nicht etwa “AntiFa”. Szene – Insider erkennen zwar den ironischen Hintersinn, aber das ließe sich auch als Tippfehler überlesen. TRANSATLANTIFA ist NICHT “Antifa”! Der Begriff TRANSATLANTIFA hat sich in der Diskussion in einigen facebook-Gruppen herausgebildet, und für jeden, der diesen Begriff nur einmal gelesen, gehört oder gesehen hat, ist KLAR, um was es sich dabei handelt. Die transatlantischen Apparate der Medien- und Massenmanipulation wissen um die Relevanz einprägsamer “Meme”. Dahinter darf man nicht zurückstehen. TRANSATLANTIFA ist NICHT Antifa[7]

Im April 2016 schließlich lieferte Nemetico folgende Definition:

„Als „Transatlantifa“ bezeichne ich ein vermutliches Projekt transatlantischer (proimperialististischer) Apparate zur Zersetzung der „linken Szene“ in Deutschland unter Instrumentalisierung als „links“ maskierter Pressure-groups als (aus meiner Sicht) quasi-faschistische Aktionsgruppen zur Einschüchterung einer Opposition von unten.[8]

Einen Einblick in die scheinbar „innerlinke“ Auseinandersetzung, die auch mit den Antideutschen zu tun hat, beschrieb 2016 der Blog NRhZ-Online, wo unter anderem die Zeitschrift „Jungle World“ als Sprachrohr der Transatlantifa bezeichnet wurde.[9]

Ungefähr 2017 erfolgte dann eine schleichende Ausweitung des Begriffs innerhalb Facebook, auf YouTube oder in Blogs. So zählten nicht mehr nur „Antideutsche“ zur „Transatlantifa“, sondern auch „viele Pseudo-Linke und Grüne“.[10] Parallel hierzu werden in Kommentaren in Facebook oder zu Online-Artikel der seriösen Medien die „Transatlantifa“ als ein Schulterschluß von „Transatlantiker und Neoliberalisten“ verstanden.[11]

Im Jahr 2018 erlebt der Begriff auf Facebook weitere Ausweitungen. So wird Der Spiegel als ein „von der Transatlantifa verseuchtes Hetzblatt“ angeprangert. Die CDU als „neosozialistische Transatlantifa“.

Die Quadratur des Kreises

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Ein Kreis ist kein Quadrat und kann mathematisch dargestellt werden. Das menschliche Auge kann den Unterschied zwischen Quadrat und Kreis visuell erkennen und im Gehirn einordnen. Interessant wird es, wenn man einen Kreis als Quadrat ausgibt. Das ist eine Metapher für das, was in Sozialen Medien gerade passiert und wie Desinformation funktioniert. Eine sehr aufschlussreiche Studie über Echokammern auf Facebook hat 2017 Josef Holnburger vorgelegt.[12] Holnburger: „Auf Facebook hat sich ein Paralleluniversum aus Verschwörungstheoretikern gebildet welche sich in ihrer Echokammer in ihrem Wahn gegenseitig bestätigen. Sie haben sich eine eigene Öffentlichkeit erschaffen: Eine Welt, in welcher Putin und Trump angehimmelt und „Altparteien“ verabscheut werden; eine Welt, in welcher die „Lügenpresse“ stets die Unwahrheit als Wahrheit verkaufen will – und nur „Alternativmedien“ die wahren Drahtzieher hinter den Ereignissen aufdecken“

Die Ergebnisse dieser Studie decken sich sehr gut mit den Beobachtungen in Sozialen Medien zur Verwendung des Begriffs „Transatlantifa“, überwiegend in einer „Querfront“ von Anhängern der Linken und der AfD. „Transatlantifa“, mit dieser neuen Chiffre ist, je nach Standpunkt, die „Lügenpresse“, Merkel und die CDU, die GRÜNEN, im Prinzip alle demokratischen Parteien, alle etablierten Medien oder das System insgesamt gemeint (der Ausweitung sind keine Grenzen gesetzt).

Verwendung außerhalb Wikipedias in Bezug auf Wikipedia

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Mit der SuggestivfrageWird Wikipedia von der „Transatlantifa“ gesteuert?“ lenkte das staatlich russische Nachrichtenportal Sputnik im Mai 2018 den Blick auf die deutsche Wikipedia.[13] Als Kronzeuge wird Verschwörungsexperte Markus Fiedler bemüht, der behauptet: „Wir haben bereits beschrieben, dass es einen inneren Kreis von Manipulatoren gibt. Wir haben sie ‚Mitglieder der Transatlantifa‘ genannt, um klarzumachen: Es ist nicht die Antifa, sondern Leute, die Thesen der amerikanischen Neocons, also Rechtsradikaler, beschreiben“ (Zu Fiedler siehe hier und hier).

Wie so oft in „Alternativen Medienkreisen“, wo Mindestanforderungen für journalistisches Arbeiten durch Abwesenheit glänzen und somit Desinformation als Information verkauft wird, ist das eine faktenfreie Behauptung, die jedoch in Echokammern durch Wiederholungen und durch Selbstreferenzierung die faktische Ebene sucht. Nur im Wahn kann der Kreis ein Quadrat sein!

Zum Begriff

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„Transatlantifa“ wird heute als Kampfbegriff gegen vermeintlich „etablierte“, „systemkonforme“ Personen und Institutionen verwendet. Es ist eine Schimäre die alles Mögliche zusammenfassen will, was nicht einzuordnen ist.

Zu Wikipedia

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Wikipedia gehört ebenfalls zu den Sozialen Medien. Durch die straffen Richtlinien sind jedoch Manipulationen und Desinformationen erschwert, jedoch nicht ausgeschlossen. Trotzdem toben in einigen Bereichen Kämpfe um die Deutungshoheit, meistens in politischen Artikeln.

Das Projekt Wikipdia war aufgebrochen, um das „etablierte Wissen“ abzubilden und jedermann frei zur Verfügung zu stellen. Das „etablierte Wissen“ ist jedoch eine wandelbare Größe, das gilt für die Naturwissenschaften wie für alle übrigen Disziplinen. Und - das muss man auch im Kopf haben - es gibt natürlich „etabliertes Herrschaftswissen“. Jeder der Geschichte studiert hat weiß, dass stets die Sieger die Geschichte schreiben und nicht etwa die Besiegten. Trotz dieses Makels ist das Konzept alternativlos. Würde man wissenschaftliche Erkenntnis auf eine Stufe mit Twitter-Ergüssen stellen, würde ein Rechtsstaat die Strafverfolgung Facebook-Gruppen überlassen, würde man den Feinden der Freiheit alle Freiheiten lassen, wäre es schnell vorbei mit Freiheit, mit Gerechtigkeit, mit Gleichheit vor dem Gesetz, mit Freiheit von Forschung und Lehre.

Einzelbelege

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  1. Transatlantic Fascism before Trump
  2. Jungle World vom 5. Mai 1999
  3. Le Moyen-Orient latino américain
  4. Alles ist möglich - Transatlantische Antifa?
  5. Transatlantifa – Auf beiden Seiten des Atlantiks gegen die extreme Rechte
  6. Nemeticos Politblog 8. November 2015
  7. Nemetico, 23. OKtober 2015
  8. Nemetico 22. April 2016
  9. »Transatlantifa« droht Antifaschisten 6. März 2016
  10. Rubikon Blog 18. November 2017
  11. Kommentar November 2017
  12. Nachrichten aus dem Paralleluniversum: Wie sich Verschwörungstheoretiker auf Facebook vernetzen
  13. Sputnik vom 29. Mai 2018