Das Alte Hoftheater Darmstadt (auch Comödienhaus, später auch Kleines Haus oder Interimstheater genannt) war ein Theater in Darmstadt. Es war nach dem Ottoneum in Kassel das zweite stehende Theater im heutigen Hessen. Seine Urspünge gehen bis ins Jahr 1617 zurück und es wurde 1944 durch Bomben zerstört.
Geschichte des Hoftheaters
BearbeitenAnfänge
BearbeitenDie Darmstädter Theatertradition reicht zurück bis in den Frühbarock, wo der fürstliche Hof auch das Volk an den aus Italien kommenden Mischformen dekorativer Spiele teilhaben ließ. Es wurden Roßballette mit bunten Masken und Kostümen, Ballettkomödien und allegorische Darstellungen mit Feuerwerk und Wasserspielen aufgeführt. Um für eben diese Theaterereignisse das richtige Ambiente zur Verfügung zu haben, baute Landgraf Ludwig V. 1617 ein Reithaus am sogenannten Birngarten (heutige Alexanderstrasse), das sein Enkel Ludwig VI. dann 1670 in ein Theater umbauen ließ, in dem vor allem italienische Opern und französische Schauspiele aufgeführt wurden. Auch brachte nach diesem Umbau der Hofkapellmeister Wolfgang Carl Briegel erstmals Opern auf die Darmstädter Bühne.
Im Jahre 1683 wurde das Hoftheater unter der Regentschaft von Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt nochmals umgebaut.
Blütezeit unter Graupner
BearbeitenAls sich im Laufe der Jahre das Darmstädter Theater zu einer beachtlichen Pflegestätte dieser Kunstformen entwickelt hatte und generell das Interesse am Theater wuchs, wurde das alte Theatergebäude unter der Leitung von Louis Remy de la Fosse in ein Logenhaus mit drei Rängen umgebaut. Und so konnte am 17. Februar 1711 mit der Aufführung von Christoph Graupners Oper Telemach das neuumgebaute Theater wiedereröffnet werden. Grauper war ab 1709 Briegel als zweiter Hofkapellmeister zur Seite gestellt worden. Auch wirkten im Haus zu der damaligen Zeit große Sänger und Musiker, wie ab 1709 die Sängerin Margaretha Susanna Kayser und Anna Maria Schober, sowie ab 1711 die "größte Sängerin ihrer Zeit"[1] Johanna Elisabeth Hesse geb. Döbricht (*1692 †1786), deren Ehemann Ernst Christian Hesse (schon seit 1693 als Kanzleibeamter in Diensten) als Gambist verpflichtet wurde, sowie ab 1713 als Vizekapellmeister der Komponist Gottfried Grünewald. Zuvor waren 1710 schon der Tenor Konstantin Knöchel (*1679 †1725) und der Bassist Renner engagiert wurden. Beide sangen zuvor, ebenso, wie die Döbricht am Opernhaus am Brühl in Leipzig.
Von 1707 bis 1714 war Hesse Direktor der Darmstädter Hofkapelle, wobei er neben den Opernaufführungen insbesondere wohl auch für die Rekrutierung musikalischer Kräfte und die Beschaffung von Instrumenten zuständig war. Das Duo Graupner/Grünewald wurde durch den Hofpoeten Georg Christian Lehms (seit 1710) ergänzt, der einige Operntexte verfasste.
Die Aufführung des Telemach 1711 muss ein größeres Ereignis gewesen sein, die Döbricht sang die Rolle der Calypso, berühmte Leute wie der Violinenvirtuose Johann Georg Pisendel und Oboist und Flötist Johann Michael Bohm (*1685 †1753) aus Dresden wurden zu den 3 Aufführungen engagiert, wobei Bohm in Darmstadt blieb und dort bis 1729 als Konzertmeister der Hofkapelle wirkte. Ab 1713 wurde auch der Violinist, Komponist und spätere Hofkapellmeister Johann Jakob Kress (*1685 †1728) nach Darmstadt verpflichtet, dessen 1719 geborener Sohn Georg Philipp Kress (†1769) als einzigen Taufpaten Georg Philipp Telemann hatte, der dazu extra am 10. November 1719 aus Frankfurt nach Darmstadt reiste.
Niedergang nach 1719
BearbeitenDen hohen Kosten des Theaters und der Musiker war das kleine Land bald aber nicht mehr gewachsen. 1719 endete für fast ein halbes Jahrhundert jeglicher Theaterbetrieb in Darmstadt. Grapner komponierte fortan nur noch Kirchenmusik, der Komponist Johann Samuel Endler wurde nach Grünewalds Tod 1739 Vizekapellmeister der Hofkapelle und beerbte Graupner als Hofkapellmeister nach dessen Tod 1760. Ab 1768 traten sporadisch im landgräflichen Opernhaus deutsche Schauspielergesellschaften auf, so die Truppe des Johann Martin Leppert (1768) und die des Theaterdirektors Nestrich (1777/78). Aus der ab 1807 in Gasthaussälen auftretenden Truppe des Prinzipals Xaver Krebs (* 1763 † 1841) ging schließlich 1810 das Großherzogliche Hoftheater hervor. Die höfische Theatertradition wurde in den 1780er Jahren durch Erbprinz Ludwig mit Liebhaberaufführungen der Hofgesellschaft neu belebt. Zur Hochzeit seiner Schwester Auguste Wilhelmine mit dem späteren bayrischen König Maximilian I. Joseph ließ er 1785 im Opernhaus die Festoper „Richard Löwenherz“ von André-Ernest-Modeste Grétry aufführen, zu der Hofmaler Johann Joseph Laubacher die Dekorationen schuf.
Wiederaufleben als Interimstheater
BearbeitenIm Jahre 1819 wurde das von Georg Moller konzipierte Neue Hoftheater eröffnet, so dass im Alten Hoftheater kaum noch Aufführungen insziniert wurden. Nachdem allerdings am 24.10.1871 ein Großbrand das Neue Hoftheater zerstörte, fungierte das Alte Hoftheater als sogenanntes Interimstheater wieder bis zum 19.10.1879 als Hauptspielstätte. Der Umbau dafür erfolgte durch den Darmstädter Architekten Johann Christian Horst (1822-1888) und der Theatermaler Carl Beyer (1826–1903) schuf dafür neue prächtige Ausstattungen.
Das Hoftheater wurde in der sogenannten Darmstädter Brandnacht vom 11. zum 12. September 1944 durch Fliegerbomben vollständig zerstört und nicht wieder aufgebaut.
Gebäude
BearbeitenDie Hoftheater befand sich ca. 100 m nordöstlich des Darmstädter Schlosses. Aufgrund der Abbildungen des Gebäudesschnittes dürfte das Gebäude ca. 8 m breit und 35 m lang gewesen sein. Der Bühnenteil hatte die Abmessungen von 6 m Breite und 17 m Länge mit 5 Kulissenpaaren und einem Ziehboden darüber. Der Zuschauerraum, in dem sich in den Anfangsjahren vor der Bühne weder Sitz noch Stehplätze befanden, hatte die Abmessungen von 6 mal 17 m. An der Seite des Raumes befanden sich 3-stöckige Logen und gegenüber der Bühne die Herzogliche Loge. Vorgelagert war der Eingangsraum, der etwa die gleichen Abmessungen hatte. Auf einer Zeichnung des später Bürgermeisters von Darmstadt Carl Christian Lauteschläger aus dem Jahre 1808 ist der Gebäudeaufbau im Schnitt gut zu erkennen. Über den Aufbau der Bauten und der Maschinerie des Hoftheaters ist leider nichts überliefert.
Liste aufgeführter Opern und Schauspiele im Darmstädter Hoftheater (Auswahl)
BearbeitenTitel | Komponist | Libretto | (Ur)aufführung | Bemerkung |
---|---|---|---|---|
Triumphierendes Siegesspiel der wahren Liebe | Wolfgang Carl Briegel | Johann(es) Mylius? | 8. Juni 1673 | |
Das verliebte Gespenst | Wolfgang Carl Briegel | 1673 | Theaterstück mit Musik | |
Das verbesserte Parisurteil | Wolfgang Carl Briegel | 6. Januar 1674 | Ballettoper | |
Die beglückwünschte Majorennität des Fürsten | Wolfgang Carl Briegel | 22. Juni 1676 | ||
Quadriga activa | Wolfgang Carl Briegel | 1677 | Ballettoper | |
Bewillkommende Frühlingsfreude | Wolfgang Carl Briegel | 6. Mai 1683 | Ballett | |
Das Band der beständigen Freundschaft | Wolfgang Carl Briegel | 8. Mai 1683 | ||
Die siegende Weisheit | Wolfgang Carl Briegel | 8. Januar 1686 | ||
Die wahren Seelenruhe oder gekrönte Eustathia | ? | Mai 1686 | Tragikomödie | |
Die triumphierende Tugend | Wolfgang Carl Briegel | 29. Juli 1686 | Ballettoper | |
Cleopatra | Christoph Friedrich Anschütz (1645-nach 1687) | 1686 | ||
Adonis | ? | 1686 | ||
Acis et Galanthée | Jean-Baptiste Lully | Jean Galbert de Campistron | 1687 | |
L'enchantement de Médée | Wolfgang Carl Briegel | Übersetzung von Johann Mylius | 11. November 1688 | Singballett |
Tugendgespräch | 19. November 1700 | |||
Télémaque, fragments de modernes | Andre Campra | Antoine Danchet | 19. November 1700 | |
(Oper) | Christoph Graupner | 1709 | ||
Berenice und Lucilla, oder Das tugendhafte Lieben | Christoph Graupner | Osiander | 1710 | Wiederholung 1712 |
Telemach | Christoph Graupner | 17.02.1711 | Wiederholungen am 19.02.1711 und 20.02.1711 | |
06.03.1711 | Ballett | |||
La costanza vince l'inganno | Christoph Graupner | 1715 | ||
La fedeltá coronata | Ernst Christian Hesse? | 1715 | ||
"Divertissement" | Christoph Graupner | Georg Christian Lehms | 1717 | Ballettoper |
Adone | Christoph Graupner | 1719 | ||
Erwin und Elmire | Georg Joseph Vogler | Johann Wolfgang von Goethe | 1781 | |
Richard Löwenherz (Richard Cœur de Lion) | André-Ernest-Modeste Grétry | Sedaine (nach Paulmy d’Argenson) | 1785 |
Weblinks
Bearbeiten- Beitrag über das Hoftheater im Stadtlexikon Darmstadt. Abgerufen am 25. Juli 2019.
- Bericht über 300 Jahre Theatergeschichte in Darmstadt. Abgerufen am 25. Juli 2019.
- Bericht über 300 Jahre Theatereröffnung in Darmstadt in der Frankfurter Rundschau. Abgerufen am 25. Juli 2019.
- Bühnenbildentwurf für die Oper 'Richard Löwenherz' von Laubacher bei Arcinsys Hessen. Abgerufen am 3. April 2020.
- https://www.mathilde-frauenzeitung.de/archiv(1)/115-04theatergeschichte.html
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Ernst Ludwig Gerber: Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler, welches Nachrichten von dem Leben und Werken musikalischer Schriftsteller, berühmter Componisten, Sänger, Meister auf Instrumenten, Dilettanten, Orgel- und Instrumentenmacher, enthält, Breitkopf, Leipzig, 1790–1792, S.631.
Literatur
Bearbeiten- Hermann Kaiser: Barocktheater in Darmstadt. Eduard Roether, Darmstadt 1951.
- Noack, Elisabeth: Musikgeschichte Darmstadts vom Mittelalter bis zur Goethezeit. Schott, Mainz 1967. S.176
- Renate Brockpähler: Handbuch zur Geschichte der der Barockoper in Deutschland. Lechte, Emsdetten 1964.