Klaus-Rüdiger Utschick
Mich faszinierte die Klangschönheit der schwedischen Sprache, als ich 1962 als knapp 19jähriger erstmals nach Schweden kam. Da man damals im Hum. Gymnasium drei Sprachen lernte (Latein, Griechisch, Englisch oder Französisch), war es nicht so schwierig, sich noch eine weitere Sprache anzueignen, die dem Deutschen überdies recht ähnlich ist. Bei der Aussprache kam mir ein Steckenpferd zugute: Dialekte und Stimmenimitation. Seit 1962 brachte ich dann Sommer für Sommer bis zu sechs Wochen in Schweden zu, meist in Stockholm oder Norrköping. Die Reise von München nach Schweden war, im Gegensatz zu Reisen in klassische Reiseländer wie Frankreich oder Italien, für Studenten kaum erschwinglich. So reiste ich eben, wie damals üblich, per Anhalter, und das Geld für den Aufenthalt verdiente ich mir einmal als Tellerwäscher im Stora Hotellet in Norrköping, einmal als Arbeiter in der Holzmassefabrik Bowaters in Umeå und die anderen Male als „Extraarbeiter" im Hafen von Norrköping.
1965 hörte ich zum ersten Mal Bellman-Lieder, kaufte mir Schallplatten der Troubadoure Sven-Bertil Taube und Fred Åkerström, kopierte mir die Texte und Noten der Fredman-Dichtung (aus den Bänden I und II der Standardupplagan) und lernte etliche der 147 Lieder auswendig und sang und spielte sie am Klavier. Auch einige öffentliche Auftritte gab es in den 70er Jahren in der Münchener "Katakombe", im Ernsten Lyrikkreis und im Saal der VHS bei der Schwedenwoche in Neubiberg; dann wieder 1996 mit Hans-Peter Riermeier am Klavier bei der Verleihung des Kulturpreises der Stadt Kiel an den Übersetzer und Verleger Prof. Wolfgang Butt und - ich glaube es war 1997 - ebenfalls mit Riermeier in Tyska kyrkan in der Gamla stan von Stockholm.
Aber da waren ja nicht nur Bellman-Lieder! Da gab es vertonte Gedichte von Gustaf Fröding, Dan Andersson und Nils Ferlin; und da gab es die Lieder der Skalden Birger Sjöberg, Evert Taube, Cornelis Vreeswijk und die „Barfußgesänge" von Allan Pettersson – Lieder, von denen viele sich mir tief einprägten.
Als Lehrer unterrichtete ich neben Deutsch und Sozialkunde auch Musik und – in Abendkursen – Schwedisch. 1992 begann ich mit der Übersetzung von Carl Michael Bellmans Werken: 1998 erschien, von der Schwedischen Akademie mit Extrapreis und Stipendium (1995) kräftig angespornt, eine dreibändige Werkausgabe [1][2][3] und die von meiner Frau Ursula Menn-Utschick übersetzte und neu bearbeitete Bellman-Biographie von Paul Britten Austin; 1999 folgte die Fröding-Anthologie Schilf, Schilf, rausche [4], 2001 ein Büchlein zu einer CD mit Liedern von Olof von Dalin Kommt, freie Sinne, her; [5], 2002 Bellmans Bacchusfest [6] und Trauerzeremoniell für den Branntweinbrenner Lundholm; [7], 2003 die Ferlin-Anthologie Im Labyrinth des Lebens; [8]; 2005 die Übersetzung von Ernst Brunners biographischem Bellman-Roman "Fukta din aska" (deutscher Titel: Ich lebte von Liebe und Wein) für den Ullstein-Verlag – eine Gemeinschaftsarbeit mit meiner Frau Ursula – und 2006 Bellmans Bacchi Tempel [9]. Sämtliche Titel, bis auf Brunners Roman, erschienen im Anacreon-Verlag, den wir mit Hans-Peter Riermeier 1997 aus der Taufe hoben.
Am Barbaratag 1999, gründeten wir zusammen mit dem Initiator Dr. Patrick Wilkinson, Borghild Niemann, Ann-Christine Häusler und zwei „angeheuerten Bellmanfreunden" in Berlin die Deutsche Bellmangesellschaft, deren Vorsitzender ich seit 2003 bin und die mittlerweile (2009) 72 Mitglieder zählt.