Michela Schiff Giorgini (* 30. Oktober 1923 in Padua; † 3. Juli 1978 in Benissa, Alicante) war eine italienische Archäologin und Ägyptologin.

Michela Schiff Giorgini, geborene Belmonte, studierte zunächst Kunst und Musik an der Universität Padua. Nach ihrer Heirat mit dem aus Flossenbürg entlassenen Bankier Giorgio Schiff Giorgini studierte sie ab 1946 an der Universität Pisa Archäologie und Philologie auf Diplom.[1] Gemeinsam mit Edda Bresciani hörte sie Vorlesungen bei Sergio Donadoni und erhielt dort ihre erste fachliche Einführung in die Lesart der Hieroglyphen. Ihre Graduation erfolgte 1955.

Während Bresciani sich der von Donadoni geleiteten Mission anschloss und ihm nach Abu Simbel folgte, reiste Schiff Giorgini nach Luxor, wo sie in Karnak den Archäologen Clément Robichon, sowie den Epigraphiker Jozef Janssen für ihre von den sudanesischen Behörden in Soleb genehmigte Grabung gewinnen konnte. Nachdem Jean Vercoutter, der damalige Direktor für sudanesische Altertümer in Khartum, sicherstellen konnte, dass die Universität Leiden ihrerseits den Einsatz von Janssen in Soleb unterstützte, belud die in Theben gegründete Grabungsmission einen Lastwagen mit der notwendigen Ausrüstung und erreichte wenig später zunächst einmal Wadi Halfa. Unter der Schirmherrschaft der Universität Pisa begannen am 04. November 1957 dann zwischen dem 2. und 3. Katarakt die Grabungen in Soleb, welche bis zum März 1977 fortdauern sollten.[2]

Das hauptsächliche Interesse der von Schiff Giorgini geleiteten Mission galt der in Soleb befindlichen Tempelanlage des Pharao Amenophis III. und seiner Gemahlin, der Königin Teje, sowie den angrenzenden Nekropolen. Mit 210 x 240 m Ausdehnung handelte es sich um den dereinst größten ägyptischen Tempel auf nubischem Boden. Der antike Geograph Ptolemäus hatte diesen auf dem linken Nilufer gelegenen Bezirk in römischer Zeit mit der meroitischen Stadt Phthur gleichgesetzt.[3] Schiff Giorgini veranlasste eine systematische Anordnung der stark durcheinander geratenen Steinblöcke und Säulentrommeln, ließ die verbliebenen Kolonnaden stabilisieren und den Dromos freilegen. Es folgte eine vollständige Aufnahme aller Inschriften, welche sich auf den Blöcken, Säulen, Toren und Architraven vorfanden. Unter anderem gelang es ihrem Team die Schilde der Fremdländer, sowie die Flachreliefs und Inschriften an dem zu Ehren Amenophis III. errichteten "Tor des Sed-Festes" maßstabsgetreu zu kopieren und zu übersetzen. Als der Epigraphiker Janssen 1960 erkrankte, übernahm Jean Leclant seine Aufgabe. Ihr früherer Lehrer Donadoni besuchte in dieser Zeit mehrfach die Grabungen in Soleb und trug sich in das goldene Buch der Mission ein. Überschattet wurden die fortschreitenden Arbeiten 1963 jedoch durch den Tod des Ägyptologen Jean Sainte-Fare Garnot, welcher bis dahin am Institut de France in Paris die im Verlauf der Grabungen erzielten Ergebnisse interpretiert hatte.[4][5]

Im Jahre 1968 tritt die Archäologin Schiff Giorgini mit der Vorlage ihres Fundberichtes zur Nekropole von Soleb erstmals als umfassend gebildete Ägyptologin in Erscheinung.[6] Im Bereich des Haupttempels hatte sie nördlich des großen Pylon im Rahmen ihrer Prospektionen zudem nach den Kolossalstatuen des Pharao Amenophis III. (1388-1351 v. Chr.) und seiner Gemahlin, der Königin Teje (1398-1338 v. Chr.) gesucht, doch erst 30 Jahre später konnte Michel Wuttmann ebendort zunächst die Beine und dann die Basis einer solchen Kolossalstatue finden, welche den Namen der Königin Teje trug.[7][8]

Am 8. Oktober 1963 hatte Schiff Giorgini etwa 15 km nördlich von Soleb in Sedeinga schließlich eine parallel durchgeführte zweite Grabungsmission begonnen. Dieser Fundort trug in meroitischer Zeit den Namen Adeje, was der altägyptischen Vokabel hwt-Tiy entspricht und soviel wie "Tempel der Königin Teje" meint. Tatsächlich konnte in Sedeinga ein kleiner Tempel der Königin Teje nachgewiesen werden, doch die bedeutendsten Ergebnisse traten in der etwa 500 meter westlich gelegenen Nekropole zutage. Hier wurden im Grab W T1 die Bestattung des Pharao Taharqa (690-664 v. Chr.) und in W T8 kostbare meroitische Glaswaren entdeckt. Im Grab W T9 trat zudem eine kostbare Statuette der Königin Teje zutage. Linguistisch von größter Bedeutung waren desweiteren verschiedene Stürze und Stelen, auf denen sich umfangreiche meroitische Inschriften fanden.[9][10]

Bedeutung

Bearbeiten

Die bedeutendsten Ergebnisse ihrer archäologischen Laufbahn erzielte Schiff Giorgini in Soleb und Sedeinga. Im Zuge der Auswertung der in den Nekropolen von Soleb und Sedeinga gemachten Funde entwickelte sie sich zu einer fachlich umfassend ausgebildeten Ägyptologin. Ihre größten Leistungen dürften in der systematischen Aufnahme der Inschriften des Tempels Amenophis III. und des dort begangenen Sed-Festes, sowie in der Auswertung, Übersetzung und Zuordnung der in den Nekropolen von Soleb und Sedeinga entdeckten Grabbeigaben bestehen. Die zu Beginn des Jahres 1964 in Zusammenarbeit mit Jean Leclant in Sedeinga erfolgte Entdeckung des Grabes des Pharao Taharqa zählt sicherlich zu den größten Erfolgen ihrer wissenschaftlichen Arbeit.[11] 1971 wurde ihr honoris causa seitens der Universität Pisa die Ehrendoktorwürde in Literatur und Philosophie verliehen. Der sudanesische Präsident Dschafar an-Numairi verlieh ihr in diesem Jahr die goldene Medaille für Wissenschaft und Kultur der Republik Sudan. Als Schiff Giorgini die Grabungsmissionen in Sedeinga und Soleb nach 20 Jahren im März 1977 übergibt, wurde ihr an der Universität Khartum seitens der Fakultät für Afrikanische und Asiatische Studien die Ehrendoktorwürde für Meroitistik verliehen. In Italien ist ihr seitens der Universität Pisa zudem die goldene Medaille des Ordre du Mérite des Arts et Lettres zuteil geworden und in Frankreich wurde ihr der Orden der Légion d'Honneur überreicht. Ihr standen alle Möglichkeiten offen, doch Michela Schiff Giorgini erkrankte ein Jahr später in Spanien an einer Meningitis und verstarb.[12]

Literatur

Bearbeiten
  • George Waddington, Barnard Hanbury: Journal of a visit to some parts of Ethiopia, with maps and other engravings, John Murray, Albemarle-Street, London 1822, S. 286-291 u. Karte 2 (Soleb ist Phthur).
  • Claude Rilly: Histoire du Soudan des origines à la chute du Sultanat Fung. In: Olivier Cabon et al.: Histoire et civilisations du Soudan de la préhistoire à nos jours. À la mémoire de Michel Baud, Soleb, Paris u. Khartum 2017, S. 102-108, ISBN 978-2-493-20707-4 (Digitalisat).
  • Edda Bresciani, Flora Silvano: La Collezione Schiff Giorgini, Giardini Editori et Stampatori, Pisa 1992, 2. Aufl. Edizioni ETS, Pisa 2019, ISBN 978-8846754042.
Bearbeiten
  • IdRef – Identifiants et Référentiels pour Michela Schiff Giorgini: Schiff Giorgini, Michela (1923-1978). Identifiant pérenne de la notice: 069174989. Angaben zu Michela Schiff Giorgini Auf: idref.fr; zuletzt abgerufen am 8. März 2024.
  • Egyptological Collections "Edda Bresciani" - University of Pisa (La Collezione Schiff Giorgini - Auswahl).
  • Soleb, Tome I-V, Auszüge in (Meretseger Books) aus den von Schiff Giorgini, Leclant und Robichon in 5 Bänden herausgegebenen Soleb-Fundberichten.
  • Abbildung der 1970 von Michela Schiff Giorgini und Jean Leclant im Grab Sedeinga WT 8 entdeckten blauen Calix (Digitalisat). Standort: National Museum des Sudan, Khartum. Foto: Sue Fleckney 2019, hochgeladen auf Flickr am 22. Januar 2020, Lizenz CC BY-SA 2.0 DEED.

Anmerkungen

Bearbeiten
  1. Christrine Belcikowski: Les deux mariages de Délia Clauzel et de Georges Schiff Giorgini. Seconde partie, Paris 2018, Abschnitt 2 (Digitalisat).
  2. Jean Leclant: Michela Schiff Giorgini et l'Université de Pise. In: Egitto et Vicino Oriente, Vol. 3, Supplemento: Atti del convegno "Ippolito Rosellini: Passato et presente di una disciplina" (= Studi e Ricerche, Nr. 2) Pisa, Palazzo Lanfranchi, 30-31 Maggio 1982, Giardini Editori et Stampatori, Pisa 1982, S. 39-43 (Digitalisat).
  3. Michela Schiff Giorgini: Soleb I 1813-1963. Sous le haut patronage de l'Université de Pise et en collaboration avec Clément Robichon et Jean Leclant, Sansoni, Florenz 1965, S. 141-142 (Phthur).
  4. Jean Leclant: Michela Schiff Giorgini et l'Université de Pise. In: Egitto et Vicino Oriente, Vol. 3, Supplemento: Atti del convegno "Ippolito Rosellini: Passato et presente di una disciplina" (= Studi e Ricerche, Nr. 2) Pisa, Palazzo Lanfranchi, 30-31 Maggio 1982, Giardini Editori et Stampatori, Pisa 1982, S. 41.
  5. Michela Schiff Giorgini: Soleb I 1813-1963. Sous le haut patronage de l'Université de Pise et en collaboration avec Clément Robichon et Jean Leclant, Sansoni, Florenz 1965, S. VII-VIII u. S. 145-154 (Digitalisat).
  6. Michela Schiff Giorgini: Soleb II - Les nécropoles. Sous le haut patronage de l'Université de Pise et en collaboration avec Clément Robichon et Jean Leclant, Sansoni, Florenz 1972 (Digitalisat).
  7. Claude Rilly: Reine d'Égypte, déesse de Nubie. Le destin du temple de Tiyi à Sedeinga (Soudan). In: Comptes rendus des séances de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 162e année, fascicule 2, Paris 2018, S. 805-810 (Digitalisat).
  8. Claude Rilly: The QSAP Programme on the Temple of Queen Tiye in Sedeinga. In: Sudan & Nubia, Bulletin of the Sudan Archaeological Research Society, Nummer 22, London 2018, S. 57, Platte 5 u. 6 (Digitalisat).
  9. Jean Leclant: La nécropole à l'ouest de Sedeinga en Nubie Soudanaise. In: Comptes rendus des séances de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 114e année, fascicule 2, Paris 1970, S. 246-276 (Digitalisat).
  10. Jean Leclant: Les verreries de la nécropole méroitique de l'Ouest à Sedeinga (Nubie soudanaise). In: Kazimierz Michalowski: Nubia: récentes recherches; actes du Colloque Nubiologique International au Musée National de Varsovie 1972, Symposium on Nubian Studies, Band 2, Warschau 1975, S. 85-87 u. Abb. 1-19 (Digitalisat).
  11. Jean Leclant: La nécropole a l'Ouest de Sedeinga en Nubie Soudanaise. In: Comptes rendus des séances de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, 114e année, fascicule 2, Paris 1970, S. 249-252.
  12. Nathalie Beaux: Michela Schiff Giorgini: La dame de Soleb. In: Martha Sharp Joukowsky, Barbara S. Lesko : Breaking ground: Women in Old World Archaeology, Vol. 2, The Classical World and the Ancient Near East, Ann Arbor 2006 ISBN 978-0-472-02536-7 (Digitalisat).