Benutzer:Lysozym/Großseldschuken (Artikelentwurf)


Das Reich der Großseldschuken (1040-1194) war ein muslimisches Sultanat im mittelalterlichen Orient, das zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung vom Hindukusch bis Zentralanatolien und von der Arabischen Halbinsel bis Transoxanien reichte. Ausgehend von seinen Machtzentren in Nīschāpūr, Rayy und Iṣfahān stieg das Sultanat zur bedeutendsten politischen und militärischen Kraft in der islamischen Welt auf und schaffte zu einem Zeitpunkt, als die Welt des Islam an inneren und äußeren Krisen litt, in gewisser Weise die Wiederherstellung ihrer politischen Einheit.[1]

Herrscher und Namensgeber des Reiches waren die Seldschuken, ein Stammesverband türkischer Abstammung mit Wurzeln in den oghūsischen („turkmenischen“) Nomadenverbänden Zentralasiens.[2][3] Diese, die als unkultivierte Nomaden im 11. Jahrhundert Persien eroberten, übernahmen darauf hin den orthodoxen sunnitischen Glauben der einheimischen Bevölkerung, als deren Schutzherren sie sich fortan verstanden, und wurden auch kulturell und sprachlich in den folgenden Jahrzehnten in erheblichem Ausmaß assimiliert.[4][5][6] Ihre Herrschaft hatte dadurch, trotz ihrer kurzen Zeitspanne, weitreichende politische, religiöse und kulturelle Folgen und prägte die weitere Geschichte der eroberten Gebiete maßgeblich. Zum einen sicherte sie die bis heute andauernde Dominanz des sunnitischen Islam gegenüber der schiitischen Abzweigung, die kurzzeitig mit der Herrschaft der Fātimīden in Ägypten und der Būjīden in Persien stark an Bedeutung gewonnen hatte.[7] Zum anderen markierte sie nicht nur den Aufstieg türkischstämmiger Herrscher in weiten Teilen der islamischen Welt, sondern ebnete auch den Weg für die muslimische Eroberung Anatoliens, das bis dahin das Zentrum der östlichen Christenheit gewesen war. Mit der zunehmenden Assimilierung der Seldschuken stieg auch gleichzeitig die politische und kulturelle Bedeutung iranischer Elemente, und so waren es die Seldschuken, die mit ihrer Herrschaft die bis zum 19. Jahrhundert dauernde Dominanz der persischen Sprache und Kultur im gesamten Osten der islamischen Welt etablierten.[8][9]

Etymologie

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Die ursprüngliche Aussprache des Namens ist schwer zu rekonstruieren; diskutiert werden verschiedene Vorschläge, u. a. Säldschük.[10] Karl Menges leitet den Namen vom türkischen Wort salmak, „attackieren“, ab, während Gerard Clauson für die Wurzel sal- „schneidig“ bzw. „aufhetzend“ als Bedeutung angibt.[7]

Im Deutschen lautet die häufigste Bezeichnung für die Dynastie Seldschuken. Alternative Schreibweisen sind unter anderem Seldschuqen, Saldschuqen, Saldschuken und weitere, die alle aufgrund der nicht-standardisierten Transkription aus dem Arabischen (سلجوق) zustande kommen.

In der persischen Hof- und „Staats“sprache lautete der Name سلجوقيان (Saldschūqiyān), im Arabischen السلاجقة (as-Salādschiqa). Die moderne türkische Schreibweise ist Selçuklular.

Geschichte

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siehe auch: Liste der Seldschuken-Fürsten

Anfänge

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Die Seldschuken waren ursprünglich ein Zweig des im 8. Jahrhundert in Transoxanien eingewanderten turkmenischen[3] Stammesverbandes der Qynyq.[2][7] Diese lebten als Teil des Yabghu Chāqānat der Oghūsen nördlich des Kaspischen Meeres in der Nähe des Aralsees.[11]

Namensgeber der Dynastie war Saldschūq bin Duqāq bin Temür Yālegh, ein Stammesfürst der Qynyk-Oghūsen, der wohl den Rang eines Sü Bāschī, eines militärischen Führers, bekleidete. Wegen einer Meinungsverschiedenheit mit dem herrschenden Yabghu musste er mit seinem Stamm und seiner Herde entlang des Flusses Syr-Daryā ins Farghāna-Tal[12] fliehen, wo er schließlich starb und wo sein Stamm zuvor den islamischen Glauben angenommen hatte.[7][13]

An den Grenzen Chorāsāns und Choresmiens angekommen, wurden die Seldschuken und andere Oghūsen zunehmend als Söldner für die Truppen der Sāmānīden angeworben, die sich im Osten gegen den steigenden Druck der Qarachāniden und im Westen gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen lokaler Fürsten wehren mussten. Die Führung der Seldschuken übernahmen nach dem Tod Saldschūq bin Duqāqs seine Söhne Mūsā, Mīkā'īl und Arslān Isrā'īl, womöglich auch ein vierter Sohn mit dem Namen Yūṣuf. In der darauffolgenden Generation wurde die Führung auf Mīkā'īls Söhne, Toghrol Beg Muḥammad und Čaghrī Beg Dā'ūd übertragen. Ab hier beginnt die eigentliche Geschichte der Großseldschuken.

Wie viele andere Großdynastien des Mittelalters versuchten auch die Seldschuken schon sehr früh ihre Herkunft zu mythologisieren. So wurde schon unter Toghrol der Versuch unternommen, die Familie mit Afrāsiyāb in Verbindung zu bringen, dem legendären König von Tūrān aus der iranischen Mythologie.[7] Auch spätere Sultane, vor allem die Sultane von Rūm, versuchten die Herkunft der Familie auf die epischen Helden und antiken Könige Irans zurückzuführen.[14] Folgerichtig schmückten noch im 13. Jahrhundert Verse aus Ferdausīs Schāhnāma die Paläste von Alā ud-Dīn Kay Qubāḏ in Anatolien.[15] Zusätzlich zum königlichen Abstammungsmythos wird in klassischen Quellen die frühe Geschichte der Familie mit dem orthodoxen, sunnitischen Islam in Verbindung gebracht. Schon in den frühesten Quellen werden die Ahnen der späteren Sultane als ghāẓīs und vorbildliche Muslime dargestellt.[16]

Toghrol & Čaghrī

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Die Brüder Toghrol und Čaghrī kamen auf die Welt, als die Oghūsen noch in Transoxanien, nördlich von Chorāsān und Choresmien beheimatet waren. Die erhaltenen Berichte über die frühen Seldschuken sind schwach und oftmals sagenumwoben, doch scheint aus diesen hervorzugehen, dass die Brüder schon in jungen Jahren ihren Vater verloren hatten und dass sie ihren Großvater, Saldschūq bin Duqāq, auf seiner Reise begleiteten.[17] In den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts gerieten die Seldschuken zunehmend in die internen Auseinandersetzungen der Qarachāniden in Transoxanien, die kurz zuvor die Sāmānīden verdrängt hatten. Toghrol und Čaghrī schlossen sich dem Qarachāniden ʾAlī-Tegīn bin Boghrā Chān an und ließen sich mit ihrem Stamm und ihrer Herde in der Nähe von Buchārā nieder. Als Schāh Mālik bin Ali Yabghu − ein Anführer der Oghūsen, dessen Stamm seit der Zeit Saldschūq bin Duqāqs mit den Seldschuken verfeindet war − in Transoxanien an die Macht kam, waren diese gezwungen, mit 10.000 weiteren Nomaden, auf der Suche nach Schutz und neuen Weidenfeldern, nach Chorāsān zu fliehen. Sultan Masʾūd bin Maḥmūd, der ghaznawīdische Herrscher von Chorāsān, war mit einem Feldzug in Indien beschäftigt und musste notgedrungen die Oghūsen gewähren lassen und ihre Anführer als lokale Statthalter anerkennen.[17] Masʾūds zögerliche Haltung stärkte den politischen Einfluß der Seldschuken in Chorāsān rapide, und im Jahre 1038 konnte Toghrol kurzzeitig die Kontrolle über Nīschāpūr übernehmen, nachdem sein Bruder schon ein Jahr zuvor als Statthalter von Merw anerkannt worden war.[18] Als die Turkmenen weitere Raubzüge gegen die Stadtbevölkerung und gegen wichtige Karawanen unternahmen und ihr Vieh weite Gebiete der Agrarlandschaft zu zerstören drohte, entschloss sich Masʾūd zu einem militärischen Schlag.[19] Doch sein verzweifelter Versuch, die Nomaden zu unterwerfen, schlug fehl, und er wurde bei der Schlacht von Dandānqān (1040) von den Seldschuken vernichtend geschlagen. Chorāsān stand von nun an den Turkmenen offen, und die beiden Brüder, die bis dahin weitgehend als autonome Anführer agiert hatten, teilten die eroberten Gebiete und die Verantwortung untereinander auf: Toghrol sammelte seine Truppen und zog in den Westen, bis nach Irāq, während Čaghrī in Chorāsān zurück blieb und weiter gegen die Ghaznawīden Krieg führte, die noch sehr lange eine ernsthafte Bedrohung für die Seldschuken darstellten.[17] Trotz der grundsätzlichen Handlungsfreiheit, die Čaghrī in Chorāsān genoss, war er formell Toghrol untergeordnet.[20] Dieser führte währenddessen seine Truppen gegen die daylamītischen und kurdischen Prinzen im Norden Persiens und errichtete vorübergehend in Rayy seine Hauptstadt. Sein Ziel war vor allem die reiche Provinz Dschibāl in der Zāgrosregion, während Āzarbāydschān und die Routen in den Kaukasus bzw. nach Armenien und Anatolien den weniger disziplinierten der turkmenischen Banden überlassen wurden.[7][21] Toghrols Ambitionen wurden durch die internen Kämpfe der Būjīden zusätzlich begünstigt. Schließlich gelang es ihm 1056, von Dschibāl und Hamadān aus in Baghdād, der Hauptstadt des abbāsīdischen Kalifats, einzumarschieren und die Herrschaft der Būjīden zu beenden. Bis 1060 waren alle schiitischen Bedrohungen für das sunnitische Kalifat beseitigt und nur wenige būjīdische Prinzen konnten sich noch im Süden Persiens halten − allerdings als Vasallen der Seldschuken. Toghrols Sieg in Baghdād wurde von den sunnitischen Kalifen als Befreiung gefeiert, und ihm wurden formell die Titel ruknu ʾd-daula (ركن الدولة - „Stütze der Dynastie“) und maliku ʾl-maschriq wa-ʾl-maghrib (ملك المشرق والمغرب - „Herrscher des Ostens und des Westens“), sowie der des sultān (سلطان - „Herrscher“) verliehen. Auf Drängen Toghrols hin wurde die neue Allianz zwischen dem Kalifat und den Seldschuken durch seine Hochzeit mit einer abbāsīdischen Prinzessin zusätzlich gestärkt, nachdem der Kalif selbst schon zuvor eine Tochter Čaghrīs zur Frau genommen hatte.[7] 1063 starb Toǧrol in Rayy, nachdem 3 Jahre zuvor auch sein Bruder Čaghrī verstorben war, der bis dahin mehrfach die Bemühungen der Ghaznawīden, Chorāsān zurück zu erobern, verhindert hatte.

Alp Arslān

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Als der kinderlose Toghrol starb, kam 1063 Čaghrīs Sohn Muḥammad bin Dā'ūd an die Macht, besser bekannt als „Alp Arslān“ (zeitgenössische arabische Quellen betrachten diesen Namen als laqab). Alp Arslān hatte zuvor seine Jugend in der Umgebung von Balch in Chorāsān verbracht, wo sein Vater in ständigen Kämpfen gegen die Ghaznawīden verwickelt war. Nach den Berichten von Ibn al-Aṯīr war er schon 1043 Befehlshaber einer eigenen, kleineren Truppe. Entgegen der Behauptung einiger Quellen war Alp Arslān jedoch nicht von Toghrol zu seinem Nachfolger ernannt worden, sondern Čaghrīs jüngster Sohn Solaymān. Doch unmittelbar nach dem Tode Toghrols marschierte Alp Arslān, der nun mālik von Chorāsān war, mit seinen Truppen in den Westen, um den Thron gegen seinen jüngeren Bruder für sich zu beanspruchen. Mit der Unterstützung der großen Heerführer und seines Wesirs Niẓām al-Mulk konnte Alp Arslān seine Macht gegen Solaymān sichern.[7] Doch gleich als erste Amtshandlung musste er sich mit einem Aufstand seines Onkels Qotlomosch auseinandersetzen, der eine große Armee von Turkmenen gegen ihn zusammengerufen hatte. Dieser starb jedoch im November 1063 auf der Flucht vor Alp Arslān in den Bergen.[22] Unmittelbar danach wurde Toghrols amtierender Wesir, ʾAmīd al-Mulk Kondorī, abgesetzt und später hingerichtet, denn er hatte nicht nur in den Thronkämpfen Alp Arslāns Bruder unterstützt, sondern auch Toghrols Reichtum auf die Truppen übertragen, womöglich mit der Absicht − so wurde ihm von Alp Arslān unterstellt – die Kontrolle über das Reich zu übernehmen.[22] Dessen Position übernahm von nun an Niẓām al-Mulk. Alp Arslān wurde kurz darauf vom abbāsīdischen Kalifen, dessen Tochter mit Toghrol verheiratet gewesen war,[22] als rechtmäßiger Nachfolger seines Onkels anerkannt, und ihm wurden formell alle Titel übertragen. Die Witwe Toghrols schickte er zurück nach Baghdād und bemühte sich nicht, wie sein Vorgänger in die Familie der Abbāsīden zu heiraten. Stattdessen fand er schnell zu seinen militärischen Wurzeln zurück: schon 1064 unternahm er den ersten siegreichen Feldzug im Nordwesten gegen das byzantinische Armenien, an dem auch sein Sohn Malik Schāh und sein Wesir Niẓām al-Mulk, jeweils mit eigenen Truppen, teilnahmen. 1065 führte Alp Arslān seine Armee im Osten gegen Turkmenen und Qiptschaqen, die sich alle dem neuen Herrscher unterwerfen mussten. Bis 1069 musste er sich mit mehreren Aufständen, darunter den seines Bruders Qāvord, auseinander setzen. Danach widmete er sich wieder der Westflanke – sowohl gegen den byzantinischen Imperator Romanos Diogenes, der auf Grund turkmenischer Raubzüge in Anatolien zwischenzeitlich Syrien attackiert hatte, als auch gegen die Fātimīden in Ägypten. 1071 wurde Romanos Diogenes bei der Schlacht von Malāzgird von Alp Arslān vernichtend geschlagen und kurze Zeit später abgesetzt. Obwohl Alp Arslān vermutlich nicht vor hatte, das Byzantinische Reich zu vernichten,[22] hatte sein Sieg in Malāzgird dennoch verheerende Folgen für die Byzantiner, denn von nun an war der Weg für die türkische und muslimische Eroberung Anatoliens freigelegt.
Alp Arslān konzentrierte sich nun wieder auf die Ostflanke und setze zum entscheidenden Schlag gegen die Qarachāniden an, zu denen er bis dahin gute Beziehungen gepflegt hatte. Doch kurz nachdem er mit seinen Truppen den Fluß Amū Daryā überquert hatte, wurde er durch einen gefangen genommenen Kastellan schwer verletzt. Vier Tage später erlag er seiner Verletzung.

Malik Schāh

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Mit dem Tod Alp Arslāns bestieg 1072 sein 18-jähriger Sohn Malik Schāh den Thron, nachdem er schon 1066 von seinem Vater zum Nachfolger bestimmt worden war. Zuvor hatte Alp Arslān durch geschickte Heiratspolitik die Position der Seldschuken in Zentralasien gegenüber den mächtigen türkischen Herrscherhäusern, insbesondere den Qarachāniden, stabilisiert. Die traditionelle Rolle des Atābeg, der quasi als Tutor dem jungen Herrscher mit Rat zur Seite stehen sollte, wurde jedoch zum ersten Mal von einem Nicht-Turkmenen, nämlich vom Wesir Niẓām al-Mulk, übernommen.[23]

In vielerlei Hinsicht setze Malik Schāh die Politik seines Vaters fort, in macherlei Hinsicht übertraf er diesen sogar. Während seiner Herrschaft wurde die Macht mit erheblichem Ausmaß zentralisiert und der von Niẓām al-Mulk geführte dīwān wurde immer mehr zum Kern der seldschukischen Machtausübung. Aber auch die alten Traditionen der Turkmenen blieben weiterhin bedeutend, obgleich dies aus den zeitgenössischen Quellen, die ausschließlich auf Persisch und Arabisch verfasst sind, nicht immer ersichtlich wird.[7] Die Mitglieder der seldschukischen Großfamilie waren sich sehr im Klaren darüber, was sie gemäß der alten Steppentraditionen als „ihre Rechte“ verstanden, während Niẓām al-Mulk auf der anderen Seite den jungen Sultan nach seinen persönlichen Vorstellungen zum idealen persisch-islamischen Despoten formen wollte.[7]

Nur kurze Zeit nachdem Malik Schāh den Thron bestiegen hatte, beanspruchte sein Onkel Qāvord - der amīr von Kirmān und ein erfahrener Militärführer − seinerseits die Macht für sich und mobilisierte seine Kämpfer gegen Malik Schāh. Qāvord war das älteste Mitglied der seldschukischen Familie und nach den Gesetzen der Steppe der erste Anwärter auf den Thron. Malik Schāh weigerte sich jedoch, den alten Bräuchen zu folgen und bestand auf sein Recht als Sohn Alp Arslāns − und somit auf die neuen, persisch-islamischen Traditionen, die nun im Reich vorherrschten.[7] Qāvords Armee wurde im Januar 1074 in der Nähe von Hamadān geschlagen, und er selbst geriet in Gefangenschaft. Der Sieg, der Malik Schāhs Macht entgültig sicherte, brach nicht nur die alten Traditionen der Turkmenen, sondern demonstrierte auch die Überlegenheit der neuen, professionellen Armee der Seldschuken. Zuvor waren viele traditionellere Turkmenen zu Qāvord übergelaufen, und dieser hatte auf den kompletten Abfall von Malik Schāhs Armee spekuliert. Doch die Militärsklaven und die kurdischen und arabischen Kontingente Malik Schāhs hielten stand und konnten sich gegen die turkmenischen Banden bewähren.[24] Qāvord, dem Malik Schāh zuerst vergeben wollte, wurde auf Drängen Niẓām al-Mulks hingerichtet. Somit wurde mit einer weiteren Tradition der Steppe zugunsten der neuen gebrochen, und wahrscheinlich begannen die turkmenischen Nomaden ab jetzt die zunehmende Entfremdung des Sultans und die seiner Machtzentren in Hamadān and Iṣfahān zu spüren. Dieser Konflikt zwischen der herrschenden Elite und den Nomaden sollte noch bis zur Herrschaft Sandschars anhalten.[7]

Nach außen hin erbte Malik Schāh die Konflikte und Ängste seines Vaters. Einen Brennpunkt dieser Außenpolitik bildeten die nordwestlichen Provinzen Āzarbāydschān und Arrān, in denen eine beträchtliche Anzahl turkmenischer Nomaden lebte. Feldzüge nach Georgien führte er selbst an, während es sich bei den seldschukischen Feldzügen in Anatolien durch die Söhne seines (Groß-)Onkels Qotlomosch − Solaymān und Manṣūr − um unabhängige, nicht vom Sultan genehmigte Aktionen handelte, die sich jedoch außerhalb seiner Kontrollsphäre befanden. Viel wichtiger für ihn war die Stabilisierung der Lage in al-Dschaẓīra und Syrien gegen lokale arabische Fürsten, einige von ihnen schiitisch und somit potentielle Unterstützer der Fātimīden. So hatte er gegen Ende seines Lebens die Macht der Seldschuken bis nach Jemen und Ḥidschāẓ ausgebaut. An der Ostflanke des Reiches befehligte er eine Invasion in Transoxanien gegen die Qarachānīden, als Rache auf vorangeganene Attacken auf seldschukische Posten in Tochāristān. Mit den Ghaznawīden versuchte er sich politisch zu verständigen, unter anderem durch Heiratspolitik, und Münzprägungen der damaligen Zeit belegen einen deutlichen kulturellen Einfluss der Seldschuken auf die Ghaznawīden. Somit hatte das Reich der Seldschuken seinen Höhepunkt erreicht.

Doch der gewaltsame Tod Malik Schāhs im Jahre 1092 markierte das beginnende Ende dieser Blütezeit, und das Reich der Seldschuken, bis dahin die größte Macht der islamischen Welt, zerbrach schon bald darauf an inneren Machtstreitigkeiten.

Niẓām al-Mulk

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Über all diese Jahre hinweg stand hinter Alp Arslān und Malik Schāh der gefeierte und mächtige Wesir Abū al-Ḥasan bin ʿAlī bin Isḥāq al-Ṭūsī, besser bekanntals Niẓām al-Mulk, dessen Berühmtheit vor allem auf die Tatsache zurück geht, dass er spätestens seit der Ermordung Alp Arslāns in jeder erdenklichen Hinsicht der eigentliche Regent des Seldschukenreiches war und sein Reich mit erdrückendem Erfolg regierte. Viele Wesire der Epoche übertrafen ihre Herren an Genialität und Scharfsinnigkeit, doch keiner von ihnen war mit Niẓām al-Mulk gleichzustellen. Zeitgenössische Autoren wie Ibn al-Aṯīr würdigen seine gesamte Amtszeit als ad-daula an-niẓāmīya (الدولة النظامية) - als „Herrschaft Niẓām al-Mulks“. Seine Position und Bedeutung waren, wenn überhaupt, nur noch mit denen der legendären Barmakiden vergleichbar. Wie sein Vater ʿAlī war auch Niẓām al-Mulk anfangs am Hofe der Ghaznawīden tätig, bevor er später zum Lager Čaghrīs wechselte und ab 1053 im Dienste Alp Arslāns stand. Seine Berühmtheit und seine persönliche Freundschaft zu Alp Arslān veranlassten Toghrols ehemaligen Wesir, ʾAmīd al-Mulk Kondorī, sich früh in die Thronstreitigkeiten der Seldschuken einzumischen, wohl ahnend, dass Alp Arslāns Sieg nicht nur Niẓām al-Mulks Aufstieg, sondern auch sein eigenes Ende bedeuten würde (s.o.).[25] Niẓām al-Mulk begleitete Alp Arslān bei fast all seinen Feldzügen, manchmal führte er auch eigene, und es ist schwer festzulegen, welcher der beiden die treibende Kraft des Reiches war. Seine Machtambitionen und Genialität konnte er aber erst nach dem Tod Alp Arslāns komplett entfalten, in dem er den jungen Malik Schāh gänzlich kontrolierte und so, für die folgenden 20 Jahre, zum eigentlichen Herrscher des Seldschukenreiches wurde.

Die Politik der Seldschuken änderte sich unter Niẓām al-Mulks Führung kaum. Er war jedoch, im Vergleich zu Alp Arslān, gegenüber den Turkmenen merklich aggressiver, was sich vor allem in der Hinrichtung Qāvords, des Stammesältesten der Seldschuken, und - wenig später - in der Gefangennahme und Blendung von Malik Schāhs Bruder Takesch äußerte.[25] Anfangs machte er auch die von Alp Arslān eingeführte „Versöhnungspolitik“ gegenüber den Kalifen von Baghdād rückgängig, mit der Absicht, das Kalifat gänzlich abzuschaffen. Seine Ansichten änderten sich jedoch, als der Kalif al-Muqtadī zwei Töchter Malik Schāhs zur Frau nahm. Gleichzeitig erarbeitete sich Niẓām al-Mulk die Unterstützung der ʿulamāʾ (علماء - „Religionsgelehrte“), vor allem der Schāfi‘ī, unter anderem durch die Errichtung religiöser Schulen (مدارس - madāris), von denen die nach ihm selbst benannte an-niẓāmīyya (النظامیة) in Baghdād viel Ruhm erlangte. Niẓām al-Mulk zentralisierte das Reich, indem er den bürokratischen Staatsapparat (دیوان - dīwān) gegenüber dem königlichen Hof (درگاه - dargāh) stärkte. Unterstützt wurde er dabei durch den Finanzminister Scharaf al-Mulk und den hohen Staatsbeamten Kamāl al-Daula. Jedoch war es nicht Niẓām al-Mulks Ziel, Politik neu zu erfinden. Ganz im Gegenteil bemühte er sich stets, die alten Staatstraditionen nach dem Vorbild der Ghaznawīden und anderen Herrscherhäusern der Vergangenheit fortzuführen.

Wie die einstigen Barmakiden repräsentierte auch Niẓām al-Mulk die historische, jetzt aber stark islamisierte, persische Zivilisation im Zuge der barbarischen Eroberung Irans,[25] und nur durch ihn war es den Seldschuken möglich, sich in ihrer nunmehr neuen Heimat gänzlich in der Rolle wahrhafter Monarchen zu fühlen.[26] Er war nicht nur der Führer des von Persern dominierten dīwān, sondern - durch seine Rolle als Atābeg Malik Schāhs - auch der des dargāh, und diente somit als Brücke zwischen den politisch und kulturell stark unterschiedlichen Lagern des Reiches, zwischen Iranern und Türken. Seine mysteriöse Ermordung im Jahre 1092 schockierte das Adel- und Hofestablishment des Reiches, und in einem nur kurz nach seinem Tod verfassten Gedicht (Malik Schāhs Ermordung wird nicht erwähnt und hatte dementsprechend noch nicht stattgefunden), glorifiziert ihn der persische Hofdichter Muʿizzi als einzigartige Persönlichkeit, als Ordnung (arab. niẓām) des Reiches (arab. mulk), und als idealen Soldaten und Gelehrten.[27] So wundert es auch nicht, dass Niẓām al-Mulks Tod unausweichlich den Anfang vom Ende der Großseldschuken markierte.

Zerfall des Großreiches

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Nach Malik Schāhs Tod zerfiel das Reich in einen chaotischen Zustand. Junge und unerfahrene Prinzen sowie ihre ambitionierten Mütter versuchten erbittert und mit Intriegen die Macht an sich zu reißen. Malik Schāhs Witwe Terken Ḫātūn und die Feinde des erst kürzlich ermordeten Niẓām al-Mulk versuchten den vierjährigen Sohn Malik Schāhs als Maḥmūd I. auf den Thron zu installieren, doch der Versuch scheiterte. Malik Schāhs ältere Söhne Berk-Yaruq und Muḥammad Tapar (unterstützt durch seinen Onkel Tutusch) bekämpften sich bis 1105, bis zum Tod des Ersteren, in einem erbitterten Bürgerkrieg. [...]

Verwaltung

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Die Seldschuken, anfangs noch „Barbaren“, wussten nach der Eroberung Persiens das Beste aus den bereits existierenden Verwaltungsstrukturen zu machen. Die Verwalter und Wesire, die von nun an in ihren Diensten standen, verliehen den neuen Sultanen genau so viel Ruhm und Glanz wie zuvor den Būjīden und Ghaznawīden.[7] Doch ihr Reich war in ethnischer, sozialer und kultureller Hinsicht sehr inhomogen und deshalb nicht ohne Weiteres durch ein zentrales System regierbar.

Die Politik der Seldschuken wurde maßgeblich durch zwei Faktoren bestimmt:[22]

  1. die Wünsche und Bedürfnisse des Sultāns und die seiner persischen Berater und Administratoren auf der einen Seite,
  2. die Bedürfnisse der turkmenischen Nomaden, die weiterhin einen wichtigen Teil der seldschukischen Streitmacht stellten, auf der anderen Seite.

Die mühevolle Balance zwischen persisch-islamischen und türkisch-nomadischen Elementen konnte die unausweichlichen Konflikte nicht verhindern. Vor allem im Osten der iranischen Welt, und ganz besonders in Transoxanien, gab es nach dem Zusammenbruch der Sāmānīden und Ghaznawīden, zumindest anfäglich, eine deutliche Dezentralisation der Macht und einen Rückfall in Richtung feudaler Strukturen.[28] Die Seldschuken herrschten über ein Reich ohne feste Grenzen, und so konnte es auch vorkommen, dass bestimmte Gebiete in bestimmten Zeiten an die einheimischen Stämme zurückgegeben oder -verkauft wurden. In der Regel durften in den Peripherien des Reiches die lokalen Fürsten und Prinzen als feudale Herren weiterherrschen. Sie waren dem seldschukischen Sultan aber tributpflichtig.

Bürokratie (Dīwān)

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  • Niẓām al-Mulks "Siasatnama" (ausführlich)
  • al-Ghazalis "Nasihat al-Muluk" (ausführlich)

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Militär

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Die Seldschuken befehligten eine multi-ethnische Armee, deren Kontingente in der Regel von türkischen Militärsklaven angeführt wurden. Unterstützt wurde diese Armee durch unabhängige, aber den Seldschuken loyale Clanführer der turkmenischen Nomaden,[29] deren Stammeskrieger für die Seldschuken von immenser Bedeutung waren. So schrieb Niẓām al-Mulk im Siyāsatnāma (§ 26), dass die Sultane gegenüber den Turkmenen aufgrund ihrer Verdienste in der Vergangenheit eine Verpflichtung hätten, und empfahl ihnen daher, für die Nomaden immer einen Posten in der Regierung vorzusehen. Die Empfehlung des fähigen Wesirs ging eindeutig gegen den Trend der Zeit, der die administrative und militärische Zentralisierung und Professionalisierung des Reiches vorsah;[30] er verdeutlicht aber auch, wie wichtig die Turkmenen für die politische Struktur des Reiches waren. Nichts desto Trotz hatte schon Toghrol mit der vorsichtigen Rekrutierung von Militärsklaven begonnen, um ein Gegengewicht zu den Stammeskriegern in der Armee zu haben. Ihre Überlegenheit bewies die professionelle Armee in den Thronkämpfen Malik Schāhs, als dieser mit ihrer Hilfe sich gegen die Stammeskrieger behaupten konnte.

Wirtschaft

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Gesellschaft

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Für fast tausend Jahre - bis ins 20. Jahrhundert - wurde Persien in der Regel durch Dynastien nicht-persischer Herkunft dominiert. Hauptsächlich handelte es sich bei diesen um türkische Nomaden, manchmal aber auch um Mongolen oder Kurden. Die Seldschuken waren die Ersten in dieser langen Reihe türkischer Herrscher und machten anfänglich in den Augen der Einheimischen sicherlich einen sehr exotischen Eindruck. So werden, zum Beispiel, in Ẓāhir ud-Dīn Nīschāpūrīs Saldschūq-Nāma Alp Arslāns fremdes Aussehen sowie sein sehr langer Schnurrbart hervorgehoben.

Die politische Dominanz der Nomaden hatte aber kaum einen Einfluss auf die nationale Psyche oder das literarische Bewusstsein Persiens. Das hing vor allem damit zusammen, dass diese allesamt ihre Wurzeln bei Völkern mit niederen kulturellen Errungenschafften hatten und ihnen somit auch die administrativen Kapazitäten fehlten, die nötig wären, um ein Land mit einer historischen Bevölkerung und Zivilisation zu kontrollieren. Bewusst oder unbewusst nahmen sie die iranische Kultur an ihren Höfen an und waren auch gezwungen, Einheimische als Verwalter oder Steuereintreiber zu beschäftigen.[31] Dadurch waren sie unvermeidbar dem großen Einflusses ihrer persischen Berater ausgesetzt und wurden somit selbst kontinuierlich „iranisiert“. Als die Seldschuken im 11. Jahrhundert die politische Bühne Persiens betraten, war ihre Assimilierung in die einheimische Zivilisation Persiens keineswegs ungewollt, denn erst dadurch konnten sie ihre Herrschaft zusätzlich mit der langen und gehobenen Monarchietradition des Landes und der damit verbundenen Ergebenheit der Bevölkerung legitimieren.[31]

Als despotische Kaiser eines Imperiums im Sinne der persisch-islamischen Tradition, wie z.B. zuvor die Ghaznawīden, haben die Seldschuken aber nie fungiert, auch wenn ihre Zuneigung für Macht und Luxus mit der Zeit deutlich anstieg. Ihr Aufstieg zur mächtigsten politischen Kraft in der islamischen Welt erfolgte vor allem als Anführer turkmenischer Nomaden, und den Sultanen war immer bewusst, dass sie letztendlich von den militärischen Fähigkeiten und der Loyalität dieser Nomaden abhängig waren. Die Position der seldschukischen Sultane unterschied sich somit fundamental von der Position ihrer Vorgänger − sowohl von den Sāmānīden, mit ihrer aristokratischen Herkunft und ihrer professionellen Sklavenarmee, als auch von den Ghaznawīden, die selbst Nachkommen von Sklaven waren und eine gleichermaßen professionelle und bezahlte Armee befehligten.[7] Die Seldschuken versuchten zwar zunehmend sich den turkmenischen Stammeselementen zu entziehen, doch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich auch völlig von deren Los zu lösen wünschten. Die Stammeselemente blieben während der Herrschaft der Seldschuken stets prominent und waren manchmal sogar stark genug, auf die Geschicke des Reiches entscheidenden Einfluss zu nehmen. Toghrol, Čaghrī und Alp Arslān lebten noch innerhalb der nomadischen Gesellschaftsstruktur der Turkmenen und versuchten sich im Großen und Ganzen an die Bräuche und Gesetze der Steppe zu halten, solange diese nicht mit ihrer neuen Rolle als Sultan im Zwiespalt standen.[7] Selbst der letzte der Großseldschuken, Sultan Sandschar, der sich mit dem Problem der Oghūsen in Chorāsān auseinandersetzen musste, war sich seiner Doppelrolle als Sultan und als Stammesfürst durchaus bewusst, wie historische Quellen belegen.[32]

Konflikte mit den Nomaden

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Im 11. Jahrhundert kam es zu einer beträchtlichen Wanderung der türkischen Stämme Zentralasiens. Diese begannen in z.T. großen Stammesverbänden, darunter die ca. 16.000 oghūsischen Krieger der Schlacht von Dandānqān, mit dem Siegeszug der Seldschuken ins persische Kernland, nach Mesopotamien und nach Anatolien zu wandern. Die „Turkmenen“ - wie die Oghūsen auch genannt wurden - hatten trotz der scheinbaren Überlegenheit ihrer Gegner in Bezug auf Armee, Waffen und Kriegsmaterialien, diese mit überraschender Leichtigkeit besiegt und das Land erobert.[28] Die Anzahl der Turkmenen war der der einheimischen Bevölkerungen zwar weit unterlegen, sodass es sich bei der Eroberung im Großen und Ganzen um einen langwierigen, über mehrere Jahrhunderte andauernden Prozess handelte. Aber die Konsequenzen für die eroberten Länder waren dennoch enorm, denn die Gruppen turkmenischer „Nachzügler“, wenn auch klein in ihrer Anzahl, veränderten Schritt für Schritt das ethno-linguistische Bild weiter Teile des Nahen Ostens - und das bedeutete vor allem die Zunahme von Nomadismus.[28] Die Nomaden hatten, im Gegensatz zur herrschenden Elite, noch ein ausgeprägtes Selbstverständnis für die patriarchischen Strukturen ihrer Stämme, ihrer eigenen „barbarischen“ Kultur und den religiösen Tradition ihrer Vorfahren. Und das bedeutete wiederum, dass Konflikte mit der einheimischen, sesshaften Bevölkerung unausweichlich waren. Die nunmehr kontinuierlich und in relativ großer Zahl nach Chorāsān eingeströmten Turkmenen stellten eine erhebliche Bedrohung für die politische und wirtschaftliche Stabilität Persiens dar, und die Landwirtschaft war stets der Zerstörung durch das Vieh der Nomaden ausgesetzt. Die Regierung versuchte das Problem in den Griff zu bekommen, in dem sie die weiterhin militanten Nomaden aus der wichtigen Provinz Chorāsān zu vertreiben und diese in den Westen gegen die christlichen Herrscher in Anatolien und im Kaukasus abzulenken versuchte. Wie wichtig dieses Vorhaben für die Seldschuken war, wird daran deutlich, dass schon Alp Arslān in zwei großen Schlachten im Nordwesten (1064 und 1068) seine Streitkräfte persönlich befehligte.[7] Die Turkmenen blieben weitgehend eine unassimilierbare Gruppe in Chorāsān, und ihre Umsiedlung bzw. „Ablenkung“ in die westlichen Außenbezirke des Reiches verlief nicht immer freiwillig. Die zunehmende Vernachlässigung ihrer Bedürfnisse durch die Herrscher provozierte in einigen Fällen gewaltsame Aufstände.[33]

Religion

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Die Seldschuken und die höheren Klassen der Gesellschaft waren, auf Grund ihrer langjährigen Bindung zu Chorāsān und des dort weiterhin vorherrschenden Einflusses der Sāmānīden,[34] orthodoxe Sunniten und befolgten − wie die Mehrheit in Chorāsān − die ḥanafītische Rechtsschule (maḏhab). Seit der Herrschaft Alp Arslāns waren alle Aktivitäten der Seldschuken von den einflussreichen, aus Chorāsān stammenden, sunnitischen Beratern des Sultans (insbesondere von Niẓām al-Mulk) abhängig,[22] und es besteht kein Zweifel daran, dass diese ihn aufforderten, dem politischen und militärischen Aufschwung der Schiiten − vor allem dem der Būjīden in Persien und der Fātimīden in Ägypten − ein Ende zu setzen.[22] Die Seldschuken betraten die politische Bühne der islamischen Welt zu einer Zeit, in der die Autorität des sunnitischen Kalifats auf einen Tiefpunkt gesunken war. Größere Gebiete des Nahen und Mittleren Ostens standen unter dem Einfluss der genannten schiitischen Dynastien, von denen besonders die Fātimīden, die dem īsmā'ilītischen Zweig angehörten und deren Hauptstadt Kairo in materieller und intellektueller Hinsicht mit Baghdad konkurrierte, für lange Zeit die größte Bedrohung für die sunnitische Welt darstellten. Die Vernichtung der Būjīden durch die Seldschuken beendete die Vormundschaft der Schiiten in Baghdad, sodass Toghrols Marsch auf die Hauptstadt des Kalifats von den abbāsīdischen Kalifen als Befreiung gefeiert wurde, und viele Sunniten in der nahezu universellen Dominanz der Seldschuken im Nahen- und Mittleren Osten auch eine ideologische und theologische Rechtfertigung sahen. Der persische Geschichtsschreiber der Seldschuken, Rāwandī, widmete sein Werk „rāḥat as-ṣūdur“ dem späteren seldschukischen Herrscher von Rūm, Ghīyaṭ ud-Dīn Kay Chusrau, und erzählt darin von einem hātif - einer verborgenen, übermenschlichen Stimme - der aus der Ka'aba dem Imām Abū Ḥanīfa versprochen haben soll, dass „solange das Schwert in den Händen der Türken verbleibt,“ sein Glaube „nicht untergehen werde.“[28] Das spätere Zusammenbrechen der Fātimīden, als Folge der Bemühungen des ʾAyyūbīden Ṣalāḥ ad-Dīn, setze dem schiitischen Vormarsch endgültig ein Ende. Die anfängliche Freude über die „Befreiung“ verflog jedoch schnell, als die Abbāsīden feststellen mussten, dass die Vormundschaft der neuen Sultane – obwohl Sunniten – der ihrer Vorgänger kaum nachstand. Erst im 12. Jahrhundert konnte das Kalifat gegen die schwächelnden Seldschuken zögerlich mehr Freiheiten für sich beanspruchen. Doch waren diese Bemühungen vergebens, denn schon kurze Zeit später wurden sowohl die Seldschuken als auch das Kalifat von zentralasiatischen Invasoren überrannt: zuerst von den Schāhs von Choresmien und wenig später von den Mongolen Dschingis Khans.[7]

Im Zuge der muslimischen Eroberung Persiens und des nur kurz darauf folgenden Aufstiegs türkischer Militärsklaven in den Peripherien des Kalifats, entwickelte sich vor allem im Osten der Islamischen Welt - in Transoxanien und Chorāsān - eine neue, eigenständige, in der Fachliteratur oft als turko-persisch bezeichnete Kultur, die sich aus Elementen der einheimischen iranischen, der muslimisch-arabischen und der türkisch-nomadischen Traditionen formte. Das grundlegende Stratum dieser Kultur war jedoch essentiell persisch[35] und hatte ihren charakterisierenden Ursprung im vorislamischen Persien, in den Weltreichen der Achaemeniden und Sassaniden, deren despotische Herrscher sich als Kriegskönige und Erschaffer von Zivilisation verstanden. Sie errichteten luxuriöse Paläste mit großen Gärten und trugen reich geschmückte Kronen, während sie gleichzeitig als großzügige Förderer der „Hochkultur“ fungierten - der Architektur, Literatur, Kunst und Wissenschaft. Nach der islamischen Eroberung Persiens wurde diese Kultur von den muslimischen Kalifen fortgeführt und erreichte ihren Höhepunkt unter den Abbāsīden, als der persische Lebensstil, jetzt jedoch unter dem Mantel des Islam, zum Standard für die herrschende Elite wurde. Mit dem Aufstieg iranisierter Türken in die administrative Klasse der islamischen Welt, vor allem jedoch der Seldschuken, die sich als Erben dieser antiken Könige verstanden, wurde diese Kultur in West-, Zentral- und Südasien politisch etabliert und sollte - zumindest in Form des Osmanischen Reiches - bis zum 20. Jahrhundert überdauern.[35]

Tragende Säule dieser Kultur war die Neupersische Sprache,[35] die schon seit dem 10. Jahrhundert in den Königshöfen Zentralasiens auf Kosten der arabischen Sprache zunehmend an Einfluss gewonnen hatte. Schließlich war es aber die Etablierung des Seldschukenreichs, die die Entthronung des Arabischen als bis dato alleiniger lingua franca im Nahen Osten mit sich brachte. Denn die Seldschuken, die kein eigenes hochentwickeltes türkisches Kultur- oder Literaturerbe hatten, übernahmen in der Folge dasjenige Persiens. Sie waren zwar nicht die erste muslimische Dynastie, die die persische Sprache als Hof- und Administrationssprache nutzte, aber ohne Zweifel die erste, die dies in einem Reich tat, dessen geographische Grenzen sich über den größeren Teil der persischsprachigen Welt streckten. [...][7]

Literatur

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Die Bedeutung der seldschukischen Kunst im größeren Kontext der islamischen Kunst liegt vor allem darin, dass sie die dominierende Rolle Persiens etablierte, die vergleichbar ist mit der Rolle Italiens in der europäischen Kunst, und prägte damit auch die zukünftige Entwicklung der persischen Kunst für kommende Jahrhunderte. Es ist wichtig zu erwähnen, dass diese Kunstepoche schon vor der Herrschaft der Seldschuken begonnen hatte und erst nach ihrer Herrschaft endete. Somit gab es in der Entwicklung „Überlappungen“ mit der ghaznawīdischen, būjīdischen, ghūridischen und qarachānidischen Kunst, sodass es falsch wäre, diese als unterschiedliche Epochen oder Entwicklungen anzusehen.[7] [...]

Architektur

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Wissenschaft

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Weiterführende Literatur

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  • P.M. Holt/A.K. Swynford Lambton/B. Lewis: The Cambridge History of Islam Vol 1A, Kapitel 2 "The Coming of the Steppe Peoples" Abschnitt 3 "Anatolia in the Period of the Seljuks and the Beyliks", 1977, ISBN 0521291356, S. 231-262 (Abschnitt geschrieben von Osman Turan)

Einzelnachweise

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  1. P.M. Holt/A.K. Swynford Lambton/B. Lewis The Cambridge History of Islam Vol 1A, 1977, S. 231
  2. a b T. Talbot Rice: Die Seldschuken, Köln 1963, S. 10; J. Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte, Darmstadt 1985, S. 14; M. Gronke: Geschichte Irans, München 2003, S. 41
  3. a b J.W. Meri, Medieval Islamic Civilization: An Encyclopedia; Routledge encyclopedias of the Middle Ages, v.13; 2006 S. 522; Journal of the Royal Central Asian Society, Royal Central Asian Society, v. 16, 1969; S. 387
  4. René Grousset: „The Empire of the Steppes: A History of Central Asia“, Rutgers University Press, 1988, S. 157
  5. J.W. Meri, "Medieval Islamic Civilization: An Encyclopedia", Routledge, 2005, S. 399; Michael Mandelbaum, "Central Asia and the World", Council on Foreign Relations, 1994, S. 79
  6. F. Daftary, Sectarian and National Movements in Iran, Khorasan, and Trasoxania during Umayyad and Early Abbasid Times, in History of Civilizations of Central Asia, Vol 4; ed. M.S. Asimov & C.E. Bosworth; UNESCO Publishing, Institute of Ismaili Studies: “... Not only did the inhabitants of Khurasan not succumb to the language of the nomadic invaders, but they imposed their own tongue on them. The region could even assimilate the Turkic Ghaznavids and Seljuks (eleventh and twelfth centuries), the Timurids (fourteenth–fifteenth centuries), and the Qajars (nineteenth–twentieth centuries) ...”
  7. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s Encyclopaedia of Islam, New Edition; Brill, Leiden; CD-Version; Artikel "Saldjūkids"
  8. Muzaffar Alam, "The Languages of Political Islam", University Of Chicago Press, 2004, ISBN 0226011011
  9. R.G. Hovannisian & G. Sabagh, "The Persian Presence in the Islamic World", Cambridge University Press, 1998, ISBN 0521591856
  10. P. Pelliot, Quelques noms turcs d'hommes et de peuples en -ar/-är, ur/ür, -ïr/ir, in Oeuvres posthumes, Paris 1949, ii, 176-7 n. 2; zitiert in Encyclopaedia of Islam, digital Edition, Artikel "Saldjūkids"
  11. A. Wink, "Al Hind the Making of the Indo Islamic World", Brill Academic Publishers, 1996, ISBN 90-04-09249-8; S. 9
  12. M. Jordon, "Islam: An Illustrated History", Carlton Books Ltd, 2002, S. 51
  13. Anm.: Der Streit zwischen den beiden Gruppen innerhalb des Qynyk-Verbandes hielt noch bis 1041 an, als die Seldschuken − nun siegreich in Chorāsān − den Sohn des Yabghu, Schāh Mālik bin Ali Yabghu, aus Choresmien vertrieben.
  14. M.A. Amir-Moezzi, Shahrbanu, Encyclopaedia Iranica, Online Edition: „... here one might bear in mind that non-Persian dynasties such as the Ghaznavids, Saljuqs and Ilkhanids were rapidly to adopt the Persian language and have their origins traced back to the ancient kings of Persia rather than to Turkish heroes or Muslim saints ...“
  15. S. Blair, „The Monumental Inscriptions from Early Islamic Iran and Transoxiana“, Brill Academic Pub, 1991, S. 11
  16. O. Safi, The Politics of Knowledge in Premodern Islam, S. 17ff, The University of North Carolina Press, 2006
  17. a b c C.E. Bosworth, Čaǧrī, in Encyclopaedia Iranica, Online Edition
  18. C.E. Bosworth, "Ghaznavids", S. 223-26 & 241-68; zitiert in Encyclopaedia Iranica, Artikel "Čaǧrī", Online Edition
  19. C.E. Bosworth, Ghaznavids, Encyclopaedia Iranica, Online Edition
  20. A.H. Dani/V.M. Masson/J. Harmatta/B.A. Litvinovskiĭ/C.E. Bosworth, „History of civilizations of Central Asia“, Vol. IV: „The Age of Achievement: AD 750 to the End of the Fifteenth Century“, Multiple History Series. Paris: UNESCO Publishing, 1998; S. 155 ff., Abschnitt: „The Consolidation of the Seljuq Sultanate in Iran
  21. Anm.: Original-Zitat aus der Encyclopaedia of Islam: „The securing of the rich lands of Djibāl and the reduction of the Būyids were thus his objectives, with Ādharbāydjān and the routes into the Caucasus, Armenia and Anatolia being left to the less-disciplined bands of Turkmens.
  22. a b c d e f g K.A. Luther, Alp Arslān, in Encyclopaedia Iranica, Online Edition; Seite 1 + 2
  23. C. Cahen, Atābak, in Encyclopaedia Iranica, Digital Edition.
  24. C.E. Bosworth, „Kāwurd“, in Encyclopaedia of Islam, Digital Edition.
  25. a b c H. Bowen & C.E. Bosworth, "Niẓām al-Mulk", in Encyclopaedia of Islam, digital Edition
  26. V.V. Barthold, „Turkestan - Down to the Mongol Invasion“, engl. Übersetzung: T. Minorsky & C.E. Bosworth; Luzac & Co., London (1928), S. 308
  27. G.E. Tetley, The Ghaznavid and Seljuk Turks: Poetry as a Source for Iranian History, Routledge; 1. Ed., 2008, S. 125ff
  28. a b c d C.E. Bosworth, "Barbarian Incursions: The Coming of the Turks into the Islamic World", in Islamic Civilization, ed. D.S. Richards; Oxford, 1973; S. 10ff
  29. C.E. Bosworth, The New Islamic Dynasties, Columbia University Press5, 1996, S. 187
  30. A.K.S. Lambton, in „Cambrige History of Iran“, v, S. 246-7; zitiert in Encyclopaedia of Islam, Digital Edition, Artikel „Saldjūkids“
  31. a b C.E. Bosworth, "The Political and Dynastic History of the Iranian World (1000-1217)", in Cambridge History of Iran, Vol. 5 ("The Saljuq and Mongol Periods"), ed. J. A. Boyle; 1968
  32. A.K.S. Lambton, „The administration of Sanjar's empire as illustrated in the ʾAtabat al-kataba“, in BSOAS, xx (1957), S. 382; zitiert in Encyclopaedia of Islam, Digital Edition, Artikel „Saldjūkids“
  33. C.E. Bosworth, „Khurāsān“, in Encyclopaedia of Islam, Digital Edition
  34. J.H. Kramers, „Othmānli“, in Encyclopaedia of Islam, Digital Edition
  35. a b c R.L. Canfield, Turko-Persian Tradition, Cambridge University Press, 1991, S. 1-14