Als Ahnenbrühefall wird ein Rechtsstreit bezeichnet, der durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG Münster) entschieden wurde.[1] Das Urteil wurde vielfach in der Literatur zum Polizei- und Ordnungsrecht als Schulbeispiel verwendet.[2]

Der Rechtsstreit

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Der Streit ging um die polizeirechtliche Verantwortlichkeit der Betreiber von zwei Friedhöfen, die von Kirchengemeinden bereits im 19. Jahrhundert in Betrieb genommen wurden. In unmittelbarer Nähe (150 m Entfernung) errichtete die dortige Stadt 1922 eine Wassergewinnungsanlage. Weil die Stadt – gestützt auf Gutachten – eine Beeinträchtigung diese Anlage befürchtete, beantragte sie beim beklagten Regierungspräsidenten, die Schließung der Friedhöfe anzuordnen. Dieser erließ eine Stilllegungsverfügung, gegen die die Friedhofsbetreiber Klage beim Landesverwaltungsgericht Arnsberg erhoben.

In der ersten Instanz wurde mit gegensätzlichen Parteigutachten über die Frage gestritten, ob und ggf. inwieweit Gefahren von den Friedhöfen auf die Wassergewinnungsanlage ausgingen. In diesem Zusammenhang führte der Beklagte aus, „das städtische Wasser werde im Volksmund als 'Ahnenbrühe' bezeichnet.“ Ein vom Gericht bestellter „Obergutachter“ kam zu dem Schluss, dass die Möglichkeit einer Verseuchung des städtischen Brunnenwassers zwar möglich, aber nicht nachgewiesen sei. Das Gericht gab der Klage statt und hob die Anordnung zur Schließung der Friedhöfe auf. Es schloss sich den Gutachten der Kläger an. Auch nach dem Obergutachten bestehe lediglich die entfernte Möglichkeit einer Verunreinigung durch die Friedhöfe; dies reiche aber für eine Schließungsanordnung nicht aus.

Gegen dieses Urteil legte der beklagte Regierungspräsident Berufung ein. Beide Parteien legten neue bzw. ergänzende Gutachten vor, die ihre Positionen stützten. Die Kläger beriefen sich ferner auf die Priorität ihrer Rechtspositionen gegenüber derjenigen der Stadt. Das Berufungsgericht wies die Berufung des Regierungspräsidenten zurück. Dessen Verfügung sei nicht durch § 49 PVG gedeckt. Der Senat verwies auf die 1863 durch die seinerzeitige königlich-preußische Regierung erteilte Genehmigung zur Errichtung der Friedhöfe. Die Errichtung der Anlage sei somit nicht polizeiwidrig gewesen.

„Später aber könnten sie es nur durch polizeiwidriges Verhalten ihrer Eigentümerinnen (§ 19 PVG.) oder durch Veränderung ihres Zustandes (§ 20 PVG) geworden sein. Hiervon ist […] keine Rede. […] Eine an sich polizeimäßige Anlage kann nicht dadurch polizeiwidrig werden, daß in der Nachbarschaft eine andere Anlage errichtet wird und diese von jener irgendwelche der Abwehr bedürftigen Gefahren zu erwarten hat. […] Es kommt also auf die Auswertung der Sachverständigengutachten […] nicht an.“

Im Folgenden wurden weitere mögliche Ermächtigungsgrundlagen für die Verfügung des Beklagten geprüft und verneint (u. a. § 202 des Preußischen Wassergesetzes).

Die Rezeption der Entscheidung

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Früher wurde eine Konstellation wie die hier vorliegende danach beurteilt, ob die Friedhöfe eine latenter Störung darstellten, wobei der Beurteilungsmaßstab die Rechtslage bei Errichtung der Anlage war. In neuerer Zeit wird jedoch auf die gegenwärtige Rechtlage abgestellt: Wenn der Friedhof die Wassergewinnungsanlage beeinträchtigt, dann sind die Betreiber ordnungsrechtlich verantwortlich. Das Urteil des OVG Münster ist daher überholt.[3] Das Gericht hätte daher unter Zugrundelegung von Sachverständigengutachten entscheiden müssen, ob eine Gefahr oder Störung für das Schutzgut vorlag.

Literatur

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  • Ulrich Stelkens, Sanja Nadine von Beauvais: Neue Rechtsprechung zum Friedhofs- und Bestattungsrecht: Entwicklungen in 2015 und 2016 und Nachlese zu 2014. In: WiVerw 2017, 1–27, hier: S. 2 f.
  • Wolf-Rüdiger Schenke/Ralf Peter Schenke: Polizei- und Ordnungsrecht. In: Udo Steiner (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht. Ein Lehrbuch. 8., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, C.F. Müller, Heidelberg 2006, ISBN 3-8114-8038-3, S. 171–362.
  • Volkmar Götz: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht. 13., neubearbeitete Auflage, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-18240-6.

Einzelnachweise

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  1. OVG Münster, Urt. v. 30.05.1952 – V A 1420/51 – veröffentlicht in: Ingo von Münch (Hrsg.): Gerichtsentscheidungen zum Polizeirecht. Zusammengestellt von Thilo Vogel. Athenäum Verlag, Frankfurt/M. 1971, S. 125–142.
  2. Götz spricht von einem „berühmtem Nutzungskonflikt“: Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht. S. 97, Rn. 235.
  3. So Götz, S. 97 Rn. 235; ablehnend auch Schenke/Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, S.273 Rn. 172.

Kategorie:Gerichtsentscheidung (20. Jahrhundert) Kategorie:Friedhofswesen