Gehen wir das Ganze zunächst aussagenlogisch an.
Die Frage macht einen bestimmten Vorschlag und verlangt ein ja oder nein, was ich hier für aussagenlogische Zwecke mal mit wahr und falsch übersetze (dazu später). Der Vorschlag besteht in der Verknüpfung zweier Aussagen, die logisch in Form einer UND-Verknüpfung aufgebaut ist.
- A = Ich will eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift.
- B = Ich will Stern und Kreuz.
Diese Verknüpfung ist nur wahr, wenn A und B beide voll zutreffen. Will ich also überhaupt ein Urteil abgeben, gibt es also drei Fälle für falsch und einen Fall für wahr.
- A und B: Ich will eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift und ich will Stern und Kreuz => wahr
- A und nicht-B: Ich will eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift und ich will nicht Stern und Kreuz. => falsch
- nicht-A und B: Ich will nicht eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift und ich will Stern und Kreuz. => falsch
- nicht-A und nicht-B: Ich will nicht eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift und ich will nicht Stern und Kreuz. => falsch
Zu beachten ist hier, dass A und B weiter zerlegt werden könnten, etwa: Ich will eine im Wesentlichen verbindliche Vorschrift (A1), kann mich aber nicht zur Ausnahmelosigkeit bekennen (nicht-A2). In dieser Formulierung wäre das dennoch nicht-A, da A aus einer UND-Verknüpfung von A1 und A2 besteht.
Nun ist das aber keine aussagenlogische Frage, sondern eine Frage der Willenserklärung (ja/nein). Hier gibt es eine ganze Reihe von Modifikationen. Hier wäre es zunächst mal sinnvoll, A zu reformulieren als "ausnahmslos verbindliche Vorschrift" und B zu reformulieren als "Regelung Stern und Kreuz". Damit wäre die abgefragte Willenserklärung "Ich will A und B".
Dies verlangt natürlich nach einem Ja, wenn man tatsächlich sowohl A als auch B will. Es sind aber nun andere Fälle denkbar, etwa dieser: Ich will A, B ist mir gleichgültig. Oder: Ich will A, aber nicht B, doch ist mir A so wichtig, dass ich bereit bin, die Kröte B zu schlucken. Oder: Ich will eigentlich A, aber B will ich so wenig, dass ich zu "A und B" nicht ja sagen kann. Dasselbe ist jeweils auch mit Vertauschung von A und B möglich.
Wenn man die As und Bs auflöst, stellt man fest, dass das Meinungsbild auf die Frage A hinausläuft, und dies auch in einer bestimmten inhaltlichen Richtung: Die Initiatoren zielen darauf, eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift zu etablieren. Das ist der Vorschlag, den sie machen. Mit dem Text des Meinungsbilds ist sehr gut der Fall vereinbar, dass jemand sagt: Ja. A muss jetzt her, B ist mir egal, evtl. sogar unsympathisch, aber das ist mir nicht so wichtig, dass ich gegen "A und B" stimmen würde, weil dann ja auch A nicht bestätigt wäre, sondern offen bliebe. Weiter aufgefächert etwa: Ich will A, vielleicht nicht B, aber eine andere Lösung als B (etwa C) ist nicht mehrheitsfähig, also schlucke ich die Kröte B.
Der umgekehrte Fall hingegen wäre logisch zwar genauso möglich, nimmt sich aber ausformuliert ganz merkwürdig aus. Man stelle es sich vor: "Ich will unbedingt Stern und Kreuz, das ist mir so wichtig, dass es mir letztlich gleichgültig ist, ob wir eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift haben, deshalb stimme ich mit Ja, obwohl ich zu A keine Meinung habe." Das ist nur in der Negation denkbar: "Ich will auf keinen Fall Stern und Kreuz, deshalb stimme ich mit Nein, obwohl ich eine ausnahmslos verbindliche Vorschrift eigentlich gut fände" - plausible und durchaus vertretene Haltung.
A und B bzw. nicht-A und nicht-B sind also nicht austauschbar. Der Witz ist, dass A und B bei dieser Fragestellung in einem Verhältnis der Implikation stehen. Es ist bereits in der Frage impliziert, dass A nur erreichbar ist, wenn B akzeptiert wird (ob man es will oder nicht). Noch weitergehend: Eine "ausnahmslos verbindliche Vorschrift" könnte ja auch nach Fällen unterscheiden. Auch dies steht nicht mehr zur Wahl. Es handelt sich letztlich um die Frage: Willst Du A? Das bekommst Du aber nur, wenn Du B als gültig akzeptierst. Genau genommen, und das lässt sich an den Debatten zeigen, wird B als gültig unterstellt. Man geht nämlich davon aus, dass B ohnehin bereits beschlossen ist und darüber gar nicht mehr abgestimmt werden muss.
Das Ergebnis wird aber, und da komme ich zur Aussagenlogik zurück, im Fall der Annahme des Vorschlags so interpretiert werden: Die Mehrheit will "A und B", also sowohl A als auch B. Da haben wir dann die von verschiedenen Leuten beklagte Vereinnahmung für einen Standpunkt, den man unter Umständen so gar nicht wollte und gewählt hat. Es wird einem die Interpretation klare Verhältnisse = ausnahmslos B untergeschoben. Das ist der grundlegende Konstruktionsfehler der Abstimmung.