MA, auch Ma, war eine Kabarettreihe in Berlin, die 1926 bis 1928 lief. Der Name ist eine Abkürzung für Montagabend, die Kabarettveranstaltungen fanden an Montagabenden statt. Zugleich bezeichnete MA bzw. Ma auch die Künstlergruppe, die diese Abende verantwortete.
Der Ideengeber und Leiter von MA war der Ullstein-Lektor Reinhard R. Braun, dessen Schwester, die Schauspielerin Lore Braun, regelmäßig in den Kabarettprogrammen auftrat. Musikalischer Leiter war Franz Servatius Bruinier.
Die unregelmäßig stattfindenden Abende boten ein abwechslungsreiches Programm: Rezitationen, Kabarettszenen, Parodien, Theaterstücke, Chansons, Revuen und viel Musik, insbesondere Jazz, aber auch E-Musik. Zu den Textautoren zählten neben Reinhard Braun Bertolt Brecht, Rudolf Leonhard, Iwan Goll und August Bruinier. Die MA-Leute führten auch Lieder und Stücke anderer Autoren auf, oft in eigener Bearbeitung, so von Li-Tai-Po, Luigi Pirandello, Christian Morgenstern, Alfred Lichtenstein, Frank Wedekind und Klabund. Die Musik war gewöhnlich von Franz Bruinier komponiert. Neben seinen Eigenkompositionen sowie einigen Stücken des Jazzposaunisten Kurt Kaiser bot man auch Stücke von Igor Strawinsky, Modest Mussorgski, Paul Hindemith und Ernst Krenek dar, regelmäßig mit Franz Bruinier am Klavier. Bruinier spielte solo, im Duo mit Stefan Weintraub oder zusammen mit dem Bruinier-Trio. Regelmäßig beteiligt am Musikprogramm waren Weintraubs Syncopators, unter anderem mit Ansco Bruinier, und eine weitere Jazzband der Zwanziger, Syd Kay’s Fellows, in einem Fall auch das von August Bruinier geleitete Bruinier-Quartett, ein Streichquartett. Zu den Schauspielern und Interpreten gehörten neben den beiden Brauns häufig Bruno Fritz, Alexander Kardan, Wolf Dohnberg und Franz Schafheitlin, auch Manfred Fürst und Erwin Bootz nahmen teil, ebenso ein weiterer Bruinier-Bruder, nämlich der Chansonsänger Karl Bruinier.
MA brachte es insgesamt nur auf sieben Abende, sechs davon in Berlin, einen letzten als Gastspiel in Amsterdam. Zunächst wurde in etwa ein Zweimonatsrhythmus zwischen den Auftritten eingehalten, nach dem vierten Abend wurden die Pausen jedoch immer länger. Gewöhnlich gab es als ersten Teil ein „Abendprogramm“, das um 20 Uhr 30 begann, und als zweiten Teil ein „Nachtprogramm“ ab 23 Uhr 30 oder 23 Uhr 45.
Beispielhaft das Programm des dritten „Montagabends“ am 28. Februar 1927 im Berliner Schubertsaal: Das „Abendprogramm“ wurde eingeleitet durch einen Klaviervortrag von Franz S. Bruinier: Das Große Tor von Kiew aus den Bildern einer Ausstellung (Mussorgski). Nach einer Nummer „China klagt“, über die nichts Näheres bekannt ist, folgte der Hauptteil, der dem Abend auch seinen Namen gab: Iwan Golls Gedicht Paris brennt, bearbeitet von Reinhard R. Braun als „Ekstatische Szene mit Jazz“, die Musik war komponiert von Franz S. Bruinier. Die Regie übernahm Bruno Fritz, das Bühnenbild stammte von Zara Liljefors. Als Musiker traten Weintraubs Syncopators auf, mit Stefan Weintraub am Klavier und Ansco Bruinier an der Trompete. Das Nachtprogramm begann mit einem Vortrag von Das große Lalula (Christian Morgenstern), ausgeführt von Franz Schafheitlin als „Vorlaller“ mit zwei „Nachlallern“. Es folgte ein „stilles, tiefes Lied“ von Schafheitlin, vermutlich parodistisch gemeint (die Ankündigung schloss mit dem Wort „Amen“), ein Solo des Weintraubs-Saxofonisten Horst Graff und ein „Babyphonisches Jazzduett, von den munteren Knaben Servatius (= Franz Bruinier) und Steps (= Stefan Weintraub) gerevellert“ (eine Anspielung auf die damals moderne Gesangsgruppe Revelers). Danach kam ein „Stockholm-Stomp“, getanzt von Annemarie Korff zur Musik der Weintraubs, eine Szene „Ballgeflüster“ mit Musik von Franz Bruinier und Lore Braun als Ballbesucherin, und zum Abschluss ein „Song vom Auto“, vermutlich eigens für das Programm von Bertolt Brecht geschrieben und von Franz Bruinier vertont, in einer Autokonstruktion des Bühnenbildners Erwin Lehnow. Sowohl nach dem Abend- als auch nach dem Nachtprogramm spielten die Weintraubs zum „Gesellschaftstanz“ auf.
Speziell dieser Abend erhielt geradezu hymnische Rezensionen, insbesondere im Hinblick auf Golls Paris brennt. Kurt Pinthus schrieb im 8 Uhr Abendblatt über die Goll-Adaption, die das „Liebhaberkabarett … zwischen allerlei ernstem und groteskem Unsinn“ präsentierte: „Die Ma-Leute hatten das Gedicht … auf vier Personen verteilt, welche Golls klare und scharfe Rhythmen fanatisch dahinpeitschten, sangen, stöhnten, jauchzten, so daß die Lyrik eminent dramatisch wirkte. Alles gesteigert, zerhackt und zusammengehalten durch eine Jazzmusik, die, lyrisch und rhythmisch klärend, mit der Dichtung zusammenschmolz.“[1] Der Dichter selbst war bei der Aufführung anwesend und äußerte sich in einem Brief an Nino Frank ebenfalls sehr positiv, wobei er wie Pinthus den Akzent auf die musikalische Seite legte. Die Musik habe seine Verse „noch weitaus aggressiver“ skandiert, als das bei der Uraufführung seiner Oper Royal Palace, zu der Kurt Weill die Musik geschrieben hatte, der Fall gewesen sei. Goll bewertete die Darbietung als „die schönste Überraschung für mich“ und fasste zusammen: „Hier eine einzige Begeisterung. Ein Saal voll junger Leute, die von den Rhythmen mitgerissen wurden.“[2]
Zu Mynona siehe Detlef Thiel: Ich verlange ein Reiterstandbild. Mynonas gesammelte Grotesken. In: Salomo Friedländer/Mynona: Grotesken I. Waitawhile, S.
Literatur
Bearbeiten- H. P. J. Bergmeier und Rainer E. Lotz: Die Familie Bruinier. In: Fox auf 78. Ein Magazin rund um die gute alte Tanzmusik. Heft 12, Sommer 1993, S. 7–13, darin insbesondere das Kapitel „Die MA-Leute“, S. 9 ff.
- Fritz Hennenberg: Bruinier und Brecht: Nachrichten über den ersten Brecht-Komponisten. In: Marc Silberman et al.: Versuche über Brecht/Essays on Brecht. Brecht-Jahrbuch/The international Brecht Yearbook 15 (1990), S. 1–44, darin insbesondere der Abschnitt „Exkurs: Die ‚MA‘-Abende“, S. 8–10.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ K. P.: Golls „Paris brennt“ bei „Ma“. In: 8 Uhr Abendblatt (Berlin), Nr. 50, 1. März 1927. Hier zitiert nach Ricarda Wackers: Dialog der Künste (= Veröffentlichungen der Kurt-Weill-Gesellschaft Dessau, Band 5), Waxmann, Münster 2004, S. 64.
- ↑ Brief Golls vom 7. März 1927 an Nino Frank, hier zitiert nach Ricarda Wackers: Dialog der Künste (= Veröffentlichungen der Kurt-Weill-Gesellschaft Dessau, Band 5), Waxmann, Münster 2004, S. 64.