Einer der Grundsätze bei der Erstellung dieser Enzyklopädie ist: Wikipedia stellt bekanntes Wissen dar. Sie dient somit nicht der Theoriefindung oder Theorieetablierung, sondern der Darstellung von Wissen. Zusammen mit dem neutralen Standpunkt und den Quellenangaben bildet diese Richtlinie die inhaltliche Grundlage für dieses Projekt.
Der Grundsatz
BearbeitenArtikel in der Wikipedia zielen natürlich auf Wahrheit, Richtigkeit, Korrektheit. Nur ist "Wahrheit" kein angemessenes Prüfkriterium für einen Wikipedia-Artikel, da nicht so ohne weiteres zu bestimmen ist, was nun wahr ist und was nicht. So wird die Überprüfbarkeit der getroffenen Aussagen für Wikipedia zu einem zentralen Kriterium.
Wikipedia ist kein fachwissenschaftliches Journal, das fachkundige Autoren, Herausgeber und Leser sowie interne Prüfverfahren voraussetzt. Jeder kann teilnehmen, das Publikum ist unbegrenzt. Daher ist Wikipedia kein Forum für eigene Forschungsergebnisse, Theorien oder Ideen, die hier weder angemessen geprüft noch gewürdigt werden könnten.
Wikipedia zielt vielmehr auf die möglichst gute und vollständige Darstellung des Wissens über ein Lemma. Um Überprüfbarkeit zu ermöglichen, sollten alle evtl. strittigen Aussagen unter Angabe verlässlicher Quellen vorgenommen werden. Wo Meinungen, Wertungen, Einschätzungen referiert werden, sollte immer deutlich gemacht werden, wessen Meinungen etc. das sind.
An dieser Stelle berührt sich der Grundsatz "Keine Theoriefindung" mit dem Grundsatz "Neutraler Standpunkt": Eigene Forschungsergebnisse ("Originalforschung", wie es in der englischen Wikipedia heißt) stehen gewöhnlich für eine bestimmte These, die der Autor vertritt und der er Geltung verschaffen will. Der "neutrale Standpunkt" verlangt aber, dass Wikipedia-Artikel eben nicht einer bestimmten, noch so überzeugenden Meinung Geltung zu verschaffen versuchen. Vielmehr soll der Gegenstand des Artikels so dargestellt werden, dass diese Darstellung für verschiedene, ja möglichst viele Standpunkte von Nutzen ist. Dafür sind eigene Thesen nicht geeignet.
Was ist Theoriefindung?
BearbeitenAls Theoriefindung gilt es, wenn in einem Artikel eigene Theorien, Schlussfolgerungen, Interpretationen etc., aber auch selbst erhobene Daten benutzt werden, die in keiner anerkannten Fachliteratur veröffentlicht sind und deswegen nicht überprüfbar sind. Ähnliches gilt für Begriffsbildungen und Wortschöpfungen; Begriffe, die in der Fachwelt nicht verbreitet sind, sollen weder als Lemma noch in Artikeln verwendet werden.
Im Allgemeinen ist Theoriefindung in Wikipedia unerwünscht. Es sind jedoch zwei Einschränkungen zu machen: Für eine Präsentation des vorhandenen Wissens sind immer analytische, organisatorische und logische Eigenleistungen erforderlich, die grundsätzlich nicht per Quelle belegt werden können. Solche Leistungen können nicht gut unerwünscht sein, die Grenze ist jedoch fließend. Als Kriterium kann gelten: Alle Eigenleistungen, die der Präsentation oder Durchsetzung eines eigenen bzw. bevorzugten Standpunkts zu einem Lemma dienen, sind unerwünschte Theoriefindung; alle Eigenleistungen, die einem neutralen Standpunkt dienen und keine unveröffentlichten Daten und Argumente ins Spiel bringen, sind als Beiträge zur strukturierten Darstellung von Wissen zu verstehen.
In Einzelfällen kann sogar die Verwendung unveröffentlichter Daten sinnvoll sein, nämlich dort, wo über den Gegenstand sonst wenig bekannt ist und ein guter Artikel sonst nicht geschrieben werden könnte. Derartige Wikipedia-Eigenforschung sollte jedoch mit großer Vorsicht, Umsicht und Quellentreue erfolgen. Ein glänzendes Beispiel für eine solche Ausnahme ist der Artikel Drei Chinesen mit dem Kontrabass. Es sei zudem auf eine weitere Regel hingewiesen: Wikipedia:Ignoriere alle Regeln ...
Was ist Theorieetablierung?
BearbeitenUnter Theorieetablierung fallen alle Theorien, Aussagen, Konzepte oder Methoden, die außerhalb der Wikipedia keine oder nur sehr geringe Resonanz in der jeweiligen Fachgemeinde gefunden haben. In diesem Zusammenhang wird deshalb auch von Privattheorie gesprochen. Im Unterschied dazu gibt es die so genannten Minderheitenmeinungen, die zwar nur von wenigen vertreten, aber in der Fachwelt kontrovers diskutiert werden und in entsprechendem Rahmen auch hier angesprochen werden sollen.
Darstellung von Wissen
BearbeitenAls Darstellung von Wissen bezeichnet man die Präsentation von Daten, Theorien, Argumenten und Schlussfolgerungen, die bereits in veröffentlichter, überprüfbarer Form vorliegen - insbesondere wenn diese Veröffentlichungen in zuverlässigen Quellen erfolgt sind, bei denen eine unabhängige Überprüfung vorausgesetzt werden kann. Für die Darstellung von Wissen im Rahmen einer Enzyklopädie ist Quellenstudium unverzichtbar. Mehr noch: Alle Artikel in der Wikipedia sollen auf Informationen aus bereits veröffentlichten Quellen beruhen. Man unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärquellen:
- Primärquellen sind Quellen, die die Voraussetzung für wissenschaftliche oder analytische Beschäftigung mit einem Thema erst schaffen, beispielsweise archäologische Funde, Messungen, Filme, Bilder, historische Dokumente (z. B. Tagebücher, Transkriptionen und Interviews), philosophische Werke, Kunstwerke usw.
- Sekundärquellen sind auf Basis von Primärquellen entwickelte Analysen, Interpretationen und Auswertungen.
Im Allgemeinen sollten Wikipedia-Artikel sich auf Sekundärquellen beziehen, da diese meist bereits Resultat wissenschaftlicher oder kritischer Beschäftigung mit dem Gegenstand sind ("Theoriefindung"); Wikipedia-Artikel sind also im Allgemeinen "tertiäre Quellen" - sie stellen die Beschäftigung mit dem Gegenstand dar, so wie sie in veröffentlichten Texten stattgefunden hat. Dennoch sind primäre Quellen zur Stützung des Gesagten unumgänglich. Freilich lassen sich die Quellentypen nicht trennscharf unterscheiden. Elemente von eigener Beschäftigung mit dem Gegenstand werden in jede strukturierte Darstellung von Wissen einfließen müssen, sollten sich jedoch nicht in den Vordergrund drängen. Insbesondere bei aktuellen Gegenständen und bei solchen, zu denen keine anerkannten Sekundärquellen vorliegen, kann gelegentlich vorsichtige Eigenanalyse für eine umfassende Lemmadarstellung erforderlich sein - soweit sie nicht den Effekt hat, in erster Linie die eigene Meinung zu transportieren oder zu etablieren.
Beispiele
BearbeitenIn allen Fällen gilt: Ziel ist ein möglichst guter, umfassender, neutraler Lexikonartikel. Was diesem Ziel effektiv dient, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Eine Beschränkung auf reine Informationswiedergabe wird in den meisten Fällen für eine umfassende Beschreibung des Lemmas nicht genügen; eine Verbannung jeglicher analytischer Eigenleistung ist durch TF nicht gedeckt. Dies ist jedoch kein Freibrief für die Publikation selbst erarbeiteter "Wahrheiten".
Wissenschaftliche Theorien
BearbeitenTheoriefindung ist es, wenn ein Autor beispielsweise seine eigene, nicht in reputablen Quellen veröffentlichte Kant-Kritik, Kritik der Relativitätstheorie oder seinen Gottesbeweis in einen Wikipedia-Artikel einbringt. Theorieetablierung ist es, wenn er bei einem derartigen Artikel eine lediglich in diversen Webforen veröffentlichte, in der Fachwissenschaft aber nicht diskutierte Kritik in den Artikel einbringt. Keine Theoriefindung wird es gewöhnlich sein, wenn man im Dienste der Wissensdarstellung Theorien gruppiert, auf Gemeinsamkeiten hin analysiert, logische Einteilungen vornimmt, Unterschiede zu interpretieren und den Stand der Forschung möglichst objektiv zu beschreiben und zu bewerten sucht - unter Angabe von Quellen und ähnlich, wie dies im Kapitel "Stand der Forschung" einer wissenschaftlichen Arbeit der Fall ist. Hier ist allerdings der neutrale Standpunkt zu beachten: POV-Pushing ist grundsätzlich unerwünscht.
Kunstwerke (Musik, Literatur, Film ...)
BearbeitenTheoriefindung ist es, wenn man ein Kunstwerk auf eine eigene Interpretation festzulegen sucht ("Der Künstler wollte damit sagen, dass ..."). Theorieetablierung ist es, wenn man eine in der Literatur vertretene, kontrovers diskutierte Interpretation als die richtige hinstellt. Dagegen gehört es zur Darstellung von Wissen, die inhaltlichen und formalen Besonderheiten des Werks zu beschreiben und deren Beitrag zur Wirkung und Bedeutung des Kunstwerks zu diskutieren, wobei - falls vorhanden - Sekundärquellen umfassend zu berücksichtigen sind. Hier wird ein reflektiertes, vorsichtiges Einfließen eigener Überlegungen unvermeidlich sein (wie das etwa in jedem Literatur- oder Kunstlexikon der Fall ist), sie dürfen sich jedoch nicht mit Gültigkeitsansprüchen in den Vordergrund drängen. Selbstverständlich gilt auch hier, dass das Ziel ein "neutraler Standpunkt" sein muss.