Als Juror im Schreibwettbewerb würde ich jedenfalls - mit etwas Abstand nach längerer Wikipause - gerne wieder einmal Artikel reviewen. Zu aktiveren Zeiten habe ich das öfter in der Review oder bei Auszeichnungskandidaturen gemacht. Einige werden sich vielleicht noch daran erinnern. Für alle anderen hier kurz ein paar Sätze zu "meiner Vorstellung":
- In einer Enzyklopädie, die dem Grundsätzen der offenen, kollektiven Autorenschaft und Neutralität verpflichtet ist, sollen weder Autoren noch Juroren ihre eigenen Maßstäbe und Auffassungen zu sehr in den Vordergrund stellen. Dementsprechend werden mich Artikel nicht wirklich überzeugen, in denen Autoren vor allem eine These oder Position vertreten, vor allem, wenn sie diese nicht in Bezug zu anderen in der Literatur vertretenen Positionen setzen.
- Trotzdem haben wir wohl immer unsere je eigenen Interessen und Zugangsweisen zu Themen. Alles andere wäre auch langweilig. Es ist daher für gute Artikel wesentlich, nicht bloß Fakten zu sammeln und neutral zu präsentieren, sondern sie einzuordnen, nach in der Literatur auffindbaren Kriterien zu bewerten und dabei übergreifende Sinnzusammenhänge deutlich zu machen. Dieser "rote Faden" sollte aber, s.o., möglichst umfassend alle in der Literatur vertretenen Positionen zu Wort kommen lassen.
Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Polen, parteilicher Theoriefindung und pseudoneutraler Datensammlung, bewegt sich die Arbeit bei Wikipedia. Mir ist auch aus eigener Erfahrung klar, dass es eine Gratwanderung ist, so dass meinerseits mit Wohlwollen und konstruktiver Kritik zu rechnen ist.
Beruflich bin ich - als Jurist - mit sozialwissenschaftlicher Forschung und Publikation befasst. Was mir bei Wikipedia am Herzen liegt, ist der "bürgerwissenschaftliche" Ansatz , der eine laienverständliche Sprache und Darstellungsweise voraussetzt. Qualität braucht sich nicht durch Fachjargon zu beweisen. Auch die Länge der Darstellung kann eine Hürde zu einem Verständnis sein - vor allem angesichts der Tatsache, dass viele Leser Wikipedia vor allem nutzen, um sich schnell einen Überblick über ein Thema zu verschaffen und herauszufinden, wo man die Recherche weiter vertiefen kann. Das spricht nicht grundsätzlich gegen umfangreiche und detaillierte Artikel, wenn eine gute Gliederung und Einleitung auch schnelle und unkomplizierte Zugänge zum Thema ermöglicht und eine sinnvolle und sorgfältige Referenzierung Möglichkeiten zur selbstständigen Recherche bietet.
So, das sind jetzt am Ende doch eine ganze Menge Kriterien meinerseits, aber ich hoffe, dass sich das nicht zu weit von dem unterscheidet, was bei Wikipedia Konsens ist und was allgemein Leser von einer partizipativen Universalenzyklopädie erwarten können.