Die Hagelprozession in Ostbevern gehört zu den Hagelprozessionen und ist die traditionell große Flurprozession, die bis auf den heutigen Tag begangen wird. Die älteste urkundliche Erwähnung fand bereits 1662 statt.[1]
Allgemeiner Hintergrund
BearbeitenDie Hagelprozession in der heutig bekannten Form ist im Mittelalter entstanden. Beim ursprünglichen Flurumgang lief man Segensstationen an. Dies waren Kapellen, Bildstöcke, Wetterkreuze, die mit Schauerkerzen und Blumensträußen geschmückt waren. Die Kirchengemeine wanderte über viele Stunden mit Fahnen und dem Vortragekreuz durch die Felder zu den vier Stationen. Der Abschlusssegen erfolgte in der Pfarrkirche. Im frühen 15. Jahrhundert entstand in Deutschland der Brauch, das Allerheiligste, eine konsekrierte Hostie in einer Monstranz mitzuführen, womit der Geistliche den Segen an den Stationen in alle vier Richtungen spendete.[2] Dies wurde nicht kritiklos wahrgenommen. So wandte sich der Theologe Thomas Ebendorfer gegen diesen Brauch: Das Allerheiligste werde schändlich instrumentalisiert; es sei töricht, das Wetter zu beschwören und all diese Riten seien eine Erfindung des Aberglaubens und der „eselhaften Weisheit“.[3] Die Reformation trat der Hagelprozession mit Skepsis entgegen. Der alte Brauch verrate ein Misstrauen gegenüber Gott, den man auf andere Weise als durch Gebet gnädig stimmen wolle. Im Zuge der Gegenreformation wurden die Hagelprozessionen von der katholischen Kirche in den ländlichen Gebieten, die ihr geblieben waren, als pompöse Demonstrationen kirchlicher Präsenz zelebriert.
Geschichte
BearbeitenEine Prozession wird kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg 1613 erwähnt. Sie war bis dato die einzige „feierliche“ Prozession, d.h. sie wurde mit Allerheiligsten Sakrament abgehalten. Es wird aber nicht näher bestimmt, um welche Prozession es sich gehandelt haben könnte. Im Jahr 1662 werden in Ostbevern drei große Prozessionen verzeichnet: eine Hagel-, eine Johannes- und eine Pestprozession. Die erste war am Tag nach Christi Himmelfahrt, also an einem Freitag. Sie war mit der Bitte um Abwehr von Hagelschaden verbunden und ist damit der älteste Beleg für die Hagelprozession in Ostbevern. Die zweite fand am Freitag vor dem Fest Johannes des Täufers (24 Juni) statt. Der Johannistag gilt im Volksglauben, von seiner christlichen Bedeutung abgesehen, als Fruchtbarkeitstag und wurde mit der Sommersonnenwende in Verbindung gebracht.[4]Die dritte große Prozession wurde am 16. August abgehalten und war der Abwehr von Pest und Epidemien geweiht. In dieser wird wahrscheinlich auch die Rochuskapelle mit einbezogen.[5] Die Aufklärung sah in der Prozession nur eine überkommenen und daher obsolete Tradition, die überwunden werden müsse. In dieser Zeit verringerte sich die Anzahl der Hagelprozessionen und die verbliebenen wurden weniger aufwendig gestaltet. 1771 hat sich die Hagelprozession in Ostbevern auf den Sonntag vor Pfingsten verschoben. [6] Anfang des 18. Jahrhunderts und dann mit zunehmender Industriealisierung im 19. Jahrhundert forcierte man in Preußen der Anbau der hagelunempfindlichen Kartoffel.[7] 1827 weisen schriftliche Dokomente dann auf eine oder mehrere Prozessionen hin, die die Annakapelle zum Ziel hatten. Dies alles dürft der Grund gewesen sein, dass in Ostbevern relativ spät, zwischen 1813 und 1831 die Fronleichnamsprozession eingeführt wurde.[8]
„Die Prozession aber, die heute Hagelprozession genannt wird, ist wohl wegen ihres Termins am 3. Sonntag nach Pfingsten eher die Nachfolgerin der alten Johannes-Prozession. Auch Pfarrer Grone erwähnt ja im Jahre 1831, daß sie in dem allgemeinen Anliegen“ abgehalten werde und somit wohl nicht ausschließlich als Hagelprozession zu benennen ist.“
Dieses, wie auch die Einführung der Hagelversicherung in Ostbevern 1888[10] taten der Hagelprozession in Ostbevern keinen Abbruch. In dieser Tendenz ist das Motiv der Schadensabwehr in den Hintergrund getreten. Heutzutage wird die Bitte um das tägliche Brot und die Sorge um die Schöpfung betont. Dies mag auch der Grund sein, warum heute auch evangelische Christen an der Prozession teilnehmen.[11]
Termine
BearbeitenIn Ostbevern hat sich, wie bereits ausgeführt, der 3. Sonntag nach Pfingsten als fester Termin etabliert.[12]
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Ablauf
BearbeitenUrsprünglich wurden bei der Ostbeverner Hagelprozession, wie allgemein üblich, vier Segenstationen angelaufen. Diese waren:
In den siebzger Jahren kam es zur Veränderung:
„In den ersten Teil wird sie seit einigen Jahren (erschienen 1978) als Bittprozession abgehalten, dann findet wie noch in früheren Zeiten auf dem Lohkirchhof bei der Annakapelle eine hl. Messe statt; von dort aus ziehen die Gläubigen in Sakramentsprozession zur Pfarrkirche zurück. Die Prozession nimmt folgenden Weg: Pfarrkirche, Bahnhofstraße, Wischhausstraße, Annakapelle, Lienener Damm, Engelstraße, Hauptstraße, Pfarrkirche. Begann die Prozession früher immer an der Bahnhofstraße, so nimmt sie heute ihren Anfang im jährlichen Wechsel zwischen dieser und der Hauptstraße.“
Mit der Aufgabe der Segenstationen zog Prozession nun reaktionslos an diesen vorüber. Brinkjans Krüüs wurde durch eine Kopie ersetzt, die Marienkapelle abgebrochen und der Heilige Donatus von der Straße auf den Hof Schwegmann zurückgesetzt. Die 3,6 km lange Strecke führt heute nur noch im Bereich der Wischhausstraße über unbebaute Felder und Fluren. Dort führt sie an dem Gemeindezentrum der Christliche Gemeinde Ostbevern e.V. vorbei. An dem Sonntag der Hagelprozession fällt in der Regel das Hochamt aus und wird in die Hagelprozession integriert.[14]
Besonderheiten
Bearbeiten- Bei der Hagelprozession besteht die Möglichkeit, die sonst unzugängliche Annakapelle und die Grablege von Maria Anna Wilhelmine von Beverförde-Werries, einer möglichen Unsterblichen Geliebten von Ludwig van Beethoven, zu besichtigen.
- Die Hagelprozession führt in die Nähe von Schloss Loburg und entlang des Loburger Parks.
Weblinks
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Carl Andersen und Georg Denzler: Wörterbuch der Kirchengeschichte. München 1982.
- Monika Weyer, Rosa Rosinski, Verena Burhenne: Wetter: Verhext, gedeutet, erforscht. Katalog zur gleichnamigen Wanderausstellung des Westfälischen Museumsamtes (LWL) in Zusammenarbeit mit dem Bauernhaus-Museum Bielefeld, Landschaftsverband Westfalen-Lippe; Auflage: 1 (21. Mai 2006) ISBN 3927204641
- Josef Große Vorspohl: Wegkreuze und Bildstöcke im Pfarrbezirk St. Ambrosius Ostbevern. Krimphoff, Füchtorf 1978, ISBN 3-921787-03-9
- Siegfried Schmieder: Inventar des Amtsarchivs Ostbevern 1820 - 1955, Veröffentlichungen aus dem Kreisarchiv Warendorf Heft 12, warendorf 1981 ASIN B006XIOO5K
- Sebastian Rauh: Der Einfluss der Kartoffel auf die Bevölkerungsentwicklung in Europa im 18. und 19. Jahrhundert, München 2009 ISBN 3640363582
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Josef Große Vorspohl Wegkreuze und Bildstöcke im Pfarrbezirk St. Ambrosius Ostbevern. Krimphoff, Füchtorf 1978, Einleitung, nimmt bezug auf Status ecclesiae paroecialis (1662) Diözesanarchiv Münster GV Münster Dom
- ↑ Monika Weyer, Verhext, gedeutet, erforscht. Seite 21
- ↑ Monika Weyer, Verhext, gedeutet, erforscht. Seite 21 nimmt bezug auf Strotdress 1998, Folge 23
- ↑ ebenda
- ↑ Josef Große Vorspohl Wegkreuze und Bildstöcke im Pfarrbezirk St. Ambrosius Ostbevern. Krimphoff, Füchtorf 1978, Nr. 1
- ↑ Josef Große Vorspohl Wegkreuze und Bildstöcke im Pfarrbezirk St. Ambrosius Ostbevern. Krimphoff, Füchtorf 1978, Einleitung, nimmt bezug auf Stat. eccl. dioec. S. 138
- ↑ Walter Achilles: Helmut Ottenjann und Karl H Ziessow: Die Bedeutung des Prozesses für Erzeuger und Verbraucher, aus: Die Kartoffelgeschichte und Zukunft einer Kulturpflanze, S. 210 ISBN 3923675305 "Von allen Kulturpflanzen, die um 1800 angebaut wurden, hat die Kartoffel im absoluter Sicherheit die größte Ausdehnung erfahren" von Walter Achilles ebenda
- ↑ Josef Große Vorspohl Wegkreuze und Bildstöcke im Pfarrbezirk St. Ambrosius Ostbevern. Krimphoff, Füchtorf 1978, Einleitung, nimmt bezug auf Stat. eccl. dioec. S. 134f. Pfarrer B. Grone erähnt noch 1827 beim Abbruch des Hauses Bever, während der "Prozession im Schirl" werde beim Haus Bever noch eine Station gehalten.
- ↑ Josef Große Vorspohl Wegkreuze und Bildstöcke im Pfarrbezirk St. Ambrosius Ostbevern. Krimphoff, Füchtorf 1978, Einleitung
- ↑ Siegfried Schmieder: Inventar des Amtsarchivs Ostbevern, warendorf 1981 S. 27 / A 124 / II-20-1
- ↑ Monika Weyer, Verhext, gedeutet, erforscht. nimmt Theologische Realenzyklopädie 1997, S. 596
- ↑ Auskunft Pfarrbüro Ostbevern
- ↑ Josef Große Vorspohl Wegkreuze und Bildstöcke im Pfarrbezirk St. Ambrosius Ostbevern. Krimphoff, Füchtorf 1978, Einleitung
- ↑ Auskunft Pfarrbüro Ostbevern, Pfarrer Michael Mombauer