Die Nottebohm Entscheidung[1] (Liechtenstein v. Guatemala), auch Nottebohm (Phase II.), war eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom 6. April 1955 im Bereich des diplomatischen Schutzes und Betraf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Staat für eingebürgerte Personen dipolomatischen Schutz gewähren kann.

Hintergrund

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Friedrich Nottebohm (16. September 1881 bis 28. Januar 1956)[2] war ein ursprünglich deutscher Staatsangehöriger, welcher 1905 seinen Wohnsitz und seine wirtschaftliche Tätigkeit nach Guatemala verlegt hatte. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs versuchte er sein Vermögen vor Enteignung zu schützen, indem er Anfang Oktober 1939 nach Liechtenstein reiste um dort einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Das Fürstentum hatte er ausgewählt, weil bereits sein Bruder dort seinen Wohnsitz hatte und es zudem ab 1919 eine Finanzeinbürgerung ermöglichte.[3] Danach war es möglich, von dem nach liechtensteinischem Staatsangehörigkeitsrecht erforderliche Kriterium befreit zu werden, wonach die Einbürgerung grundsätzlich erst nach drei Jahren Wohnsitz möglich war. Nottebohm stellte daher den Einbürgerunganstrag unter Befreiung dieses Erfordernis und erklärte sich dafür bereit, 25.000 Schweizer Franken an die Gemeinde Mauren und 12.500 Schweizer Franken an den Staat zu bezahlen. Daraufhin wurde er eingebürgert und erhielt einen liechtensteinischen Pass. Gleichzeitig verlor er kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit.

Anfang 1940 kehrte Nottebohm in das noch neutrale Guatemala zurück, welches allerdings schon Ende 1941 in den Krieg gegen das Deutsche Reich eintrat. Im Zuge von Maßnahmen gegen Feindstaatsangehörige wurde er 1943 in Guatemala verhaftet und in den Vereinigten Staaten interniert; sein Vermögen in Guatemala wurde beschlagnahmt. Nach Kriegsende wurde Nottebohm wieder freigelassen. Allerdings verweigerte ihm Guatemala die Einreise, sodass er nach Liechtenstein zurückkehren musste.

1949 konfiszierte Guatemala schließlich das Vermögen aller Personen, welche bis zu diesem Zeitpunkt einem Feindstaat angehörten oder diese Staatsangehörigkeit bis 1938 inne hatten. In diesem Zuge wurde auch das bereits zuvor beschlagnahmte Vermögen von Nottebohm eingezogen. Als Liechtenstein für Nottebohm bei den guatamaltekischen Behörden diplomatischen Schutz ausüben wollte, wurde dies unter Verweis auf die fehlende internationale Geltung seiner Einbürgerung verwehrt.

Verfahren

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Daraufhin erhob Liechtenstein am 17. Dezember 1951 im Wege des diplomatischen Schutzes für Nottebohm Klage gegen Guatemala vor dem Internationalen Gerichtshof auf Rückgabe des Vermögens, hilfsweise auf Schadensersatz. Obwohl das Gericht zunächst den Einwand Guatemalas zurückwies (judgement on juristidiction / admisibility), welcher die fehlende Zulässigkeit der Klage rügte,[4] erkannte der Gerichtshof mit Urteil vom 6. April 1955 bei 11 zu 3 Stimmen die Klage für unzulässig.[1]

Entscheidung

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„For theese reasons, THE COURT by eleven votes to three, Holds that the claim submitted by the Government of the Principality of Liechtenstein is inadmissible.“

Urteil vom 6. April 1955, ICJ Reports 1955, 3

Rechtliche Bedeutung[5]

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Die Staatsangehörigkeit einer Person beruht auf einer tatsächlichen Verbindung zwischen Staat und Individuum, welche enger ist als zu jedem anderen. (s. 23)

Die Verleihung der Staatsangehörigkeit bestimmt sich grundsätzlich nach nationalen Vorschriften (S.20). Von der Wirksamkeit der Einbürgerung auf nationaler Ebene ist die Befugnis des Entsendestaates zu trennen, für den eingebürgerten diplomatischen Schutz auszuüben (S. 16 f., 20). Letzteres bestimmt sich ausschließlich nach dem Völkerrecht (S. 20f.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der innerstaatlichen Anerkennung der Staatsangehörigkeit eines Ausländers als Angehörigen des Entsendestaates (S. 18)

Erforderlich dafür ist eine echte Verbindung (genuine connection) zwischen dem Staatsangehörigen und dem Staat, welcher diplomatischen Schutz gewähren möchte, ähnlich wie bei Mehrstaatern (S. 23). Hierfür sind verschiedene Faktoren heranzuziehen, wie z.B. der Wohnsitz, familiäre Verbindungen und Beteiligung am öffentlichen Leben (S.22!!!).

Diese echte Beziehung muss bereits offenkundig zum Zeitpunkt der Einbürgerung vorliegen (S. 24).

Diplomatischer Schutz kann auch durch eine Klage vor dem IGH gewährt werden (S. 20 f. , 24)

Nebenbei:

Angebot oder Teilnahme an Verhandlungen über die Streitbeilegung kann nicht als Aufgabe der eigenen inhaltlichen Position verstanden werden (S. 19 f.)

Weiter lesen:

E.H. Loewenfeld, Der Fall Nottebohm, AVR 5 (1955/56)

O. Dörr, Nottebohm Case, MPEPIL VII (2012), 829 (auch online unter mpepil.com)

A.N. Makarov, Das Urteil des Internationalen Gerichtshofs im Fall Nottebohm, ZaöRV 16 (1955/56)


Tatsächliche Folgen

Rechtliche Folgen

Das Urteil führte zum Ende der Finanzeinbürgerung in Liechtenstein ohne festen Wohnsitz.[3]

Literatur

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  • Oliver Dörr: Kompedium völkerrechtlicher Rechtsprechung: eine Auswahl für Studium und Praxis, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen 2014, ISBN 978-3-16-153677-9, S. 177 - 187.
  • Oliver Dörrː Nottebohm Case, Max Planck Encyclopedias of International Law [MPIL], Oxford University Press, Oxford 2007, Online abrufbar (englisch).
  • K. Odendahl, G. Odendahl: Völkerrecht - Sammlung höchstrichterlicher Rechtsprechung, Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied und Kriftel 1999, ISBN 3-472-03210-3, S. 88 - 90.
  • Nottebohm Case (Liechtenstein v. Guatemala), Decision of the ICJ from 6 April 1955, I.C.J. Reports 1955, S. 4.
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Siehe auch

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Nachweise

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  1. a b Nottebohm Case (Second Phase) (Liechtenstein v. Guatemala), Urteil des IGH vom 6. April 1955, I.C.J. Reports 1955, S. 4.
  2. Roland Marxer, «Nottebohm-Fall», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), abgerufen am 20.1.2024.
  3. a b Veronika Marxer, «Finanzeinbürgerung», Stand: 3.8.2020, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), abgerufen am 20.1.2024.
  4. Nottebohm Case (First Phase) (Liechtenstein v. Guatemala), Urteil des IGH vom 18. November 1953, I.C.J. Reports 1953, S. 1111.
  5. Oliver Dörr: Kompendium völkerrechtlicher Rechtsprechung: eine Auswahl für Studium und Praxis (= Mohr Lehrbuch). 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2014, ISBN 978-3-16-153677-9, S. 186 f. (Dogmatische Einordnung seinen Darstellungen entnommen.).