Benutzer:Pdrieber/Interpersonal accuracy

In der Psychologie beschreibt interpersonale Akkuratheit (IPA) Unterschiede zwischen Personen in ihrer Fähigkeit, andere in Bezug auf deren Befinden, Charakter oder andere persönliche Eigenschaften korrekt einzuschätzen. Eine Person besitzt interpersonale Akkuratheit, wenn sie beispielsweise die Emotionen, die Motivation oder die Gedanken einer anderen Person korrekt erkennen kann. IPA ist wichtig im Alltag, weil sie soziale Interaktionen in vielen verschiedenen Bereichen positiv beeinflusst.

Definition

In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Begriffen zur Bezeichnung der Fähigkeit, andere korrekt einzuschätzen (z.B. interpersonale Sensitivität «interpersonal sensitivity», empathische Akkuratheit «empathic accuracy», Gedankenlesen «mind reading», oder Einschätzungsakkuratheit «judgment accuracy»). Emotionserkennungsfähigkeit (emotion recognition ability, ERA) oder Emotionswahrnehmung («emotion perception ability») sind ebenfalls Teil der interpersonalen Akkuratheit; jedoch ist IPA ein viel breiteres Konstrukt und beinhaltet mehr als nur die korrekte Erfassung der Emotionen anderer. IPA umfasst zudem das akkurate Beurteilen von Persönlichkeitseigenschaften (z.B. Extraversion, Intelligenz, sexuelle Orientierung), Befindlichkeiten (z.B. Gedanken, Emotionen, Motivationen), sozialen Beziehungen (z.B. Grad der Intimität zwischen zwei Personen, hierarchischer Status zwischen zwei oder mehreren Personen) und von Gruppencharakteristika (z.B. Religion, politische Einstellung, Psychopathologie).

Diese unterschiedlichen Aspekte von IPA korrelieren untereinander, jedoch sind diese Korrelationen so schwach, dass davon ausgegangen werden kann, dass IPA ein heterogenes und aus vielen Facetten bestehendes Konstrukt ist. In einigen Bereichen und besonders bei der Personeneinschätzung, werden Verhaltens- und Erscheinungsmerkmale erfasst, um herauszufinden, wie Akkuratheit in der Einschätzung von anderen zustande kommt und um zu untersuchen welche Merkmale zu richtigen oder falschen Einschätzungen führen.

Manchmal werden das korrekte Erinnern von Information über andere Personen (z.B. deren nonverbales Verhalten oder Aussehen) - genannt «recall accuracy» - und das korrekte Erinnern des eigenen nonverbalen Verhaltens - genannt «nonverbal self-accuracy» - auch unter dem Begriff IPA subsumiert.

Im Bereich der sozialen Wahrnehmung wird IPA in der Regel als Fähigkeit, welche sich während Kindheit und Adoleszenz entwickelt und sich im Erwachsenenalter und trainiert werden kann, betrachtet. Wenn IPA über Gruppen gemittelt wird, können Gruppen miteinander verglichen werden (z.B. Untersuchung von Geschlechtsunterschieden, kulturelle Vergleiche).

IPA und soziale Interaktionen

Die Forschung zeigt, dass Leute mit hoch ausgeprägter IPA mehr sozial wünschenswerte Persönlichkeitseigenschaften (z.B. Empathie, Extraversion, Toleranz) und weniger sozial unerwünschte Eigenschaften (z.B. Neurotizismus, Scheu) besitzen. Sie haben auch eine bessere mentale Gesundheit. Auch werden Personen mit hoher IPA von anderen als kooperativer und umgänglicher wahrgenommen. Verfügt eine Person über eine hohe IPA, scheint sie besser für soziale Interaktionen gerüstet zu sein als Personen mit niederen IPA-Werten. Dementsprechend zeigt IPA positive Auswirkungen in verschiedenen Kontexten wie zum Beispiel im klinischen Bereich (z.B. ÄrztInnen mit besserer IPA haben zufriedenere PatientInnen), im Bildungsbereich (z.B. höhere IPA bei Lehrpersonen und bei Lernenden führt zu besseren Lernergebnissen) oder auch im Arbeitsbereich (z.B. positiver Zusammenhang zwischen IPA und Arbeitserfolg). In all diesen Bereichen sind soziale Interaktionen zentral.

Über die Einflussfaktoren auf IPA ist bisher nicht viel bekannt, weil die meiste empirische Evidenz korrelativer Natur ist (d.h. auf Querschnittsstudien beruht). Unter anderem wird angenommen, dass kurz- oder langfristige motivationale Faktoren, Sozialisationsfaktoren wie zum Beispiel das familiäre Umfeld und Bindungsmuster sowie auch verschiedene Anforderungen in Beruf und im sozialen Umfeld für die individuelle Ausprägung der IPA verantwortlich sind. Zum Beispiel zeigen Kinder aus dysfunktionalen Familien höhere IPA Werte. Obwohl IPA schwache Korrelationen mit kognitiver Intelligenz zeigt, ist IPA nicht einzig das Produkt einer grösseren Intelligenz.