Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg

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Der Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg ist der vom Landtag eingesetzte Ausschuss zur Behandlung von Vorschlägen, Bitten und Beschwerden der Bürger (gemäß Art. 35a[1] der Landesverfassung Baden-Württembergs und Art.17[2] des GG).

Jede Person hat das verfassungsmäßig gewährleistete Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an den Landtag zu wenden - ohne Rücksicht auf Wohnsitz, Staatsangehörigkeit und Volljährigkeit. Strafgefangenen sowie Personen, die zwangsweise in einem Zentrum für Psychiatrie untergebracht sind, steht das Petitionsrecht ebenfalls zu. Seit 2011 können Petitionen auch online eingereicht werden.[3] Jede Petition, die formal korrekt verfasst wurde, wird vom Landtag grundsätzlich bearbeitet[4]. In Baden-Württemberg gibt es formal keinen Unterschied zwischen einer Einzel- oder Sammelpetition: Eine einzelne Unterschrift genügt, um eine Petition zu stellen.

Aufgaben und Befugnisse

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Aufgabe des Petitionsausschusses ist es, sich mit Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern zu befassen, die sich durch eine Landesbehörde benachteiligt fühlen. Petitionen, deren Inhalt eine strafbare Handlung darstellt oder zum Ziel hat, werden vom Petitionsausschuss zurückgewiesen. Eine Petition, die den Inhalt einer früheren Petition, die bereits vom Landtag behandelt wurde, ohne wesentliches neues Vorbringen wiederholt, wird in der Regel ebenfalls vom Petitionsausschuss zurückgewiesen.[5]

Der Petitionsausschuss darf – im Unterschied zu den Gerichten – nicht nur die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung überprüfen, sondern auch deren Zweckmäßigkeit.[6] Die rechtlichen Möglichkeiten, die dem Petitionsausschuss zur Verfügung stehen, ergeben sich im Wesentlichen aus dem Gesetz über den Petitionsausschuss aus dem Jahre 1979 und der Geschäftsordnung des Landtags.[7] Die darin festgelegten Bestimmungen erlauben dem Petitionsausschuss eine eigene und wirksame Sachaufklärung und geben ihm die Befugnis, eigene Ermittlungen anzustellen. Der Petitionsausschuss hat gegenüber den Behörden des Landes das Recht auf Auskunft, das Recht auf Vorlage von Akten, das Recht auf Zutritt zu den Einrichtungen des Landes und das Recht auf Amtshilfe. Zudem kann er Auskunftspersonen und den Petenten bzw. die Petentin anhören sowie Ortsbesichtigungen vornehmen, wenn der Ausschuss es zur Klärung der Sachlage für notwendig hält.

Zusammensetzung des Petitionsausschusses

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Der Petitionsausschuss ist wie die anderen Ausschüsse und Gremien des Landtags von Baden-Württemberg entsprechend der Kräfteverhältnisse mit Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen besetzt. Er hat eine/n Vorsitzende/n sowie eine/n stellvertretende/n Vorsitzende/n. In der 16. Wahlperiode des baden-württembergischen Landtags ist die Vorsitzende des Petitionsausschusses Beate Böhlen (GRÜNE), der stellvertretende Vorsitzende Norbert Beck (CDU)[8]. Der Petitionsausschuss der 16. Wahlperiode des baden-württembergischen Landtags besteht aus 21 Mitgliedern:[9]

  • 7 Abgeordnete der GRÜNEN
  • 6 Abgeordnete der CDU
  • 3 Abgeordnete der AfD
  • 3 Abgeordnete der SPD
  • 2 Abgeordnete der FDP/DVP

Der Petitionsausschuss tagt in der Regel einmal monatlich. Durchschnittlich gehen jährlich etwa 1.500 Petitionen ein. Es ist ein breites Spektrum von Wünschen, Klagen und Vorschlägen, die an den Ausschuss herangetragen werden. Es reicht von baurechtlichen Belangen, ausstehenden Beförderungen, Aufenthaltserlaubnissen bis hin zu Gnadengesuchen von Strafgefangenen. In rund 20 Prozent der Fälle kann der Petitionsausschuss der Petition ganz oder teilweise abhelfen.[10]

Ablauf eines Petitionsverfahrens

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Der Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg kann nur Petitionen behandeln, in denen es um Maßnahmen von Behörden des Landes Baden-Württemberg geht. Hierzu gehören beispielsweise Ämter auf kommunaler Ebene, das Landratsamt oder das Regierungspräsidium. Bei Entscheidungen von Bundesbehörden oder Behörden anderer Länder hat der baden-württembergische Petitionsausschuss keine Prüfungszuständigkeit. Der Petitionsausschuss kann Entscheidungen von Gerichten nicht überprüfen, da die in der Verfassung verankerte Unabhängigkeit der Gerichte dem entgegensteht. Petitionen, die nicht in die Zuständigkeit des Landes fallen, werden an den Petitionsausschuss des jeweiligen Landesparlaments oder des Bundes weitergeleitet.[11]

Nachdem der/die Bürger/in seine/ihre Petition in schriftlicher Form oder als Online-Petition im Landtag eingereicht hat, wird sie an den Petitionsausschuss weitergeleitet. Zu jeder Petition wird eine Akte mit einer Petitionsnummer angelegt. Die Daten werden unter Berücksichtigung des Datenschutzes erfasst. Der/die Petent/in erhält daraufhin eine Eingangsbestätigung. Jede Petition wird einem Mitglied des Ausschusses mit allen Unterlagen zur Prüfung vorgelegt. Diese/r Abgeordnete ist als Berichterstatter/in für die Bearbeitung der Petition zuständig. Möchte er/sie weitere Informationen zur Petition haben, können die zuständigen Ministerien bzw. die zuständigen Behörden um eine Stellungnahme zum Anliegen des Petenten/der Petentin gebeten werden.[12] Der/Die Berichterstatter/in prüft diese und erörtert anschließend den Sachverhalt mit den Mitgliedern des Ausschusses. Bei Bedarf hat der Petitionsausschuss die Möglichkeit, Ministeriumsvertreter oder auch den Petenten selbst anzuhören. Der Petitionsausschuss kann eine Ortsbesichtigung vornehmen, wenn es zum Verständnis bzw. zur Klärung der Sachlage dienlich ist. Der Petitionsausschuss schließt die Bearbeitung der Petition mit einer Beschlussempfehlung ab, über die das Plenum des Landtages beschließt. Der Landtag entscheidet in der Regel wie folgt[13]:

  • Die Petition wird, nachdem ihr durch entsprechende Maßnahmen abgeholfen wurde, oder durch den Beschluss des Landtags zu einem anderen Gegenstand für erledigt erklärt.
  • Die Petition wird der Regierung zur Kenntnisnahme, als Material, zur Erwägung, zur Berücksichtigung oder zur Veranlassung näher bezeichneter bestimmter Maßnahmen überwiesen.
  • Der Petition kann nicht abgeholfen werden.
  • Die Petition wird als zur Bearbeitung im Landtag ungeeignet zurückgewiesen.
  • Dem Petenten wird anheim gegeben, zunächst den Rechtsweg auszuschöpfen

Schließlich wird der Petent über den Ausgang seiner Petition von der/dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses benachrichtigt. Dabei erhält der Petent den Bericht und die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses mit dem Hinweis, dass der Landtag gemäß der Beschlussempfehlung entschieden habe. Dem Ausschussbericht können die wesentlichen Entscheidungsgründe entnommen werden.

Vorsitzende des Petitionsausschusses

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Liste der Petitionsausschussvorsitzenden - von 1952 bis heute:[14][15][16][17]

Wahlperiode Vorsitzende/r stellvertretende/r

Vorsitzende

1 Wahlperiode

(1952-1956)

Walter Ott (FDP/DVP) Dr. Friedrich Werber (CDU)
2. Wahlperiode

(1956-1960)

Dr. Hermann Person (CDU) Gottlieb Leeger (FDP/DVP)
3. Wahlperiode

(1960-1964)

Lena Maurer (SPD) Dr. Ludwig Leber (CDU)
4. Wahlperiode

(1964-1968)

Dr. Hedwig Jochmus (CDU) Friedrich Stephan (SPD)
5. Wahlperiode

(1968-1972)

Friedrich Stephan (SPD) Albert Höfflin (CDU)

Dr. Georg Birk (CDU) ab Okt. 1971

6. Wahlperiode

(1972-1976)

Wilhelm Buggle (CDU) Friedrich Stephan (SPD)
7. Wahlperiode

(1976-1980)

Wilhelm Buggle (CDU) Gottfried Haase (SPD)
8. Wahlperiode

(1980-1984)

Wilhelm Buggle (CDU) Rainer Brechtken (SPD)
9. Wahlperiode

(1984-1988)

Alois Schätzle (CDU) Rainer Brechtken (SPD)
10. Wahlperiode

(1988-1992)

Josef Rebhan (CDU) Wolfgang Bebber (SPD)

Julius Redling (SPD) ab Okt. 1990

11. Wahlperiode

(1992-1996)

Josef Rebhan (CDU) Claus Schmiedel (SPD)
12. Wahlperiode

(1996-2001)

Dr. Hans Freudenberg (FDP/DVP)

Ewald Weigel (FDP/DVP) ab Feb. 1990

Jörg Döpper (CDU)
13. Wahlperiode

(2001-2006)

Jörg Döpper (CDU) Reinhold Gall (SPD)
14. Wahlperiode[18]

(2006-2011)

Jörg Döpper (CDU) Nikolaos Sakellariou (SPD)
15. Wahlperiode[19]

(2011-2016)

Werner Wölfle (GRÜNE)

Beate Böhlen (GRÜNE) ab Nov. 2011

Norbert Beck (CDU)
16. Wahlperiode[20]

(2016-2021)

Beate Böhlen (GRÜNE) Norbert Beck (CDU)

Statistik (Beispiele aus dem Bericht vom 17.12.2015 in der 15. Wahlperiode)

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  1. http://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/rechtliche_grundlagen/Landesverfassung%20Stand%2001.12.2015.pdf
  2. https://www.bundestag.de/ausschuesse18/a02/grundsaetze/petitionsrecht_im_grundgesetz/260548
  3. https://www.landtag-bw.de/home/der-landtag/petitionen/online-petition.html
  4. http://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/informationsmaterial/LT_VHB_2013_01_15.pdf, S. 17
  5. Landtag von Baden-Württemberg. 16. Wahlperiode. Volkshandbuch, §67 (2).
  6. https://www.landtag-bw.de/home/der-landtag/gremien/ausschusse/petitionsausschuss.html
  7. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/rechtliche_grundlagen/parlamentsrecht/petitionsgesetz.pdf
  8. https://www.landtag-bw.de/home/der-landtag/gremien/ausschusse/petitionsausschuss.html
  9. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/informationsmaterial/Landtag_Petitionsflyer.pdf
  10. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/informationsmaterial/Landtag_Petitionsflyer.pdf
  11. https://www.bundestag.de/ausschuesse18/a02/grundsaetze/hinweise/260542
  12. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/informationsmaterial/Landtag_Petitionsflyer.pdf
  13. Landtag von Baden-Württemberg. 16. Wahlperiode. Volkshandbuch, §67 (2).
  14. Die Landtagsabgeordneten in Baden-Württemberg, 1946 bis 2003. [7], Stuttgart, 2003.
  15. Handbuch des Landtags von Baden-Württemberg 2006, 14. Wahlperiode 2006-2011. (Hg): Landtag von Baden-Württemberg, 2006.
  16. Handbuch des Landtags von Baden-Württemberg 2011, 15. Wahlperiode 2011-2016. (Hg): Landtag von Baden-Württemberg, 2011.
  17. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/informationsmaterial/Landtag_Petitionsflyer.pdf
  18. Handbuch des Landtags von Baden-Württemberg 2006, 14. Wahlperiode 2006-2011. (Hg): Landtag von Baden-Württemberg, 2006.
  19. Handbuch des Landtags von Baden-Württemberg 2011, 15. Wahlperiode 2011-2016. (Hg): Landtag von Baden-Württemberg, 2011.
  20. https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/informationsmaterial/Landtag_Petitionsflyer.pdf