Weißes Stift (Das "Große" oder "Weiße" Kloster)

Von den zwei Frauenklöstern des 13. Jahrhunderts wird 1307 das "Große Kloster" zuerst genannt. Die Schwestern (Franziskaner-Tertiarinnen) lebten nach der dritten Regel des heiligen Franziskus. Das Weiße Stift, im Volksmund so nach der ursprünglich weißen Tracht der Schwestern benannt, war somit das erste Frauenkloster in Bocholt.

Das Kloster erwarb schon bald nach seiner Gründung Grundbesitz. Die Schwestern waren zum Teil adeliger Herkunft oder stammten aus Bocholter Patrizierfamilien. Die 1332 gebaute Kirche wurde der heiligen Klara geweiht und nach ihr das "Closter van sunte Klaren kerke" genannt. Eine spätere Bezeichnung lautete: "Jungfrowen des wytten Closters to Bocholte", die sich wohl auf die weiße Tracht der Schwestern bezieht. Äbtissin und Konvent spielten im Wirtschaftsleben Bocholts eine nicht unbedeutende Rolle. So stellte das Kloster beispielsweise im Spätmittelalter für Kriegsaufgaben der Stadt einen Heereswagen.

Die Wirren der Reformationszeit führten 1557 zur Umwandlung in ein freiweltliches adeliges Damenstift. An die Stelle der Ordensregeln traten freie Statuten. In das Stift wurden nur adelige Damen aufgenommen. (Im Stadtmuseum existiert ein im Original erhaltenes, in deutscher Sprache geschriebenes "Lagerbuch des Weißen Stifts in Bocholt".) Das ehemalige Kloster war also nichts anderes als eine Versorgungsstätte für adelige Damen. 1802 wurde das Kloster säkularisiert und von 1806 bis 1811 durch den Fürsten von Salm-Salm erneut für eine weltliche Damenstiftung genutzt.

Der Bombenangriff des 22. März 1945 zerstörte neben den anderen Gebäuden auch das älteste Kloster der Stadt. Die Mauern vor allem der Kirche und des Kreuzganges blieben aber stehen. 1955 gab der Landeskonservator wegen Instabilität den Weg frei für die Abrissarbeiten, die an dieser Stelle die 700 Jahre alten Zeugen klösterlicher Geschichte Bocholts beseitigten.

Zu den archäologischen Befunden und Funden im Zusammenhang mit dem Ausbau der Zentralen-Omnibus-Haltestelle (heute Europaplatz) ab November 1982 ist folgendes anzumerken: Von der Gesamtanlage des Klosters wurde etwa das südöstliche Viertel erfasst. Freigelegt wurden der östliche Chorbereich der Kirche und große Teile des Ostflügels mit Kellern. Die Südostecke der Kirchenfundamente zeigte altes Mauerwerk in Backsteinen von Klosterformat. Der größeren Stabilität wegen war es an der Süd-Ost-Ecke in ca. zwölf Steinlagen abgetreppt. Diese Fundamente gehören zu den ältesten nachgewiesenen Backsteinbauten Westfalens.

Alle Funde, die in diesem Gelände gemacht wurden, sprechen für die gehobene Wohn-, Ess- und Trinkkultur der adeligen Damen, die sich nicht mehr an die strengen Regeln eines Nonnenklosters halten mussten.

Am Fahrradweg des Europaplatzes in Nähe des Kolpinghauses ist eine Informationstafel mit dem Gesamtgrundriss aufgestellt. In der Bepflasterung des Platzes sind die dort gefundenen Mauern in Originallage mit weißen Ziegeln kenntlich gemacht.

Nachtrag: in den letzten Kriegsjahren war in dem Gebäude das Hauptquartier der Bocholter SA untergebracht.