Die Gruppe "Zinnober" (zeitweise auch "theater Zinnober" benannt) war in den 80er Jahren ein Zusammenschluss von freiberuflichen Künstlern, getragen von der Hoffnung auf selbst bestimmte Arbeits- und Lebensumstände, - jenseits der vorgefertigten Versatzstücke der offiziellen DDR-Theaterlandschaft.
Ein Gewerberaum in der Knaackstraße 45 im Prenzlauer Berg war Proberaum, zuerst für Hans Krüger, Gabriele Hänel und Steffen Reck. Später kamen Dieter Kraft, Iduna Hegen, Günther Lindner, Werner Hennrich und Uta Schulz dazu. (Therese Herwig/Thomaschke blieb nur kurze Zeit, Christian Werdin stellte viele Puppen und Dekorationen für die Gruppe her, Hartmut Mechtel arbeitete teilweise am Gruppenprojekt mit, Ullrich Zieger korrespondierte ab Mitte der 80er, Sven Olaf Svenson arbeitete an Bühnenbauten mit, Udo Petter half als Techniker und viele andere bleiben hier noch unbenannt...).
1982, nach dem spektakulären Erfolg des Kasperstücks "Die Jäger des verlorenen Verstandes" (Regie: Steffen Reck, Spiel: Gabriele Hänel, Hans Krüger) und verschiedener Inszenierungen für Kinder waren die Mitglieder der Gruppe finanziell soweit abgesichert, dass sie sich in einem längeren Arbeitsprozess der eigenen Biografie als Thema zuwenden konnten. Improvisierend erarbeitet und durch gegenseitige Öffnung möglich gewordene Textpassagen bildeten die Basis für Inszenierungen wie "Station Pillgram 218" (1983, Text/Spiel: Gabriele Hänel, Inszenierung: Steffen Reck und Dieter Kraft) und 1985 "traum haft", eine 2-Stunden-Performance mit 8 Darstellern. In "traum haft" gelang es der Gruppe, kollektiv die Situation des Einzelnen poetisch zu lokalisieren und den in der DDR erlebten Abgrund zwischen Individuum und Gesellschaft im Drama zu artikulieren.
Misstrauisch von den Behörden beobachtet, gab es Auftrittsverbote und Denunziationen, die der Gruppe zeitweise das Überleben erschwerten. Trotzdem gelangen immer wieder Auftritte in Kirchen und alternativen Veranstaltungsorten. Durch die Verweigerung einer eigenen Spielstätte blieb "Zinnober" eine Gruppe, die ständig unterwegs war.
Der Zerfall begann 1987, als einige Gruppenmitglieder dem Bestreben nach „staatlicher Anerkennung“ mehr Aufmerksamkeit widmeten, während andere sich dieser weiterhin verweigerten.
(Ausstellungstext "Poesie des Untergrundes" 2009 Berlin Prenzlauer-Berg-Museum)
Produktionen der Gruppe "Zinnober":
Bearbeiten• 1980 „Rotkäppchen“ nach Ringelnatz, mit Hans Krüger
• 1981 „Wie's der Alte macht, ist's immer recht“ nach H.Ch.Andersen, mit G.Hänel und H.Krüger, Regie: St.Reck, Ausstattung: Ch.Werdin, St.Reck, G.Hänel
• 1982 „Die Jäger des verlorenen Verstandes“ nach H.Mechtel, mit G.Hänel und H.Krüger, Regie: St.Reck, Dramaturgie: D.Kraft, Ausstattung: Ch.Werdin
• 1982 „Einszweidreivierfünfsechsieben“ nach F.C.Waechter, mit I.Hegen, T.Herwig/U.Schulz und G.Lindner, Regie: G.Hänel, Ausstattung: Ch.Werdin, G.Hänel, Zinnober
• 1983 "Warum Fräulein Phoebe Schwanenglitz vom Himmel fiel”, Puppentheater für Kinder. Text: G.Hänel. Regie: W.Hennrich. Ausstattung: Ch.Werdin. Spieler: H.Krüger/W.Hennrich, G.Lindner.
• 1983 „Station Pillgram“ von G.Hänel, Regie/Ausstattung/Film: St.Reck,D.Kraft, Zuschauerpodest: Ch.Werdin, S.O.Svenson
• 1984 "Neue Rose" Zinnober, mit H.Krüger, I.Hegen, W.Hennrich, G.Hänel, G.Lindner, D.Kraft, St.Reck
• 1985 „traumhaft“ Szenische Collage, Spieler: I.Hegen – engelchen (schwarzweiß), G.Hänel – graustrumpf violine, U.Schulz – die singstimme, W.Hennrich – tuba asher, H.Krüger – hans, D.Kraft – stuhlmann oder das akkordeon, G.Lindner – stepper alias saxophon, St.Reck – der idiot mit dem alten rad.
• 1986 „Das Moskauer Bett“ Spiel nach A.Tschechow, mit W.Hennrich und U.Zieger, Regie: G.Hänel, Zinnober
• 1986 “Die Bremer Stadtmusikanten”, Schattenspiel. Regie: G.Hänel. Bühne: Ch.Werdin. Figuren: Zinnober. Dramaturgie: D.Kraft. Spieler: I.Hegen, U.Schulz/W.Hennrich, G.Lindner.
• 1087 „Straßengeschichten“ Mitwirkung an einer Veranstaltung der Konzert- und Gastspieldirektion im KKH “Prater“
• 1987 „Der Messias“ nach P.Barlowe, mit G.Hänel, W.Hennrich, S.Reck und dem Jazzquintett live (KC Kaufmann), Regie: H.Krüger, U.Zieger
• ...
Außerdem entstanden in den Jahren 1981 bis 1988 zahlreiche Performances, Ausstellungen, es wurden Filme (auf Schmalfilm) gedreht, viele Texte wurden geschrieben, Bilder, Grafiken, Fotos und Musik gemacht.
Einige „Zinnober“-Mitglieder machten Synchronarbeiten beim Fernsehen der DDR, spielten in Kindersendungen mit, arbeiteten beim DEFA-Trickfilmstudio und als Dozenten an der Fachrichtung Puppenspiel der Staatlichen Schauspielschule Berlin.
1986 durfte die Gruppe erstmalig in das westliche Ausland reisen, zu einem Puppentheater-Festival in Dortrecht, Holland.
Dokumentationen, Presse und Veröffentlichungen (noch unvollständig):
Bearbeiten• Zum Beispiel: "TRAUM-HAFT", Henning Rischbieter im Theater Heute (Heft 12/1986)
• „Die Oderberger“/Straßengeschichten, von Frank Starke (Die Weltbühne, Heft 36 vom 8.Sept. 1987)
• „Traumhaft“ : Theater Zinnober, Improvisationen, Spiele, Protokolle , Veröffentlichung einer Sammlung von Texten im Aufbau Verlag 1991, (Hrsg.: Gerhard Wolf)
• „Boheme und Diktatur in der DDR“ Gruppen Konflikte Quartiere 1970 - 1989, Paul Kaiser, Claudia Petzold; Katalog zur Ausstellung des Deutschen Historischen Museums vom 4.September bis 16.Dezember 1997, Berlin, ISBN 3-927574-39-2
• „Durch den eisernen Vorhang“ Theater im geteilten Deutschland 1945 bis 1990, herausgegeben von H.Rischbieter in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste, Propyläen Verlag, Akademie der Künste, 1999, Berlin (S.257-58)
Filme:
Bearbeiten• „traum haft“ 1986, Film zur gleichnamigen Theaterproduktion, Regie: Zinnober/Werner Buhs, Kamera: Wolfgang Lindig, Erstsendung beim SWF 1989
• „Der gordische Knoten“ (letzter) Dokumentarfilm der DEFA über die Mitglieder des „theater ZINNOBER“, Regie: Jochen Krauser, Kamera: Sebastian Richter, 1991