Benutzer:Regiomontanus/Missverständnisse zur Evolutionstheorie

Als Missverständnisse zur Evolution (engl. misconceptions about evolution) gelten eine Reihe häufig anzutreffender oder populärer, aber falscher Ansichten über das, was Evolution ist oder die Evolutionstheorie aussagt. Manche dieser Ansichten sind direkt falsch, andere sind unzulässige Annahmen oder Ableitungen, denen falsche und richtige Annahmen gleichermaßen zugrunde liegen.

Ebenfalls gibt es Missverständnisse, die von Autoren bewusst in die Welt gesetzt wurden, um die Evolutionstheorie zu diskreditieren, die niemals unumstritten und bereits zu Beginn, nach ihrer Veröffentlichung durch Charles Darwin (1858) Angriffen aus verschiedenen Richtungen ausgesetzt war. Teils aus dem wissenschaftlichen Umfeld, teils aus der Bevölkerung, der Religion, der Philosophie und vor allem auch seitens des physikalischen Denkens, das sich schon in der Antike gebildet hatte, bei der Beschreibung der unbelebten Natur sehr erfolgreich war und bis vor Darwin unangefochten als prototypisch für wissenschaftliches Denken galt.

Der nachfolgende Artikel zeigt einige verbreitete Missverständnisse auf.

Populäre Missverständnisse

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Hierunter fallen Missverständnisse, die auf falsche Vorstellungen zurückgehen, welche zum spekulativen Ausfüllen von Kenntnislücken, zu Denkfehlern, verschwommenen Ansichten usw. führen und vor allem den Nutzen der evolutionsbiologischen Aufklärung mindern, nicht jedoch die Modelle der Evolutionsbiologie selbst gefährden, da die Biologen diese durch Untersuchungsergebnisse hinreichend gestützt sehen.

Historische populäre Missverständnisse

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Darwin

Eine zeitgenössische Darstellung aus der Zeitung zeigt Darwin als Orang-Utan und richtet sich gegen seine Aussage, dass der Mensch vom Affen abstammt und somit selbst ein Affe ist. Im viktorianischen England wurden „Affen“ anthropozentrisch als dumme, verrückte, auch etwas hilflose Kreaturen angesehen, die viel Unsinn anstellen und zu nichts zu gebrauchen sind. Diese Eigenschaften wurden Darwin hier ad hominem unterstellt, um die vermeintliche Unmöglichkeit zu karikieren, dass seine Ansichten wahr sein könnten.

Vor der Veröffentlichung (The Descent of Man; 1871) sah man in Affen vor allem ihre Ähnlichkeiten zum Menschen, nach ihr wurden sie als unähnlich abgelehnt. Die Vorstellung, dass Menschen Affen „sind“, ist vielen Menschen heute noch ungewöhnlich. Mit ihr ist offenbar eine Kränkung verbunden (vergleiche dazu: Kränkungen der Menschheit).

Evolution brauche zahlreiche Voraussetzungen

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Dieses Missverständnis ist weit verbreitet. Tatsächlich benötigt die Evolution nur drei Voraussetzungen:

  1. Replikatoren
  2. Variation
  3. Selektion

Von diesen sind (1) und (2) zudem so trivial, dass angenommen werden kann, dass sie oft gegeben sind. Sie sind in vielen Fällen direkte Eigenschaften der Replikatoren. In der Evolution der Erde waren diese Voraussetzungen frühzeitig gegeben. Man geht heute davon aus, dass sie bereits im Hadaikum, nur 200 Millionen Jahre nach Entstehung der festen Erdkruste, zum Anschub der abiotischen Evolution geführt haben.

Evolution sei kompliziert zu verstehen

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Dieses Missverständnis ist weit verbreitet. Tatsächlich ist die Evolution sehr einfach zu verstehen, wie nebenseitig aufgeführtes Beispiel zeigt.

Nur bei einer perfekten Schätzung (Schätzfehler = null) käme keine Evolution zustande, bei einer guten Schätzung bleibt die Population über kürzere Zeit konstant, aber in jedem Falle kumulieren sich die Schätzfehler auch dann. Evolution wird deshalb auch als kumulierender Schätzfehler bezeichnet.

Die Entwicklung der Lebewelt basiert nicht auf Dragees, sondern auf Genen und sie gehen in unterschiedlichen Zusammensetzungen in jede neue Generation ein. Über geologische Zeiträume verwandeln sich die Zusammensetzungen, so dass sie zu jeweils einem beliebigen Zeitpunkt (alle vorhandenen Gene im Genpool) verschieden ist von einem beliebigen anderen Zeitpunkt in der Stammesgeschichte.

Die natürliche Selektion wirkt hierbei wie ein Moderator. Sie setzt die Wahrscheinlichkeiten einer Farbe, in das Glas zu kommen, geringfügig anders an. Dies kann beispielsweise passieren, wenn grüne Dragees aus irgendeinem Grunde schwerer und somit häufiger am Boden der Kiste anzutreffen wären, weshalb sie seltener ins Glas gelangen, das am oberen Rand der Kiste gefüllt wird. Analog dazu kommen Tiere mit irgendeinem Handicap seltener dazu, ihre Gene in die nächste Generation zu befördern. Man bezeichnet das als geringere Fitness.

Dieser Vorgang, hier schematisch vorgestellt, ist prinzipiell das Einzige, was man über die Evolution sicher wissen muss. Alle anderen Vorgänge und evolutionsbiologischen Phänomene lassen sich aus ihm logisch herleiten und empirisch bestätigen. Es sind hierbei noch keine Befunde bekannt geworden, für die das nicht gilt und selbst die Existenz von Hymenopterenstaaten, deren Erklärung Darwin nicht mehr bekannt wurde und in der er eine ernsthafte Bedrohung seiner Theorien sah, lassen sich mit diesem Prinzip heute erklären.

Eine Kiste Smarties

Gegeben sei eine Kiste A, gefüllt mit farbigen Schokoladen-Dragees (grün, rot, gelb) in unterschiedlichen Anteilen, die ein Großhändler von einem Hersteller erwerbe, um sie in kleinere Größen abzupacken und zu verkaufen. Wenn der Händler schließlich eine zweite, in eben solchen Farbanteilen befüllte Kiste B beim Großhändler bestellt, wäre es für den Hersteller zu aufwändig, die Anteile der Farben der ersten Kiste durch Auszählen festzustellen. Statt dessen entnehme er der ersten Kiste A ein Glas voller Dragees, bestimme die Anteile und rechne diese auf die zweite Kiste hoch. Wenn man nachträglich die exakte Zusammensetzung der ersten A und der zweiten Kiste B auszählen würde, so würde sich eine Differenz ergeben, die als Stichprobenfehler oder Schätzfehler bezeichnet wird und die dadurch zustande kommt, dass in dem Glas nicht exakt die gleichen Anteile an Smarties sind wie in der ganzen Kiste. Das Zustandekommen dieser Differenz wird Evolution genannt. Je öfter man diesen Vorgang wiederholt, d. h. das Glas aus der jeweils vorhergehenden Kiste entnimmt, desto lastiger werden einige Farben in den nachfolgenden Kisten, da zuvor zufällig benachteiligte Farben ihre Wahrscheinlichkeit verringern, erneut in das Glas zu kommen. Die Anteile der Farben verringern sich oder erhöhen sich. Beispielsweise könnte in Kiste Z eine Farbe ganz verschwunden sein, weil sie mit der Zeit so selten geworden ist, dass es einmal passiert, dass sie überhaupt keinen Vertreter mehr ins Glas bringt.
Dieser Vorgang, der rein statistisch abläuft, wird als Genfluss bezeichnet. Er enthält zunächst keine Selektion im dem Sinne, dass der Arbeiter, der das Glas befüllt, eine Vorliebe zu irgendeiner Farbe hat, die er lieber im Glas sehen würde.

Evolution sei purer Zufall

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Die Ansicht, nach der sich die Lebewelt durch eine bloße „Aneinanderreihung von Zufällen“ entwickelt haben könnte, ist ein Missverständnis und eine Strohpuppentheorie. Sie geht von der falschen Annahme aus, die Evolutionstheorie beinhalte die Idee, dass viele kleine Zufälle hintereinander gereiht schlussendlich zur Entwicklung des Lebens geführt hätten. Hierbei wird die Wirkung der natürlichen Selektion schlicht ignoriert.

Richtig ist: Die Evolution ist das überzufällige Bestehen zufällig zustande gekommener Veränderungen. Nur die Veränderungen kommen zufällig zustande, nicht jedoch ihr Überdauern in der Zeit.

Konzeptionelle Missverständnisse

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Evolution sei nur eine Theorie

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Ein häufig verbreitetes Missverständnis besteht darin, anzunehmen, die Evolution sei nur eine Theorie, die sich schlussendlich als wahr oder falsch heraus stellen könne. Die Evolution der Lebewesen sei noch nicht bewiesen und es werde sich später noch zeigen, wie es wirklich war.

Richtig ist: die biologische Evolution, die Entwicklung der Lebewesen ist ein Faktum, das in der Natur und im Labor beobachtet wird und das mit der Evolutionstheorie erklärt wird. Dass sich Pflanzen und Tiere (inklusive Mensch) aus einem gemeinsamen Vorfahren entwickelt haben, ist zwar "nur" eine Hypothese, wird aber heute nur noch von einer winzigen Minderheit der Biologen in Frage gestellt. (siehe das Smarties-Beispiel oben)

In der Bevölkerung gilt oft „eine Theorie = eine unbewiesene Annahme“; aber in der Wissenschaft ist eine Theorie ein ganzer Körper von Annahmen, der bereits von vielen Indizien gestützt wird. Aus einer wissenschaftlichen Theorie lassen sich dann Thesen ableiten. Diese Thesen gilt es dann auf „richtig“ oder „falsch“ zu überprüfen.

Evolution = biologische Evolution

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Hierunter versteht man die Verwechslung zweier Konzepte, von dem eines logisch unbestreitbar ist. Häufig wird der Begriff Evolution verwechselt mit dem Begriff Evolution der Lebewelt, welcher meistens gemeint ist, wenn knapp von „Evolution“ die Rede ist. Die Evolution ist ansich ein statistischer Vorgang, welcher an Replikatoren abläuf, von denen fortgesetzt Kopien entstehen. Die Replikatoren müssen nicht notwendigerweise biologische Moleküle (DNS), sondern können auch Kristalle verschiedenster Varianten sein oder beschriebene oder bedruckte Papiere, welche mit Kopierern vervielfältigt werden. In jedem Falle gibt es Kopien, deren Häufigkeiten schwanken und deren Inhalt einen Einfluss auf diese Häufigkeit hat. So werden beispielsweise stabile Kristalle häufiger kopiert, weil sie länger existieren und dazu öfter Gelegenheit haben. Auch wichtige oder interessante Passagen in Büchern werden von Nutzern häufiger kopiert als unwichtige. Flugblätter gehen schneller von Hand zu Hand und erzeugen Kopien ihrer Inhalte in den Köpfen zuverlässiger, wenn ihr Inhalt im jeweiligen Kontext für die Leser bedeutsamer ist.


Die Evolution ist an sich ein unbestreitbares statistisches Phänomen, das sich jederzeit empirisch oder logisch beweisen lässt und das einigen, gut bekannten Gesetzmäßigkeiten folgt.

Richtig ist: Eine Ablehnung der Evolution kann es ebenso wenig geben, wie beispielsweise die Ablehnung der Addition oder der Multiplikation. Abgelehnt werden kann nur die Idee, dass sich die Lebewelt auf der Erde evolutionär entwickelt hat.

  • Evolution kann nicht nur an belebten Objekten ablaufen. Man nimmt heute an, dass auch die Entstehung von organischem Leben eng mit den Mechanismen der Evolution verknüpft ist.
  • Prozesse, die aus dem Alltagsleben wohlbekannt sind und nicht als Evolution erscheinen, können sehr wohl Evolutionen sein. So wurde mit der Entdeckung der memetischen Replikatoren durch Richard Dawkins die Verbreitung einer Mode, aber auch der Wortgebrauch in der natürlichen Sprache als evolutionären Gesetzen unterworfen erkannt. Sobald Dinge kopiert werden, tritt sofort der Kopierfehler auf und erzeugt Variabilität, die oft auf die weitere Kopiertätigkeit Einfluss nimmt.

Die historische Frage war stets nur, ob sich die Lebewelt basierend auf diesen Gesetzen entwickelt hat, oder ob andere Mechanismen daran beteiligt waren. Darwin hat diese Frage beantwortet und nur auf diese Antwort richteten sich die Diskussionen.

Aus diesem Missverständnis resultieren weitere, falsche Annahmen:

  • Evolution sei umstritten
    • Die Evolution ist heute innerhalb der Biologie nicht mehr umstritten.
    • Strittig sind derzeit verschiedene Verlaufsformen der Evolution.
    • Auch historisch gesehen war lediglich umstritten, ob sich die Lebewelt unserer Erde aufgrund evolutionärer Vorgänge entwickelt hat.

Selektion = Tod

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Ein weiteres häufiges Missverständnis besteht in der Annahme, dass Tiere, die selektiert werden, einen besonders hartes Schicksal oder den frühzeitigen Tod erleiden müssen. Irrtümlich wird angenommen, dass das Individuum davon stets persönlich betroffen sei, d. h. ein kürzeres oder weniger erfülltes Leben führen müsse als seine Zeitgenossen, die zu erfolgreichen Eltern werden.

Richtig ist, dass Selektion vorliegt, wenn ein Tier eine unterdurchschnittliche Zahl an Nachkommen in der Folgegeneration hat. Der frühzeitige Tod ist nur eine, wenn auch sichere Bedingung. In den meisten Fällen jedoch führt Nachkommenlosigkeit (Kinderlosigkeit) zur Selektion.

Evolution = sichtbare Veränderung

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Hierunter versteht man eine falsche Annahme, die davon ausgeht, dass Evolution gleichbedeutend mit sichtbarer Veränderung sei oder notwendig immer mit dieser einher ginge.

Tatsächlich geschehen die meisten evolutionären Veränderungen in einer Weise und führen zu Effekten, die nicht von außen erkennbar sind. Gene konkurrieren innerhalb der Körper, ihren Phänotypen, auch untereinander und zahlreiche Veränderungen an ihnen dienen nur dem Zweck, sich gegenüber anderen Gen-Konkurrenten durchzusetzen. Es gibt große evolutionäre Veränderungen zwischen Abstammungslinien, die sich phänotypisch kaum unterscheiden. Einige Singvogelarten, die in dieselbe Gattung geordnet werden, weisen beispielsweise große genetische Unterschiede auf (80 % und mehr), obwohl sich die Vögel äußerlich sehr ähnlich sind. Das kommt daher, weil es zahlreiche unterschiedliche Kombinationen von Genen gibt, die alle mehr oder weniger zum Überleben des Körpers unter gegebenen Umständen gleich gut geeignet sind.

Andererseits können selbst erhebliche Unterschiede im Phänotyp aufgrund kleiner evolutionärer Veränderungen zustande kommen. Beispielsweise haben Menschen mit anderen Menschenaffen einen sehr hohen Anteil an Genen gemeinsam. Schimpansen und Menschen verbinden 99,4 % identische Gene, obwohl die Schimpansen aufgrund deutlicher Unterschiede nicht in die Gattung Homo klassifiziert werden.

Aus diesem Missverständnis resultieren weitere, falsche Annahmen:

  • Evolution könne ablaufen, müsse es aber nicht.
    • Es wird derzeit als sehr fragwürdig angesehen, ob es überhaupt irgendwo in der organismischen Evolution einmal Stillstand gegeben haben könnte. Die meisten Biologen nehmen das heute nicht an, mathematische Berechnungen schließen das zumindest für geologische Zeiträume weitgehend aus.
    • Sind die Voraussetzungen einer Evolution gegeben, so läuft sie so lange ab, bis diese Bedingungen nicht mehr gegeben sind.
    • Auch Lebewesen, die sich über lange Zeit phänotypisch nicht verändert haben – so genannte lebende Fossilien – unterliegen der Evolution. Die Konstanz ihrer sichtbaren Körpermerkmale liegt darin begründet, dass die evolvierenden Gene über lange Zeit gleiche Phänotypen gebaut haben.
    • Nicht jede genetische Veränderung (Mutation) erzeugt eine phänotypische Veränderung. Tatsächlich führen statistische Umverteilungen von Allelen und Genen ebenfalls zu Veränderungen im Genpool (nicht aber zu Anpassung!).

Nicht-Vorhersagbarkeit der Evolution

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Einem anderen häufigen Missverständnis nach könne der Verlauf der organismischen Evolution prinzipiell nicht genau vorhergesagt werden. Diese Annahme basiert auf der im physikalistischen Denken wichtigen Prädiktion, der Vorhersagereliabilität, nach der ein Vorgang dann richtig (theoretisch) erklärt ist, wenn er vollständig vorhergesagt werden kann. Dies ist bei evolutionären Vorgängen nicht vollständig möglich, u.a. weil die Kombinationsmenge der Gene zu groß ist, um jede Eventualität berücksichtigen zu können.

Richtig ist, dass Evolution vorher gesagt werden kann, soweit die Umweltbedingungen und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens neuer Mutationen bekannt sind. In komplexen Umwelten oder über längere Zeiträume werden die Vorhersagen lediglich ungenauer. So ist Resistenzentwicklung bei Einzellern abzusehen und man kann auch Wahrscheinlichkeiten angeben, mit denen sie eintreten.

Evolution ist trotz ihrer sonderbaren Wege keine vage Angelegenheit. Liegt genaue Kenntnis über Genpool und Umwelt vor, in der ein Tier lebt, kann genau vorhergesagt werden, welche Entwicklung welcher Eigenschaften aus Sicht der betrachteten Abstammungslinie wahrscheinlich eintreten wird. Ob eine dieser Entwicklungen tatsächlich eintritt, hängt dann von zahlreichen Faktoren ab, die ebenfalls bestimmt werden können.

Die Wirkung neuer Mutationen kann schlecht vorher gesagt werden, wie beispielsweise welche Mutationen bewirken würden, dass Menschen mit gelben Augen entstehen. Sind sie allerdings erst einmal entstanden, so kann das evolutionäre Schicksal dieser neuen, mutierten Gene sehr genau bestimmt werden. In diesem Falle würde die Sexuelle Selektion eine große Rolle spielen, die auf der Partnerwahl basiert. Wenn die gelbe Augenfarbe als sexuell attraktiv empfunden würde, würde die Zahl der Menschen mit gelben Augen über die Generationen steigen. Eine neue Augenfarbe könnte sich durchsetzen, wie erfolgreiche Vertrieb von farbigen Kontaktlinse zeigt. Moderne Forschungen haben beispielsweise gezeigt, dass Frauen, die dem Schönheitsideal entsprechen, im Durchschnitt 1/3 mal häufiger schwanger werden als Frauen, die ihm nicht entsprechen. Sexuell attraktive Männer werden sogar bis zu 50 % häufiger zu Vätern, unabhängig davon, mit welchen Frauen die Männer verheiratet sind. Man kann daher vorhersagen, dass sich bestimmte Merkmale über die Generationen durchsetzen, andere verschwinden. Die sexuelle Selektion ist beim Menschen deutlich wirksam.

  • Auch lässt sich sehr genau vorhersagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit neue Mutationen auftreten. Treten diese jedoch nicht ein, so ist die Evolution bis zu dem Punkt sehr genau vorhersagbar, an dem es keine Variation mehr gibt.

Den flüchtigen Betrachter überfordert oft lediglich die Vielfalt jener Erscheinungen, die im Laufe der Zeit evolutionär entstehen können. Man ist gewöhnt, bei Evolution zunächst an Gazellen und Löwen zu denken, die sich gegenseitig in ihrer Entwicklung beeinflussen, weil dem Menschen andere Wirbeltiere näher stehen als viele der anderen Organismen auf unserer Erde.

  • Dawkins beschreibt: Wären Menschen Bakterien und könnten sie denken, würde ihnen Evolution als eine alltägliche Erfahrung erscheinen.

Evolution = „Entwicklung“

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Ein sehr weit verbreitetes Missverständnis besteht in der Gleichsetzung der Begriffe Entwicklung und Evolution. In der Biologie stellen beide zwei völlig unterschiedliche Dinge dar, in der Physik werden sie synonym benutzt.

Dieses Missverständnis entsteht, wenn der Umstand nicht beachtet wird, dass Evolution nicht an Objekten abläuft, sondern nur an der Häufigkeiten von Objekten. Evolution wird so eindeutig definiert und lässt sich gegen all jene Vorgänge klar abgrenzen, die bei einem raschen Blick evolutionär zu sein scheinen, aber in Wirklichkeit bloße Entwicklungen sind. So ist seit etwa Anfang der 1980er Jahre im physikalistischen Denken die Bezeichnung der „Evolution des Weltraumes“ oder der „Evolution der Materie“ aufgekommen, wenn man die physikalischen Veränderungen der Materie vom hypothetischen Urknall bis hin zur ihrer heutigen Erscheinung meint. An physikalischen Vorgängen ist zwar bislang kein Anzeichen einer Evolution bekannt geworden, doch glauben viele Menschen, das Weltall selbst sei evolutionär entstanden, woraus teleologische Ansichten entstehen nach dem Strickmuster, dass der Mensch eine einzigartige Krone der Schöpfung sei, denn immerhin habe das Universum in aufsteigender Komplexität schließlich zu seiner Entstehung geführt.

Mancher Uhu meint,
die Nacht käme seinetwegen.

Karlheinz Deschner

An physikalischen Objekten läuft ausschließlich Einschritt-Selektion ab und sollte es einmal physikalische Replikatoren bzw. physikalisch-natürliche Selektion gegeben haben, etwa in den ersten kurzen Abschnitten nach dem Urknall, dann hat dieser Zustand nicht lange angehalten und nicht zur Bildung der heutigen Wirklichkeit geführt. Bislang sind keine physikalischen Teilchen gefunden worden, die von sich selbst Kopien herstellen, variieren und diese Variation kumulativ vererben können.

Der Glaube an allgemeine Höherentwicklung

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Hierbei handelt es sich oft nicht um ein Missverständnis, sondern um einen echten, mitunter vehement verteidigten Glauben. Er wird nicht durch falsch verstandene Sachverhalte erzeugt, sondern durch ein anthropozentrisches Wunschdenken, das beinhaltet, dass sich Lebewesen im Laufe der Evolution auf unserer Erde stets in Richtung höherer Komplexität und perfekterer Funktionalität entwickeln würden, in dessen Verlauf der Mensch sich als am erfolgreichsten heraus gebildet hat. Gelegentlich wird auch fälschlicherweise angenommen, dies sei Darwins eigene Ansicht gewesen.

Richtig ist, dass einzelne Merkmale, von denen sich an jeder Art hunderte beschreiben lassen, hinsichtlich ihrer Komplexität in eine Rangordnung gebracht werden können. Hier sind jedoch Komplexität, Leistungsfähigkeit und andere Parameter zu trennen. Die Diagramme, die dies darstellen, heißen Entwicklungsdiagramme. Sie beinhalten jedoch keinen Aspekt der Abstammung.

Die Höherentwicklung ist im Laufe der Evolution gelegentlich zu beobachten, aber keine notwendige Erscheinung. Sie entspricht einem Nebeneffekt, der unter bestimmten Bedingungen eintritt. Diese Bedingungen sind selten gegeben – fast immer nur, wenn es sich um Mehrzeller handelt. Manchmal entwickeln sich Organismen auch wieder hin zu einfacheren Strukturen, wenngleich auch niemals im Sinne einer Rückentwicklung, die erreichte Fortschritte aufgibt, um vorherige Strukturen zu restaurieren. Evolution ohne Höherentwicklung ist mit Abstand die am weitesten verbreitete Verlaufsform der Evolution. Man könnte sagen: „Auf den ersten Blick führt Evolution nicht zu Höherentwicklung. Erst auf den zweiten Blick tut sie das.

Ein weiteres Argument ist, "Wenn Menschen höher entwickelt sind, warum gibt es dann noch Affen?". Erstens wird die Frage wieder mal vom subjektiven, menschlichen Standpunkt aus gesehen, und zweitens zählt in der Evolution eine "Höherentwicklung" rein gar nichts. Was wichtig ist, ist die Anpassung an die Umwelt. Da sich etwa Schimpansen auf das Leben im Wald und auf Bäumen spezialisiert haben, gibt es diese Tierart immer noch. Die Frage wäre aber berechtigt, wenn es nennenswerte Affenpopulationen in der Grossstadt gäbe...

  • Ein Missverständnis in diesem Zusammenhang beruht darauf, anzunehmen, die Evolution der Wirbeltiere sei besonders wichtig, und da sie zur Bildung hoher oder komplexer Formen geführt hat, besonders typisch.
  • Die Höherentwicklung ist aber nur eine spezielle Verlaufsform, die unter bestimmten Bedingungen eintritt.

Aus diesem Missverständnis resultieren weitere, falsche Annahmen:

  • Die Annahme, dass der Mensch das höchstentwickelte Lebewesen sei.
    • Tatsächlich sind nur zwei seiner Eigenschaften hoch entwickelt, nämlich das Immunsystem und vor allem das cerebrale Nervensystem.
  • Evolutionäre Leiter ("Scala Naturae")
    • Dies ist die Ansicht, Lebewesen wären von der Zoologie hinsichtlich ihrer Entwicklungsstufe in Form einer evolutionären Leiter klassifiziert, an deren untersten Stufen die „älteren, niederen“ Lebewesen wie Bakterien oder Blaualgen stehen und die über die jüngeren „höheren“ Lebewesen wie Tiere und Säugetiere hin zur derzeitig perfektesten Erscheinung, den Affen und schließlich dem Menschen reichen würde.

Die Stammbaummetapher ist eine Mischform von zwei Diagrammen. Der Stammbaum beinhaltet Abstammung (Kladogramm) und Höherentwicklung (Entwicklungsdiagramme) in einem.

Objekt und Gegenstand der Evolution

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Objekte der Selektion seien Individuen

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Die gemeinsame Abstammung birgt einige Stolpersteine in sich, die ihr Verständnis erheblich erschweren können. Ein häufig verbreitetes Missverständnis entsteht, wenn man als Objekte der Natürlichen Selektion fälschlicherweise Individuen annimmt. Dann kommt man angesichts der fortgesetzten Durchmischung von Erbgut innerhalb einer Art oder Population zu dem Trugschluss, dass ein Individuum in der Vergangenheit niemals nur einen, sondern stets und immer viele Vorfahren gehabt haben muss.

Richtig ist, dass die Objekte der Natürlichen Selektion aktive Keimbahnreplikatoren sind. Also Gene, die sich in der Keimbahn, nicht aber dem Soma befinden.

Den Trugschluss kann man sich verdeutlichen, indem man beachtet, dass jedes irgendwo oder irgendwann geborene Wirbeltier immer zwei Individuen als Eltern hat, niemals aber nur einen Elter. Zieht man jedoch in Betracht, dass tatsächlich nicht die Individuen, sondern die Gene (aktive Keimbahngene) Objekte der Natürlichen Selektion sind, und jedes Individuum nur stets eine Kopie des Gens eines Elters erhält, kann man erkennen, dass es pro Gen einen gemeinsamen Vorfahren gibt. Aufgrund statistischer Vorgänge führt das dazu, dass sich die Vorfahren eines jeden Gens in der Vergangenheit in einem Einzelindividuum wieder finden lassen, dessen Paarungspartner diese genetische Zusammensetzung nicht enthielt, sondern Gene beisteuerte, die aber später selektiert wurden und verschwanden.

Die Keimbahn

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Auch die Keimbahn ist Ansatzpunkt vieler Missverständnisse. Sie wird häufig als ein Organ oder eine organismische Struktur angesehen, die irgendeine Rolle für die Fortpflanzung spielen soll. Aus diesem Missverständnis heraus kann die Wirkung der Variation und der natürlichen Selektion bei der Evolution schlecht verstanden werden.

Richtig ist, daß die Keimbahn eine ununterbrochene Linie von Gen-Kopien ist, die von Elter zu Nachfahre, von Körper zu Körper weiter gegeben werden und sich somit als Abstammungslinie durch die geologischen Zeiträume zieht. Nur die Gene der Geschlechtszellen (Eier, Spermien) eines Individuums gehören der Keimbahn an. Die meisten Gene, die den Körper bauen, sind ihrerseits Kopien der Keimbahngene und werden nicht an die nachfolgende Generation weiter gegeben. Die Begriffe Variation und natürliche Selektion beziehen sich stets auf die Keimbahn, da nur dort festgeschriebene Merkmale an die Nachkommen weiter gegeben werden können.

Anfeindungen der Evolutionsbiologie

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Hierunter sind bösartige Angriffe oder Bloßstellungen zu verstehen, die durch Ignoranz bekannter Sachverhalte gekennzeichnet sind.

 
Karikatur mit Affe

Diese historische Abbildung bezieht sich auf Darwins Schriften zur sexuellen Selektion, in der er beschreibt, dass nicht nur die Umweltbedingungen, sondern auch die Partnerwahl selektiv wirkt. Bestimmte Merkmale von Tieren sind überhaupt nur so zu erklären, wie beispielsweise das Prachtgefieder vieler männlicher Vögel oder auch die sekundären Geschlechtsmerkmale bei Menschen.

Die Abbildung ignoriert diesen damals heftig und kontrovers diskutierten Sachverhalt, indem sie Darwin in diffamierender Weise mit einer Affen-Frau zeigt, der er einen Spiegel vorhält. Das Vorhalten eines Spiegels wurde im viktorianischen England als eine idiomatisch schmeichlerische Handlung angesehen, die einem Menschen seine Schönheit zeigt, um ihn selbstbewusst zu machen. Zugeneigtes Niederknien, wie hier zu sehen, wurde damals sehr eindeutig als Heiratsantrag verstanden, als sexueller Antrag. Das Bild kann interpretiert werden als: „Ich erhebe Dich zu Meinesgleichen, komm sei mir zum Dank sexuell zugeneigt!“ Hiermit wollten Darwins Gegner ihm also sexuelles Interesse an den Affen anhängen – eine Beleidigung des wissenschaftlichen Geistes, die heute nur sehr selten vorkommt. Darwin war als ein treuer Ehemann bekannt und alles andere als freizügig.

Ohne Kenntnis der historischen Zeitumstände verliert diese Karikatur an Schärfe, da die Körperhaltung nicht mehr eindeutig als sexuell interpretiert wird. Sie vermittelt zudem den positiven Eindruck einer Gleichberechtigung zwischen Mensch und Affe.

 
Karikatur Belästigungsszene

Eine ähnliche Darstellung aus dem viktorianischen England sieht man hier, auf der Darwin ebenfalls sexuelle Interessen untergeschoben wurden. (16. November, 1872), “Really Mr. Darwin, say what you like about Man: But I wish you would leave my emotions alone!

Auch diese Darstellung bedarf der Rücksicht auf den historischen Kontext. Sie stellt eine Belästigungszene dar, nicht einmal ad hominem ist, sondern eine bloße erfundene Unterstellung.

Diese nachfolgenden Karikaturen diffamieren Darwins Aussagen über das Hörvermögen von Würmern. Er hatte entdeckt, dass Würmer keinerlei Notiz von Schallwellen nehmen, „selbst wenn man schrille oder dumpfe Töne in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erzeugt, bleiben sie völlig unbeeindruckt davon.

 
Darwin.
 
Darwin.

Die linke Darstellung greift Darwins Untersuchungsmethoden auf, denn er hatte zur Erzeugung der Schallwellen Musikinstrumente eingesetzt. Rechts sieht man Darwin mit einem bedrohlich gewordenen Wurm in sitzender Haltung mit einer Handgeste, die einen Tabubruch signalisiert (siehe Ausdruckspsychologie).

 
Darwin.

Das Bild „Man is But a Worm“, welches kurz vor Darwins Tod veröffentlicht wurde, zeigt ihn an Stelle des Schöpfergotts, umringt von allerlei, damals als verrückt, chaotisch oder ekelhaft empfundenen Wesen. Sein Werk über die Bedeutung der Ökologie der Würmer wurde 1881, knapp ein Jahr vor seinem Tode veröffentlicht.

On the favourable side of the balance, I think that I am superior to the common run of men in noticing things which easily escape attention, and in observing them carefully.” - Charles Darwin in seiner Autobiographie von 1876.

 
Darwin.

Diese Darstellung diffamiert Darwin, indem sie ihn als gebrechlichen, etwas dumm oder dement ausschauenden Mann darstellt, dessen rechte Hand die eines Affen ist. Da zu Darwins Zeiten vor allem mit der Hand geschrieben wurde, kann man dieses Bild interpretieren: „Die Hand, mit der er sein Werk geschrieben hat, ist die Hand eines Affen.

Whenever Darwinism is the topic, the temperature rises, because more is at stake than just the empirical facts about how life on Earth evolved, or the correct logic of the theory that accounts for those facts. One of the precious things that is at stake is a vision of what it means to ask, and answer, the question ‘Why?’” - Daniel Dennett (Darwin's Dangerous Idea, 1995).

Literatur

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  • Ernst Mayr: Das ist Evolution. C. Bertelsmann, ISBN 3-570-12013-9
  • Richard Dawkins: The selfish Gene. Oxford University Press 1976
  • Sven Thoms: Ursprung des Lebens. S. Fischer, ISBN 3596161282
  • Dr. Jonathan Wells: Icons of evolution Washington D.C.: Regnery, 2000
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Kategorie:Evolution