Benutzer:Robert Fellerer/KPÖ Parteikonflikt
Seit 1994 tobte in der Partei ein Konflikt zwischen der Parteiführung rund um Walter Baier und verschiedenen parteiinternen Oppositionsgruppen, die sich hauptsächlich um die Zeitung nVs (neue Volksstimme) und die Internetplattform kominform.at sammelten. Während die Kritiker Walter Baier Revisionismus und Verrat am Marxismus unterstellten, warf ihnen dieser stalinistische Tendenzen vor.
Bereits im Sommer 2000 wandten sich zwölf Mitglieder des Bundesvorstands, darunter der Grazer Stadtrat Ernest Kaltenegger, gegen die politische Plattform für den kommenden Parteitag, da sie unter anderem hier die Tendenz zu einer faktischen Auflösung der KPÖ zugunsten einer „pluralistischen Linken“ sahen, sowie in der Plattform eine ungenügende Analyse der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Österreich und Europa sahen. Diese Personen legten ein Gegenpapier zur politischen Plattform des Bundesvorstandes vor. Der Parteitag beschloss jedoch keine Plattform, sondern entschied sich für die Einleitung einer breiten Programmdebatte. Diese kam allerdings aufgrund der innerparteilichen Konflikte nicht in Gang.
Im Jänner 2002 wurde ein Konzept des „Attersee-Kreises“ für den Umbau der Partei öffentlich bekannt, das unter anderem die Abwahl verschiedener Funktionäre und eine eindeutige, teilweise orthodox-marxistische Ausrichtung der Partei forderte. Daraufhin wurde von der Parteiführung, die sich auch auf den bezahlten Apparat der KPÖ stützen konnte, den Verfassern des Konzepts über die Medien der Vorwurf des „Fraktionismus“ erhoben. Im Mai 2002 wurde von einer Gruppe von Mitgliedern in einem Offenen Brief der Rücktritt von Walter Baier als Parteivorsitzender verlangt. Der Bundesvorstand beschloss im August 2002 die Einberufung des 32. Parteitages für Ende 2002, durch die Vorverlegung der Nationalratswahl wurde der Parteitag jedoch auf Frühjahr 2003 verschoben. Dieser wurde für zwei Tagungen einberufen, deren erste sich mit inhaltlichen Fragen, die zweite mit personellen Fragen befassen sollte.
Die erste Tagung des 32. Parteitages am 27. April 2003 beschloss als Kompromiss das von Manfred Groß erarbeitete Dokument Wofür steht die KPÖ? Mehrheitlich wurde der Versuch, das 1997 beschlossene Frauenprogramm für ungültig zu erklären, zurückgewiesen. Ebenso bekräftigten die Teilnehmer des Parteitages mehrheitlich die Ablehnung des Stalinismus. Bekräftigt wurde die kritische Haltung der Partei zur EU, wobei jedoch der Parteitag eine Verkürzung auf eine reine Austrittsforderung ablehnte.
Bei der zweiten Tagung trat als Gegenkandidat zu Walter Baier der Tiroler KPÖ-Landesvorsitzende Manfred Eber und als Gegenkandidatin zur Frauenvorsitzenden Heidemarie Ambrosch die Tiroler KPÖ-Funktionärin Petra Stöckl an. Während sich Baier mit 204 gegen 183 Stimmen gegen Eber behaupten konnte, erreichte Stöckl mit 197 Stimmen gegenüber 188 Stimmen für Ambrosch eine Mehrheit. Bedingt durch die große Zahl von 77 Kandidaten aus den sich frontal gegenüberstehenden Lagern erreichten bei der Wahl des Bundesvorstands nur sieben Mitglieder das notwendige Quorum.
Im Zuge des sich verstärkenden Konflikts traten zwischen Oktober und Februar vier Mitglieder des Bundesvorstands aus Opposition gegen Walter Baier zurück. Auf Vorschlag der Frauenversammlung wurde Margit Kain in den Bundesvorstand kooptiert.[1]
Eskalation
BearbeitenDer Konflikt eskalierte 2004, als eine Parteikonferenz den Beitritt zur Europäischen Linkspartei beschloss. Die KPÖ ließ jedoch die Option eines EU-Austritts nicht fallen, sondern hielt diese auch in der am 33. Parteitag im Dezember 2004 beschlossenen Plattform weiter fest. Die KPÖ kandidierte in der Folge bei den Wahlen zum EU-Parlament im Rahmen des Wahlbündnisses LINKE Liste mit dem Spitzenkandidaten Leo Gabriel. Dieser sprach sich in der Zeitschrift Profil gegen den Sozialismus aus: „Ich will ein solidarisches, kein sozialistisches Europa.“ Das rief bei der Parteiopposition teils wütende Kritik hervor. Viele Parteiorganisationen boykottierten daraufhin den Wahlkampf. Das Wahlergebnis von 0,77 % bzw. 19.530 Stimmen war gegenüber dem KPÖ-Ergebnis von 1999 von 0,73 % bzw. 20.497 Stimmen ein bescheidener prozentueller Zuwachs.
Gleichzeitig spitzten sich die Konflikte auch dadurch zu, dass in der vom letzten Parteitag gegründeten Programmkommission die Anhänger des Kurses von Walter Baier in die Minderheit gerieten. Die Kommission wurde daraufhin von den Anhängern seines Kurses boykottiert sowie unter anderem ein von dieser Kommission ausgearbeiteter Programmentwurf vom Rest-Bundesvorstand abgelehnt und nicht in den Parteimedien veröffentlicht.
Im April 2004 wurde bei einem Treffen von orthodoxen Kräften der Partei in Leoben die Kommunistische Initiative gegründet und als deren Sprecher Otto Bruckner, Gerhard Bruny und Werner Murgg (seit 2005 Stadtrat in Leoben und KPÖ-Landtagsabgeordneter in der Steiermark) gewählt. Diese Gruppe warf im Juni 2004 mit einem Brief an die Mitglieder der KPÖ dem Bundesvorstand Verrat am Marxismus vor. Generell fehlte der Parteiopposition aber eine einheitliche politische Ausrichtung sowie auch Handlungsweise, da deren Mitglieder und Sympathisanten aus unterschiedlichsten Motiven (etwa auch aufgrund der vorgeblich undemokratischen Vorgangsweisen der Parteiführung unter Walter Baier sowie am Finanzreferenten Michael Graber) zu Gegnern der Parteiführung wurden.
Als der Druck auf die Parteiführung zur Einberufung eines Parteitags stieg, berief der Bundesvorstand, der neben Walter Baier nur noch aus zwei weiteren Mitgliedern bestand, für 11. und 12. Dezember 2004 den 33. ordentlichen Parteitag der KPÖ als Delegiertenparteitag nach Linz-Ebelsberg ein und setzte sich damit über einen Beschluss des 32. Parteitags (der als Mitgliederparteitag abgehalten wurde) hinweg, der besagte, dass der 33. Parteitag wieder als Mitgliederparteitag, und zwar außerhalb von Wien, abgehalten werden müsse. Dagegen wandten sich auch öffentlich vier vom letzten Parteitag direkt gewählte Mitglieder des Bundesvorstandes, welche aufgrund der Auseinandersetzungen ihr Mandat bereits zurückgelegt hatten. Da der Parteitag laut Parteistatut das höchste Gremium der KPÖ ist, sah die Opposition einen Statutenverstoß und rief die Schiedskommission der KPÖ, die in solchen Fällen zu entscheiden hat, an. Die Schiedskommission entschied jedoch, dass rein formell kein Verstoß gegen das Statut vorlag, da laut Statut ein Parteitag nicht über die konkrete Form der Einberufung eines Parteitags entscheiden kann. Einige Mitglieder der KPÖ Ottakring, unter ihnen Bezirksparteiobmann Gerhard Dusek, versuchten, ebenfalls in Berufung auf das Statut, auf eigene Faust einen Mitgliederparteitag zu organisieren. Dieser Parteitag wurde aber aufgrund von Klageandrohungen des Parteivorstands wieder abgesagt. Der Delegiertenparteitag wurde vorverlegt und fand am 4. und 5. Dezember 2004 mit 76 stimmberechtigten Delegierten in Ebelsberg statt. Der Parteitag wurde geschlossen von der Opposition sowie von der KPÖ Tirol und der bei kommunalen Wahlgängen erfolgreichen KPÖ Graz bzw. Steiermark boykottiert. Politische Schwerpunkte des 33. Parteitages waren die Ablehnung der EU-Verfassung und der EU-Dienstleistungsrichtlinie, die Verteidigung des öffentlichen Eigentums sowie die Auseinandersetzung mit dem Gedenkjahr 2005. Walter Baier wurde ohne Gegenkandidat mit 89,4 % der Stimmen wiedergewählt. Unter anderem wurde auch das Parteistatut geändert.
Im Verlauf des Konfliktes wurden mehrere Oppositionelle aus der Partei ausgeschlossen, weiteren „Oppositionellen“ wurde und wird besonders in Wien ein neues Mitgliedsbuch verweigert, so etwa Manfred Eber, Gegenkandidat von Walter Baier beim Parteitag 2003 und seit 2006 Bezirkssekretär der Grazer KPÖ. Einige Kritiker warfen dem Bundesvorstand eine undemokratische Vorgangsweise vor und traten aus der Partei aus.
Am 11. März 2006 trat Walter Baier als Bundesvorsitzender zurück, worauf der Bundesvorstand Melina Klaus und Mirko Messner zu den neuen Sprechern wählte. Die steirische KPÖ akzeptiert die Beschlüsse des 33. Parteitages nicht und gestaltet ihre Politik seither autonom. Sie versteht sich dennoch weiterhin als Teil der KPÖ, lehnt es aber ab, Vertreter in den Bundesvorstand der KPÖ zu entsenden.
Auch das Verhältnis zur Kommunistischen Jugend Österreichs (KJÖ) ist angespannt, da der Jugendverband nunmehr in Opposition zur Bundes-KPÖ steht und sich an der steirischen KPÖ und der Kommunistischen Initiative (KI) orientiert. Die Bundes-KPÖ versuchte daraufhin mit den Young Communists eine Gegengruppierung zur KJÖ zu schaffen, die mittlerweile als Junge Linke politisch aktiv ist. Im Gegenzug brach auch der Kommunistische StudentInnenverband (KSV) mit der Bundes-KPÖ und steht heute in einem engen Nahverhältnis zur KJÖ, während in Wien die ÖH-Fraktion KSV-Linke Liste die Politik der Partei unterstützt. Beide kommunistischen Studierendengruppen stellten je ein Mandat in der 2009 gewählten ÖH-Bundesvertretung. Die Junge Linke konnte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten ebenfalls stabilisieren und ist in Wien, Niederösterreich, Salzburg und neuerdings auch in Tirol vertreten.
KJÖ und KSV arbeiten momentan unabhängig von der KPÖ, viele Mitglieder der Jugendorganisationen engagieren sich allerdings in der KPÖ Steiermark.
Seit dem 38. Parteitag ist die neu gewählte Führung bestrebt, diese Konflikte beizulegen und hat dafür positionelle und persönliche Konsequenzen gezogen.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Elke Kahr: Rücktritt aus dem Bundesvorstand der KPÖ. ( vom 25. Juli 2013 im Webarchiv archive.today) In: kominform.at, 20. Februar 2004, abgerufen am 25. Juli 2013.