Benutzer:Rumo Berlin/IgG4
IgG4 (Immunoglobulin Gamma 4) ist einer der vier Subtypen des Antikörpertyps IgG. Es ist mit ca. 2-4 % des Gesamt-IgGs die im Blut von gesunden Menschen am wenigsten vertretene IgG Subklasse. IgG4 hat eine ungewöhnliche, von den anderen IgG-Antikörpern etwas abweichende Struktur und anti-inflammatorische Eigenschaften [1].
Im Gegensatz zu anderen IgG-Antikörpern, die eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Viren, Bakterien und anderen Erregen spielen und entzündliche Reaktionen vermitteln scheint die zentrale Rolle der IgG4-Antikörper in der Regulation insbesondere von IgE-vermittelten Immunreaktionen zu bestehen. IgE wiederum hat eine zentrale Rolle bei der Abwehr von Parasiteninfektionen, ist aber auch ein wichtiger Faktor bei den meisten allergischen Reaktionen. IgG4 scheint vor allem als Antwort auf eine chronische IgE-vermittelte Immunreaktion gebildet zu werden. Durch Bindung des IgG4s an die Antigene bzw. Allergene wird verhindert dass diese eine IgE-vermittelte Freisetzung von Entzündungsmediatoren auslösen. Langfristig kommt es dann auch zu einer Reduktion der antigen- bzw. allergenspezifischen IgE Antikörper im Blut und einer Hyposensibilisierung des Patienten. Dieser Prozess ist auch ein wichtiger Faktor bei chronischen, jedoch asymptomatischen Parasiteninfektionen, er ist aber auch bei der natürlichen Überwindung kindlicher Lebensmittelallergien sowie bei der Allergen Immuntherapie (AIT) zu beobachten. Die IgG4-Antikörper scheinen ähnliche submolekulare Strukturen (Epitope) zu erkennen wie IgEs gegen das entsprechende Allergen [2] und so das Antigen/Allergen an der Bindung durch die auf Mastzellen und basophilen Granulozyten befindlichen IgE Antikörper zu verhindern.
IgG4 in den letzten Jahren wurde auch als Faktor bei verschiedenen Erkrankungen beobachtet, z.B. bei Autoimmunkrankheiten, der Eosinophilen Ösophagitis und den IgG4-assoziierten Erkrankungen (IgG4-related diseases).
Genetik und Ausbildung der IgG4-Antikörper
BearbeitenAntikörpergene werden in jeder neuentstehenden B-Zelle durch zufällige Rekombination auf je einen Chromosom hintereinander liegender Gensegmente neu erstellt. Für die schwere Kette des Antikörpers wird hierbei je eines der V, D und J Segmente zu einem VDJ Gensegment verbunden, welches die Information für den antigenbindenden Teil der schweren Kette des Antikörpers enthält. Beim Menschen liegen den V, D und J Gensegmenten folgend die Gensegmente für die konstante Region des Antikörpers, in der Reihenfolge Cµ/Cδ, Cγ3, Cγ1, Cα1, Cγ2, Cγ4, Cε und Cα2.
Im Rahmen der B-Zellreifung kommt es durch eine genomische Rekombination (Class switch recombination) dazu, dass das VDJ-Gensegment vor die Exons für einen andere Antikörperklasse platziert wird, wobei der dazwischen liegende Bereich ausgeschnitten und entfernt wird. Der Antikörperklassenwechsel kann beispielsweise dazu führen, dass die B-Zelle nun statt eines IgM Antikörpers einen IgG1 Antikörper produziert, unter Erhaltung der Antigenspezifität. Durch weitere derartige Rekombinationsereignisse in der weiteren Entwicklung der B-Zell kann sich hieraus dann z.B. eine IgA1, IgG4 oder IgE produzierende B-Zelle werden (sequenzieller Klassenwechsel).
Dieser Prozess geht aber nur in eine Richtung und ist auf der Ebene der einzelnen B-Zelle nicht umkehrbar. Dies bedeutet, dass IgG4 Antikörper nicht direkt von IgEs abstammen können. Andererseits scheinen sich IgG2, IgG4, IgE und IgA produzierende B-Zellen vor allem aus einem gemeinsamen Pool von IgG1+ Gedächtnis (memory) B-Zellen zu entwickeln, so dass IgE, IgG4 und IgA Antikörper vom gleichen IgG1 Vorläufer abstammen können. Eine der Möglichkeiten zur Nachverfolgung derartiger Pfade besteht in der Analyse somatischer Mutationen in der VDJ Region, die im Rahmen der Affinitätsreifung der Antikörper eingefügt werden [3]. IgG4 Antikörper weisen, ähnlich wie IgEs, einen relativ hohen Grad an somatischen Mutationen auf. [4]
Ein Klassenwechsel von IgG1 zu IgE, IgG4 oder IgA wird durch die Stimulation der B-Zellen durch unterschiedliche Wachstumsfaktoren und Kontakt mit anderen Zellen induziert. Für IgG4 scheinen hierfür vor allem IL-10 sowie follikuläre regulatorische T-Zellen eine entscheidende Rolle zu spielen.
Struktur und molekulare Eigenschaften
BearbeitenIgG4-Antikörper sind in der Lage ihre Halbseiten mit anderen IgG4-Antikörpern in Blut auszutauschen ("Fab-exchange"), was zur raschen Ausbildung von bispezifischen IgG4-Antikörpern führt. Diese haben im Gegensatz zu anderen Antikörpern nur eine spezifische Bindestelle für ein bestimmtes Antigen, d.h. sie sind faktisch monovalent und können daher z.B. keine kreuzvernetzten Immunkomplexe ausbilden.
Ein Prolin zu Serin Aminosäureaustausch an Position 228 der homologen IgG1 Sequenz (IgG1: -CPPCP-, IgG4: -CPSCP-) ermöglicht die Ausbildung von intra- und inter-Ketten Cystin-Brücken zweier benachbarter Cysteine, welche bei IgG1-3 nur inter-Ketten Brücken ausbilden können und welche das schwere Ketten-Dimer stabilisieren [5][6]. Diverse therapeutische rekombinante Antikörper verwenden IgG4 als Basisstruktur bei der diese Änderung künstlich rückgängig gemacht wurde, die aber immer noch weder ADCC noch Komplementaktivierung verursachen können [7].
Für diesen Funktionsverlust scheint vor allem ein Prolin zu Serin Aminosäureaustausch an Position 331 in der CH2 Region des IgG4 verantwortlich zu sein, welcher zu Änderung der Struktur der sogenannten FG-Schleife führt und die Interaktion des IgG4 mit humanen IgG Rezeptoren sowie dem Komplementfaktor C1q schwächt.
Eine kristallgraphische Analyse zeigte dass IgG4-Antikörper nicht die klassische Y-Form der meisten Antikörper einnehmen. Bei IgG4 befindet sich sich eines der antigenbindenden Fabs nahe beim Fc befindet, das zweite Fab jedoch vom Fcs abgewendet ausgerichtet ist [8].
Funktionelle Eigenschaften
BearbeitenWährend die IgG-Antikörper der Subtypen IgG1 und IgG3 proinflammatorisch wirken, Komplement aktivieren und von Fcγ-Rezeptoren gebunden werden und daher Funktionen wie Phagozytose von Antigenen oder die antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität (ADCC) auslösen können, ist dies bei Antikörpern der Klassen IgG4 und IgG2 nicht der Fall.
IgG4 scheint zwar an den humanen Fcγ-Rezeptor Ia binden zu können, bildet aber im Gegensatz zu IgG1 und IgG3 keine stabilen Komplexe mit diesem aus [9]. Zudem scheint IgG4 in der Lage zu sein die Komplementaktivierung durch Immunkomplexe zu reduzieren[10].
IgG4 und Parasiteninfektionen
BearbeitenDie zentrale Aufgabe der IgE-vermittelten Immunreaktion besteht in der Erkennung und Bekämpfung von Parasiteninfektionen. Hierbei werden Parasitenantigene durch IgE Antikörper erkannt und gebunden die sich, gebunden an den IgE Rezeptoren FcεRI, auf der Oberfläche von Mastzellen und basophilen Granulozyten befinden. Diese Zellen schütten dann in Granula gespeicherte Entzündungsmediatoren wie Histamin, Heparin, Leukotriene und Prostaglangin aus, was zu einem Anschwellen des Gewebes und die Einwanderung von Entzündungszellen führt. Diese Bekämpfen dann den Eindringling. Mastzellen sind im Gewebe lokalisiert und nehmen das IgE aus benachbarten Blutgefäßen auf.
Jedoch können sich die Parasiten häufig im Körper etablieren, was zu chronischen Entzündungsreaktionen und Schwächung des Infizierten führen kann. In der Regel verläuft die Erkrankung aber apathogen, was häufig mit der Ausbildung von IgG4-Antikörpern gegen Parasiten einhergeht. Im Verlauf einer Parasiteninfektion kann sich der Anteil des IgG4 am Gesamt-IgG erheblich erhöhen.
Bei der Malaria sind IgG4-Antikörper mit der cerebralen Malaria, der schwersten Verlaufsform, assoziiert [11]. IgG4 gegen Pf-ESAs wurde in allen symptomatischen aber nur bei 25% der asymptomatischen Malariapatienten in Peru beobachtet, die Patienten waren jedoch nicht anhand der IgG1 und IgG3 Spiegel unterscheidbar [12].
In der Parasitologie werden häufig IgG4 Tests zum Nachweis vorangegangener Infektionen eingesetzt.
IgG4, Allergie und Hyposensibilisierung
BearbeitenBei den meisten Allergien finden sich deutlich erhöhte Spiegel an IgE Antikörpern gegen die relevanten Allergene. Aktuelle Studien zeigen, dass sich speziell bei Nahrungsmittelallergien [13] häufig auch deutlich erhöhte IgG4 Antikörper gegen die Allergene zu finden sind [14] [15]. Hierbei scheinen bei Kinder IgG4 Antikörper besser mit IgE zu korrelieren als IgG Antikörper gegen Lebensmittelallergene [16]. Mit zunehmenden Alter der Kinder finden sich deutlich erhöhte IgG4 Spiegel gegen Grundnahrungsmittel wie Milch, Ei oder Weizen, bei deutlich zurückgehenden IgE Spiegeln und klinischer Allergie [17][18]. Da die spezifischen IgG4 Spiegel auch noch Jahre nach dem Ausheilen pädiatrischer Lebensmittelallergien erhöht bleiben können, sind sie nicht als spezifischer Marker für IgE-vermittelte klinische Allergien geeignet, könnten jedoch auf eine persistierende Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Allergen hinweisen.
In der Therapie von Allergien spielt die spezifische Immuntherapie (SIT) eine wichtige Rolle. Hierbei wird dem Patienten über einen längeren Zeitraum hinweg das Allergen in Form von Injektionen, Tropfen oder Sublingual-Tabletten in steigernden Dosen verabreicht, um so eine Hyposensibilisierung gegen das Allergen zu erreichen. Neuere Studien zeigen, dass dies i.d.R. mit einem deutlichen Anstieg des allergenspezifischen IgG4 und einem leichten Rückgang des spezifischen IgE einher geht [19][20]). Diese IgG4 Antikörper können eine sehr hohe Affinität aufweisen [21].
Untersuchungen bei Bienenhaltern zeigen dass diese mit zunehmender Exposition mit Bienengift im Frühjahr sehr hohe, protektive Spiegel an IgG4 gegen Bienengift ausbilden können [22]. Imker mit starker Reaktion auf Bienengift hatten hohes Bienengift-IgE und niedriges spezifisches IgG4, solche ohne Reaktion auf Bienengift hohe Spiegel spezifischen IgG4s. Die IgG4-Antikörper gegen Bienengift scheint dessen Toxizität zu verringern [23].
Bei der Eosinophilen Ösosphagitis (EoE) und der eosinophilen chronischen Rhinosinusitis (ECRS) wurden Infiltrate von IgG4 produzierenden B-Zellen in den betroffenen Regionen beobachtet, in denen auch eine hohe Zahl von Eosinophilen Granulozyten gefunden werden[24][25]. Beides sind mit Allergien assoziierte Erkrankungen, wobei die Rolle des IgEs bei der EoE nicht geklärt ist ist. Im Falle der EoE lässt sich diese mit Medikamenten, speziell Glucocorticoiden, aber häufig auch durch eine gezielte Eliminationsdiät behandeln. Hierbei scheinen die am Ort der Entzündung produzierten IgG4 gegen Lebensmittelallergene zu reagieren und Zahl der B-Zellen nach erfolgreicher Therapie zurückzugehen [26].
Anti-Gliadin IgG4 wurden als Marker bei Psoriasis beschrieben [27] und Gluten-freie Diät kann die Symptome reduzieren [28].
IgG4 Messungen zur Allergietestung werden von den allergologischen Fachgesellschaften derzeit abgelehnt, da deren Spezifität und Spezifität i.d.R. deutlich unter der von IgE Tests liegt [29]. IgG4 Messungen im Rahmen von Allergentherapien haben keine nennenwerte prädiktive Aussage.
IgG4 und Autoimmunerkrankungen
BearbeitenBei verschiedenen Autoimmunerkrankungen scheinen IgG4-Antikörper eine Rolle zu spielen. Bei Pemphigus wurden anti-Desmoglein 1 und Desmoglein 3 Autoantikörper, bei einer Form von Myasthenia Gravis IgG4-Antikörper gegen MuSK als pathogenetisch wichtig beschrieben. Bei der Wegener-Granulomatose wurden IgG4 anti-PR3 Antikörper[30], bei IgG4-assoziierter Cholangitis (ICA) und der autoimmunen Pankreatitis (AIP) anti-Annexin 11 Antikörper[31] beschrieben. Kato et al beschreiben anti-Laminin Antikörper bei sklerosirender Cholangitis [32]
Die pathogene Wirkung der IgG4 Autoantikörper scheint häufig auf eine Inhibition der Funktion der Zielmoleküle zurück zu führen sein, und kann durch die monovalent gemischter IgG4 verstärkt werden [33].
Erhöhte IgG4 Spiegel gegen Lebensmittel wurden auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa sowie bei Zöliakie beobachtet, wobei deren Rolle ungeklärt ist. In diesen Zusammenhang könnte auch relevant sein, dass Gendefekte im IL-10 Rezeptor Gen für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen prädisponieren [34].
IgG4-assoziierte Erkrankungen
BearbeitenBei den sogenannten IgG4-assoziierten Erkrankungen (IgG4-RD) [35] treten Wucherungen mit tumorartigem Gewebe auf, welches durch Einlagerung von IgG4-positiven B Zellen charakterisiert ist. Hierbei können diese Pseudotumore die Funktion und Struktur der betroffenen Organe beeinträchtigen. Die Fehlinterpretation eines radiologischen Befundes kann zu einer unnötigen Tumortherapie oder zur operativer Entfernung der Geschwülste führen, obwohl diese i.d.R. mit Glucocorticoiden oder anderen Medikamenten relativ gut behandelbar wären.
Die Rolle der IgG4+ B-Zellen und der IgG4 Antikörper in dem Prozess ist derzeit noch nicht hinreichend geklärt.
IgG4 und weitere Erkrankungen
BearbeitenIn der Tumortherapie kann es zur Ausbildung von IgG4-Antikörpern gegen das Ziel kommen, was mit einer geringeren Effizienz der Behandlung assoziiert sein kann [36][37].
IgG4 gegen Spender-spezifische HLA-Moleküle wurde als möglicher Marker für eine subklinische Abstoßungsreaktion bei Kindern mit einer stabilen Lebertransplantation beschrieben [38].
Literatur
BearbeitenEinzelnachweise
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