Der Sprachgebrauch in Belgien weist zahlreiche Besonderheiten auf und ist häufig Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Belgien ist ein mehrsprachiges Land, in dem Deutsch, Französisch und Niederländisch den Status einer Amtssprache haben. Französisch und Niederländisch sind gleichberechtigt, während das Deutsche faktisch eine deutlich untergeordnete Stellung einnimmt.
Historische Entwicklung
BearbeitenVor der belgischen Staatsgründung
BearbeitenDie Grenzen des heutigen Belgien wurden durch den erfolgreichen Freiheitskampf des nördlichen Teils der Spanischen Niederlande in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorgeprägt. Der Süden verblieb bei Spanien und kam 1714 unter österreichische Herrschaft. Gemeinsam mit dem reichsunmittelbaren Fürstbistum Lüttich und einigen kleineren Herrschaften bildeten die österreichischen Niederlande die territoriale Grundlage für das spätere Belgien.
Seit dem frühen Mittelalter verläuft die Sprachgrenze zwischen romanischem und germanischem Sprachraum mitten durch dieses Gebiet. Sie war im weiteren Zeitverlauf nur geringen Veränderungen unterworfen und stimmte trotz der wechselvollen Geschichte dieser Region nie mit politischen Grenzen überein.[1] Als Umgangssprache der Bevölkerung wurden im germanischen Norden zum Niederfränkischen zu rechnende flämische Dialekte benutzt, im romanischen Süden galloromanische, insbesondere picardische und wallonische Dialekte. Als Amts- und Bildungssprache setzte sich unter österreichischer Herrschaft im 18. Jahrhundert beiderseits der Sprachgrenze nach und nach die französische Standardsprache durch, die auch zur bevorzugten Umgangssprache der höheren Gesellschaftsschichten, insbesondere des städtischen Bürgertums wurde. Die zeitgleich in den unabhängigen nördlichen Niederlanden stattfindene Entwicklung der niederländischen Standardsprache aus den dort gesprochenen, mit den flämischen eng verwandten Dialekten ging dagegen am heutigen Belgien zunächst weitgehend spurlos vorüber; einzelne Versuche zur Standardisierung der flämischen Dialekte blieben ohne nachhaltigen Erfolg. Erklären lässt sich dies vor allem dadurch, dass hier die zu dieser Zeit auf ganz Europa wirkende Ausstrahlung und das Prestige des Französischen mit den Tatsachen zusammentrafen, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung mit dem Französischen eng verwandte Dialekte sprach und das germanische Sprachgebiet durch keine politische Grenze abgetrennt war. Aber auch der traditionelle Gebrauch des Lateinischen als Wissenschaftssprache erleichterte die Durchsetzung des Französischen.
Noch verstärkt wurde diese Entwicklung, als die österreichischen Niederlande und das Fürstbistum Lüttich im Zuge der Koalitionskriege 1795 von Frankreich annektiert wurden und so bis 1814 Teil des französischen Staatsgebiets waren. Französisch wurde offiziell zur alleinigen Amts-, Bildungs- und Gerichtssprache. Auf diese Weise wurden die flämischen und romanischen Dialekte aus dem öffentlichen Leben weitgehend verdrängt; das Französische setzte sich als Sprache der gebildeten Schichten und der gesellschaftlichen Eliten endgültig durch.
Mit dem Ende der Herrschaft Napoleons I. 1814 musste Frankreich die annektierten Gebiete wieder abtreten, das heutige Belgien wurde mit den nördlichen Niederlanden zum Vereinigten Königreich der Niederlande zusammengeführt. In diesem neuen Staat betrieb König Wilhelm I. eine Politik, die einerseits auf eine Behebung des Bildungsrückstandes im südlichen Landesteil, andererseits auf eine Förderung des Niederländischen zu Lasten des Französischen zielte. So erließ er 1819 ein Dekret, das ab 1823 das Niederländische in den nördlich der Sprachgrenze gelegenen Provinzen des späteren Belgiens zur alleinigen Amtssprache machte; vier Jahre später wurde dies auch auf den flämischen Teil der beiderseits der Sprachgrenze gelegenen Provinz Brabant (mit der Hauptstadt Brüssel) ausgedehnt. Damit traf er auf nahezu einmütige Ablehnung sowohl in den unmittelbar betroffenen Gebieten als auch im romanischen Landesteil. In letzterem befürchtete man, dass die Politik der Niederlandisierung später auf das gesamte Land ausgedehnt werden würde. In ersteren waren Oberschicht, Beamte und Lehrer an den Gebrauch des Französischen gewohnt; die niederländische Standardsprache unterschied sich zudem erheblich von den in der Region verbreiteten Dialekten und wurde als Fremdkörper wahrgenommen. Hinzu kam Widerstand seitens der katholischen Kirche, die im Niederländischen ein Vehikel des Calvinismus sah. Hierdurch wuchsen die Unabhängigkeitsbestrebungen, die schließlich 1830 zur Belgischen Revolution führten; die Rücknahme weiter Teile der pro-niederländischen Sprachpolitik 1829/30 kam zu spät, um sie noch zu verhindern.
Belgien als französischsprachiger Staat
BearbeitenDer Weg zur Gleichberechtigung des Niederländischen
BearbeitenDie Sonderrolle des Deutschen
BearbeitenGegenwärtige Situation
BearbeitenDie Einteilung Belgiens in Sprachgebiete
BearbeitenBelgien ist in vier Sprachgebiete eingeteilt, die der politischen Gliederung des Landes entsprechen: Die Region Flandern im Norden bildet das niederländische Sprachgebiet. Das französische Sprachgebiet im Süden entspricht der Region Wallonien ohne die zur Deutschsprachigen Gemeinschaft gehörenden Gemeinden. Diese bilden das kleine deutsche Sprachgebiet. Die Hauptstadtregion Brüssel, die von Flandern umgeben ist, ist zweisprachig (Französisch und Niederländisch). Die Grenzen der Sprachgebiete können nur mit Zustimmung aller Sprachgruppen geändert werden.[2]
Sprachen im staatlichen Bereich
BearbeitenDer Sprachgebrauch der Bevölkerung
BearbeitenAndauernde Konflikte
BearbeitenSiehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- X. Mabille: Histoire politique de la Belgique. Facteurs et auteurs de changement, 4. Auflage. CRISP, Brüssel 2000, ISBN 2870750722.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ H. Kellenbenz, S. Lauffer, W. Conze: Putzger historischer Weltatlas, Ausgabe mit Register, 102. Auflage. Cornelsen Verlag, Berlin 2000, ISBN 3464001768, S. 81.
- ↑ Art. 4 der Verfassung Belgiens