Der Begriff Deutschböhmen (tschechisch Čeští Němci) ist eine Sammelbezeichnung für die deutschsprachigen Bewohner Böhmens oder auch aller böhmischen Länder sowie für das Siedlungsgebiet dieser Bevölkerungsgruppe (auf Tschechisch dann allerdings Německé Čechy). In den zur böhmischen Krone gehörenden Ländern Mähren und Schlesien sprach man von Deutschmährern (Moravští Němci) und Deutsch- oder Sudetenschlesiern. Im 20. Jahrhundert wurde für diese Gruppierungen auch der Begriff Sudetendeutsche geprägt.
Als Sudetendeutsche wird der 1945 größtenteils vertriebene deutschsprachige Bevölkerungsteil Böhmens, Mährens und Schlesiens bezeichnet. Dies betraf insbesondere die als Sudetenland bezeichneten Grenzgebiete der heutigen Tschechischen Republik, aber auch einige im Landesinneren gelegene Sprachinseln.[1] Als alternative Begriffe für den vergleichsweise jungen Begriff Sudetendeutsche werden Deutschböhmen und Deutschmährer sowie Schlesier verwendet, seltener ist von Sudeten-Altösterreichern die Rede.
Sudetendeutsche ist eine alternative Eigenbezeichnung der Deutschböhmen und Deutschmährer seit der Zwischenkriegszeit. Der Begriff wurde im Rahmen nationaler Auseinandersetzungen geprägt. Er ist bis heute politisch konnotiert und wird häufig mit der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei und den Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Verbindung gebracht.
Begriffsgeschichte und Begriffskontroverse
BearbeitenSudetendeutsche wurden bis zum Ende der Doppelmonarchie, wie die Bewohner der zum heutigen Österreich gehörigen cisleithanischen Kronländer, meist primär als Deutsche der österreichischen Reichshälfte wahrgenommen und sahen sich auch selbst als solche, da sie nur in diesem Kontext bevölkerungsmäßig mit den Slawen Altösterreichs konkurrieren konnten. Außerdem empfand man sich als Teil des zusammenhängenden deutschen Sprachgebietes und nahm sich somit nicht als ethnische Minderheit wahr. Nach den nationalen Umbrüchen 1848 kamen allmählich die Bezeichnungen Deutschböhmen, Deutschmährer und Deutschschlesier zeitgleich mit der häufigeren Verwendung des Begriffs Tschechen in Gebrauch.[2]
Der Name „Sudetendeutsche“ (im Egerländer Dialekt Suaderer) wurde vereinzelt schon im 19. Jahrhundert benutzt und setzte sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, vor allem ab 1919 (d. h. nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Gründung der Tschechoslowakei) als Sammelbegriff für die Deutschen in den böhmischen Ländern durch. Die Herkunft des Namens ist uneindeutig. Entweder beruht er auf dem Begriff „Sudetští Nĕmci” (dt. „Sudeten-Deutsche”) für den deutschen Bevölkerungsteil, den vor allem die Jungtschechen seit dem 19. Jahrhundert prägten. Oder er leitet sich vom Begriff Sudetenländer ab, der in der österreich-ungarischen Monarchie die Länder der Böhmischen Krone bezeichnete. Beiden Varianten liegt letztendlich der Bezug zum Gebirgszug der Sudeten zugrunde, der sich im Norden Böhmens, Mährens und Sudetenschlesiens auf 330 km Länge hinzieht. Der Begriff Sudetendeutsche umfasst somit auch Bevölkerungsgruppen, die nicht im Bereich des Gebirgszuges der Sudeten lebten, sondern im übrigen Böhmen und Mähren.
Die Verwendung der Bezeichnung „Sudetendeutsche“ in größerem Stil begann in den zwanziger und dreißiger Jahren. Zum ersten Mal gab es einen einheitlichen Begriff für alle deutschen Bewohner Böhmens und Mährens, was das einheitliche Auftreten und der Bevölkerungsgruppe und eine Abgrenzung von der tschechischen Bevölkerung beförderte. Besonders die Gründung der Sudetendeutschen Heimatfront 1933 und die Bezeichnung Reichsgau Sudetenland ab 1938 führten den Begriff zum Durchbruch. Nach der Vertreibung war die unbestrittene Eigen- wie Fremdbezeichnung der deutschen Bevölkerung Böhmens und Mährens in der Bundesrepublik Deutschland „Sudetendeutsche“.
Im politischen Diskurs waren die Sudetendeutschen lange Zeit ein wichtiges Thema. So verkündete der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard 1954 auf dem Sudetendeutschen Tag in München die Schirmherrschaft Bayerns über die Sudetendeutschen. Er erklärte sie darüber hinaus zu einem „vierten Volksstamm Bayerns neben Altbayern, Schwaben und Franken“. Auch die CSU sah sich als „Anwalt der Sudetendeutschen“.[3] Diese konservative Ausrichtung und die politischen Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft führten dazu, dass der Begriff „Sudetendeutsche“ in der deutschen Öffentlichkeit häufig mit revanchistischen Anschauungen in Verbindung gebracht wird.
Aus diesem Grund lehnen viele Nachkommen von Sudetendeutschen diesen Begriff als Eigenbezeichnung ab oder meiden ihn. Nicht wenige „Sudetendeutsche“ wie etwa Peter Glotz bezeichnen sich lieber als Deutschböhmen oder Deutschmährer, die ihnen politisch neutraler erscheinen und die besonders in Österreich neben Schlesiern die seit jeher bevorzugte Bezeichnung sind. Auch die meisten Angehörigen der heutigen deutschen Minderheit in Tschechien bezeichnen sich nicht mehr als Sudetendeutsche.
- ↑ Konrad Badenheuer: Die Sudetendeutschen. Eine Volksgruppe in Europa. Sudetendeutscher Rat, München 2007, ISBN 978-3-00-021603-9.
- ↑ Antonín Měšťan: Böhmisches Landesbewußtsein in der tschechischen Literatur. In: Ferdinand Seibt (Hrsg.): Die Chance der Verständigung. Absichten und Ansätze zu übernationaler Zusammenarbeit in den böhmischen Ländern 1848–1918. Oldenbourg, München 1987, ISBN 3-486-53971-X, S. 31–38, hier S. 35.
- ↑ K. Erik Franzen: Der vierte Stamm Bayerns. Die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen 1954–1974 (Dissertation), Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2010, ISBN 978-3-486-59150-7.