Heinz Eichler (* 14. November 1927 in Leipzig) war ein DDR-Politiker und Mitglied der Staatsführung der DDR. Er war Sekretär des Staatsrates und Präsidiumsmitglied der Volkskammer der DDR.
Heinz Eichler wurde am 14. November 1927 als Sohn einer Arbeiterfamilie in Leipzig geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er von 1942 bis 1944 eine kaufmännische Ausbildung. Zudem trat er 1944 in die NSDAP ein.
Nach dem Kriegsende wurde Eichler Mitarbeiter des Rat des Kreises Oschatz. Er trat in die KPD ein und wurde Mitglied des antifaschistischen Kreis-Jugendausschusse Oschatz. 1946 trat Eichler in die neugegründete FDJ ein und wurde durch den Vereinigungsparteitag Mitglied der SED. Nach einem Lehrgang an der SED-Landesparteischule in Ottendorf wurde Eichler in den SED-Kreisvorstand Oschatz gewählt, dessen Mitglied er bis 1948 blieb. Um studieren zu können, besuchte er in den Jahren 1946/47 eine Vorstudienanstalt an der Uni Leipzig, um danach bis 1950 Wirtschaft an derselben Uni zu studieren. In beiden Einrichtungen engagierte sich Eichler als Funktionär der FDJ und SED. Nach seinem Studium ging er nach Berlin und wurde zunächst Hauptsachbearbeiter im Ministerium des Innern. Kurz darauf wechselte er in die Regierungskanzlei, zunächst als Referent, später als Abteilungsleiter. 1956 delegierte ihn die SED als Aspirant an die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der KPdSU in Moskau, um dort bis 1960 nochmals zu studieren. In die DDR zurückgekehrt rückte Eichler unmittelbar an die Machtspitze in der DDR. Er wurde persönlicher Referent des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Walter Ulbricht und blieb dies bis zu Ulbrichts Rücktritt 1971. Danach löste er Otto Gotsche als Sekrtät des Staatsrates ab und verblieb in diesem Amt bis zur politischen Wende im Herbst 1989. Gleichzeitig wurde Eichler 1971 SED-Abgeordneter der Volkskammer und auch sofort Mitglied des Präsidiums der Volkskammer.
Am 13. November 1989 trat er geschlossen mit den anderen Präsidiumsmitgliedern von seinem Amt zurück. Am 5. April 1990 wurde von der neugewählten Volkskammer der Staatsrat abgeschafft. Über sein weiteres Leben ist nichts bekannt.
Vor nunmehr einundzwanzig Jahren, so um die Weihnachtszeit des Jahres 1981, hielt Erich Mielke das von mir verfasste „Braunbuch DDR - Nazis in der DDR“ in Händen. Diese Weihnachtslektüre war ihm von seinen Mitarbeitern vorgelegt worden. Dem DDR-Staatssicherheitsminister erschien mein Buch allerdings als eine unverdauliche Provokation. Schließlich waren die Nazis in der DDR ein von Mielke selbst jahrzehntelang gehütetes Staatsgeheimnis: An der antifaschistischen Fassade der DDR sollte nicht gekratzt werden.
Erich Mielke wusste, worum es geht, denn er hatte bereits vor Gründung der DDR als Vizepräsident der Deutschen Verwaltung des Innern die Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone geleitet. Das daraus erwachsene Herrschaftswissen verstand er jahrzehntelang auf seine Weise im Machtgefüge der DDR einzusetzen. Die NS-Vergangenheit von Führungskadern blieb nicht ungenutzt bei der „Werbung von ehrlichen, an der Zusammenarbeit mit dem MfS interessierten und damit zur Wiedergutmachung ihrer Schuld bereiten Personen.“
Nachzulesen in einer streng geheimen Studie der Juristischen Hochschule des MfS, in der Vertraulichen Verschlußsache 384/80.
Dieses Schuld-Bündnis funktionierte bis zum Ende der DDR. Und manch einer dieser Leute hielt der SED auch nach der Wende noch die Treue, beispielsweise Egbert von Frankenberg und Proschlitz, der 1994 die SPD als „zahnlose Opposition“ bezeichnete und erklärte, die „Altparteien“ seien für ihn „nicht wählbar“, es verbliebe „als echte Wahlalternative nur die PDS“. Frankenberg war einst im spanischen Bürgerkrieg Angehöriger der Legion Condor gewesen und hatte an der Seite von General Franco für den Endsieg der Faschisten gekämpft. Schon 1931 war der langjährige DDR-Politiker in die NSDAP aufgenommen worden.
Die SED war im Nachkriegsdeutschland die erste Partei, die sich ehemaligen Nationalsozialisten öffnete. Bereits 1946 hob das SED-Zentralsekretariat einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluss auf. Somit konnten schon in den ersten Nachkriegsjahren massenhaft frühere Mitglieder der NSDAP in die SED aufgenommen werden. Am 15.6.1946 fasste nach einer entsprechenden Einführung von Wilhelm Pieck das SED-Zentralsekretariat den neuen grundlegenden Beschluss zur Aufnahme der ehemaligen Parteigenossen der NSDAP in die SED.
Dennoch war die DDR-Propaganda stets bemüht den Anschein zu erwecken, ehemalige Nationalsozialisten könnten im Westen erfolgreich Karriere machen, die DDR bliebe in der Hinsicht „sauber“. Mein Buch dokumentierte aber, wie auch im Staats- und Parteiapparat der DDR ehemalige Mitglieder und Funktionäre der NSDAP zu neuen Ämtern und Karrieren gekommen waren.
Für Mielke war mein Buch „ein hetzerisches Machwerk“, eine „Diffamierung von Persönlichkeiten der DDR. Ich sei „ein bekannter militanter Antikommunist und Provokateur“, der „im Kindesalter gemeinsam mit den Eltern und den beiden Geschwistern illegal die DDR verließ“, also bereits im Kleinkindalter republikflüchtig wurde. Ich versuchte nunmehr, so die DDR-Oberen, mit meinem Buch auf hetzerische Weise den Nachweis zu erbringen, „dass im staatlichen und gesellschaftlichen Leben der DDR eine Reihe ehemaliger NSDAP-Mitglieder aktiven Einfluss ausübt.“ Wahrlich eine ungeheure Provokation, aber mit durchaus belegbarem Wahrheitsgehalt. Alle Quellen waren in meinem Buch genannt, für jeden überprüfbar, also auch für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS).
Auf Anordnung Mielkes wurde eine Sondereinheit aus Mitarbeitern der Hauptabteilung XX/2 und der Hauptabteilung IX/11 gebildet, die unter der „Federführung“ der ZAIG mehrere Jahre tätig war und über vierzig Aktenordner anlegte, die noch heute bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR einsehbar sind (SV 3/82). Mein Buch wurde Seite für Seite überprüft und als unglaubliche Denunziation der Partei- und Staatsführung der DDR kategorisiert. Denn schließlich handele „es sich bei der Mehrzahl der Genannten um Persönlichkeiten“, um ehemalige Nationalsozialisten, die „sich seit Jahrzehnten aktiv für die Entwicklung der DDR eingesetzt haben“. Für das MfS war es somit wichtig, „aus dem Gesamtüberprüfungsergebnis Erkenntnisse herausfiltern“ zu lassen, „die politisch-operative Maßnahmen gegen die Urheber und Verbreiter der Hetzschrift begründen.“ Die entsprechenden Berichte waren Erich Mielke persönlich vorzulegen. Mielkes Mitarbeiter recherchierten dann, „der Autor Olaf Kappelt“ suggeriere, „daß die DDR durch die Verwendung faschistisch belasteter Personen die vom Nazismus betriebene terroristische Diktatur fortgeführt habe.“ Der Leser erhalte den Eindruck, „daß im Staatsapparat, in der Justiz, im Bildungswesen, im kulturellen Bereich und auf anderen Gebieten eine Clique alter Nazis dominierend sei, die sich gegenseitig schütze und fördere“. Wobei dem „Braunbuch DDR“, „an dem Kappelt nach eigenen Angaben drei Jahre gearbeitet hat“, jedoch „eine gewisse neue Qualität nicht abzusprechen“ sei.
Außenministerium und Generalstaatsanwaltschaft beunruhigt
Zu Recht geriet das DDR-Außenministerium in Argumentationsnotstand. Im letzten Jahrzehnt der DDR waren immer noch ehemalige Nationalsozialisten in führenden Stellungen des diplomatischen Dienstes der DDR anzutreffen. Selbst der stellvertretende DDR-Außenminister Kurt Nier, zuständig für die Beziehungen zu Westeuropa, Kanada, den USA, Australien und Japan, war einst NSDAP-Mitglied im Gau Sudetenland gewesen. Friedel Trappen, zeitweise DDR-Botschafter in Chile und anschließend stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen im SED-Zentralkomitee, seit 1984 Träger des Vaterländischen Verdienstordens der DDR in Gold, war 1942 der NSDAP beigetreten und wurde als NS-Parteigenosse im Gau Westfalen geführt. Ebenfalls 1942 war der langjährige DDR-Botschafter Hans Jürgen Weitz der NSDAP beigetreten; er gehörte zur Ortsgruppe Duisburg im NS-Gau Essen und war außerdem durch Zugehörigkeit zur SS belastet. Seit 1981 war Weitz Botschafter in Ägypten, vorher im Irak und in Kuwait, zeitweise auch führender Mitarbeiter im DDR-Außenministerium. Siegfried Bock, bis 1984 DDR-Botschafter in Rumänien und anschließend bis 1990 Abteilungsleiter im DDR-Außenministerium war ebenso ehemaliger NSDAP-Angehöriger wie Heinz Birch, der 1986 zum Abteilungsdirektor USA, Kanada und Japan im DDR-Außenministerium befördert wurde.
Norbert Jaeschke wurde 1974 Botschafter in der Türkei und 1983 in Dänemark, vorher war er im DDR Außenministerium leitender Mitarbeiter gewesen, ebenso wie Walter Ißleib, der bis 1980 Botschafter der DDR in der Jemenitischen Arabischen Republik war und danach einen leitenden Posten im DDR-Außenministerium übernahm. Für Ißleib und Jaeschke war die ehemalige Mitgliedschaft in der NSDAP offensichtlich kein Karrierehindernis. Selbst bei den Vereinten Nationen waren Ex-Nazis für die DDR tätig. Einer davon war Gerhard Kegel, der 1934 bereits in die NSDAP eingetreten war, 1941 durch Hitler zum Legationssekretär im Auswärtigen Amt befördert wurde und laut Simon Wiesenthal, dem Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, für die Gestapo gearbeitet hatte. Kegel war bis 1976 ständiger Botschafter der DDR beim Sitz der Vereinten Nationen in Genf und vertrat die DDR bei zahlreichen internationalen Organisationen und Konferenzen. Bis 1989 war Harald Rose ständiger Vertreter der DDR bei den Vereinten Nationen; auch er war NSDAP-Mitglied im Gau Thüringen gewesen. 1986 wurde Hermann Klenner nach Protesten aus Israel als Leiter der DDR-Delegation bei der UNO-Menschenrechtskommission in Genf abberufen. Klenner war Angehöriger der NSDAP-Ortsgruppe Breslau gewesen und begann nach dem Krieg seine neue Laufbahn als Rechtstheoretiker und Hochschullehrer; als IM „Klee“ erstellte er Persönlichkeitsprofile von westlichen und östlichen Bürgern für das MfS.
Alle diese NS-belasteten Diplomaten und DDR-Außenpolitiker waren langjährige Mitglieder der SED.
Mit dem Ende der DDR traten 1989/90 auch die letzten ehemaligen Nationalsozialisten von der politischen Bühne in Deutschland ab. Als letztes Aufgebot einer vergreisten Partei und Staatsführung wirkten sie an den Universitäten als Dekane und in den Chefredaktionen der Medien, sie waren in der NVA und im DDR-Ministerrat sowie in der DDR-Volkskammer ebenso vertreten wie im Zentralkomitee der SED. Mehr als vierzig Jahre, bis März 1990, saß der einstige NS-Gaustudentenführer von Thüringen Siegfried Dallmann in der DDR-Volkskammer. Im DDR-Staatsrat hatte bis zuletzt Prof. Heinrich Homann ausgehalten; der großbürgerliche Reedereisohn war bereits 1933 in die NSDAP eingetreten. Sekretär des DDR-Staatsrates war bis 1989 ein weiteres ehemaliges NSDAP-Mitglied: Heinz Eichler. Und als langjähriger Leiter des DDR-Presseamtes wurde am 7. November 1989 Kurt Blecha abgelöst; auch er gehörte zur alten Garde der ehemaligen NSDAP-Mitglieder.
Im letzten SED-Zentralkomitee unter Erich Honecker waren mehr frühere NSDAP- als frühere SPD-Mitglieder anzutreffen, sechzehn waren es zuletzt. Selbst der langjährige SED-Kaderchef Fritz Müller gehörte dazu, der 1938 die NSDAP-Mitgliedschaft in der Ortsgruppe Forst, im sogenannten Gau Kurland erworben hatte. Als langjähriger Leiter der Kaderabteilung beim SED-Zentralkomitee war er für die gesamte Personalpolitik der DDR-Staatspartei zuständig. Er war verantwortlich für die Entwicklungskarteien, in denen nicht nur fachliche Fähigkeiten beurteilt wurden, sondern auch politische und moralische Qualitäten. Er hatte als Kaderchef zudem einen bestimmenden Einfluss auf die gesamte Personalpolitik aller DDR-Organisationen und Institutionen, einschließlich der Blockparteien. Ex-Nazi Müller entschied selbst über das Schicksal von DDR-Spitzenfunktionären.
Zu den ehemaligen NSDAP-Mitgliedern im 1986 bestimmten und letzten SED-Zentralkomitee unter Honeckers Führung gehörte auch der kürzlich verstorbene Manfred Ewald, dem der gesamte DDR-Sport unterstand. Weitere NS-belastete Mitglieder des ZK der SED waren: Gerhard Beil. Wolfgang Biermann, Horst Heintze, Bruno Lietz, Helmut Sakowski, Bernhard Seeger, Werner Scheler, Horst Stechbarth, Waldemar Liemen, Erich Rübensam, Rudolf Winter und Herbert Weiz, außerdem noch Arnold Zimmermann als Kandidat des ZK der SED und Ottfried Steger als Mitglied der Zentralen Revisionskommission. Sie alle waren mehr oder weniger durch ihre NSDAP-Mitgliedschaft vorgeprägt und entsprechend erzogen.
Das Ende der DDR ist markiert von der Flucht der Eheleute Honecker, die Ende Januar 1990 in einer Einrichtung der evangelischen Kirche Unterschlupf fanden, in den Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal bei Bernau. Honecker kannte den langjährigen Leiter dieser Anstalten, Kirchenrat Karl Pagel. Kein Freund aus gemeinsamen antifaschistischen Tagen: Pagel war 1933 in die SS eingetreten und erwarb 1934 die Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB). Aber das dürfte DDR-Gewaltigen wie Honecker und Mielke bekannt gewesen sein, denn die SS-Rolle von Bruder Pagel blieb bereits im „Braunbuch DDR“, gut acht Jahre zuvor, nicht ungenannt.
Quelle: „Horch und Guck Heft“