Benutzer:Scimitarik/Conway
Anne Conway
Bearbeiten(* 14. Dezember 1631 in London; † 23. Februar 1679)[1] war eine bedeutende englische Philosophin der Aufklärung und Teil der Cambridge Platoniker.[2] Sie war eine der wenigen weiblichen Philosophinnen, die im 17. Jahrhundert ein Werk veröffentlichten.[3] Sie wies den cartesianischen Substanzdualismus zurück[4]und argumentierte gegen die Mechanisten, indem sie betonte, dass Materie nicht passiv sei, sondern über Selbstbewegung, Wahrnehmung und Leben verfüge.[5] Ihre Theorie des Substanzmonismus basiert auf einer vitalistischen Sichtweise des Seins.
Leben
BearbeitenFrühe Jahre
BearbeitenConway war die Tochter von Sir Heneage Finch, einem Anwalt und Politiker, der kurz vor ihrer Geburt starb, und seiner zweiten Frau Elizabeth Cradock. Sie wuchs als das jüngste von sechs Kindern in einem Anwesen auf, das heute als Kensington Palace bekannt ist.[6] [7]Zu ihren Halbbrüdern zählten Heneage Finch, 1. Earl of Nottingham und Lordkanzler von England[8], sowie John Finch, ein englischer Botschafter.[9] In ihrer Jugend lernte sie Latein und später auch Griechisch und Hebräisch. Sie war äußerst belesen und hatte unter anderem Platon und Plotin auf Latein sowie möglicherweise Platon auf Griechisch gelesen. Zudem hatte sie sich mit den Werken von Descartes und Spinoza beschäftigt, wobei insbesondere Descartes einen entscheidenden Einfluss auf ihre philosophische Entwicklung hatte, da sie viele Aspekte seines Systems als fehlerhaft ansah.[10]
Ihr Halbbruder John Finch weckte ihr Interesse an Philosophie und Theologie. Er stellte Anne einem seiner Tutoren am Christ's College in Cambridge, dem Platoniker Henry More, vor. Diese Begegnung führte zu einer langjährigen Korrespondenz und einer engen Freundschaft zwischen Conway und More. Durch den Briefwechsel erhielt sie philosophischen Unterricht, entwickelte sich jedoch bald von einer Schülerin zur gleichwertigen Diskussionspartnerin. Mores 1653 veröffentlichtes Werk "Antidote against Atheism" ist ihr gewidmet.[11] Auf Conways Anfrage hin publizierte er 1655 die "Conjectura Cabbalistica".[12]
Obwohl Anne Conway nicht in Cambridge studiert hatte, ist sie mit der Gruppe der Cambridge Platonikern verbunden. Diese repräsentieren ein Beispiel für das protestantische Denken im England des 17. Jahrhunderts, das als Cambridger Aufklärung bezeichnet werden kann, da die Universität in dieser Zeit eine Vielzahl kreativer Talente hervorbrachte.[13]
Spätere Jahre
BearbeitenIm Jahr 1651 heiratete Anne Edward Conway, der 1665 zum 3. Viscount Conway und 1679 zum 1. Earl of Conway erhoben wurde. Edward war ebenfalls an Philosophie interessiert und gehörte dem Kreis von Henry More an. Das Paar lebte in Annes Haus im Kensington Palace sowie in Ragley Hall in Warwickshire. 1658 brachte Conway ihr einziges Kind, Heneage Edward Conway, zur Welt, der jedoch nur zwei Jahre später an Pocken verstarb.[14] Neben diesem tragischen Verlust litt Conway über viele Jahre an Migränen, die sie ans Bett fesselte und letztlich zu ihrem Tod führten.[15] Anne Conway knüpfte Kontakt zur Theosophin Elizabeth Foxcroft, vermutlich über More, da Foxcrofts Sohn Ezekiel Foxcroft zu dessen Kreis der Cambridge Platoniker gehörte. Elisabeth Foxcroft zog 1666 bei Conway ein und lebte bis 1672 in Ragley Hall.[16] Während dieser Zeit entwickelte Conway ein Interesse an der Kabbala und wandte sich schließlich 1677 dem Quäkertum zu. Von 1675 bis zu ihrem Tod pflegte die Viscountess enge Beziehungen zu bedeutenden Quäkerführern wie Gründer George Fox sowie George Keith, William Penn, Isaac Penington und Robert Barclay. Ein Hinweis auf die Bedeutung ihrer Konversion ist ein Brief an Henry More aus dem Jahr 1676, in dem sie betont, dass die Quäker durch ihr Leiden gelernt hätten, anderen in Not zu helfen.[17] Anne Conway starb 1679 im Alter von siebenundvierzig Jahren.
Werk
BearbeitenVeröffentlichungsgeschichte
BearbeitenIm Jahr 1690 sorgten Franciskus Mercurius van Helmont und Henry More für die Veröffentlichung der Principia philosophiae antiquissimae et recentissimae. Das Werk von Anne Conway (1631-1679), das vermutlich zwischen 1677 und ihrem Tod in englischer Sprache verfasst wurde, erschien in Amsterdam zusammen mit zwei anonymen Abhandlungen in einem Sammelband mit dem Titel Opuscula philosophica. Zwei Jahre später, 1692, wurde in London eine englische Übersetzung der lateinischen Version veröffentlicht, da das Originalmanuskript verloren gegangen war. Diese Übersetzung trug den Titel The Principles of the Most Ancient and Modern Philosophy: Concerning God, Christus, and the Creature, d.h. concerning Spirit and Matter in General.[18] In Conways Prinzipien sind Einflüsse der Kabbala sowie von Philon von Alexandrien und Origenes erkennbar, während gleichzeitig eine scharfe Kritik an den mechanistischen Ansätzen von Hobbes und Descartes sowie an der Immanenzphilosophie Spinozas geübt wird.[19][20]
Philosophie
BearbeitenEin zentrales Konzept in der Philosophie von Anne Conway ist die Vorstellung, dass alle Dinge und geschaffenen Wesen an einer einzigen Substanz teilhaben. Im Gegensatz zu Descartes' Dualismus von res externa und res cogitans vertrat sie die Auffassung, dass es nur eine Substanz gibt, die sich in zwei unterschiedlichen, jedoch verwandten Aspekten zeigt: Geist und Körper.[21] Diese Überlegungen basieren auf der moralischen Annahme der Güte Gottes, die als Fundament aller Schöpfung dient.[22] Im Verlauf ihres Lebens führte Conway einen regen Briefwechsel mit bedeutenden Denkern wie Henry More und van Helmont. In diesen Korrespondenzen erörterte sie verschiedene philosophische und theologische Themen und teilte gelegentlich persönliche Erlebnisse, wie den Verlust ihres Sohnes. Zudem verfasste sie zahlreiche Briefe an ihren Schwiegervater, Lord Conway, und erhielt ebenso viele von ihrem Bruder John Finch. Diese Briefe behandelten sowohl philosophische als auch soziale Fragestellungen sowie ihr persönliches Leben. Im Jahr 1930 veröffentlichte Marjorie Hope Nicolson die Korrespondenz von Conway mit bibliographischen Informationen über sie, während Sarah Hutton 1992 eine überarbeitete und erweiterte Ausgabe der Conway-Briefe herausbrachte, die sich auf ihre Beziehungen zu Freunden und Familie konzentrierte, einschließlich einer Analyse ihrer Verbindung zu Henry More.
Rezeption
BearbeitenConways Metaphysik und Erkenntnistheorie können mit den Schriften anderer prominenter Rationalisten verglichen werden, wobei sie in bestimmten Aspekten, insbesondere hinsichtlich der Konzepte von Substanz und ontologischer Hierarchie, überlegen sind. Es wird argumentiert, dass Conways Idee der "Monade" Leibniz vorausging und ihn beeinflusste, während ihr monistischer Vitalismus in vielerlei Hinsicht eine überlegene Metaphysik im Vergleich zum cartesianischen System darstellt.[23] Ihr Werk hatte einen bedeutenden Einfluss auf Gottfried Leibniz, der ein Exemplar ihrer Abhandlung besaß und sie in seiner Korrespondenz erwähnte.[24] Hugh Trevor-Roper bezeichnete sie als "Englands größte Philosophin"[25][26], während Henry More über sie bemerkte, dass er "scarce ever met with any Person, Man or Woman, of better Natural parts than Lady Conway"[27]. Zu Ehren von Anne Conway wurde 1997 die Anne-Conway-Straße im Bremer Stadtteil Horn-Lehe benannt.
Ausgaben
BearbeitenUrsula I. Meyer (Hrsg.): Anne Conway: Lebendige Materie oder Prinzipien der ältesten und der modernstern Philosophie. ein-FACH-Verlag, 2012.
Allison P. Coudert, Taylor Corse (Hrsg.): Anne Conway: The Principles of the Most Ancient and Modern Philosophy. Cambridge University Press, Cambridge 1996, ISBN 0-521-47335-7 (Übertragung in modernes Englisch)
Peter Loptson (Hrsg.): Anne Conway: The Principles of the Most Ancient and Modern Philosophy (= Archives Internationales d’Histoire des Idées, 101). Den Haag u. a. 1982
Marjorie Hope Nicolson, Sarah Hutton (Hrsg.): The Conway Letters. The Correspondence of Viscountess Anne Conway, Henry More and their Friends. Oxford University Press, Oxford 1992
The principles of the most ancient and modern philosophy (London: n. publ., 1692) 168 pp. in 12°. – originally printed in Latin: Principia philosophiae antiquissimae et recentissimae de Deo, Christo & Creatura, Amsterdam: M. Brown 1690.
Letters. The Correspondence of Anne, Viscountess Conway, Henry More and their friends, 1642–1684, ed. M. H. Nicolson (London 1930)
The Correspondence of Anne, Viscountess Conway, Henry More and their friends, 1642–1684, Rev. ed. S. Hutton (Oxford 1992).
Collaborations with Franciscus Mercurius van Helmont (1614–1698)
A Cabbalistical Dialogue (1682) (in Christian Knorr von Rosenroth, Kabbala denudata, 1677–1684)
Two Hundred Quiries moderately propounded concerning the Doctrine of the Revolution of Humane Souls (1684).
Literatur
BearbeitenHead, Jonathan (2021). The Philosophy of Anne Conway: God, Creation and the Nature of Time. London: Bloomsbury. ISBN 978-1-350-13452-2.
Hutton, Sarah. Anne Conway, a Woman Philosopher. Cambridge, U.K.: Cambridge University Press, 2004
Mercer, Christia. "Platonism in Early Modern Natural Philosophy: The Case of Leibniz and Conway", in Neoplatonism and the Philosophy of Nature, James Wilberding and Christoph Horn, ed., Oxford: Oxford University Press, 2012, 103–26.
White,Carol Wayne. The Legacy of Anne Conway (1631–1679): Reverberations from a Mystical Naturalism (State University of New York Press, 2009)
Christian Hengstermann, Ulrike Weichert (Hrsg.): Anne Conways "Principia philosophiae" - Materialismuskritik und Alleinheits-Spekulation im neuzeitlichen England (= Pontes, Bd. 52). LIT-Verlag, Berlin u. a. 2012
- ↑ Sarah Hutton: "Death". Anne Conway : a woman philosopher. Cambridge University Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-10981-9, S. 215.
- ↑ Sarah Hutton: Blue-Eyed Philosophers Born on Wednesdays': An Essay on Women and History of Philosophy. The Monist, Vol. 98 No. 1, 2015, S. 16 f.
- ↑ Sarah Hutton: "Blue-Eyed Philosophers born on Wednesdays" An Essay on Women and History of Philosophy. The Monist, Januar 2015, S. 17, JSTOR:44012709.
- ↑ Christia Mercer, Olivia Branscum: The Routledge Handbook of Women and early modern european Philosophie. Hrsg.: Karen Detlefsen, Lisa Shapiro. Routledge, New York 2023, S. 455- 457.
- ↑ "Conway (1631-1679)". Project Vox, abgerufen am 24. November 2024.
- ↑ Hutton, Sarah (March 2021). Zalta, Edward N. (ed.). "Lady Anne Conway" (Spring 2021 ed.).
- ↑ https://plato.stanford.edu/entries/conway/
- ↑ Chisholm, Hugh, ed. (1911). "Nottingham, Earls of s.v. Heneage Finch". Encyclopædia Britannica. Vol. 19 (11th ed.). Cambridge University Press. pp. 824–825.
- ↑ Gary M. Bell, A handlist of British diplomatic representatives 1509-1688 (Royal Historical Society, Guides and handbooks, 16, 1990).
- ↑ Duran, Jane (1989): Anne Viscountess Conway: A Seventeenth Century Rationalist, in: Hypatia , Spring, 1989, Vol. 4, No. 1, The History of Women in Philosophy(Spring, 1989), pp. 64-79, S. 65.
- ↑ Broad, Jacqueline (2002). Women philosophers of the seventeenth century. Cambridge, U.K.: Cambridge University Press. ISBN 0-511-04237-X. OCLC 56208440.(S. 67)
- ↑ https://projectvox.org/conway-1631-1679/
- ↑ Hutton, Sarah (2012): From Cudworth to Hume: Cambridge Platonism and the Scottish Enlightenment, in: Canadian Journal of Philosophy , February 2012, Vol. 42, No. S1, S. 9
- ↑ Hutton, Sarah (2004). Anne Conway : A Woman Philosopher. Cambridge University Press. p. 32. ISBN 9780521835473. OCLC 76904888.
- ↑ La Nave, Francesco (2006): THE CENTRAL ROLE OF SUFFERING IN ANNE CONWAY'S PHILOSOPHY, in: Bruniana & Campanelliana , 2006, Vol. 12, No. 1, S. 180
- ↑ Matthew, H. C. G.; Harrison, B., eds. (23 September 2004). "The Oxford Dictionary of National Biography". Oxford Dictionary of National Biography (online ed.). Oxford: Oxford University Press. doi:10.1093/ref:odnb/53695. Retrieved 21 August 2023.
- ↑ La Nave, Francesco (2006): THE CENTRAL ROLE OF SUFFERING IN ANNE CONWAY'S PHILOSOPHY, in: Bruniana & Campanelliana , 2006, Vol. 12, No. 1, S. 182
- ↑ La Nave, Francesco (2006): THE CENTRAL ROLE OF SUFFERING IN ANNE CONWAY'S PHILOSOPHY, in: Bruniana & Campanelliana , 2006, Vol. 12, No. 1 (2006), pp. 177-182, Accademia Editoriale. S. 177
- ↑ La Nave, Francesco (2006): THE CENTRAL ROLE OF SUFFERING IN ANNE CONWAY'S PHILOSOPHY, in: Bruniana & Campanelliana , 2006, Vol. 12, No. 1 (2006), pp. 177-182, Accademia Editoriale. S. 177
- ↑ https://plato.stanford.edu/entries/conway/
- ↑ La Nave, Francesco (2006): THE CENTRAL ROLE OF SUFFERING IN ANNE CONWAY'S PHILOSOPHY, in: Bruniana & Campanelliana , 2006, Vol. 12, No. 1 (2006), pp. 177-182, Accademia Editoriale. S. 177
- ↑ La Nave, Francesco (2006): THE CENTRAL ROLE OF SUFFERING IN ANNE CONWAY'S PHILOSOPHY, in: Bruniana & Campanelliana , 2006, Vol. 12, No. 1 (2006), pp. 177-182, Accademia Editoriale. S. 179
- ↑ Duran, Jane (1989): Anne Viscountess Conway: A Seventeenth Century Rationalist, in: Hypatia , Spring, 1989, Vol. 4, No. 1, The History of Women in Philosophy(Spring, 1989), pp. 64-79, S. 64
- ↑ https://projectvox.org/conway-1631-1679/
- ↑ Israel, Jonathan I. Spinoza, Life and Legacy. Oxford: Oxford University Press 2023, 1127-28
- ↑ Trevor-Roper, Hugh. One Hundred Letters from Hugh Trevor-Roper, Oxford 2014, S. 73
- ↑ Richard Ward's: The Life of Henry More (1710) p. 193)