Allgemeines
BearbeitenAnatomie
BearbeitenDer Ösophagus ist etwa 25 cm lang, beginnt etwa 16 cm ab Zahnreihe auf Höhe HWK 6 und endet etwa 40-43 cm ab Zahnreihe auf Höhe BWK 11. Die Trachealbifurkation liegt etwa 24 cm ab Zahnreihe auf Höhe BWK 4. Merke: 16 cm/HWK 6 – 41 cm/BWK 11, Bifurkation 24 cm/BWK 4. Der Tumor liegt häufig an einer der drei Engstellen des Ösophagus: Krikopharyngealraum, Trachealbifurkation, Sphinkter zum Magen.
Epidemiologie
Bearbeiten- Inzidenz in westlichen Ländern etwa 7/100.000 pro Jahr, beim Adenokarzinom am ösophagogastralen Übergang zunehmend
- Mehr Männer als Frauen betroffen, Inzidenz bei Frauen aber steigend
- Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern bei 67 Jahren, bei Frauen bei 71 Jahren, bei grober Betrachtung also bei etwa 70 Jahren.
Ätiologie
Bearbeiten- Alkohol- und inhalativer Tabakkonsum: betrifft vor allem das Plattenepithalkarzinom
- Heiße Speisen und Getränke (Heißer Tee erklärt den Großteil der hohen Inzidenz in Südostasien; dort vor allem Plattenepithelkarzinome.)
- Intestinale Metaplasie des distalen Ösophagus in der Regel als Folge einer chronischen Refluxerkrankung (Barrett-Ösophagus)
Prävention
Bearbeiten- Vermeidung oben genannter Noxen
- Nicht zu heiß essen und trinken
- Endoskopische Kontrollen bei Barrett-Ösophagus, v. a. bei Dysplasien
Klassifikation
BearbeitenDiese Klassifikation gilt für Tumore des Ösophagus inklusive Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (AEG), Voraussetzung: bis max. 2 cm distal des ösophagogastralen Übergangs und in diesen hineinreichend.
TNM-Klassifikation
Bearbeiten- T1: in Mukosa oder Submukosa (a: Lamina propria/Muscularis mucosae, b: Submukosa), alternativ im einzelnen wie folgt
- T1m: beschränkt auf Mukosa
- T1sm: infiltriert Submukosa, unterklassifiziert T1sm1/2/3: wieviele Drittel der Submukosa infiltriert (1:inneres/2:mittleres/3:äußeres)
- T2: Invasion Muskularis propria
- T3: Invasion Adventitia
- T4: Invasion Nachbarstrukturen (a: Pleura/Perikard/Zwerchfell, b: andere Nachbarorgane (Aorta, Wirbelkörper, Trachea))
- N1: 1-2 regionäre (inkl. paraösophageale und zöliakale, exkl. supraklavikuläre) LK befallen
- N2: 3-6 regionäre LK befallen
- N3: mind. 7 regionäre LK befallen
- M1: Fern-Metastasen (inkl. supraklavikuläre LK)
UICC-Stadien
Bearbeiten- I: T1 N0 (IA: T1a N0, IB: T1b-2 N0)
- II: T1-2 N1, T3 N0
- III: A) T1 N2, T3 N0(?), B) T2 N2
- IV: A) T4a N2, T4b N0-3, T1-4 N3, B) T1-4 N1-3 M1
Histologie
Bearbeiten- 50-60 % Plattenepithelkarzinome
- 40-50 % Adenokarzinom (aus Barrett-Ösophagus)
- < 1 % Karzinoide
Klinik
BearbeitenLokalisation
BearbeitenHäufig an einer der drei oben genannten Engstellen des Ösophagus.
- 10-15 % im oberen Drittel, meist Plattenepithelkarzinome
- 25-40 % im mittleren Drittel
- 50-70 % im unteren Drittel, fast ausschließlich Adenokarzinome
Symptome
BearbeitenDysphagie, Globusgefühl, retrosternale Schmerzen, Übelkeit
Diagnostik
BearbeitenÖGD mit Biopsie, Endosonographie (Tiefe der Wandinfiltration?, LK-Befall?), CT, ergänzend Röntgen-Breischluck, ggfs. MRT, ggfs. Bronchoskopie (Trachealinfiltration?), ggfs. Thorako-/Laparoskopie. Zweittumorsuche (HNO, Lunge) bei Noxen Alkohol- und Tabakkonsum.
Therapie
Bearbeiten- Im lokalisierten Stadium kurative Therapie sowohl durch Operation als auch durch Radiochemotherapie möglich.
- Diskussion im Tumorboard unter Berücksichtigung der Lokalisation, des Stadiums und der Komorbiditäten des Patienten
Tis bis T1sm1
BearbeitenIn diesen Stadien erfolgt eine Therapie als endoskopische Mukosektomie mit evtl. photodynamischer Therapie (Vorteil: kleiner Eingriff) oder Resektion (Vorteil: LK-Exploration).
T1sm2 bis T2 N0
BearbeitenResektion (Ösophagektomie mit Lymphadenektomie, ggfs. auch minimal-invasiv), alternativ v. a. bei hochsitzenden/kehlkopfnahen Tumoren definitive Radiochemotherapie. Sehr unterschiedliche Studienergebnisse, ob eine R0-Resektion gelingt. Langzeitüberleben bei LK-Befall schlecht.
- Ggfs. Nivolumab-Erhaltungstherapie nach unten genannter Studie
T3-4 N0-1
Bearbeiten- Die alleinige Operation erreicht in der Regel keine R0-Resektion (T3: 50 %, T4: 25 %).
- Standardtherapie ist eine neoadjuvante Radiochemotherapie zur Verbesserung der R0-Resektionsrate, alternativ wieder vor allem bei Tumoren im oberen Drittel des Ösophagus eine definitive Radiochemotherapie.
- Beim proximalen AEG-Tumor kann neoadjuvante Radiochemotherapie oder perioperative Chemotherapie erfolgen. Bei diesem Adenokarzinom kann analog der Therapieempfehlungen für das Magenkarzinom vor Operation auch eine neoadjuvante Chemotherapie erfolgen; bei Plattenepithelkarzinom bringt eine solche Therapie keinen Vorteil.
- Die Radiochemotherapie (RCT) ist der alleinigen Radiotherapie signifikant überlegen.
- T3 oder N+: RCT und nachfolgend Operation sind alleiniger Operation überlegen; die Morbidität ist dadurch nicht signifikant erhöht.
- Plattenepithelkarzinom: Hinsichtlich OS definitive RCT und neoadjuvante RCT + Operation ähnlich gut, letztere ist aber hinsichtlich Lokalrezidive und Nebenwirkungen überlegen.
- Chemotherapeutika: Cisplatin/5-FU oder Carboplatin/Paclitaxel. Oxaliplatin bringt keine Vorteil gegenüber Cisplatin.
- Dosis neoadjuvante RCT: 40-45 Gy (z. B. 41,4 Gy a 1,8 Gy), nach Abschluss 4 Wochen Pause vor Operation
- Dosis definitive RCT: 50 Gy a 1,8 Gy oder 2,0 Gy + Boost 10-14 Gy (bei Tumoren im oberen Ösophagus Boost ggfs. per HDR-Brachytherapie 2-3 x 4-5 Gy)
- Ggfs. Nivolumab-Erhaltungstherapie nach unten genannter Studie
T* N* M1
BearbeitenPalliative Systemtherapie, besonders bei Symptomatik und bei Plattenepithelkarzinom auch lokale palliative Radiotherapie. Beim Plattenepithelkarzinom ist die RCT alleiniger Chemotherapie überlegen. Dosis individuell 30-40-50 Gy + Chemotherapie.
- Therapie des AEG-Adenokarzinoms analog der des Magenkarzinoms. HER2-Status bestimmen. Trastuzumab-Gabe bei HER2-Positivität verlängert das OS.[1]
- Bei Plattenepithelkarzinom als palliative Chemotherapie etwa Cisplatin oder Oxaliplatin und 5-FU; alternativ zu Platin Taxane oder Vinorelbin.
- Pembrolizumab zeigt in der KEYNOTE-590-Phase-III-Studie ein verbesserte OS gegenüber alleiniger palliativer Chemotherapie, sowohl bei Plattenepithel- als auch bei Adenokarzinom.
Supportivtherapie
Bearbeiten- Laser-Therapie und Bougierung
- Stentimplantation ggfs. kombiniert mit palliativer Brachytherapie
- Ggfs. Stent in Bronchialsystem bei Fistel
- PEG-Sonde (schon früh einsetzen, solange Tumor noch passierbar)
Nachsorge
Bearbeiten- Verlängerung des OS durch Nachsorge nicht erwiesen
- Nachsorge mindestens bei kurativ theraperiten Patienten sinnvoll: Früherkennung von Zweittumoren HNO-Bereich/Lunge (v.a. bei Alkohol-/Tabak-Anamnese)
Prognose
Bearbeiten- Die Prognose hängt ab von Tumorausdehnung, LK-Befall, p53-Mutation, chromosomalen Aberrationen (p15, p16),...
- Perioperative Morbidität in Abhängigkeit von Operationstechnik 25-50 %
- 5-Jahres-Überleben nach Stadien: I) 50-95 %, II) 15-65 %, III) 6-23 %, IV) < 5 %
- LK-Dissektion mediastinal, zöliakal, zervikal(?) verbessert eventuell das OS
Externe Links
BearbeitenStudien
BearbeitenCROSS
BearbeitenDEGRO: Literatur kommentiert: 10-Jahres-Daten von CROSS
Nach 10 Jahren:
- OS: 38 % vs. 25 % bei alleiniger Operation
- bei Plattenepithelkarzinom: 46 % vs. 23 %
- bei Adenokarzinom: 36 % vs. 26 %
Die Rate der alleinigen Fernmetastasen war gleich, die lokale Kontrolle nach RCT aber deutlich besser.
Nivolumab
BearbeitenKudo et al. 2017
BearbeitenNivolumab bei Nichtansprechen der Standardtherapie: Es scheint eine sinnvolle Therapieoption zu sein.
CheckMate 577: Kelly et al. 2021
BearbeitenAdjuvant Nivolumab in Resected Esophageal or Gastroesophageal Junction Cancer, NEJM
DEGRO: Literatur kommentiert zu CheckMate 577
Nivolumab vs. Placebo als adjuvante Therapie nach neoadjuvanter RCT und Operation (R0, aber nicht pCR) bei Stadium II oder III: Die Nivolumab-Gruppe zeigt ein deutlich längeres DFS.
ARTDECO
BearbeitenDEGRO: Literatur kommentiert zur ARTDECO-Studie
Eine Dosiseskalation von 50,4 Gy auf 61,6 Gy im Bereich des Primärtumors (LAW stets bei 50,4 Gy) erbrachte weder beim Plattenepithelkarzinom noch beim Adenokarzinom des Ösophagus eine signifikante Verbesserung der lokalen Kontrolle. Fazit: 50,4 Gy reichen definitiv (so auch aktuelle NCCN-Leitlinie)
CROSS vs. FLOT
BearbeitenCROSS und FLOT sind als Vortherapie gleichwertig hinsichtlich des OS, aber CROSS kann bei respiratorisch eingeschränkten Patienten mehr Probleme verursachen.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Bang et al. 2010, Lancet