Benutzer:Stefriegel/Cassie-Gesetz

Das Cassie-Gesetz oder die Cassie-Gleichung beschreibt den resultierenden Kontaktwinkel $\theta _{c}$ zwischen einer chemisch inhomogenen, d. h. aus räumlich wechselnden Materialien bestehenden, Oberfläche und einer Flüssigkeit. Der Kontaktwinkel ist eine entscheidende Größe für die Benetzbarkeit der Oberfläche aufgrund der molekularen Wechselwirkungen zwischen der festen und der flüssigen Phase. Das Cassie-Gesetz gilt für die Bedeckung sowohl glatter als auch rauer inhomogener Oberflächen durch eine Flüssigkeit.

Die von A. B. D. Cassie 1948 angegebene, nicht streng gültige Gleichung für den Kontaktwinkel einer aus zwei Materialien bestehenden Oberfläche lautet:

$\cos \theta _{c}=\sigma _{1}\cos \theta _{1}+\sigma _{2}\cos \theta _{2}$

wobei $\theta _{1}$und $\theta _{2}$ die Kontaktwinkel der beiden Materialien im homogenen Fall und $\sigma _{1}$bzw. $\sigma _{2}$ die Flächenanteile der beiden Materialien sind. Sind mehr als zwei Materialien beteiligt, verallgemeinert sich die Gleichung zu

$\cos \theta _{c}=\sum _{k=1}^{N}\sigma _{k}\cos \theta _{k}$, mit $\sum _{k=1}^{N}\sigma _{k}=1$

Cassie-Baxter-Gleichung

Cassie-Baxter-Zustand: Ein Wassertropfen, der auf einer heterogenen Oberfläche (Sand) ruht, bildet einen Kontaktwinkel von $\theta _{c}=145.22^{\circ }$

Ein wichtiger Sonderfall der Cassie-Gleichung liegt vor, wenn die heterogene Oberfläche aus porösem Material besteht. Falls die Schwerkraft nicht ausreicht, dass die Flüssigkeit in die Poren des Materials dringt, wird die Oberfläche nur teilweise benetzt. Die Flüssigkeit bleibt auf den Hervorhebungen des festen Materials stehen und in den Vertiefungen wird Luft eingeschlossen. Diesen Fall nennt man den Cassie-Baxter-Zustand. In diesem Fall stellt $\sigma _{1}$den Flächenanteil der berührenden festen Oberfläche und $\sigma _{2}$ den Flächenanteil der luftgefüllten Zwischenräume dar. Der Kontaktwinkel von Luft beträgt 180°. Mit $\cos(180)$= $-1$ vereinfacht sich die Cassie-Gleichung zur sogenannten Cassie-Baxter-Gleichung

$\cos \theta _{CB}=\sigma _{1}\cos \theta _{1}-\sigma _{2}$

Da $\sigma _{2}=1-\sigma _{1}$ gilt, kann diese Gleichung auch als

$\cos \theta _{CB}=\sigma _{1}(\cos \theta _{1}+1)-1$

geschrieben werden.

Der Cassie-Baxter-Zustand ist in der Natur die Ursache für die wasserabweisenden Eigenschaften u. a. von Vogelfedern und den Blättern der Lotosblume, was als Lotoseffekt bekannt ist. In der Technik findet er eine wichtige Anwendung bei der Herstellung superhydrophober Oberflächen.

Wenzel-Gleichung

Kontaktwinkel im ebenen Fall sowie im Wenzel- und Cassie-Baxter-Zustand

Die Cassie-Baxter-Gleichung ist auf heterogene Oberflächen, wie im obigen Fall von porigen Oberflächen mit Lufteinschlüssen, beschränkt. Dringt die Flüssigkeit jedoch in die Poren ein, so dass die Oberfläche vollständig benetzt wird, liegt eine homogene Kontaktfläche vor. Dies nennt man den Wenzel-Zustand, der durch die Wenzel-Gleichung

$\cos {\theta }_{W}=r\cdot \cos {\theta }$

beschrieben wird. Hierbei ist $r$ das Verhältnis der tatsächlichen zur senkrecht projizierten Fläche. $\theta _{W}$ ist der anscheinende Kontaktwinkel, den man bei einer Betrachtung auf makroskopischer Ebene, also ohne Messung innerhalb der Poren, erhält. Aus dieser Gleichung ergibt sich, dass sich der anscheinende Kontaktwinkel vergrößert, indem man die Oberfläche aufraut.

Durch äußere Einflüsse wie Druck oder Vibration auf die Oberflächen können Übergänge zwischen dem Cassie-Baxter-Zustand und dem Wenzel-Zustand hervorgerufen werden.

Herleitung des Cassie-Gesetzes

Die Wechselwirkung zwischen einer Flüssigkeit und einer festen Oberfläche wird durch die Oberflächenspannung und die freie Energie bestimmt. Diese bestimmen, ob die Flüssigkeit die Oberfläche ausgedehnt benetzt oder sich zu einem Tropfen zusammenzieht, wobei am Rand des Tropfens ein Kontaktwinkel entsteht. Der Gewinn an freier Energie pro Flächeneinheit beträgt hierbei

$\Delta F=\sigma _{1}(\gamma _{s_{1}a}-\gamma _{s_{1}l})+\sigma _{2}(\gamma _{s_{2}a}-\gamma _{s_{2}l})$

wobei $\sigma _{1}$ und $\sigma _{2}$ die Flächenanteile der beiden Materialien der festen Oberfläche sind. Die Werte $\gamma _{sa}$ und $\gamma _{sl}$ sind die jeweiligen Grenzflächenspannungen der festen (s: solid) Phase zur Luft (a: air) bzw. zur Flüssigkeit (l: liquid).

Für den Kontaktwinkel $\theta _{c}$ der heterogenen Oberfläche gilt

$\cos \theta _{c}={\frac {\Delta F}{\gamma _{la}}}$,

wobei $\gamma _{la}$ die Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Luft ist.

Der Kontaktwinkel ist außerdem durch die Youngsche Gleichung gegeben:

$\cos {\theta }_{c}={\frac {\gamma _{sa}-\gamma _{sl}}{\gamma _{la}}}$

Durch Einsetzen der ersten Gleichung in die Youngsche Gleichung erhält man das Cassie-Gesetz

$\cos \theta _{c}=\sigma _{1}\cos \theta _{1}+\sigma _{2}\cos \theta _{2}$

Historie des Cassie-Gesetzes

Youngsche Gleichung

Die ersten Untersuchungen des Kontaktwinkels zwischen festen und flüssigen Oberflächen wurden 1805 von Thomas Young durchgeführt. Die Youngsche Gleichung

$\cos \theta _{y}={\frac {\gamma _{sa}-\gamma _{sl}}{\gamma _{la}}}$

folgt geometrisch aus den Kraftverhältnissen der Oberflächenspannung an einem Drei-Phasen-Kontakt, so dass die freie Energie pro Flächeneinheit minimal wird. Die Youngsche Gleichung gilt jedoch nur für ideale, glatte Oberflächen, während reale Flächen fast immer rau sind.

Wenzel-Gleichung

Die Youngsche Gleichung wurde 1936 durch Robert N. Wenzel für raue, homogene Oberflächen erweitert. Er führte den Rauheitsparameter $r$ ein, der das Verhältnis der gesamten Fläche zur senkrecht projizierten Fläche angibt . Dies führte ihn zur obigen Wenzel-Gleichung.

Cassie-Baxter-Gleichung

Cassie und Baxter erweiterten die Gleichung 1944, als sie an porösen Medien forschten, bei denen die Flüssigkeit nicht in die Poren eindrang, sodass dort Lufteinschlüsse entstanden. Dies konnten sie durch die Cassie-Baxter-Gleichung beschreiben.

Cassie-Gesetz

1948 arbeitete Cassie weiter an inhohogenen Oberflächen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung, die sowohl glatt als auch rau sein konnten. Dies resultierte im obigen Cassie-Gesetz.

Kritik

Die Entdeckung superhydrophober Oberflächen in der Natur und ihre zunehmende Bedeutung in der Technik zogen eine grundsätzliche Neuuntersuchung von Kontaktwinkeln nach sich. Als wesentlicher Einwand wurde dabei erhoben, dass das Cassie-Gesetz eher eine empirische Regel als ein Gesetz sei und dass nicht das Flächenverhältnis die entscheidende Größe sei, sondern das Verhalten der Flüssigkeit an der Drei-Phasen-Grenze. Die Gleichungen von Wenzel und Cassie-Baxter seien daher „nur mit dem Wissen um ihre Fehler zu verwenden“. Diese Argumente verlieren jedoch an Gewicht, wenn man den Oberflächenanteil und den Rauheitsparameter so uminterpretiert, dass sie lokale, für das Tröpfchen geeignete Werte annehmen. Daher ist das Cassie-Gesetz tatsächlich mehr als eine bloße empirische Regel.