Benutzer:Sthdp150415/Vertikale Organisationsprobleme
Vertikale Organisationsprobleme sind ein Teil der Prinzipal-Agenten-Theorie. Die Bezeichnung vertikal bezieht sich auf die unterschiedlichen Hierarchiestufen der Organisationsmitglieder (hier: v.a. Unternehmensmitglieder), die Bezeichnung Organisationsprobleme weshalb es zu Problemen zwischen diesen kommen kann. Der Artikel befasst sich hauptsächlich mit der Beziehung zwischen der Unternehmensleitung und anderen Unternehmensmitgliedern und soll einen ersten Überblick über das Thema geben.
Nicht-kontrahierbare Interaktionssituationen
BearbeitenKontrahierbarkeit ist definiert, als die nicht-Nachprüfbarkeit z.B. einer Leistung des Agenten vor einer dritten Partei (z.B. Gerichte). Im Falle von nicht-kontrahierbaren Interaktionssituationen sind Anreizverträge, wie sonst üblich in der Prinzipal-Agenten-Theorie, nicht möglich. Es sind nur sehr wenige vertraglich geregelte Absprachen möglich, wenn nicht-Kontrahierbarkeit vorliegt. Die Anreize müssen so gestaltet sein, dass weder der Prinzipal, noch der Agent einen Anreiz hat, vom Vertrag abzuweichen. Es werden zwei Fälle unterschieden: zum einem nicht-kontrahierbare Arbeitsleistungen (umfasst sowohl Input als auch Output) und zum anderen die Aneignung von nicht-kontrahierbaren betriebsspezifischem Humankapital (dieses erhöht lediglich die Produktivität in der derzeitigen Unternehmung, nicht jedoch in einer Anderen). Ein wichtiger Aspekt ist, dass diese Leistungen zwar nicht-kontrahierbar sind, aber beobachtbar. Durch die Problematik der nicht-Kontrahierbarkeit kommt es zu unvollständigen Arbeitsverträgen, da diese nicht Ergebnis-abhängig gestaltet werden können. Es besteht nur die Möglichkeit aus den Beobachtungen Konsequenzen für die nächste Periode zu ziehen.
"Bei nicht-kontrahierbaren Interaktionssituationen müssen stabile Vereinbarungen sich selbst durchsetzend (self-enforcing) sein, d.h. sie müssen Gleichgewichtseigenschaften im Sinne der nicht kooperativen Spieltheorie besitzen."[1]
Als Lösungsansätze dienen bei der Aneignung von betriebsspezifischem Humankapital die Teilungslösung nach Gary Becker und bei unvollständigen Arbeitsverträgen Effizienzlöhne, sowie relative Leistungsturniere.
Teilungslösung nach Gary Becker (1962)
BearbeitenGary Becker war ein amerikanischer Ökonom; in seinem Werk "Investement in Human Capital: A Theoretical Analysis" schreibt er über die Humankapitalinvestitionen von Arbeitnehmern und deren Auswirkungen.
Modellannahmen: Der Lohn ist kontrahierbar, die spezifische Humankapitalinvestition ist nicht-kontrahierbar. Der Arbeitnehmer / der Agent(wird synonym verwendet) ist in jeder Periode kündbar. Es handelt sich hierbei um ein zwei Perioden Modell, in Periode 1 kann der Agent in sein betriebsspezifisches Humankapital (im Folgenden: Humankapital) investieren. In Periode 2 ist das Wertgrenzprodukt der Arbeit (siehe auch: Grenzprodukt der Arbeit) des Agenten sofort gesteigert, sofern dieser in sein Humankapital investiert hat. Der Agent möchte selbstverständlich für seinen Wissenserwerb und seine erhöhte Produktivität besser in Periode 2 entlohnt werden. Es besteht die Möglichkeit des doppelseitigen Opportunismus: leistet der Agent mit seinem Wissenserwerb in Periode 1 vor, so hat der Arbeitgeber / der Prinzipal keinen Anreiz mehr den Lohn des Agenten in Periode 2 zu erhöhen. Möglich ist dies aufgrund des nicht-Kontrahierbarkeitsproblems. Aus dieser Problematik heraus ergibt sich ein Hold-up-Problem zwischen dem Prinzipal und dem Agenten. Sobald der Agent in sein Humankapital investiert hat, ist der Prinzipal in der Lage eine Quasi-Rente aus dieser Investition abzuschöpfen. Die Quasi-Rente entspricht der Differenz aus dem erhöhten Wertgrenzprodukt der Arbeit des Agenten und dem Alternativlohn (Lohn in einer anderen Unternehmung) des Agenten. Dies wird jedoch vom Agenten antizipiert und so würde der Agent erst gar nicht in sein Humankapital investieren. Nach Beckers Teilungslösung fordert der Agent schon in Periode 1 einen höheren Lohn und eine weitere Lohnsteigerung in Periode 2, nachdem er sich weiteres Humankapital angeeignet hat. Auf diese Art und Weise werden die "Kosten und Erträge der spezifischen Humankapitalinvestition und damit auch die Quasi-Rente [...]" [2] zwischen dem Prinzipal und dem Agenten geteilt.
Wenn beide Parteien vorleisten, beträgt der Lohn des Agenten in Periode 1 - . Wobei dem Alternativlohn und dem Lohn in Periode 1 des Agenten entspricht. Der Lohn des Prinzipal entspricht: - , wobei dem zu zahlendem Lohn an den Agenten entspricht und das Wertgrenzprodukt der Arbeit des Agenten bezeichnet. In Periode 2 beträgt der Lohn für den Agenten dann - , wobei dem Lohn in Periode 2 entspricht. Für den Prinzipal ist der Lohn in Periode 2 wie folgt definiert: - . Solange vertraglich festgelegt ist und sowohl > , > , als auch > gilt, gibt es keinen Anreiz für den Agenten, noch den Prinzipal abzuweichen. Somit wird die Hold-up-Problematik umgangen.
Vergabe zentraler Ressourcen innerhalb einer Unternehmung
BearbeitenIn großen Unternehmungen werden zentrale Ressourcen oftmals von der Unternehmensleitung eingekauft und danach an die verschiedenen Abteilungen vergeben. Durch diese Vorgehensweise können Kostenvorteile wahrgenommen werden. Die Hauptproblematik bei diesem Verfahren liegt in der Ermittlung des genauen Bedarfs einer Abteilung, sowie nach Einkauf der Ressourcen eine effiziente Allokation sicherzustellen. Bei der Ermittlung des genauen Bedarfes einer Abteilung besteht ein Hidden-information-Problem (vergleiche: Asymmetrische Information): die Abteilungen können falsche Angaben machen (um z.B. für schlechte Zeiten einen Vorrat anzulegen). Eine einfache Befragung der Abteilungen reicht also nicht aus. Zur Lösung dieses Hidden-information-Problems sollte ein geeignetes Anreizsystem verwendet werden, welches zusätzlich zu einer effizienten Verwendung der Ressourcen führt. Der sog. Groves-Loeb-Mechanismus bietet eine solche Lösung an.
Groves-Loeb-Mechanismus
BearbeitenDer Groves-Loeb-Mechanismus nach Groves und Loeb aus dem Jahre 1979 hat folgende Annahmen: es wird von drei Akteuren ausgegangen - der Unternehmensleitung (dem Prinzipal) sowie zwei Abteilungen - alle drei Akteure verhalten sich risikoneutral.
Der Ablauf ist wie folgend: die Abteilungen melden der Unternehmensleitung ihren jeweiligen Bedarf, woraufhin die Unternehmensleitung die Entscheidung über den Ressourcenkauf, sowie die Verteilung der Ressourcen trifft. Die Allokationsentscheidung der Unternehmensleitung maximiert die Entlohnungen der Abteilungen, vorausgesetzt die Abteilungen haben wahrheitsgemäß ihren Bedarf gemeldet. Die Unternehmensleitung hat eine maximale Ressourcenmenge zu vergeben, so dass gilt: = ( , ) mit + ≤ .Beim Groves-Loeb-Mechanismus kann eine Abteilung die eigene Entlohnung nicht direkt durch die Meldung der benötigten Ressource beeinflussen: Erfolgsfunktion von Abteilung i (analog für Abteilung j): = ½ ( + ), wobei als die wahrheitsgemäße Meldung von Abteilung i definiert ist und als die Meldung von Abteilung j definiert ist (die Entlohnung kann nur indirekt beeinflusst werden). Die Unternehmensleitung maximiert die Summe der jeweiligen Erfolgsfunktionen so, dass gilt: + = . Durch wahrheitsgemäßes Melden der Abteilung wird impliziert, dass die Unternehmensleitung genau die Allokationsentscheidung trifft, welche die eigene Entlohnung maximiert: + = + .
Bei Falschmeldung besteht die Gefahr der Verzerrung der Entscheidung der Unternehmensleitung. Somit könnte die eigene Entlohnung der Abteilung geringer ausfallen. Da es sich hier (wie oben genannt) um risikoneutrale Akteure handelt, wird dies keine Abteilung in Kauf nehmen. Es ist somit individuell rational für beide Abteilungen ihren Ressourcenbedarf wahrheitsgemäß an die Unternehmensleitung zu melden. Dadurch wird ein Gleichgewicht im Sinne der nicht-kooperativen Spieltheorie erreicht.
Das Holmström-Modell
BearbeitenDas Holmström-Modell nach Bengt Holmström, befasst sich mit der Hidden-action-Problematik des Arbeitseinsatzes von Arbeitnehmern (über deren Karriereverlauf) und deren Implikationen auf/für den Arbeitsmarkt bzw. für den Arbeitnehmer (im Folgenden als Agent bezeichnet). Holmström nimmt eine lineare Produktionsfunktion des Agent an: = + + , wobei für das Talent des Agenten als Zufallsvariable steht, für den Arbeitseinsatz des Agenten steht und als (exogener) Störterm definiert ist (der Erwartungswert von ist 0). Das Talent des Agenten ist a priori normalverteilt. Der Agent ist risikoneutral (lineare Nutzenfunktion). Der Arbeitgeber (im Folgenden als Prinzipal bezeichnet) kann lediglich die Summe der drei Summanden der Produktionsfunktion des Agenten beobachten, nicht jedoch einzelnen Summanden wie z.B. das Talent. Auch sind weder die Summanden, noch die Summe dieser kontrahierbar. Aus dieser Annahme entsteht das Hidden-action-Problem. Der Output des Agenten ist beobachtbar, woraus der Prinzipal in der Lage ist, im Laufe der Zeit, Rückschlüsse auf das unbekannte Talent des Agenten zu schließen.
Implikationen: Der Agent kann durch seinen Arbeitseinsatz (sein Talent) seinen zukünftigen Lohn beeinflussen. Arbeitseinsatz und Talent sind Substitute. So kann ein untalentierter Agent über hohen Arbeitseinsatz ein gewisses Maß an Talent vortäuschen. Sobald jedoch t -> ∞ ist jegliche Unsicherheit über das Talent des Agenten verschwunden und sein optimaler Arbeitseinsatz wäre nun = 0 (für t = ∞). Es stellt sich nun die Frage, wieso der Agent nicht auch zu Beginn seiner Karriere = 0 wählt und somit Kosten in Form von Arbeitsleid einspart? (Arbeitsleid wird in der Nutzenfunktion des Agenten zur Vereinfachung in monetären Größen umgerechnet).
Die Lösung ist, dass sich der Agent in einer Art Dilemma befindet: der Arbeitsmarkt/Prinzipal hat Vorstellungen über das Verhalten des Agenten. Weicht der Agent von den Vorstellungen ab, würde der Arbeitsmarkt/Prinzipal ein geringeres Talent antizipieren und nicht weniger Arbeitseinsatz vermuten. Durch diese Erwartungen muss der Agent zu Beginn seiner Karriere einen ineffizient hohen Arbeitseinsatz leisten, um ein möglichst hohes Talent vorzutäuschen. Mit der Zeit (t -> ∞) wird sein Talent durch den Arbeitsmarkt/Prinzipal immer besser beobachtbar sein ( -> 0 bzw. = 0) und somit nahezu bekannt sein. Es lohnt sich für den Agenten am Ende seiner Karriere bzw. wenn sein Talent bekannt ist, nicht mehr einen hohen Arbeitseinsatz zu zeigen und er wird einen ineffizient niedrigen Arbeitseinsatz wählen.
Literatur
BearbeitenMatthias Kräkel: Organisation und Management 5. Auflage.Mohr Siebeck, Tübingen 2012, ISBN 978-3-16-151977-2
Hans-Gerd Ridder:Personalwirtschaftslehre 3. Auflage.Kohlhammer, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-17-020882-7
Gary Becker:Investement in Human Beings. In: The Journal of Political Economy. Nr. 70, 1962, S. 9-49
Bengt Robert Holmström:Managerial Incentive Problems: A Dynamic Perspective. In:The Review of Economic Studies. Nr. 66, 1999, S. 169-182
Robert M. Hutchens:Seniority, Wages and Productivity: A Turbulent Decade. In:The Journal of Economic Perspective. Nr. 3, 1989, S. 49-64