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Falsche Erinnerungen (englisch false memory) sind persönliche Erinnerungen, die nicht auf ein real erlebtes Ereignis zurückgeführt werden können. Synonyme in diesem Sinne sind: Pseudoerinnerungen, Erinnerungsfälschung. Sie sind zu unterscheiden von der Erinnerungsverfälschung, bei der vorhandene Erinnerungen an persönliche Erlebnisse nachträglich verändert werden. Obwohl falsche Erinnerungen in diesem Sinne auch solche an isolierte Einzelfakten sein können (z. B. an Worte, die nicht genannt wurden), ist das eigentliche Thema dieser Darstellung die autobiographische Erinnerung an komplexe Ereignisse, die nicht erlebt wurden.

Begriffsklärung

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Ein Vorschlag zur Benutzung der Synonyme engt den Begriff der Pseudoerinnerungen im Unterschied zu Fantasie-Erinnerungen auf „erfolgreich eingeredete, aber nicht erlebte Ereignisse“ ein.[1] Diese Definition ist deshalb wenig hilfreich, weil zur Bildung falscher Erinnerungen meist mehrere Mechanismen beitragen. Zwar können vollständige Erinnerungen an nicht erlebte Vorgänge ausschließlich auf Fantasie, Einbildung und Autosuggestion zurückgehen. Einreden und Fremdsuggestion im weitesten Sinne geben aber fast immer nur den Anstoß zu intensiver Beschäftigung der Fantasie, der Imagination und zu autosuggestiven Prozessen aller Art. Deshalb werden die Begriffe Falsche Erinnerungen, Pseudoerinnerungen und false memory hier nicht unterschieden. Der Begriff Erinnerungsfälschung ist weniger gebräuchlich und wird hier wegen der möglichen Verwechselung mit Erinnerungsverfälschung nicht benutzt.

Der Anlass zum Aufbau falscher Erinnerungen kann allerdings auch in einem real erlebten Ereignis liegen. Zwar handelt es sich dann im Prinzip um Erinnerungsverfälschung, jedoch kann die Veränderung und Verfälschung einen Grad erreichen, bei dem das ursprüngliche Ereignis kaum oder gar nicht mehr erkennbar ist. Auch dann muss man von falschen Erinnerungen sprechen.

Besonders häufige und in den Folgen schwerwiegende falsche Erinnerungen entstehen in Psychotherapien.

Gedächtnis

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Jede Erinnerung setzt ein Gedächtnis voraus. Für den Zweck dieses Artikels wird auf die Erläuterung der hirnphysiologischen Grundlagen verzichtet. Hier nur die wichtigsten funktionellen Mechanismen der Gedächtnispsychologie. Erlebnisse werden von unseren Sinnen registriert und äußerst kurzzeitig in sensorischen Gedächtnissen gespeichert. Eine Auswahl davon geht in das Kurzzeit-/Arbeitsgedächtnis, das eine Zwischenspeicherung mit sehr begrenzter Speicherkapazität für einige Sekunden bis zu wenigen Minuten vornimmt. Dabei werden gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis vorhandene Inhalte miteinander in Beziehung gesetzt und verknüpft. Anschließend werden diese Inhalte einer Speicherung im Langzeitgedächtnis zugeführt. Das Langzeitgedächtnis ist im Gehirn nicht in einer einheitlichen Struktur repräsentiert, sondern auf große Teile der Großhirnrinde verteilt. Dabei werden z. B. optische Erinnerungen an anderen Stellen gespeichert als akustische. Die Langzeitspeicherung teilt also die Inhalte auf viele verschiedene und unterschiedlich lokalisierte Zentren auf. Bei allen diesen Prozessen findet eine Auswahl statt, sodass nur ein sehr kleiner Bruchteil der ursprünglichen sensorischen Information im Langzeitgedächtnis ankommt.

Sich an etwas zu erinnern bedeutet, die zu einem Erlebnis im Langzeitgedächtnis gespeicherten Informationen erneut im Arbeitsgedächtnis zu versammeln. Dazu muss sie aus allen unterschiedlichen Speicherbereichen des Gehirns wieder eingesammelt, also rekonstruiert werden. Erinnerungen werden nicht kompakt und originalgetreu aus einem „Archiv“ geholt, sondern immer wieder neu zusammengestellt. Dabei können aber gleichzeitig auch neue Inhalte im Arbeitsgedächtnis damit verknüpft werden. Anschließend wird alles wieder neu abgespeichert, wobei der Inhalt gegenüber dem ursprünglichen mehr oder weniger stark verändert worden ist. Jedes Abrufen einer Erinnerung hat potentiell eine Erinnerungsverfälschung zur Folge. Einzelheiten dazu z. B. bei Kühnel und Markowitsch[2] oder Schacter[3].

Gedächtnisforscher sind sich darüber einig, dass Erinnerungen nicht notwendig auf Erlebnisse zurückgeführt werden können. Alle Inhalte des Arbeitsgedächtnis sind Material für Erinnerungen und können einer Langzeitspeicherung zugeführt werden. Das gilt auch für nur fantasierte und vorgestellte Inhalte. Meist ist die Information, wie die Erinnerung zustande gekommen ist, Teil der Erinnerung, doch kann diese Information im Laufe der Zeit verloren gehen. Dann kann z. B. ein reines Fantasieprodukt oder etwas, was man nur gehört hat, zu einem erlebten Ereignis werden. Man nennt das Quellenverwechselung, ein häufiger und in der Gedächtnisforschung gut bekannter Vorgang. Ein klassischer Bericht für eine derartige „in Eigenregie“ erzeugte falsche Erinnerung findet sich bei Oliver Sacks in dessen Lebenserinnerungen.[4]

Einigkeit bei Forschern besteht auch darin, dass aus einer Erinnerung an mögliche Ereignisse nicht geschlossen werden kann, ob sie auf ein Erlebnis zurückgeht oder nicht. Ob eine Erinnerung falsch oder echt ist, lässt sich nur zeigen, wenn reale Beweise vorliegen, ob sie erlebt wurde. Wesentliche Indizien dafür, ob eine Erinnerung erlebnisbasiert ist, ergeben sich allerdings aus der Entwicklung der Erinnerung. Das ist Gegenstand der Aussagepsychologie.

Historisches

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Die Gedächtnispsychologie gehört zu den ältesten Arbeitsfeldern der empirisch-wissenschaftlichen Psychologie, die sich ab 1867 aus dem Regime der Philosophie löste. Bereits vor 1880 konzipierte Hermann Ebbinghaus seine Schrift Über das Gedächtnis.[5] Dass Erinnerungen falsch sein können, war psychologischen Pionieren wie Emil Kraepelin und Sigmund Freud bereits bekannt.[6]

Erst im Jahre 1959 kamen falsche Erinnerungen in den Fokus wissenschaftlicher Arbeit, als James Deese einen Test entwickelte, bei dem Versuchspersonen, denen eine Anzahl von Worten aus einem gemeinsamen Kontext vorgelesen wurde, sich an Worte aus dem gleichen Kontext erinnerten, die aber nicht vorgelesen worden waren.[7] Dieser Test wurde später von H. L. Roediger und K. B. McDermott weiterentwickelt[8] und wurde zu einem Standardtest der Gedächtnispsychologie (DRM-Test). Dieser Test ist allerdings mehr ein Assoziationstest und zeigt nur falsche Erinnerungen an Einzelfakten.

Der Arzt Roland Summit publizierte 1984 seine Theorie des Child Sexual Abuse Accommodation Syndrome.[9] Demnach gehörten zu den Traumafolgen sexueller Gewalt an Kindern, dass diese neben Scham auch Loyalität den Tätern gegenüber zeigten, aufgrund derer sie die Offenbarung des Missbrauchs häufig verzögern, leugnen oder ihre Behauptungen wieder zurücknehmen würden.[10] Der Aufsatz hatte enorme Auswirkungen auf forensische Ermittlungen in Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch.[11] Anfängliches Leugnen des Missbrauchs durch die Betroffenen wurde als psychischer Abwehrmechanismus angesehen, den es zu ignorieren galt.[10] In den folgenden Jahren entstanden in Kindergärten und Vorschulen Vorwürfe massiven sexuellen und satanisch-rituellen Missbrauchs, die auf Vernehmungen von Kindern beruhten. Im Fall des Fells Acres Day Care Center von 1984 gab die Polizei Anweisungen an die Eltern, „ihre Kinder wiederholt und hartnäckig nach dem Missbrauch zu fragen“ und „ihnen nicht unbedingt [zu] glauben“, wenn sie „einen Missbrauch leugneten“.[12]

In Folge entstand eine wissenschaftliche Kontroverse zu der Frage, ob diese Erinnerungen auf realen Erlebnissen beruhten oder nicht. Die wissenschaftliche Diskussion wurde getragen auf der einen Seite von vorwiegend klinischen Psychologen, die an den Konzepten der verdrängten Erinnerungen (repressed memories) und deren Wiederentdeckung (memory recovery) festhielten. Auf der anderen Seite standen wissenschaftlich Forschende, die diese gedächtnispsychologischen Annahmen nicht empirisch belegen konnten. Ihre Studien widerlegten sogar Annahmen über verdrängte Erinnerungen.[13]

In den USA wurde das beschriebene Phänomen zwar bereits in den 1970er Jahren vereinzelt festgestellt, die Fallzahlen stiegen aber Ende der 1980er Jahre steil an, erreichten ihren Höhepunkt in den Jahren 1991 und 1992, um dann bis zum Jahr 2000 ebenso steil wieder abzufallen.[14] Die insgesamt betroffenen Fallzahlen sind nicht bekannt. Eine retrospektiv erstellte Studie von Patihis und Pendergrast kommt zu dem Ergebnis, dass in den USA 17,9 % der Psychotherapien, die von 1990 bis 1994 begonnen wurden, zur Entdeckung vorher nicht bekannter Missbrauchserlebnisse führten.[15]

Viele der wissenschaftlichen Ergebnisse zu Verdrängung und falschen Erinnerungen stammen aus den Jahren dieser Kontroverse oder sind in deren Folge entstanden. Die Heftigkeit dieses Streits um Erinnerungen führte zu der Bezeichnung „memory wars“, also Gedächtniskriege. Der Ausdruck geht auf den Titel des Freud-kritischen Buchs „The Memory Wars“ von F. Crews zurück[16], bezeichnet aber in der Folge die gesamte wissenschaftliche Kontroverse. Die Argumentation für verdrängte Erinnerungen wurde in den 1990er Jahren auf Befürwortendenseite zusätzlich um abgespaltene Erinnerungen oder dissoziative Amnesie erweitert, teilweise sogar dadurch ersetzt.[13] Die Dissoziative Amnesie wird unter dem Schlüssel F44.0 als dissoziativen Störung im ICD-10 geführt.

Die Kontroverse besteht zwar nicht mit dieser Heftigkeit, aber doch strukturell unverändert fort und ist dabei nicht auf die USA beschränkt.[17] In den USA gab es etliche Prozesse gegen Psychotherapeuten: Sie wurden von ehemaligen Patienten der Falschtherapie beschuldigt. Einige wurden verurteilt. Dies hat zeitweilig sehr stark zum Rückgang aufdeckender Psychotherapien beigetragen. Doch kamen Patihis und Pendergrast in ihrer obengenannte Studie zu dem Ergebnis, dass in immer noch 8,9 % der Psychotherapien, die in den USA zwischen 2015 und 2017 begonnen wurden, Erinnerungen an vorher nicht bekannten sexuellen Missbrauch ausgebildet wurden.[13]

Künstliche Erzeugung falscher autobiographischer Erinnerungen

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Bei der Forschung zu falschen autobiografischen Erinnerungen werden aus ethischen Gründen werden keine Versuche mit schwer traumatischen Situationen durchgeführt, um die Teilnehmenden auf keinen Fall zu traumatisieren.

Experimente zur künstlichen Erzeugung falscher Erinnerungen

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Mit dem Lost-in-the-mall-Experiment wurde zum ersten Mal versucht, falsche Erinnerungen künstlich zu erzeugen. Elizabeth Loftus und Jacqueline Pickrell brachten darin 6 von 24 Versuchsteilnehmende dazu, sich teilweise detailreich daran zu erinnern, ihre Eltern hätten sie als Kinder in einem Einkaufszentrum verloren. Diese Ereignisse hatte es nicht gegeben, und die Probanden wurden mit einer Minimalinformation in mehrtägigen Interviews gebeten, sich daran zu erinnern.[18]

In einem anderen Versuch wurden zwanzig Erwachsenen Familienfotos aus ihrer Kindheit gezeigt, darunter eine Fotomontage einer Heißluftballonfahrt. Zu dieser nicht stattgefundenen Fahrt sollten die Versuchsteilnehmenden möglichst alle Einzelheiten über drei Sitzungen hinweg beschreiben. Die Hälfte von ihnen entwickelte darüber Erinnerungen an das Ereignis.[19]

Ein ähnlicher Versuchsaufbau wurde verwendet, um falsche Erinnerungen an begangene Verbrechen zu bilden, die in Wirklichkeit nicht stattgefunden hatten. In Einzelinterviews berichtete die Versuchsleitung von einem Ereignis aus der Jugend der Versuchspersonen, das sie von deren Eltern erhalten hatte. Zudem erwähnte sie vage ein Verbrechen, das die damals Jugendlichen begangen haben sollten, angeblich auch geschildert durch die Eltern. Durch die geschaffene Erwartungshaltung gelang es mittels suggestiver Fragetechnik, dass nach drei Sitzungen 70 % der Befragten glaubten, das Verbrechen begangen zu haben.[20]

Diese Versuche sind vielfach reproduziert worden.[21] So wurden in ähnlichen Anordnungen falsche Erinnerungen an einen Unfall auf einer Familienhochzeit[22], einen Angriff durch ein aggressives Tier[23], Schummeln bei einer Prüfung[24] oder Tee trinken mit Prinz Charles[25] erzeugt.

Bedingungen für die künstliche Erzeugung falscher Erinnerungen

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Allen Versuchen ist gemein, dass eine Atmosphäre des Vertrauens aufgebaut wurde. Das geschieht z. B., indem Kontakt mit Angehörigen der Versuchspersonen hergestellt und diese Tatsache den Teilnehmenden mitgeteilt wird. So können ihnen eine Anzahl von Ereignissen zur Erinnerung vorgelegt werden, von denen die meisten real erlebt waren und nur eines nicht stattgefunden hatte.

Man gibt den Versuchspersonen Zeit, über das angeblich Erlebte nachzudenken. Auf die erste Anregung hin erinnert sich verständlicherweise kaum ein Teilnehmer an das vorgeschlagene, aber nicht erlebte Ereignis. Doch sie denken darüber nach, wenn man sie entlässt, um sie nach einigen Tagen erneut dazu zu befragen. Dabei verstärkt man Ansätze zu Erinnerungen. Meist wird den Teilnehmenden noch ein weiteres Mal Zeit zum Nachdenken gegeben. Nach dieser Zeit sind die Erinnerungen, soweit sie überhaupt entstanden sind, meist deutlich detaillierter geworden. Charakteristisch ist also ein allmähliches Aufbauen der falschen Erinnerungen, wobei im Laufe der Zeit immer mehr Details hinzukommen.

Die Suggestion eines möglichen Ereignisses allein ist in der Regel nicht hinreichend, um eine falsche Erinnerung zu erzeugen. Die eigentliche falsche Erinnerung entsteht erst in inneren Prozessen beim Teilnehmer, der darüber nachdenkt. Fragen wie: Wie könnte dieses Ereignis ausgesehen haben? Wann könnte es geschehen sein? beschäftigen ihn in der Nachdenk-Pause, und diese Befassung setzt sich auch in weniger bewussten Momenten oder sogar im Traum fort.

Falsche Erinnerungen an Traumata

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Die Kontroverse zwischen empirischer Forschung und klinischer Praxis erstreckt sich auf eine Reihe ganz unterschiedlicher Themen, die bei falschen Erinnerungen eine Rolle spielen und zu erörtern sind.

Forschungen zu traumatischen Erinnerungen

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Die klinische Literatur zu traumatischen Erinnerungen postuliert auf Grund therapeutischer Erfahrungen, dass traumatische Erfahrungen anderen Speichermechanismen unterliegen, als nicht traumatische, wobei teilweise noch zwischen einmaligen und wiederholten Erlebnissen unterschieden wird.

Von enormem Einfluss ist dabei die Theorie von Bessel van der Kolk.[26] [27] Danach werden extrem stressvolle Erlebnisse nicht wie normalerweise im deklarativen Gedächtnis enkodiert, sondern im impliziten Gedächtnis und in körperlichen Erinnerungen fixiert. Durch die Wirkung von Stresshormonen sollen Gedächtnisinhalte immun gegen die sonst typischen nachträglichen Veränderung sein und unverändert erhalten bleiben. Die Speicherung traumatischer Erlebnisse soll sich in Körpergefühlen und sensorischen Wirkungen [28], aber auch in Albträumen und Flashbacks äußern. Traumatisierte hätten oft Schwierigkeiten, ihre Erlebnisse in Worte zu kleiden. Dies gelänge erst nach und nach im Laufe längerer Zeit in Bruchstücken und unvollständig.

Eine andere einflussreiche Theorie zum Traumagedächtnis stammt von Lenore Terr.[29] Sie postuliert, dass einzelne traumatische Erlebnisse zwar gut im Gedächtnis enkodiert werden, doch wiederholte Belastungen durch Traumaerinnerungen sollen dazu führen, dass diese Ereignisse und ganze Lebensabschnitte im Gedächtnis komplett ausgeblendet werden. Diese seien dann später nur noch schwer ins Gedächtnis zurückzurufen.

Im Gegensatz zu diesen Theorien aus der Interpretation klinischer Beobachtungen stehen Ergebnisse der empirischen Forschung. Die Gedächtnisforschung konnte zeigen, dass traumatische Ereignisse besonders gut im Gedächtnis haften, oft so gut, dass sie sich dem Betreffenden ungewollt und unerwünscht aufdrängen. Aus diesem Grunde sind sich aufdrängende Erinnerungen, die insbesondere bei Kriegsveteranen beobachtet wurden, ein Hauptkriterium der posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) in den Diagnosekatalogen DSM und ICD.

Nach McNally sind implizite Erinnerungen ebenso veränderlich wie explizite Erinnerungen.[30] Mögliche unvollständige Langzeitspeicherungen könnten nicht in Psychotherapien in deklarative Erinnerungen verwandelt werden. Was nicht enkodiert wurde, könne auch nicht erinnert werden. Außer dem Nervensystem gäbe es im Körper wie z. B. im Muskel- oder Bindegewebe keine erinnernden Strukturen. Körpergefühle wie Schmerzen (z. B. Freud: Vagina-Schmerzen) könnten nicht zu ausdrückbaren Erinnerungen führen, soweit diese nicht im Gehirn gespeichert wurden. Forschungen zu Flashbacks[31] zeigen, dass das keineswegs regelmäßig originalgetreue Erinnerungen an traumatische Erlebnisse sind, sondern in mindestens gleicher Häufigkeit Ängste und Befürchtungen ausdrücken.

Aus der Aussagepsychologie kommt die Feststellung, dass van der Kolks Beschreibungen von Traumaerinnerungen (schrittweise und fraktioniert) und die Kriterien für die Entwicklung von falschen Erinnerungen in Therapien weitgehend übereinstimmen.[32] Demnach könnte van der Kolk seine Theorien auf Individuen aufgebaut haben, die kein Trauma erlitten haben, zumal die meisten klinischen Studien zu sexuellem Missbrauch nur auf berichteten, aber nicht verifizierten Erlebnissen beruhen. Sogar bei Kriegsveteranen ist die Frage der Verifikation nicht überflüssig in Anbetracht der Tatsache, dass nach dem Vietnam-Krieg bei 479 000 Veteranen eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt wurde, obwohl nur 300 000 an Kampfhandlungen beteiligt waren.[33]

Letztlich ist das Ergebnis der empirischen Forschung, dass der Vorgang der Erinnerungen an Traumata sich von anderen Erinnerungen nicht unterscheidet.

Psychotherapeutische Aspekte

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Vergleicht man die Situation in den Versuchen zur Erzeugung falscher Erinnerungen mit der in einer Psychotherapie (oder einer ähnlichen Lebensberatung), gibt es viele Parallelen. Was in derartigen Therapien geschieht, ist bekannt aus vielen Berichte von Patienten, die eine Traumatherapie erlebt haben, in der versucht wurde, nicht zugängliche Erinnerungen „wiederzugewinnen“ (memory recovery).

Die Vertrauenssituation ist dort fast automatisch gegeben. Immerhin hat der Patient den Therapeuten aufgesucht, um Hilfe für irgendein Lebensproblem zu finden und erwartet diese von ihm.

Meist schließt der Therapeut aus Symptomen, die der Patient berichtet, dass eine traumatische Erfahrung vorliegt.

Liegen entsprechende Symptome vor, so wird dem Patienten in mehr oder weniger subtiler Suggestion vermittelt, dass er oder sie vermutlich als Kind ein schweres Trauma, z. B. sexuellen Missbrauch erlebt hat, und dass es erforderlich sei, sich daran zu erinnern, wenn er geheilt werden wolle. Die Begründung dafür liegt in einem altbekannten psychotherapeutischen bzw. psychoanalytischen Konzept, nach dem ein kontrolliertes Wiedererleben traumatischer Situationen eine Heilung von deren Folgen bewirken kann.

Wenn kein Erlebnis vorliegt, wird der Patient sich natürlich nicht daran erinnern. Das wird vom Therapeuten mit einer automatischen Verdrängung oder Abspaltung der Erinnerung erklärt, welche die Erinnerung dem Bewusstsein unzugänglich macht, ein angeblicher Schutzmechanismus, der das Individuum davor bewahrt, den furchtbaren Erinnerungen ausgesetzt zu sein.

Die bei künstlich erzeugten Erinnerungen erwähnte Nachdenk-Pause ergibt sich automatisch aus den Zeiten zwischen regelmäßigen Therapiesitzungen. Entwickelt der Patient erste Andeutungen einer Erinnerung, so werden diese vom Therapeuten als Erlebnisse gedeutet, die weiter detailliert werden müssten. Komplexe Erinnerungen entstehen erst nach und nach.

Leugnet der Patient hartnäckig, das vermutete Trauma erlebt zu haben, so wird das häufig als Abwehrmechanismus im Sinne der Psychoanalyse gedeutet. Das heißt, dass sich der Patient unbewusst sehr energisch gegen die Bewusstwerdung des Traumas wehrt. Das deutet angeblich auf eine besonders schwere Traumatisierung hin, die weitere Bemühung um Erinnerung rechtfertigt.

Eine Besonderheit der therapeutischen Situation ist, dass je nach Einstellung des Therapeuten immer mehr Einzelheiten zum angeblichen Erlebnis eingefordert und entwickelt werden können. Daher kommen dabei sogar Erinnerungen an Außerirdische oder rituellen Missbrauch durch verschworene Täterorganisationen zustande, die teils unmöglich, teils extrem unwahrscheinlich sind. Solche Erinnerungen haben in den USA der 90er Jahre dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit therapeutisch wiedergewonnener Erinnerungen zu erschüttern.

Zur Häufigkeit derartiger Psychotherapien siehe oben. Im Folgenden wird die Kontroverse zwischen klinischer Interpretation und empirisch-wissenschaftlicher Forschung an den einzelnen Aspekten der Therapie betrachtet.

Symptome

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Es gibt lange Listen von Symptomen, die angeblich auf erlittenen sexuellen Missbrauch hindeuten, z. B. bei Bass und Davis[34] oder Blume[35]. Beim Lesen dieser Symptome fällt auf, dass es kaum einen Menschen gibt, auf den nicht einige dieser Symptome zutreffen, zumal sie häufig ein Merkmal und dessen genaues Gegenteil enthalten. Deshalb weist praktisch jeder Mensch, der sich in Psychotherapie begibt, ganz unabhängig vom Grund, der ihn zum Therapeuten führt, entsprechende Symptome auf und kann daher ein Kandidat für die „Wiedergewinnung“ traumatischer Erinnerungen sein. McNally erwähnt, dass nicht weniger als 900 verschiedene Symptome für erlittenen Missbrauch in der psychotherapeutischen Literatur gefunden wurden![36]

Eine wissenschaftlich belegte Verbindung dieser Symptome mit erlebtem Missbrauch fehlt allerdings. Das ist allerdings auch kaum zu erwarten angesichts der enormen Vielzahl der in der therapeutischen Literatur angeführten Symptome. Während weitgehend gesichert ist, dass sexueller Missbrauch, insbesondere in schweren Formen, psychische Störungen zur Folge haben kann (nicht muss), ergibt sich daraus nicht der Umkehrschluss, nämlich dass bestimmte psychische Störungen auf Missbrauch zurückzuführen sind. Dieser Schluss wäre nur dann möglich, wenn die betreffende Störung ausschließlich oder überwiegend nach Missbrauch auftritt. Tritt sie aber auch ohne Missbrauch und in vergleichbarer Häufigkeit auf – und das ist bei allen Symptomen der Symptomlisten der Fall – so kann aus den Symptomen kein Rückschluss auf Missbrauch als Ursache geführt werden. Im speziellen Fall der Bulimie gibt es genauere Untersuchungen. Pope und Hudson[37] stellen nach einer Übersichtsstudie über die vorhandene psychologische Literatur fest, dass sexueller Missbrauch zwar ein Risikofaktor für eine spätere Bulimie sein könnte (die Literaturergebnisse sind nicht eindeutig). Das bedeutet aber nicht, dass umgekehrt Bulimiepatienten eine signifikant höhere Häufigkeit von erlittenen Missbrauch aufweisen. Eine ausführliche Diskussion der Symptom-Problematik findet sich bei Ofshe.[38]

Suggestion

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Schon bei künstlich erzeugten falschen Erinnerungen hatte sich gezeigt, dass die Suggestion eines Erlebnisses innere Prozesse beim Betroffenen in Bewegung setzt, deren Ergebnis eine falsche Erinnerung sein kann. Während in den Versuchen nur einfache und offene Suggestion zur Anwendung kam, werden in Psychotherapien weitaus vielseitigere Suggestionen verwendet. Bereits ein unscheinbarer Hinweis („Könnte es vielleicht sein, dass...“) kann diesen Prozess in Gang setzen. Vielfach werden robustere Methoden verwendet, z. B. Einreden unter Hypnose, Empfehlung hochsuggestiver Bücher (z. B. Bass und Davis, Trotz Allem[39]) als therapiebegleitende Literatur, bildliche Vorstellung oder geführte Vorstellung von Missbrauchsszenarien, Gruppentherapie zusammen mit Opfern oder vermeintlichen Opfern von Missbrauch. Insbesondere geben die Pausen zwischen den Therapiesitzungen Zeit zum Nachdenken. Therapien werden auch nicht nach zwei Terminen beendet, sondern ziehen sich unter Umständen über Jahre hin, wobei die Aufforderungen, an der Erinnerung zu arbeiten immer wiederholt werden. Das bedeutet, dass auch anfänglicher Widerstand gegen die Suggestionen im Lauf der Zeit überwunden werden kann.

Dass Suggestion eine wesentliche Rolle bei der Erzeugung falscher Erinnerungen spielt, wird sowohl in der wissenschaftlichen Literatur belegt,[40][41] als auch in vielen situativen Berichten.[42][43]

Keine verantwortliche Psychotherapieausbildung wird derartige Methoden gutheißen. Die renommierte amerikanische Traumatherapeutin Christine Courtois empfiehlt, keinerlei Vermutung über Sachverhalte anzustellen, zu denen der Patient sich nicht von sich aus geäußert hat, und traumatherapeutische Methoden ausschließlich dann anzuwenden, wenn der Patient sich von vornherein als Traumaopfer darstellt.[44]

Verdrängung und Abspaltung

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Eine wichtige Rolle in der klinischen Forschung zu Traumata und in der Begründung aufdeckender Therapien liegt in der Annahme, die Erinnerung an traumatische Erlebnisse werde verdrängt bzw. in alternativen Persönlichkeiten abgespalten, um das Individuum vor verstörenden und schmerzhaften Erinnerungen zu schützen und so seine Lebensfähigkeit zu erhalten. Die Erinnerungen seien normalerweise völlig abgekapselt, unveränderlich und einem normalen Abruf unzugänglich. Durch die Kunst des Therapeuten aber ließen sie sich wiedergewinnen und so die Integration der Persönlichkeit wiederherstellen.

Der Begriff der Verdrängung wurde zwar von Freud nicht erfunden, aber durch die Psychoanalyse in Freuds Nachfolge weitgehend popularisiert. Allerdings werden je nach Zusammenhang unter diesem Begriff sehr unterschiedliche Vorgänge verstanden. Freud hat dazu keine klare Definition hinterlassen und anscheinend zu unterschiedlichen Zeiten darunter Verschiedenes verstanden.

Fast trivial ist die einfachste Form der Verdrängung (hier als erste Form der V. bezeichnet): das absichtliche Vermeiden, an etwas Unerfreuliches oder Schmerzhaftes zu denken. Obwohl dieser Versuch kurzfristig oft das Gegenteil bewirkt, kann er langfristig die gemiedene Erinnerung weitgehend aus dem Alltagsbewusstsein ausblenden. Trotzdem bleibt die Erinnerung daran zugänglich.

Eine andere Version von Verdrängung (zweite Form) ist die Auffassung, dass verdrängte Inhalte in der Tat dem Bewusstsein unzugänglich sind. Sie können auf keine Weise wieder zugänglich gemacht werden. Sie wirken aber trotzdem auf das Unterbewusste ein und modulieren Ängste, Vorstellungen und Handlungsentscheidungen.

Aufdeckenden Therapien liegt eine weitere Auffassung von Verdrängung (dritte Form) zugrunde. Es ist die am Anfang dieses Abschnitts beschriebene Form. Sie motiviert die Therapeuten zu ihrer Art der Therapie und wird auch den Patienten kommuniziert, um deren Bemühung um „Wiedererinnerung“ zu stützen. Wenn statt einer Verdrängung die Abspaltung traumatischer Inhalte angenommen wird, eine Auffassung, die auf Freuds Zeitgenossen Pierre Janet zurückgeht, so ist die Aufgabe des Therapeuten, das „geheime“ Wissen der abgespaltenen Persönlichkeiten abzufragen und der Hauptpersönlichkeit zugänglich zu machen und die unterschiedlichen Persönlichkeiten wieder zur einheitlichen Person zu integrieren. In Hinsicht auf die Aufdeckung von Traumata unterscheiden sich diese Konzepte nicht wesentlich.

Die empirische Psychologie hat sich vielfach darum bemüht, die Verdrängung wissenschaftlich zu begründen und nachzuweisen. Dabei steht die erste Form der Verdrängung ganz einfach auf dem Boden der Gedächtnispsychologie, weil die Erhaltung von Langzeiterinnerungen sehr stark von der Häufigkeit des Abrufs abhängt. Was nicht wieder abgerufen wird, wird im Lauf der Zeit vergessen oder ist nur noch schwer aktivierbar.

Bei der zweiten Form der Verdrängung ist ein empirischer Nachweis ausgeschlossen, weil die verdrängten Inhalte nicht wieder bewusst werden können. Wenn die verdrängten Inhalte aber unbewusste Wirkungen entfalten, ist es kaum möglich, diesen Vorgang von dem Aufbau bedingter Reflexe und ähnlichen unbewussten Lernprozessen zu unterscheiden.

Besondere Mühe hat sich die experimentelle Psychologie mit dem Nachweis der dritten Form von Verdrängung gegeben. Es gibt mehr als 100 Studien mit diesem Ziel, die bis in die 1930er Jahre zurückgehen. Viele dieser Studien sind sogar für den wissenschaftlich gebildeten Laien als fehlerhaft erkennbar, doch wurden auch sorgfältige Studien durchgeführt, die angeblich die dritte Form der Verdrängung nachweisen konnten. Einige besonders einflussreiche Studien sind die von Briere und Conte[45], L. Meyer Williams[46] und van der Kolk und Fisler[27].

Mit den Studien bis 1990 hat sich Holmes[47] kritisch auseinandergesetzt. Weitere Kritik an den Studien findet sich bei H. Pope (1997)[48] und bei McNally (2004)[49]. Alle drei Autoren stellen fest, dass es keinen methodisch einwandfreien Beweis für eine Verdrängung in der dritten Form gibt. Die Studien litten an unterschiedlichen Fehlern, von denen die wichtigsten waren:

  • Die Studien verließen sich auf Berichte traumatischer Erlebnisse, ohne zu überprüfen, dass diese tatsächlich geschehen waren.
  • Die Studien gingen von nachgewiesenen Traumata aus, aber sie werteten die Tatsache, dass die Betroffenen diese nicht erwähnten als Nachweis einer Verdrängung, ohne zu berücksichtigen, dass es auch andere Gründe dafür geben kann (In einer sehr aufschlussreichen Studie hatte della Femina[50] nachträglich festgestellt, dass die nachgewiesenen Missbrauchserlebnisse nicht erwähnt wurden, weil die Betroffenen darüber einfach nicht sprechen wollten).
  • Die traumatischen Erlebnisse fielen in die ersten drei Lebensjahre, also in die Zeit der kindlichen Amnesie.
  • Es wurde bei nachgewiesenem und erinnertem Trauma danach gefragt, ob es Zeiten im Leben gegeben habe, zu denen diese Erinnerung unzugänglich gewesen sei. Diese Frage ist grundsätzlich unsinnig, weil man höchstens feststellen kann, dass man zeitweise an etwas nicht gedacht hat, nicht aber, ob es unzugänglich war. Die Frage, ob etwas zu einer bestimmten Zeit unzugänglich war, setzt nämlich voraus, dass man zu diesem Zeitpunkt wusste, was angeblich unzugänglich war, und das ist ein Widerspruch zur Fragestellung.

Abschließend kommt McNally zu der Feststellung: „Die Feststellung, dass der Verstand sich selbst schützt, indem er traumatische Erinnerungen verdrängt oder abspaltet und für das Bewusstsein unzugänglich macht, ist ein Stück psychiatrischer Folklore, für die jeder überzeugende empirische Beweis fehlt.“

Abwehrmechanismus

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Die Theorie der Abwehrmechanismen ist ein zentraler Punkt der psychoanalytischen Theorie, der wohl auch nur in diesem Rahmen verstanden werden kann. Überspitzt kann man diese Theorie so formulieren: Die Behauptung, man sei niemals missbraucht worden, ist ein Zeichen dafür, dass ein besonders traumatischer Missbrauch vorliegt.

Auf diese Weise macht der Abwehrmechanismus die These von verdrängten Trauma zu einer sich selbst beweisenden und daher nicht falsifizierbaren Tatsache. Aus empirischer Sicht wird aus der These vom verdrängten Trauma etwas, das empirischer Überprüfung unzugänglich und daher ohne wissenschaftlichen Charakter ist.

Extreme Erinnerungen

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Niemand wird der Erinnerung an einen Missbrauch durch Außerirdische besonderen Glauben schenken. Doch waren diese Erinnerungen als Ergebnis von Psychotherapien anscheinend in den USA der 90er Jahre nicht selten.[51]

Erinnerungen an rituellen Missbrauch durch verschworene Tätergruppen sind häufig mit äußerst skurrilen Behauptungen verbunden: Opfer sollen angeblich geschwängert, die Babys rituell getötet und verspeist werden. Die Täter wenden Gehirnwäsche an, um ihre Opfer so zu programmieren, dass sie niemals die Identität der Täter und Einzelheiten zu den Riten preisgeben. In den USA war bereits im Jahre 1992 von Tausenden von getöteten Opfern die Rede. Erstaunlicherweise konnten die Strafverfolgungsbehörden das in keinem einzigen Fall nachweisen. Das wurde damit erklärt, dass diese Behörden in die Verschwörungen selbst eingebunden waren.

Aus diesem Grund musste sich das FBI mit diesen Fällen befassen. Es gibt eine ausführliche Veröffentlichung von K.V. Lanning, Supervisory Special Agent des FBI.[52] Er stellt dar, dass diese Berichte zwar nicht prinzipiell unmöglich, so doch extrem unwahrscheinlich sind. Allein die Tatsache, dass in den USA damals jährlich 23 000 Tötungsdelikte bekannt wurden, die zum weitaus größten Teil aufgeklärt werden konnten, lässt viele Tausende von Morden, die nicht nur nicht aufgeklärt wurden, sondern sogar in der Öffentlichkeit völlig unbemerkt geblieben sind, als unglaubhaft erscheinen. Lanning weist darauf hin, dass es schon für Einzeltäter sehr schwierig ist, ein Morddelikt zu verheimlichen. Diese Schwierigkeit nimmt steil mit der Zahl der Mitwisser zu. Dass umfangreiche Tätergruppen informiert sind, ohne dass an irgendeiner Stelle Informationen nach außen dringen, hält Lanning für fast unmöglich.

Auch in Europa gibt es Berichte vom rituellen Missbrauch. So veröffentlichte 2007 das Traumainstitut Mainz eine Studie[53], in der 1058 Psychotherapeuten im Land Rheinland-Pfalz befragt wurden, ob es ihre Patienten von ritueller Gewalt berichtet hatten. 455 davon beantworteten die Frage und 55 davon bejahten sie mit insgesamt 67 Fällen. Vier Fälle wurden als nicht glaubwürdig bezeichnet (Kriterien unbekannt). Im Zeitraum von 15 Jahren hatten sich die Therapierten an 16 Tötungsdelikte erinnert. Die Therapien hatten eine ungewöhnliche lange Dauer bis zu 10 Jahren. Eine ähnliche Studie mit ähnlichen Ergebnissen gab es bereits 2005 aus dem Land Nordrhein-Westfalen. Auch bei diesen Studien heißt es, dass die Strafverfolgungsbehörden bedauerlicherweise die Delikte in keinem Fall nachweisen konnten. Die Mainzer Studie macht äußerlich einen wissenschaftlichen Eindruck, doch ist sie von wissenschaftlicher Methodik weit entfernt. So gibt es keinen faktischen Nachweis zu den berichteten Fällen. Die Berichte sind sogar in doppelter Weise unauthentisch, indem sie auf Berichten der Therapierten beruhen, von denen wiederum die Therapeuten im Fragebogen Bericht erstatten. Zu der behaupteten Glaubwürdigkeit wird kein Kriterium angegeben. Auch hier gilt, dass 16 Tötungsdelikte, die nicht nur unaufgeklärt bleiben, sondern zu denen es auch keinerlei nachweisbare Fakten gibt, die einen Verdacht rechtfertigen, angesichts einer Mordaufklärungsquote von mehr als 95 % sehr unwahrscheinlich sind.

Eine neue deutsche Studie wurde von der Kriminologin Petra Hasselmann vorgestellt. Auch in dieser Studie konnte keinen Nachweis auf die Existenz von Ritueller Gewalt in Deutschland aufgezeigt werden. Im Gegenteil, die multimethodale rechtspsychologische Studie von Hasselmann basiert auf Aussagen von mehr als 30 Betroffenen und bietet einen tiefen Einblick in ihre Lebenswelten. Die Traumatisierten erwarten von ihrer Umwelt, dass sie Zweifel an den Gewalt-„Erinnerungen“ ausräumt. Demgegenüber postuliert Hasselmann: Eine konstruktive und offene Befassung mit Zweifeln sowie ein umsichtiges Aufarbeiten des tatsächlich Erlebten oder falsch Erinnerten sind erforderlich, um die offensichtliche Traumatisierung zu bewältigen. Für die Akteure im Hilfesystem ist dazu eine Auseinandersetzung mit Simulation, Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit unumgänglich. Die Studie bietet hilfreiche Einblicke für alle, die sich konstruktiv mit Fragen von Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit, falschen und erlebnisbasierten Erinnerungen sowie Selbstbestimmung und Abhängigkeit auseinandersetzen möchten: v. a. Engagierte im Hilfesystem und in Ermittlungsbehörden finden in der verständlich geschriebenen Studie zielführende Hinweise.[54]

In den USA wurden solche äußerst unwahrscheinlichen Therapieergebnisse von Gerichten als Kriterium für eine fehlerhafte Therapie angesehen, die zur Verurteilung von Therapeuten führten.

Folgen für Betroffene

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Folgen für Therapierte

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Die therapeutische Sicht ist meist: Wenn ein Patient nach der Therapie problemlos mit dem Bewusstsein leben kann, ein schweres Trauma wie sexuellen Missbrauch erlebt und überlebt zu haben, hat der Therapeut das erreicht, was von ihm erwartet wurde.

Leider ist das meist nicht der Fall. Das liegt daran, dass die Auswirkungen eines Traumas im Gedächtnis nicht davon abhängen, ob die Erinnerung falsch ist, oder auf Fakten beruht. Die Auswirkung ist die Gleiche. Weil in der Fantasie der Schwere und Grausamkeit der Erlebnisse keine Grenze gesetzt ist, sind die Traumata, deren falsche Erinnerungen in Psychotherapien erzeugt wurden, oft besonders schwer. Damit ist häufig eine posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) verbunden. Für deren Diagnose wäre allerdings ein in der Vergangenheit real erlebtes Trauma Voraussetzung. Trotzdem wird bei Patienten, die falsche Erinnerungen an schwere Traumata entwickelt haben, häufig eine PTSD diagnostiziert, weil die dafür maßgebenden Symptome mit Ausnahme eines nachgewiesenen Traumas erfüllt sind.

Unter diesen Symptomen ist auch ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten. Der Patient versucht, jede Berührung oder Auseinandersetzung mit allem zu vermeiden, was mit dem Trauma im Zusammenhang steht.

Der Psychologe John Kihlstrom hat versucht, diese Fakten in der Definition eines False Memory Syndrome zu berücksichtigen. Diese Definition hat zwar niemals Eingang in einen der Diagnosekataloge ICD oder DSM gefunden, stellt jedoch eine gute Beschreibung der nach einer aufdeckenden Therapie häufig verbleibenden Störung dar:

„Eine Störung, bei der die Identität und die zwischenmenschlichen Beziehungen einer Person sich um die Erinnerung an eine traumatische Erfahrung drehen, die zwar objektiv falsch ist, von der die Person jedoch fest überzeugt ist. [...] Das Syndrom ist besonders schädlich, weil die Person beharrlich jede Konfrontation mit Tatsachen, die die Erinnerung in Frage stellen könnten, vermeidet. So nimmt diese ein Eigenleben an, abgekapselt und immun gegen Korrekturen. Die Person kann so sehr auf diese Erinnerung fokussiert sein, dass sie praktisch unfähig ist, sich mit den realen Problemen ihres Lebens auseinanderzusetzen.“[55]

Wegen dieser Immunität gegen jeden Zweifel müssten Therapierte nach Kihlstrom oft für den Rest ihres Lebens mit dieser schwerwiegenden Störung leben.

Eine weitere schwere Belastung für Therapierte ist, dass die Therapeuten fast immer verlangen, dass jeder Kontakt zu den vermuteten Tätern und deren Umkreis abgebrochen wird. Begründet wird die Maßnahme u. a. dadurch, dass diese Kontakte noch nicht hinreichend gefestigte Erinnerungen gefährden könnten. So verliert der Therapierte in der Regel auch das Umfeld vordem geliebter Menschen.

Julia Shaw spricht sich gegen die Bezeichnung „Syndrom“ aus, da er fachlich falsch sei. Sie zitiert die Psychologin Mikki Hebl:

„Obwohl die Terminologie wissenschaftliche Rückendeckung signalisiert, ist false memory syndrome derzeit keine anerkannte Diagnose [...] dieses Syndrom ist ein nichtpsychologischer Terminus, der von einer privaten Stiftung geprägt wurde, deren ausdrücklicher Zweck es ist, beschuldigte Eltern zu unterstützen. Eine Terminologie, [die] die Anerkennung dieses pseudodiagnostischen Etiketts impliziert, kann bei Lesern den falschen Eindruck erwecken, dass false memory syndrome eine bona fide klinische Störung sei, die durch begleitend gewonnene empirische Belege gestützt wird.“

Michelle Heble[56]

Folgen für zu Unrecht Beschuldigte

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Die Beschuldigten leiden meist sehr unter dem Kontaktabbruch. In den häufigsten Fällen sind es die Eltern, die auf diese Weise die Verbindung zu ihren geliebten Kindern verlieren. Dazu kommt die Empörung darüber, einer Tat beschuldigt zu sein, die sie nicht begangen haben und selbst zutiefst verabscheuen. Vielfach suchen sie externe Hilfe bei Seelsorgern oder Psychotherapeuten, um damit fertig zu werden.

In vielen Fällen folgt aber auch eine Strafanzeige gegen sie.

Juristische Implikationen

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Fälle falscher, vorwiegend therapeutisch induzierter Erinnerungen beschäftigen die Gerichte.

Einerseits verklagen manchmal zu Unrecht Beschuldigte die Beschuldiger auf Unterlassung der Behauptung oder auf Widerruf. Unterlassungsklagen sind in der Regel nur erfolgreich, wenn der Beschuldiger seine Behauptung öffentlich geäußert hat. In diesem Fall ist er beweispflichtig. Wenn es sich um falsche Erinnerungen handelt, wird er den Beweis nicht antreten können, und die Behauptung unterlassen müssen. Bei einer Klage auf Widerruf liegt die Beweispflicht beim Kläger, der dazu nur selten in der Lage ist.

Häufiger ist der Fall, dass die vermuteten Täter angezeigt werden und sich wegen eines Verbrechens, insbesondere wegen sexuellem Missbrauch strafrechtlich verantworten müssen. Dabei gibt es in der Regel außer dem Beschuldigten und dem vermeintlichen Opfer keine Zeugen. Das Opfer behauptet das, was es als Erinnerungen „wiedergewonnen“ hat, der angebliche Täter bestreitet. Diese Konstellation Aussage-gegen-Aussage ist nicht eindeutig, kann aber im deutschen Rechtssystem zu einer Verurteilung führen, da der Richter das Beweismaterial frei würdigen kann. Wenn er der klagenden Partei Glauben schenkt, obwohl deren Erinnerungen falsch sind, wird ein Unschuldiger verurteilt. Ausschlaggebend ist also die Meinung des Richters, die auch auf Voreingenommenheit beruhen kann. Gerade bei Sexualdelikten ist Voreingenommenheit nur schwer auszuschließen, da die Medien diese Voreingenommenheit ständig schüren.

Seit 1999 gibt es eine Änderung in der Rechtsprechung zugunsten des Beklagten. Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung die Anforderungen an die Begutachtung von Zeugenaussagen festgelegt. Demnach muss bei der Konstellation Aussage-gegen-Aussage die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen sorgfältig geprüft werden. Das stellt erhebliche Anforderungen an den Richter und setzt aussagepsychologische Kenntnisse voraus, über die Richter im Allgemeinen nicht verfügen, da sie nicht zu deren Ausbildung gehören. In diesen Fall ist die Einschaltung eines aussagepsychologischen Sachverständigen als Gutachter geboten. Der Richter kann aber auch auf den Sachverständigen verzichten, wenn er selbst die erforderliche Sachkenntnis hat. Das muss aus der Urteilsbegründung explizit hervorgehen. Ist das nicht der Fall, so ist das ein Revisionsgrund.[57][58]

Betroffenen-Hilfsorganisationen

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Hilfsorganisationen wie die Vereine Wildwasser und Zartbitter leisten wichtige Unterstützung für Betroffene sexualisierter Gewalt. Mit ihrer parteilichen Einstellung schenken sie den Betroffenen vorbehaltlos Glauben. Damit wollen sie eine Handlungsperspektive gegen Gewalt an Frauen innerhalb patriarchaler Gesellschaftsverhältnisse bieten.[59] Diese Einstellung schließt das Hinterfragen der Betroffenenaussagen aus, was für die Beurteilung von Fällen falscher Erinnerungen als problematisch erachtet wird. Manche Anwälte unterstellen diesen Opferhilfsorganisationen, sie würden Betroffene[60] sowie Zeugen bei der Gestaltung der Aussagen beeinflussen.[61]

Umgekehrt beschuldigen die Hilfsorganisationen die Sexualstraftäter, sich „unter dem Banner des ‚false memories‘-Syndroms“ vereinigen“.[62] Falsche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch seien ihre Tricks als Schutz vor Strafverfolgung.[63] Gemeint sind Organisationen wie die False Memory Syndrome Foundation, die den Begriff „False Memory Syndrome“ prägte, oder der Verein False Memory Deutschland, der laut eigenen Angaben „diejenigen [unterstützt], die aufgrund falscher Erinnerungen zu Unrecht beschuldigt werden“.[64]

Literatur

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  • Clancy, Susan A.: The Trauma Myth, New York 2009, ISBN 978-0-465-01688-4
  • Crombag, Hans F.M und Merckelbach, Harald . G.: Missbrauch vergisst man nicht, Berlin 1997, ISBN 3-333-01003-8
  • Delfs, Hans: False Memory – „Erinnerungen“ an sexuellen Missbrauch, der nie stattfand, Pabst Science Publishers 2017, ISBN 978-3-95853-324-0
  • Hasselmann, Petra: „Rituelle Gewalt“ und Dissoziative Identitätsstörung: Eine multimethodale Untersuchung zu Erwartungshaltungen an Akteure im Hilfesystem, Pabst Science Publishers 2017, ISBN 978-3-95853-288-5
  • Huber, Michaela: Multiple Persönlichkeiten: Seelische Zersplitterung nach Gewalt, Paderborn, 2010, ISBN 978-3-87387-645-3
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  • McHugh, Paul R.: Try to Remember, New York 2008, ISBN 978-1-932594-39-3
  • McNally, Richard J.: Remembering Trauma, Cambridge (Mass.) 2005, ISBN 0-674-01082-5.
  • Ofshe, Richard und Watters, Ethan: Die missbrauchte Erinnerung, München 1995, ISBN 3-423-30556-8
  • Rückert, Sabine: Unrecht im Namen des Volkes, Hamburg 2007, ISBN 978-3-455-50015-8
  • Schacter, Daniel: Wir sind Erinnerung, Gedächtnis und Persönlichkeit, Hamburg 1999, ISBN 3-498-06324-3
  • Shaw, Julia: Das trügerische Gedächtnis, Carl Hanser, München 2016, ISBN 978-3-446-44877-3
  • Steller Max: Nichts als die Wahrheit?, München 2015, ISBN 978-3-453-20090-6
  • Yapko, Michael D.: Fehldiagnose: Sexueller Missbrauch, Ulm, 1996, ISBN 3-426-84089-8
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Einzelnachweise

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  3. Daniel L. Schacter: Wir sind Erinnerung. Hamburg 1999, ISBN 3-498-06324-3.
  4. Sacks, Oliver: Der Strom des Bewusstseins. Hamburg 2017, ISBN 978-3-498-06434-1, S. 112.
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  58. Jansen, Gabriele: Zeuge und Aussagepsychologie. 2. Auflage. München 2012, ISBN 978-3-8114-4861-2.
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  60. Johann Schwenn: Das soll Recht sein? Warum die deutsche Strafjustiz so viele Fehlurteile produziert. 21. November 2015, abgerufen am 10. Oktober 2023.
  61. Jansen, Gabriele: Zeuge und Aussagepsychologie. 2. Auflage. München 2012, ISBN 978-3-8114-4861-2, S. 88–90.
  62. Konservatismus, Neoliberalismus und die Geschichte der „false memories“ – WISSEN SCHAFFT HILFE. In: Wissen Schafft Hilfe. N.I.N.A. e. V., 5. März 2023, abgerufen am 10. Oktober 2023.
  63. Schalleck, Martha: „Nie etwas passiert ?“ - Die falsche Anschuldigung auf dem Prüfstand oder: Die Verleugnung sexuellen Missbrauchs heute. In: Wildwasser Arbeitsgemeinschaft gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen e.V. (Hrsg.): Dokumentation der Fachtagung anlässlich des 25jährigen Jubiläums. S. 34–36.
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