Benutzer:Tilman Anuschek/Entwurf/Soziale Angelegenheiten


Das deutsche Betriebsverfassungsrecht fasst die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu verschiedenen thematischen Gruppen zusammen. Eine dieser Themengruppen wird vom Gesetzgeber "Sozialen Angelegenheiten" genannt (§§ 87 bis 89 BetrVG). Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in den Sozialen Angelegenheiten sind sehr weitgehend. Nicht zu Unrecht wird daher § 87 BetrVG auch als das Herzstück des deutschen Betriebsverfassungsrechts bezeichnet.

Die „Sozialen Angelegenheiten“ im System des Betriebsverfassungsrecht

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Die Sozialen Angelegenheiten gehören zu den vier Themenbereichen, in denen dem Betriebsrat nach dem BetrVG Beteiligungsrechte zustehen. Die weiteren Themenbereiche sind

  • die Rechte unter dem Titel „Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung“ (§§ 90, 91 BetrVG) und
  • die personellen Angelegenheiten (§§ 92 bis 105 BetrVG).
  • die „Wirtschaftlichen Angelegenheiten“ (§§ 106 bis 113 BetrVG).

In dem Bereich der Sozialen Angelegenheiten gehen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Vergleich zu den anderen Gruppen von Beteiligungsrechten besonders weit. Insbesondere in den in § 87 Absatz 1 BetrVG beschriebenen Angelegenheiten hat der Betriebsrat ein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht (auch "volle Mitbestimmung", "paritätische Mitbestimmung" oder "Konsensprinzip" genannt). Das bedeutet, dass alle Angelegenheiten aus § 87 Absatz 1 BetrVG gemeinsam zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgestaltet werden müssen. Der Betriebsrat kann in diesem Bereich selbständig aktiv werden und vom Arbeitgeber eine Regelung verlangen (Initiativrecht). Kommt es nicht zum innerbetrieblichen Einvernehmen, können beide Seiten die Einigungsstelle anrufen, deren Entscheidung die Angelegenheit verbindlich regelt; man spricht daher auch von "erzwingbarer Mitbestimmung". Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ist insoweit auch anerkannt, dass der Betriebsrat bei konkreter Gefährung seiner Rechte aus § 87 BetrVG vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann (grundlegend BAG 3. Mai 1994 - 1 ABR 24/93 - BAGE 76, 364 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972 = DB 1994, 2450), den er gegebenenfalls sogar durch einstweilige Verfügung durchsetzen kann (sog. Unterlassungsverfügung).

Die einzelnen Beteiligungsrechte aus § 87 Absatz 1 BetrVG

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Es fällt schwer, die unterschiedlichen Themen der Mitbestimmung aus § 87 Absatz 1 BetrVG einem einheitlichen Leitgedanken zuzuordnen. Insoweit hilft auch der übergeordnete Begriff der Sozialen Angelegenheiten nicht weiter, denn mit sozial im umgangssprachlichen Sinne, also mit der Fürsorge und Solidarität mit den Schwächeren der Gesellschaft, haben die Beteiligungsrechte aus § 87 Absatz 1 BetrVG nichts zu tun. Mit der gebotenen Vorsicht kann man den gemeinsamen Nenner eher darin erblicken, dass bei den Beteiligungsrechten in den Sozialen Angelegenheiten die beteiligten Arbeitnehmerinteressen die beteiligten Arbeitgeberinteressen deutlich überwiegen. Diese Interessenslage macht es nicht nur plausibel, weshalb der Gesetzgeber gerade hier die Beteiligung des Betriebsrats soweit ausgebaut hat, sie eröffnet vor dem Hintergrund der grundgesetztlichen Werteordnung sogar erst den rechtlichen Spielraum für eine so weitgehende Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers.

Nr. 1: Regeln der Betriebsordnung und des Arbeitnehmerverhaltens

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Nach § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen, soweit es um "Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb" geht. Darunter werden in erster Linie all jene Regelungen verstanden, die der Arbeitgeber aufstellt, um das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb zu ordnen, also typischerweise solche Regelungen, die in einer Büroordnung, einer Betriebsordnung oder einer Hausordnung zu erwarten sind. Typische Beispiele dafür sind Regelungen zum Rauchen oder Nichtrauchen, zum "Spüldienst" in der Büroküche oder zur Benutzung des Firmenparkplatzes (Parkplatzordnung). Das Beteiligungsrecht greift aber nicht nur dann ein, wenn der Arbeitgeber Regeln für das Zusammenleben der Kollegen und Kolleginnen im Betrieb regeln will, sondern auch dann, wenn er zur Durchsetzung seiner eigener Interessen allgemeine Verhaltensregeln aufstellt, an die sich alle halten müssen, etwa die Anweisung, eine Stempeluhr zu verwenden, oder sich am Tor eine Kontrolle der Taschen zu unterziehen ("Torkontrollen" dazu BAG 26. Mai 1988 - 1 ABR 9/87 - BAGE 58, 297 = AP Nr. 14 zu 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = DB 1988, 2055).

Den Gegensatz dazu bilden die Weisungen des Arbeitgebers, die sich auf die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung beziehen und diese konkretisieren. Als Beispiel mag die Anweisung an einen LKW-Fahrer dienen, täglich den Luftdruck der Reifen zu überprüfen, bestimmte Straßen zu verwenden oder zu vermeiden, oder die Weisung, den LKW jeden Tag vor Feierabend durch die Waschanlage zu fahren. Solche Weisungen, die sich auf die Arbeitsaufgabe beziehen und diese konkretisieren, unterliegen nicht der Beteiligung des Betriebsrats.

Die vom gedanklichen Ansatz her klare Unterscheidung zwischen dem mitbestimmten allgemeinen Verhaltensregeln ("Ordnungsverhalten") und der mitbestimmungsfreien Weisung zur Konkretisierung der Arbeitsaufgabe ("Arbeitsverhalten") ist nicht in jedem Einzelfall einfach anzuwenden. Erlässt der Arbeitgeber in seinem Betrieb zum Beispiel ein allgemeines Alkoholverbot, so handelt es sich um eine mitbestimmungsfreie Weisung zu den Einzelheiten der Erfüllung der Arbeitsaufgabe, wenn das Verbot ausgesprochen wird, um Unfallverhütungsvorschriften durchzusetzen oder um die Fehlerfreiheit der Produktion zu garantieren. Ist das Alkoholverbot dagegen lediglich Ausdruck einer Grundhaltung des Arbeitgebers, die er "in seinem Haus" gegenüber allen seinen Mitarbeitern durchgesetzt sehen will, handelt es sich um eine allgemeine Verhaltensanordnung, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (vgl. BAG 23. September 1986 - 1 AZR 83/85 - BAGE 53, 97 = AP Nr. 20 zu § 75 BPersVG = DB 1987, 337). Bei Zuordnungsschwierigkeiten empfiehlt es sich daher immer, anhand der vorhandene Rechtsprechung zu prüfen, ob es bereits eine Gerichtseintscheidung zu einem vergleichbaren Fall gibt.

Das Bundesarbeitsgericht hat in folgenden Fällen ein Beteiligungsrecht bejaht:

  • Die Einführung eines allgemeinen Systems von Krankenrückkehrgesprächen (BAG Beschluss vom 8. November 1994 - 1 ABR 22/94 - NZA 1995, 857); die Rechtsprechung wurde noch erweitert auf die Einführung detaillierter Fragebögen zu den medizinischen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit, die die Vorgesetzten an Arbeitnehmer ausgegeben sollten, mit der Bitte, diesen dem krankschreibenden Arzt vorzulegen und ihn dann ausgefüllt zurückzugeben (BAG Beschluss vom 27. Januar 1997 - 1 ABR 53/96 - AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = NZA 1997, 785).
  • Die Einführung einer Kleiderordnung im Betrieb (BAG Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - BAGE 121, 147 = AP Nr. 40 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = DB 2007, 1592 - Kleiderordnung im Spiekasino; BAG Beschluss vom 8. August 1989 - 1 ABR 65/88 - AP Nr 15 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = NZA 1990, 320 = DB 1990, 893). Dies gilt nicht, wenn eine bestimmte Kleidung notwendig ist, um die Arbeitsaufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen, insbesondere zur Einhaltung von Hygienevorschriften (BAG 15. Dezemnber 1961 - 1 ABR 3/60 - BAGE 12, 124 = AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG Ordnung des Betriebes = DB 1962, 274 zu Arbeitsbekleidungsvorschriften bei der Margarineproduktion).
  • Anordnung über das Tragen von Namensschildern während der Arbeit (BAG Beschluss vom 11. Juni 2002 - 1 ABR 46/01 = BAGE 101, 285 = AP Nr. 38 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = DB 2002, 2280 - Fahrpersonal im ÖPNV).
  • Erlass eines Rauchverbots (BAG Beschluss vom 19. Januar 1999 - 1 AZR 499/98 - BAGE 90, 316 = AP Nr. 28 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = DB 1999, 962).
  • Einführung von Ethikregeln für Redakteure (BAG Beschluss vom 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - BAGE 101, 216 = AP Nr. 39 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = DB 2003, 287 = NZA 2003, 166).

In folgenden Fällen hat das Bundesarbeitsgericht das Beteiligungsrecht verneint:

  • Weisung an einen Krankenpfleger, ein bestimmtes neues Medikament zu verabreichen (BAG Beschluss vom 10. März 1998 - 1 AZR 658/97 - AP Nr. 5 zu § 84 ArbGG 1979 = NZA 1998, 1242 = DB 1999, 2651).
  • Anweisung an Sachbearbeiter in Geschäftsbriefen den eigenen Namen einschließlich des Vornamens anzugeben (BAG Beschluss vom 8. Juni 1988 - 1 ABR 67/98 - AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = NZA 1999, 1288 = DB 1999, 2218).
  • Einführung eines Formulars für Überstundennachweise (BAG Beschluss vom 9. Dezember 1980 - 1 ABR 1/78 - AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes = DB 1981, 1092).
  • Die Überwachung von Arbeitnehmern durch Privatdetektive zur Überprüfung eines bestehenden Verdachts strafbaren Handelns (BAG Beschluss vom 26. März 1991 - 1 ABR 26/90 - AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung = DB 1991, 1834 = NZA 1991, 729).
  • Kontrolle der Beratungsqualität der Arbeitnehmer durch heimlich eingesetzte Testkunden (BAG Beschluss vom 18.04.2000 - 1 ABR 22/99 - AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung = DB 2000, 2227 = NZA 2000, 1176).

Nr. 2: Lage der Arbeitszeit in der Kalenderzeit

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Nach § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Regelungen zu "Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie" bei Regelungen zur der "Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage". Diese Gesetzesformuierung ist zu einer Zeit entstanden, als das Arbeitsleben noch geprägt war durch die gleichmäßige und starre Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die Woche. Durch die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeit in der betrieblichen Praxis ist das Bedürfnis entstanden, das Beteiligungsrecht auf alle Fragen auszudehen, die die Festlegung der Arbeitszeit betreffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterliegen daher alle Regelungen, die die Lage der Arbeitszeit in den Abschnitten der (Kalender-)Zeit betreffen, der Beteiligung des Betriebsrats. Das Mitbestimmungsrecht umfasst nach heutigem Verständnis damit alle mit der Lage und Verteilung der Arbeitszeit verbundenen Fragen. Es dient dem Zweck, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung des Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 40/01 - AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 2002, 2385 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 65).

Arbeitszeit iSv. § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich erbringen soll. Der Arbeitszeitbegriff in § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG - und gleichermaßen der in § 87 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG - ist damit nicht gänzlich deckungsgleich mit dem Begriff der vergütungspflichtigen Arbeitszeit und dem des Arbeitszeitgesetzes oder der EGRL 88/2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 4.11.2003. Er bestimmt sich vielmehr nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts. Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen (BAG Beschluss vom 14. Nevember 2006 — 1 ABR 5/06 — BAGE 120, 162 = AP Nr. 121 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 2007, 749).

Nicht zur Arbeitszeit zählt demnach die bei einer Dienstreise - einer Fahrt des Arbeitnehmers von seiner regulären Arbeitsstätte an einen oder mehrere auswärtige Orte, an denen ein Dienstgeschäft zu erledigen ist - anfallende Reisezeit. Der Arbeitnehmer erbringt durch das bloße Reisen keine Arbeitsleistung. Reisen gehört regelmäßig nicht zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, es sei denn, der betreffende Arbeitnehmer könnte - etwa als Außendienstmitarbeiter - mangels festen Arbeitsorts seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ohne dauernde Reisetätigkeit gar nicht erfüllen (BAG Beschluss vom 14. Nevember 2006 — 1 ABR 5/06 — BAGE 120, 162 = AP Nr. 121 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 2007, 749).

Beteiligung bei der Lage der Arbeitszeit bedeutet, dass sich die Beteiligung nicht auf die Dauer der Arbeitszeit (die Arbeitszeitmasse) bezieht. Diese ergibt sich vielmehr aus den Arbeitsverträgen, gegebenenfalls ergänzt durch Tarifverträge und Gesetze. Die zu verteilende Arbeitszeitmasse unterliegt nicht der Beteiligung des Betriebsrats (ständige REchtsprechung des BAG, vgl. zuletzt Beschluss vom 15. Mai 2007 — 1 ABR 32/06 — BAGE 122, 280 = AP Nr. 30 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb = DB 2007, 2429). Vielmehr besteht die Aufgabe darin, die gegebene Arbeitszeitmasse gemeinsam so zu verplanen, dass sie vollständig in Anspruch genommen wird.

Pausen im Sinne von § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG sind im voraus festgelegte Unterbrechungen der Arbeitszeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten hat, sondern frei darüber entscheiden kann, wo und wie er diese Zeit verbringen will. Entscheidendes Merkmal für die Pause ist mithin, daß der Arbeitnehmer von jeder Dienstverpflichtung und auch von jeder Verpflichtung, sich zum Dienst bereitzuhalten, freigestellt ist (BAG Urteil vom 23. September 1992 — 4 AZR 562/91 — AP Nr. 6 zu § 3 AZO Kr = DB 1993, 1194 = NZA 1993, 752). Pausen in diesem Sinne sind daher im Regelfall Zeiten, für die der Arbeitgeber keine Vergütung zu zahlen hat. Sieht ein Tarifvertrag zusätzliche bezahlte Kurzpausen vor, steht das dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen; das Mitbestimmungsrecht umfasst dann allerdings nur die Lage dieser Kurzpausen und nicht deren (tariflich geregelte) Dauer (BAG 1. Juli 2003 — 1 ABR 20/02 — BAGE 107, 1 = AP Nr. 107 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 2005, 170).

In folgenden Fällen hat das Bundesarbeitsgericht ein Beteiligungsrecht bejaht:

  • Ausgestaltung der 5-Tage-Woche in einem Betrieb, der an allen sechs Werktagen geöffnet ist mit einem Wechsel der arbeitsfreien Tage in einem rollierenden System (BAG Beschluss vom 31. Januar 1989 — 1 ABR 69/87 — BAGE 61, 57 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 1989, 1631).
  • Initiativantrag des Betriebsrats zur Regelung der Arbeitsbefreiung am Dienstag nach Rosenmontag (BAG Beschluss vom 26. Oktober 2004 — 1 ABR 31/03 (A) — BAGE 112, 227 = AP Nr. 113 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = NZA 2005, 538).
  • Festlegung der Ersatzruhetage im Sinne von § 11 Absatz 3 ArZG für Arbeitnehmer, die an Sonn- oder Feiertagen arbeiten müssen (LAG Köln Beschluss vom 24. September 1998 — 10 TaBV 57/97 — NZA-RR 1999, 194 = AiB 1999, 467).
  • Alle Fragen rund um die Einführung oder den Abbau von Schichtarbeit im Betrieb oder einzelnen Abteilungen des Betriebes (BAG Beschluss vom 28. Oktober 1986 — 1 ABR 11/85 — AP Nr. 20 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 1987, 692 = NZA 1987, 248).
  • Auch die Einführung und Ausgestaltung anderer Arbeitszeitsystem unterliegt ebenso der Beteiligung wie deren spätere Abänderung. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits so entschieden zu
  • der Einführung der gleitenden Arbeitszeit (BAG Beschluss vom 18. April 1989 — 1 ABR 3/88 — AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 1989, 1978 = AiB 1989, 356);
  • der Einführung einer bedarfsorientierten variablen Arbeitszeit (KAPOVAZ) in Abkehr von festen Arbeitszeiten (BAG Beschluss vom 28. September 1988 — 1 ABR 41/87 — AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 1989, 385 = NZA 1989, 184);
  • die Einrichtung von Bereitschaftsdiensten (BAG Beschluss vom 29. Februar 2000 — 1 ABR 15/99 — AP Nr. 81 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 2000, 1971 = NZA 2000, 1243 — dort allerdings als vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit im Sinne von § 87 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG angesehen) und von Rufbereitschaftsdiensten (BAG Beschluss vom 21. Dezember 1982 — 1 ABR 14/81 — BAGE 41, 200 = DB 1983, 611 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit);
  • die Einführung von Arbeitszeitkonten (beiläufig ebenso BAG Urteil vom 13. Dezember 2000 — 5 AZR 334/99 — AP Nr. 31 zu § 394 BGB = DB 2001, 1565 = NZA 2002, 390).
  • Im Regelfall ist selbst dann ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats gegeben, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen von § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) um die Verteilung der Arbeit streiten, wenn der Arbeitnehmer den Wunsch geäußert hat, zukünftig nur noch in Teilzeit arbeiten zu wollen (BAG Urteil vom 18. Februar 2003 — 9 AZR 164/02 — BAGE 105, 107 = AP Nr. 2 zu § 8 TzBfG = DB 2003, 2442).

Das Beteiligungsrecht verneint hat das Bundesarbeitsgericht dagegen in folgenden Fällen:

  • Die Festlegung einer Zeitgutschrift für Teilnehmer am Betriebsausflug im Rahmen eines bestehenden Gleitzeitarbeitssystems unterliegt nicht der Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG (BAG Beschluss vom 27. Janaur 1998 — 1 ABR 35/97 — AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung = DB 1998, 1819 = NZA 1998, 835).

Nr. 3: Vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit

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Nach § 87 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Regelungen zur "vorübergehenen Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit". Damit ergänzt dieses Beteiligungsrecht dasjenige aus § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG. Nach § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG gestalten Betriebsrat und Arbeitgeber einen Plan, wie die Arbeitskraft der unter Vertrag stehenden Arbeitnehmer (vollständig) abgerufen werden soll. Die Gesamtheit dieser Regeln zur Verteilung und Lage der Arbeitszeit und der Pausen ergibt die betriebsübliche Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes (BAG Beschluss vom 11. Dezember 2001 — 1 ABR 3/01 — AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 2002, 2002 = EzA § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 64). Mit der Ableistung der Arbeitszeit, die sich nach diesem Plan für den einzelnen Arbeitnehmer pro Tag, Woche, Monat oder sontiger Zeiteinheit ergibt, hat der Arbeitnehemr seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag (vollständig) erfüllt.

Geht der Arbeitszeitverteilungsplan an der Realität vorbei, entweder weil er für einzelne Zeitabschnitte den Einsatz von unnötig viel Arbeitnehmern vorsieht, oder aber, weil er für andere Zeitabschnitte einen zu geringen Einsatz von Arbeitnehmern vorsieht, kann es erforderlich sein, durch ersatzlosen Ausfall von Arbeitszeit oder durch die Anordnung von zusätzlicher Arbeit den Plan abzuändern und dem tatsächlichen Arbeitszeitbedarf anzupassen. Soll die Anpassung nur vorübergehend erfolgen, um dann später wieder den Arbeitszeitplan aufzunehmen, ist das Beteiligungsrecht aus § 87 Absastz 1 Nr. 3 BetrVG eröffnet.

Die bedeutendste Erscheinungsform der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit ist die Anordnung von Überstunden. Eine Überstunde im Sinne von § 87 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG liegt vor, wenn der Arbeitgeber alle ohne einzelne Arbeitnehmer Über den nach § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG vereinbarten Plan zur Verteilung der Arbeitszeit hinaus einsetzen will; in andern Zusammenhänge kann der Begriff Überstunde eine andere Bedeutung haben. Bei Überstunden bezieht sich das Mitbestimmungsrecht auf die Frage, ob und in welchem Umfang Überstunden zu leisten sind und welche Arbeitnehmer diese Überstunden leisten sollen BAG Beschluss vom 23. Juli 1996 – 1 ABR 13/96 – AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 1997, 378 = NZA 1997, 274). Der Mitbestimmungstatbestand ist nicht nur dann eröffnet, wenn der Arbeitgeber die Überstunden förmlich anweist, sondern auch dann, wenn er nur die von den Arbeitnehmern freiwillig erbrachten Überstunden duldend hinnimmt (BAG Beschluss vom 27. November 1990 – 1 ABR 77/89 – AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 1991, 706 = NZA 1991, 382). Dagegen soll nach einer älteren Entscheidung der Abbau von Überstunden nicht unter das Beteiligungsrecht fallen (BAG Beschluss vom 25. Oktober 1977 – 1 AZR 452/74 – AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 1978, 403).

Als mitbestimmungspflichtige Anordnung von Überstunden wurde gewertet:

  • Die Anberaumung einer Mitarbeiterversammlung außerhalb der Arbeitszeit mit Anwesenheitspflicht der Arbeitnehmer (BAG Beschluss vom 13. Februar 2001 – 1 ABR 33/00 – AP Nr. 87 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit = DB 2001, 2055 = DB 2001, 2055).
  • Wird im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung ein Leiharbeitnehmer, der mit dem Verleiher, also dem Vertragsarbeitgeber, eine 35-Stunden-Woche vereinbart hat, in einen Betrieb entliehen, bei dem eine längere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gilt, handelt es sich für ihn um eine vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit für die Dauer des dortigen Einsatzes, die daher der Mitbestimmung des Betriebsrats beim Vertragsarbeitgeber (Verleiher) unterliegt. Werden dagegen beim Entleiher (Arbeitgeber im Einsatzbetrieb) während des Einsatzes Überstunden angeordnet, ist dafür auch für die dort tätigen Leiarbeitnehmer der Betriebsrat im Einsatzbetrieb zuständig (BAG Beschluss vom 19. Juni 2001 – 1 ABR 43/00 – BAGE 98, 60 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer = DB 2001, 2301).

Die bedeutendste Erscheinungsform der vorübergehenden Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit ist die Kurzarbeit.