Die Unmöglichkeit einer Leistung ist ein Begriff des Leistungsstörungsrechts. Eine geschuldete Leistung ist unmöglich, wenn sie ganz oder teilweise nicht erbracht werden kann. Nach dem Rechtsgrundsatz impossibilium nulla est obligatio (Unmögliches kann nicht geschuldet sein) ist dann der Anspruch des Gläubigers auf Leistung ausgeschlossen (§ 275 I BGB), der Schuldner wird also von seiner Leistungspflicht befreit, bzw. kann diese unter den Voraussetzungen der § 275 II, III BGB verweigern. Die Unmöglichkeit löst verschiedene Folgen aus (§ 275 IV BGB); insbesondere entfällt für den Gläubiger die Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung (§ 326 I BGB) und der Schuldner ist, sofern er die Unmöglichkeit zu vertreten hat, schadensersatzpflichtig (§§ 280 ff. bzw. 311a II BGB).

Anwendungsbereich

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Die Regelung des § 275 BGB gilt grundsätzlich für alle vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnisse. Sie bezieht sich nur auf die primäre Leistungspflicht, nicht aber auf Schutzpflichten im Sinne des § 241 II BGB und auf Sekundärpflichten, wie z.B. Schadensersatz.[1]

Für die Anwendung des § 275 BGB irrelevant sind der Grund für die Unmöglichkeit, sowie die Frage, ob der Schuldner diese zu vertreten hat.[2] Hat der Schuldner die Unmöglichkeit aber zu vertreten, so muss er daraus entstehende Schäden und gegebenenfalls Aufwendungen zu ersetzen.

Auch auf Geldschulden ist § 275 BGB nach allgemeiner Ansicht nicht anwendbar, was mit der Existenz des Insolvenzrechts zu dessen Vollstreckung begründet wird.[3] Zahlungsunfähigkeit führt nicht zur Leistungsbefreiung, weil der Schuldner uneingeschränkt für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einstehen muss (Grundsatz: „Geld hat man zu haben.“[4]).

Arten von Unmöglichkeit

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Die Unmöglichkeit selbst wird nicht im Gesetzestext definiert, sondern als Begriff vorausgesetzt. Sofern eine Leistung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erbracht werden kann, handelt es sich um „echte“ Unmöglichkeit (§ 275 I BGB), bei der die Leistungspflicht kraft Gesetzes entfällt. Dabei handelt es sich um eine Einwendung, die im Prozess von Amts wegen zu prüfen ist.

Daneben gibt es Fälle, in denen eine Leistung zwar möglich wäre, jedoch nur unter völlig unverhältnismäßigen Anstrengungen erbracht werden könnte (praktische Unmöglichkeit, § 275 II BGB), oder sie dem Schuldner aus persönlichen Gründen nicht zuzumuten ist (persönliche Unmöglichkeit, § 275 III BGB). Dann steht es dem Schuldner zu, per Einrede die Leistung zu verweigern. Gemäß § 275 IV BGB treten die gleichen Folgen ein wie im Falle echter Unmöglichkeit.

"Echte" Unmöglichkeit

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Bei der „echten“ Unmöglichkeit liegt ein unüberwindbares Hindernis vor – es besteht also überhaupt keine Möglichkeit, die Leistung zu erbringen. Differenziert werden folgende Kategorien:

Physische (naturgesetzliche) Unmöglichkeit

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Bei der physischen Unmöglichkeit verhindern naturgesetzliche Gründe die Leistungserbringung. Primär handelt es sich um Fälle, in denen ein geschuldeter Gegenstand unwiederbringlich zerstört worden ist (z.B.: eine antike Vase ist zerbrochen, das Pferd ist gestorben) oder niemals existierte (z.B. Verkauf eines Einhorns). Auch abergläubische Verträge, bei denen eine Leistung in der Betätigung übersinnlicher Fähigkeiten bestehen soll (z.B. Kaffeesatzlesen), können grundsätzlich aus naturgesetzlichen Gründen nicht erbracht werden.[5]

Liegt eine Gattungsschuld (§ 243 BGB) vor, ist folgende Besonderheit zu beachten: sofern sich das Schuldverhältnis nicht im Wege der Konkretisierung (§ 243 II BGB) auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt, kann Unmöglichkeit nur eintreten, wenn die gesamte Gattung untergegangen ist oder nicht existiert . Da dies extrem seltene Fälle sind, ist dies eher bei einer beschränkten Gattungsschuld (Vorratsschuld; z.B.: die gesamte Apfelernte ist verfault) relevant.

Nach allgemeiner Ansicht werden auch die Fälle der sogenannten „Zweckerreichung“ bzw. des „Zweckfortfalls“ unter die physische Unmöglichkeit gefasst. Denn der Begriff „Leistung“ meint nicht die Leistungshandlung, sondern den Leistungserfolg.[6] Kennzeichnend ist hier, dass der Leistungserfolg bereits eingetreten ist, sodass eine zwar physisch mögliche Leistung sinnlos wird.

  • Ist der geschuldete Leistungserfolg nicht durch das Handeln des Schuldners eingetreten, so handelt es sich um Zweckerreichung (z.B.: kurz vor Eintreffen des Abschleppwagens ist der Fahrer eines Autos, welches eine Einfahrt blockiert und abgeschleppt werden soll, weggefahren; die vom Verkäufer geschuldete Nacherfüllung hat der Käufer bereits selbst vorgenommen).
  • Bei Zweckfortfall führt der Wegfall des Leistungssubstrats oder ein in der Person des Gläubigers liegender Grund dazu, dass der Schuldner die Leistung nicht mehr erbringen kann (z.B.: das zu renovierende Gartenhäuschen brennt ab; das freizuschleppende Schiff ist untergegangen).

Rechtliche Unmöglichkeit

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Im Falle der rechtlichen Unmöglichkeit verhindern rechtliche Gründe die Vornahme der Leistung (z.B.: Verpflichtung zur Errichtung eines Bauwerkes, das baurechtlich nicht genehmigungsfähig ist; die zur Erfüllung erforderliche Genehmigung wird endgültig versagt). Hintergrund dessen ist, dass Leistungen, deren Erfüllung gegen ein Verbot verstoßen würden, von der Rechtsordnung nicht anerkannt werden dürfen.[7] Verbotene oder sittenwidrige Geschäfte können jedoch bereits nach §§ 134, 138 BGB unwirksam sein, sodass gar nicht erst eine Leistungspflicht entstanden ist und folglich kein Bedarf für die Anwendung des § 275 I BGB besteht.

Objektive und subjektive, nachträgliche und anfängliche Unmöglichkeit

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Nach § 275 I BGB werden folgende Fälle der Unmöglichkeit gleichgestellt und demnach gleich behandelt:

  • Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit: Bei anfänglicher Unmöglichkeit bestand das Leistungshindernis schon vor Vertragsschluss, während es bei nachträglicher Unmöglichkeit erst nach dem Vertragsschluss entsteht. Für die Anwendung des § 275 I ist es nicht bedeutsam, ob anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit bestand (Wortlaut „unmöglich ist“). Relevant ist die Unterscheidung aber bei der Schadensersatzpflicht des Schuldners: Bei anfänglicher Unmöglichkeit richtet sich diese nach § 311a II BGB; anderenfalls nach §§ 280 I, III, 283 BGB.
  • Objektive und subjektive Unmöglichkeit: Weiterhin wird in § 275 I BGB auch nicht unterschieden, ob die Leistung „für jedermann“, also objektiv (weder für den Schuldner, noch für Dritte erfüllbar) oder aber nur „für den Schuldner“, also subjektiv (theoretisch für einen Dritten erfüllbar) unmöglich ist. (z.B.: A verkauft B ein altes Gemälde. Bevor A es B übergeben kann, verbrennt es vollständig – diese Leistung kann also von niemandem mehr erbracht werden. Hat A es jedoch vorher an C übereignet, so wäre es für C möglich, die Leistungspflicht des A zu erbringen; A jedoch kann seine Leistung nicht erbringen.)

Für die subjektive Unmöglichkeit ist in Abgrenzung zum Leistungsverweigerungsrecht in § 275 II BGB allerdings Voraussetzung, dass das Hindernis „um keinen Preis“ beseitigt werden kann.[8] (zum obigen Beispiel: Besteht die Möglichkeit, dass A das Gemälde von C zurückerlangen kann, so handelt es sich noch um eine subjektive Unmöglichkeit, da es eine Wiederbeschaffungsmöglichkeit gibt. Allerdings wäre sein Aufwand bezüglich § 275 II BGB zu thematisieren.[9])

Teilweise und qualitative Unmöglichkeit

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Neben vollständiger kommt auch eine teilweise Leistungsbefreiung in Betracht, wenn nur ein Teil der Leistung von einem Hindernis betroffen ist (z.B.: statt der bestellten 5 Kisten Äpfeln können nur 2 Kisten geliefert werden, weil der Rest verfault ist). Der nicht betroffene Teil der Leistung ist, unter entsprechend geminderter Gegenleistungspflicht, weiterhin zu leisten (Wortlaut „soweit“). Dies gilt jedoch nur, wenn die Leistung im natürlichen und rechtlichen Sinne teilbar ist.[10] Unteilbare Gegenstände (z.B. Sachgesamtheiten) werden im Ganzen unmöglich. Ebenfalls steht es vollständiger Unmöglichkeit gleich, wenn eine Leistung nach Inhalt und Zweck für den Gläubiger nur im Ganzen sinnvoll ist.[11]

Ein besonderer Unterfall ist die qualitative Unmöglichkeit, bei der eine Kaufsache oder Werkleistung mit einem unbehebbaren Sachmangel behaftet ist. Hier ist die Anwendung des § 275 I BGB darauf begrenzt, dass der Schuldner nur von der Leistung der geschuldeten Qualität (z.B. der mangelfreien Lieferung gemäß § 433 I 2 BGB) befreit wird, nicht jedoch von der Leistung an sich.[12]

Vorübergehende Unmöglichkeit

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Bei einer vorübergehenden Unmöglichkeit entfällt die Leistungspflicht nicht unwiderruflich, sondern nur für die Dauer des Leistungshindernisses. Während dieser Schwebezeit ist der Erfüllungsanspruch des Gläubigers gehemmt. In einigen Ausnahmefällen kann jedoch Gleichstellung mit einem dauernden Hindernis gerechtfertigt sein, sodass Leistung und Gegenleistung dauerhaft entfallen. Dann muss durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet und weiteres Abwarten dem Gläubiger bzw. das Festhalten am Vertrag dem Schuldner unzumutbar sein. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Abstellung auf den Zeitpunkt des Eintritts der Störung festzustellen (z.B.: Ausbruch eines Krieges verhindert die Erfüllung eines Vertrags).[13]

Besonderheiten sind bei absoluten Fixgeschäften zu beachten. Dies sind Leistungen, die nach Art oder Inhalt des Schuldverhältnisses nur zu einer bestimmten Zeit erbracht werden können. Wird der absolut wesentliche Leistungszeitpunkt versäumt, kann die Leistung nicht wiederholt werden, sodass dauerhafte Unmöglichkeit eintritt (z.B.: der zum 20.12. bestellte Weihnachtsbaum wird erst am 27.12. geliefert; die Hochzeitstorte trifft nach der Hochzeit ein). Bei Dauerschuldverhältnissen, insbesondere Arbeitsverträgen, liegt in der Regel ebenfalls ein absolutes Fixgeschäft vor – Arbeitsleistungen sind folglich regelmäßig nicht nachholfähig.[14]

Sofern der vereinbarte Leistungszeitpunkt zwar wichtig, dessen Versäumnis die Leistung aber nicht sinnlos macht und eine Möglichkeit zum Nachholen prinzipiell besteht, liegt indes ein relatives Fixgeschäft vor (z.B.: der Neuwagen wird später als zum vereinbarten Termin geliefert, dennoch kann der Gläubiger Interesse am Erhalt des Wagens haben). Hier treten nicht die Folgen der Unmöglichkeit ein, sondern die Regelungen der §§ 323 II Nr. 2, 281 II BGB, nach denen der Gläubiger ein Rücktrittsrecht hat bzw. Schadensersatz verlangen kann, ohne vorher eine Nachfrist setzen zu müssen. Der Gläubiger kann also selbst über das Schicksal des Vertrags bestimmen, statt dass sein Erfüllungsanspruch automatisch gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen wird.[15]

Praktische Unmöglichkeit (§ 275 II BGB)

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§ 275 II BGB gewährt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht, dass explizit vom Schuldner vorgebracht werden muss. Im Gegensatz zur subjektiven Unmöglichkeit gemäß § 275 I BGB ist das vorliegende Leistungshindernis bei der praktischen oder auch faktischen Unmöglichkeit zwar theoretisch noch überwindbar, dies würde aber angesichts des enormen Aufwands für den Schuldner niemand ernsthaft in Betracht ziehen.[16] Es handelt sich um eine selten anzuwendende Sondernorm, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eng ausgelegt werden muss, da der Gläubiger möglicherweise ersatzlos seinen Erfüllungsanspruch verliert.

Voraussetzung zur Leistungsverweigerung ist, dass bei einer Abwägung von Gläubiger- und Schuldnerinteressen der Aufwand zum Erbringen der Leistung in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Grob formuliert gilt der Grundsatz: „Die Leistung muss den Schuldner deutlich mehr kosten, als sie dem Gläubiger nutzt.“[17] Ein typisches Beispiel für § 275 II BGB ist das Versinken eines Rings im Meer: Zwar existiert der Ring noch, allerdings wäre eine Suche nach ihm derart kostspielig, dass sie dem Wert des Gläubigers an dem Ring gegenüber nicht als angemessen erscheint.

Konkretisierung der Begriffe „Aufwand“ und „grobes Missverhältnis“

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Der vom Schuldner zur Leistung zu erbringende Aufwand ist nur hinsichtlich des Leistungsinteresse des Gläubigers, nicht aber bezüglich dessen eigenen Interessen zu bemessen. Dabei können auch immaterielle „Liebhaberinteressen“ des Gläubigers zu berücksichtigen sein. Das Interesse des Schuldners, für die Leistung keine existenzbedrohenden Kosten aufbringen zu müssen, ist bei der Abwägung jedoch nicht relevant, sondern kann allenfalls im Rahmen von

§ 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) ins Gewicht fallen.[18]

Um festzustellen, ob es sich im Einzelfall um ein grobes Missverhältnis zwischen Schuldneraufwand und Leistungsinteresse des Gläubigers handelt, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden: der Inhalt des Schuldverhältnisses, der Grundsatz von Treu und Glauben und das Vertretenmüssen des Schuldners.

  • Im Rahmen des Inhalts des Schuldverhältnisses ist von Bedeutung, ob eine Stück- oder Gattungsschuld besteht. Handelt es sich um eine Gattungsschuld (§ 243 BGB), wurde vom Schuldner in der Regel ein Beschaffungsrisiko im Sinne des § 276 I 1 BGB übernommen – er hat also das Ausbleiben der Leistung unabhängig vom Verschulden zu vertreten.[19] In Einzelfällen kann, da selbst das Beschaffungsrisiko seine Grenzen hat, eine Anwendung des § 275 II BGB in Betracht kommen.[20]
  • Das Missverhältnis muss ein mit Treu und Glauben nicht vereinbares Ausmaß annehmen.
  • Sofern der Schuldner den Umstand des Leistungshindernisses zu vertreten hat, ist es nach § 275 II 2 BGB sachgerecht, dass ihm ein höherer Aufwand zugemutet werden kann. Daraus kann jedoch nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass der Schuldner andernfalls keine Anstrengungen zu unternehmen hat.

Zusammengefasst gilt die Richtlinie, dass die Leistungsbefreiung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein kann.

Abgrenzung zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit

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Dem § 275 II BGB unterfallen nicht die Fälle der sogenannten wirtschaftlichen Unmöglichkeit, bei der das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung verschoben wurde, sodass die Leistung für den Schuldner überobligatorisch und deshalb unzumutbar ist.[21] Während die Abwägung in § 275 II allein darauf beschränkt ist, ob ein Missverhältnis des Aufwands zum Erfüllungsinteresse des Gläubigers besteht, werden bei wirtschaftlicher Unmöglichkeit die Interessen des Schuldners ausdrücklich mit einbezogen: es wird geprüft, ob ein Missverhältnis des Aufwands zum Gegenleistungsanspruch besteht. Dann werden die Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313) angewandt, sodass die Gegenleistung angepasst werden kann (z.B.: wesentliche Steuererhöhung nach Abschluss des Kaufvertrags).

Persönliche Unmöglichkeit (§ 275 III BGB)

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Die Sonderregelung des § 275 III BGB stellt ein Leistungsverweigerungsrecht nur für Fälle bereit, in denen eine vom Schuldner höchstpersönlich zu erbringende Leistung (insbesondere bei Dienst- und Arbeitsverträgen) geschuldet ist. Dafür müssen derart gewichtige persönliche Gründe vorliegen, denen zufolge die Leistung dem Schuldner nach Abwägung mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers unzumutbar ist (z.B.: Sängerin sagt Auftritt ab, um bei ihrem schwer krankem Kind bleiben zu können; ausländischer Arbeitnehmer bleibt der Arbeit fern, weil er zum Wehrdienst im Heimatland einberufen wird und Nichtbefolgung mit Todesstrafe bedroht ist [22]). Dementsprechend wird diese Kategorie als persönliche oder auch psychische Unmöglichkeit bezeichnet.

Im Gegensatz zu § 275 II BGB (Abwägung Leistungsaufwand des Schuldners – Leistungsinteresse des Gläubigers) bezieht sich der vergleichsweise unbestimmte Begriff der Unzumutbarkeit in § 275 III auf eine Abwägung zwischen Nichtleistungsinteresse des Schuldners und Leistungsinteresse des Gläubigers, die wiederum je nach Einzelfall auszufallen hat. Da insbesondere die individuellen Leistungshindernisse des Schuldners anstelle von materiellem Aufwand ins Gewicht fallen, wird hier kein „krasses Missverhältnis“ gefordert.[23]

Bei Krankheitsfällen ist umstritten, ob eine Leistungsbefreiung automatisch gemäß § 275 I BGB eintritt oder erst nach Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers gemäß § 275 III BGB. Die herrschende Meinung nimmt hier allerdings einen Fall des § 275 I Alt. 1 BGB an, da die ärztliche Krankschreibung eine gesetzliche Befreiung der Leistungspflicht zur Folge hat.[24]

Als problematisch erweist sich die Einordnung der Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen (auch „sittliche“ Unmöglichkeit). Hier weigert sich der Schuldner wegen seiner individuellen, religiösen oder ethischen Anschauung, die geschuldete Leistung zu erbringen (z.B.: Krankenschwester will wegen ihrer christlichen Überzeugung nicht bei einem Schwangerschaftsabbruch mithelfen). Teilweise kann es in Betracht kommen, der Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG) des Schuldners den Vorrang vor Leistungsversprechen einzuräumen.[25] Nach überwiegender Auffassung ist bei persönlichen Leistungspflichten eine Anwendung des § 275 III BGB dennoch nicht ausgeschlossen.[26]

Rechtsfolgen

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Wenn die Voraussetzungen des § 275 I BGB vorliegen, tritt eine Leistungsbefreiung des Schuldners kraft Gesetzes ein. Demgegenüber muss der Schuldner sich im Fall von § 275 II, III auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen und wird infolge dessen von seiner primären Leistungspflicht befreit. Diese Befreiung betrifft jedoch nicht das Schuldverhältnis an sich, der Vertrag bleibt also weiterhin wirksam.

§ 275 BGB enthält zudem eine Gefahrtragungsregel: Da die Leistung des Schuldners bei Unmöglichkeit unabhängig vom Verschulden entfällt, muss der Gläubiger die Leistungs- oder Sachgefahr (das Risiko, die Leistung im Fall von Unmöglichkeit nicht zu erhalten) tragen.[27]

Bezüglich der Ansprüche und Rechte des Gläubigers verweist § 275 IV BGB auf die §§ 280, 283-285, 311a und 326 BGB. Für gegenseitige Verträge folgt aus § 326 I 1 BGB, dass der Gläubiger die Gegenleistung nun ebenfalls nicht mehr zu erbringen hat. Bereits bewirkte Gegenleistungen kann der Gläubiger gemäß § 326 IV BGB zurückfordern. Auch die Gegenleistung entfällt unabhängig vom Verschulden des Schuldners, sodass der Schuldner die Gegenleistungs- oder Preisgefahr trägt: Kann er seine Leistung nicht erbringen, so erhält er die Gegenleistung nicht.[28] Es handelt sich also um eine weitere Gefahrtragungsregel.

Daneben hat der Gläubiger ein Rücktrittsrecht gemäß §§ 326 V, 323 BGB, sowie einen Anspruch auf Herausgabe des vom Schuldner erlangten Ersatz (stellvertretendes commodum) gemäß § 285 BGB. Ein Anspruch auf Ersatz von vergeblichen Aufwendungen ergibt sich aus § 311a II BGB (anfängliches Leistungshindernis) und aus §§ 280 I, III, 283, 284 BGB (nachträgliches Leistungshindernis). Außerdem stehen dem Gläubiger Schadensersatzansprüche statt der Leistung gemäß § 311a II BGB bei anfänglichen, gemäß §§ 280 I, III, 283 bei nachträglichen Leistungshindernisse zu.

Literatur

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  • öffentliche Mindmap mit Übersicht von Problemgebieten
  • jura-basic.de
  • Wieser: „Schuldrechtsreform - Die Unmöglichkeit der Leistung nach dem neuen Recht“, MDR 2002, 858-862
  • Mückl: „Unmöglichkeit und Pflichtverletzung - Zum Begriff der Pflichtverletzung im Leistungsstörungsrecht des BGB“, JA 2004, 928-932
  • Fest: „Anfängliches Leistungshindernis und Unmöglichkeit“, WM 2005, 2168-2171
  • Bernhard: „Das grobe Missverhältnis in § 275 Abs. 2 BGB“, Jura 2006, 801-811
  • Coester-Waltjen: „Verzögerungsgefahr, Sachgefahr, Leistungsgefahr“, Jura 2006, 829-833 und „Die Gegenleistungsgefahr“, Jura 2007, 110-114

Einzelnachweise

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  1. Münchener Kommentar/Ernst, 12. Aufl. 2012, § 275 Rn. 1.
  2. Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 473.
  3. Münchener Kommentar/Ernst, 12. Aufl. 2012, § 275 Rn. 13; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 464.
  4. Vgl. BGHZ 83, 293, 300; BGHZ 107, 92, 102; Münchener Kommentar zum BGB/Grundmann, 12. Aufl. 2012, § 276 Rn. 180
  5. Ausführlicher in: Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 414; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 457 mit Besprechung einer Ausnahme in BGH NJW 2011, 756.
  6. Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 275 Rn. 18.
  7. Westermann/Bydlinski/Weber, BGB - Schuldrecht AT, 6. Aufl 2007, Rn. 7/14.
  8. Nomos-Kommentar BGB/Dauner-Lieb, § 275 I Rn. 34.
  9. Beispiele angelehnt an Hütte/Hütte, Schuldrecht AT, 7. Aufl. 2012, Rn. 378.
  10. Hütte/Hütte, Schuldrecht AT, 7. Aufl. 2012, Rn. 389; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl 2012, Rn. 418.
  11. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 418; Jauernig/Stadler, 14. Aufl. 2011, § 275 Rn. 8.
  12. Eingehend in Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 441, 442 behandelt.
  13. Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 275 Rn. 11, 13.
  14. Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Auflage 2012, Rn. 471.
  15. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 421.
  16. Westermann/Bydlinski/Weber, BGB Schuldrecht AT, 7. Aufl. 2010, Rn. 7/14.
  17. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 424.
  18. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 424; Westermann/Bydlinski/Weber, BGB Schuldrecht AT, 7. Aufl. 2010, Rn. 7/17.
  19. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, 6. Aufl. 2005, Rn. 483.
  20. Beispiel RGZ 57, 116 in Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 478.
  21. Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 36. Aufl. 2012, § 22 Rn. 20.
  22. BT-Drucksachen 14/6040, S. 130.
  23. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 426; Westermann/Bydlinski/Weber, BGB Schuldrecht AT, 7. Aufl. 2010, Rn. 7/24.
  24. Westermann/Bydlinski/Weber, BGB Schuldrecht AT, 7. Aufl. 2010, Rn. 7/23; Palandt/Grüneberg, 71. Aufl. 2012, § 275 Rn. 30; Jauernig/Stadler, 14. Aufl. 2011, § 275 Rn. 30; a.A. z.B. Scholl, Jura 2006, 283, 286.
  25. Westermann/Bydlinski/Weber, BGB Schuldrecht AT, 7. Aufl. 2010, Rn. 7/27; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 482.
  26. Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 482 siehe „Vertiefung“; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 426; Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 36. Aufl. 2012, § 22 Rn. 23.
  27. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 427.
  28. Ausführlich in Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 20. Aufl. 2012, Rn. 435 ff.