Das ehemalige Torhaus des Konzentrationslagers Niederhagen. Es wurde nach dem Krieg umgebaut und wird heute als Wohngebäude genutzt.

Das KZ Niederhagen war ein deutsches Konzentrationslager am Ortsrand von Büren-Wewelsburg in Nordrhein-Westfalen. Die Häftlinge wurden ab Mai 1939 als Zwangsarbeiter für den Ausbau der Wewelsburg eingesetzt, die nach Plänen Heinrich Himmlers nach dem „Endsieg“ ein ideologisch-religiöses Zentrum seiner Schutzstaffel (SS) werden sollte. Die ersten Häftlinge stammten aus dem KZ Sachsenhausen, später wurde das Lager Außenlager des KZ Buchenwald, bevor es am 1. September 1941 das kleinste selbstständige Konzentrationslager des Deutschen Reiches wurde. Am 1. Mai 1943 wurde Niederhagen als eigenständiges KZ weitgehend aufgelöst und blieb – mit stark herabgesetzter Häftlingszahl – noch bis Kriegsende ein Außenlager des KZ Buchenwald.

Zu den insgesamt rund 3.900 Häftlingen zählten Bibelforscher, politische Häftlinge, „Zigeuner“, Homosexuelle, Juden, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Polen, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei, Frankreich, den Niederlanden und Belgien. Fast ein Drittel von ihnen überlebte die Haft nicht. Nachgewiesen ist der Tod von 1.285 Häftlingen. Sie starben an Hunger, Kälte, Krankheiten und den Folgen von Misshandlungen. Im Jahr 1942 wurde ein lagereigenes Krematorium gebaut.

Vorgeschichte

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Der Ostflügel der Wewelsburg, rechts der Nordturm.

Schon im Jahr 1934 hatte Heinrich Himmler, der Reichsführer der nationalsozialistischen Eliteorganisation SS, die Wewelsburg vom damaligen Kreis Büren angemietet. Zuerst ließ er dort die SS-Schule „Haus Wewelsburg“ errichten, in der SS-Wissenschaftler pseudowissenschaftliche Zweckforschungen betrieben, um die SS-Ideologie zu untermauern. Später verdichteten sich Himmlers Ideen, die Burg und vor allem deren Nordturm zum ideologischen Zentrum seines Ordens auszubauen. Geplant war eine monumentale Anlage mit einer kreisförmigen Ummauerung und dem Nordturm der Burg als Zentrum. Die Ausmaße der Anlage waren auf fast einen Kilometer angelegt, sodass das Dorf Wewelsburg hätte weichen müssen. Die Arbeiten an der Burg begannen schon 1934. Zunächst wurden sie durch den Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) durchgeführt, später sorgte dafür der Reichsarbeitsdienst (RAD). 1936 wurde die „Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e. V.“ gegründet, die sich durch Spenden und Kredite finanzierte. Die Gesellschaft, als deren Vorsitzender Himmler und als Geschäftsführer Oswald Pohl fungierte, sorgte für die Finanzierung des vom SS-Architekten Hermann Bartels geleiteten Umbauunternehmens.

Geschichte

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Seit 1938 ließ Hitler entlang der Westgrenze des Deutschen Reiches den sogenannten Westwall errichten. Für dieses Vorhaben wurde der Reichsarbeitsdienst eingesetzt, was an der Wewelsburg zu einem Mangel an Arbeitskräften führte. So verfiel Himmler darauf, KZ-Häftlinge für seine Vorhaben einzusetzen. Die ersten Häftlinge, sogenannte „Berufsverbrecher“ („BV“-Häftlinge) aus dem KZ Sachsenhausen, kamen im Mai 1939 in Wewelsburg an. Sie wurden in einem Zelt unterhalb des Burgbergs untergebracht und errichteten von dort aus ein Außenlager des KZ Sachsenhausen mit zwei Häftlings- und einer Baracke für die SS-Wachmannschaften (sogenanntes „Kleines Lager“). Doch schon mit dem 1. September 1939, an dem mit dem deutschen Angriff auf Polen der Zweite Weltkrieg begann, mussten die Arbeiten vorerst als kriegsunwichtig abgebrochen werden. Das Häftlingskommando kehrte nach Sachsenhausen zurück.

Erst nach dem Sieg über Polen (6. Oktober 1939) wurde die Arbeit mit neuen KZ-Häftlingen wieder aufgenommen. Abermals wurden BV-Häftlinge aus Sachsenhausen herangeschafft, die am 12. Dezember 1939 ankamen. Die Führung dieses Kommandos erhielt SS-Untersturmführer Wolfgang Plaul. Nach zwei Fluchtversuchen im Mai 1939 und im Januar 1940 wurden die BV-Häftlinge im Februar 1940 gegen 250 Ernste Bibelforscher ausgetauscht, d. h. Zeugen Jehovas, die dafür bekannt waren, keine Fluchtversuche zu unternehmen.

Die neuen Häftlinge errichteten nun ein neues Lager in einer Gemarkung mit dem Namen Niederhagen, einem 2,87 Hektar großen Gebiet am Ortsrand von Wewelsburg. Seit Herbst 1940 wurden weitere Häftlinge nach Wewelsburg verlegt, nun auch solche anderer Kategorien (zunächst vor allem „Asoziale“), sodass nun etwa 470 Menschen in Niederhagen inhaftiert waren.[1] Am 7. Januar 1941 wurde das Außenkommando Wewelsburg als Außenlager offiziell dem KZ Sachsenhausen untergeordnet. Als die „Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e. V.“ in finanzielle Probleme geriet, kaufte der Staat das Lager am 1. September 1941, wodurch es als Konzentrationslager Niederhagen zu einem selbstständigen Hauptlager umfunktioniert wurde. Mit der Bezeichnung „Niederhagen“ wollte Himmler vermutlich verschleiern, dass das Lager mit seinem privaten SS-Bauprojekt Wewelsburg in Zusammenhang stand. So tauchte der Name Wewelsburg in offiziellen Dokumenten zum Lager nicht auf.[2]

Behandlung der Häftlinge

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Die Gestapo nutzte das KZ auch als Exekutionsstätte, es wurden hier auf Befehl Heinrich Himmlers insgesamt 56 Menschen, darunter Frauen und Kinder, aus Westfalen-Lippe hingerichtet.

Die Quellensituation für das Lager gestaltet sich als schwierig. Amtliche Dokumente des NS-Staates sind größtenteils verloren gegangen.[3] Hauptquelle für die Geschichte des Konzentrationslagers sind heute die Unterlagen und Prozessakten des zweiten Wewelsburger Gerichtsprozesses, in dem 1970/71 zwei ehemalige SS-Wächter des Konzentrationslagers sowie zwei ehemalige Kapos angeklagt waren. Eine weitere wichtige Quelle bieten von Wissenschaftlern und Privatforschern durchgeführte Interviews mit ehemaligen Häftlingen. Derartige Oral-History-Interviews wurden vor allem mit der Häftlingsgruppe der „Ernsten Bibelfoscher“ durchgeführt, die deshalb auch am besten erforscht ist. Auch die Wewelsburger Dorf- und Pfarrchronik sind zusätzliche Parallelquellen, die vor allem die Sicht der Dorfbewohner auf die Tätigkeiten der Nazis in Wewelsburg und das Konzentrationslager zeigen.[4]

Literatur

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  • Karl Hüser, Wulff Eberhard Brebeck: Wewelsburg 1933–1945. Das Konzentrationslager. Überarbeitet von Kirsten John-Stucke. 4. Auflage. Westfälisches Landesmedienzentrum, Münster 2002 (= Reihe: Dokumente der Zeitgeschichte, Heft 5; Überblick).
  • Karl Hüser: Wewelsburg 1933–1945, Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation. Redaktion und Einführung von Wulff Eberhard Brebeck. 2., überarb. Auflage. Bonifatius-Druckerei, Paderborn 1987, ISBN 3-87088-534-3, insbes. S. 73–128 (= Reihe: Schriftenreihe des Kreismuseums Wewelsburg, Band 1).
  • Kirsten John-Stucke: „Mein Vater wird gesucht...“. Häftlinge des Konzentrationslagers in Wewelsburg. Klartext-Verlag, Essen 2001, ISBN 3-88474-542-5 (= Historische Schriften des Kreismuseums Wewelsburg, Band 2).
  • Kirsten John-Stucke: Konzentrationslager Niederhagen/Wewelsburg. In: Jan Erik Schulte (Hrsg.): Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933–1945. Zentrale Steuerung und regionale Initiative. Schöningh, Paderborn 2005, ISBN 3-506-71743-X, S. 97–111.
  • Kirsten John-Stucke: Konzentrationslager Niederhagen/Wewelsburg. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel: Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 7: Niederhagen/Wewelsburg. Lublin-Majdanek. Arbeitsdorf. Herzogenbusch (Vught). Bergen-Belsen. Mittelbau-Dora. C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-52967-2, S. 15–29.
  • Andreas Ruppert, Wulff Eberhard Brebeck: Wewelsburg. In: Joachim Meynert, Arno Klönne (Hrsg.): Verdrängte Geschichte. Verfolgung und Vernichtung in Ostwestfalen 1933–1945. AJZ Verlag, Bielefeld 1986, ISBN 3-921680-55-7.
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Anmerkungen

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  1. Stärkemeldung vom 7. Januar 1941, Archiv Gedenkstätte Sachsenhausen, LAG XV 10.
  2. So vermutet John-Stucke, in: Benz, Distel, Der Ort des Terrors, Bd. 7, S. 19.
  3. Die Neue Westfälische vom 2. Februar 1971 berichtet, eine Wewelsburger Bäuerin habe die Akten, die zuvor in Kisten auf ihrem Hof gelagert worden seien, vor Beginn des zweiten Wewelsburger Prozesses 1970/71 verbrannt. Vgl. auch John, „Mein Vater wird gesucht...“, S. 8 mit Anm. 30.
  4. Zur Quellenlage siehe John-Stucke, „Mein Vater wird gesucht...“, S. 8–12.

Niederhagen Kategorie:Büren (Westfalen)