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Wohin Wikipedia? |
«Wikipedia ist eben nur auf den ersten Blick eine »anarchische« Sache. Sie nutzt geschickt die kleinen Schwächen der Menschen für das gemeinsame Gute, macht die Eitlen zu Autoren und die Putzsüchtigen zu Hausmeistern. Das größte Gemeinschaftswerk der Menschheit braucht gute Kleingeister.»
Quelle: Christoph Drösser, Götz Hamann: Die Guten im Netz. DIE ZEIT, 13.1.2011
Ob man zu Eitlen oder den Putzsüchtigen gehört: am Ende entscheidet der Leser!
Ich wünsche mir, dass die Rechte des Lesers und Nutzers gestärkt werden.
Ich wünsche mir: freies und verlässliches und verständliches Wissen!
Von ebay-Verkäufern oder von amazon-Rezensionen her ist das Konzept der Bewertungen durch Kunden bzw. Leser geläufig. Kunden und Leser können ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit ausdrücken - ein enormer Ansporn für die Bewerteten! Und im Einzelfall sicher eine ungemeine Ersparnis an Ärger bzw. ein immenser Zeitgewinn für den nächsten Kunden bzw. Leser. Deshalb: warum nicht neben jedem Hauptabschnitt eines Wikipedia-Artikels einen Knopf, um etwa
- den Inhalt (fachliche Korrektheit, Vollständigkeit, Neutralität),
- die Verständlichkeit (Sprache, Gliederung),
- die Form (Stil, Orthografie, Redundanzen)
zu bewerten? Hätte das nicht auch unglaublichen Aufforderungscharakter für die Autoren? Dieses Potential bleibt bislang bei Wikipedia ungenutzt. Kratzt es womöglich am Selbstverständnis der Wikipedianer, wenn durch mehr oder weniger leuchtend gelbe Sterne neben einer Kapitelüberschrift offenkundig würde, dass die Qualität von Wikipedia-Artikeln nicht durchgängig gut ist?
Zudem: würden Leser womöglich kritischer, wenn Qualitätsunterschiede sichtbar würden? Und insbesondere vorsichtiger, wenn ein Artikel mal nicht so gut abschneidet? Wikipedia ist heute bereits oft genug die einzige und letzte Anlaufstelle, um Wissen zu tanken. Sind wir bereit, diese Verantwortung zu tragen?
Sobald unsere Leser die Qualität von Artikeln bewerten, kann man Qualitätssteigerung messen. Ich wünsche mir, dass ein Bonuspunktesystem für Verbesserungen an bestehenden Wikipedia-Artikeln die schnöden Edit-Counter ersetzt! Ich wünsche mir eine Qualitäts-Initiative, die das Ausmaß einer 'Bewegung' annimmt! Vielleicht könnten gar verlorene Wikipedia-Autoren zurückgewonnen werden, wenn inhaltlich-fachliche Leistung transparent und damit gewürdigt würde?
So wie ein Benutzer einen Artikel auf seine Beobachtungsliste setzen kann, kann er sich zukünftig als fachlicher Artikel-Mentor eines Artikels registrieren. Auf der Artikelseite wären die Artikel-Mentoren verzeichnet. Ein Leser, der sich um die Zuverlässigkeit eines bestimmten Wikipedia-Artikels sorgt, könnte dann beispielsweise der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen, wann zuletzt einer der fachlichen Mentoren des Artikels den Artikel gesichtet hat (und was sich seitdem geändert hat). Oder er könnte bei einer fachlichen Frage zum Artikel einen der Mentoren ansprechen. Wikipedia bekäme ein Gesicht! Ein Wikipedia-Artikel erhielte eine Art Redaktionsteam, dass sich für diesen Artikel zuständig fühlt. Bei Diskussionsbedarf könnten Autoren andere Autoren ansprechen und um ihre Stellungnahem bzw. Mitwirkung bitten. Vielleicht würde man für die fachlichen Artikel-Mentoren sogar eine Mailingliste einrichten...?!? Für fachliche Artikel-Mentoren sollte es mithin selbstverständlich sein, per Wikipedia-Mail-Werkzeug erreichbar zu sein (was man leider nicht für alle Autoren behaupten kann.) Ich wünsche mir, auch solche Menschen als fachliche Artikel-Mentoren mit einzubinden zu können, die nur sporadisch oder nie in ihre Beobachtungsliste schauen. Anfragen auf Diskussionsseiten laufen oft erschreckend ins Leere! Wo bleibt die Legitimation von redaktionellen Entscheidungen in der Artikelarbeit, wenn diese auch in wichtigen Fällen oft nur von einzelnen getroffen wird? Wenn es nicht nur um raus oder rein, sondern um inhaltliche oder didaktische Fragen geht, wird dieser Aspekt wichtiger werden.
Eine geringe Zahl von Mentoren ließe sich aus der Perspektive eines Lesers als Hinweis auf einen u.U. nicht so zuverlässigen Artikel deuten. Käme eine geringe Zahl von Mentoren aus der Sicht eines Fach-Experten - ob nun schon Wikipedia-Autor oder nicht - nicht sogar einer Aufforderung gleich, sich hier zu beteiligen?
Man könnte sich zudem vorstellen, dass nur Autoren, die ihren Klarnamen angeben, als fachliche Artikel-Mentoren arbeiten dürfen. Für Fachexperten aus Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Verwaltung stellte dies womöglich einen entscheidenden Anreiz dar, sich trotz ihrer knappen Zeit in der Wikipedia zu engagieren: wenn sie mit Menschen mit Gesicht zusammenarbeiten würden. Ich könnte mir vorstellen, dass viele dieser Menschen ungern (vorwiegend) mit "Lustigen Seth's", "grauen Wölfen" oder "HyDi's" zusammenarbeiten mögen... Für den einen wäre es ein Statement von Zivilcourage, für einen anderen vielleicht eine ehrenamtliche Tätigkeit, die er sogar im Lebenslauf angeben würde? Die Zeit der Early Adopters, der "Nerds", die Wikipedia groß gemacht haben, ist - 10 Jahre nach der Gründung - endgültig vorbei. Der schnelle Ruhm, den es einbrachte, Artikel zu Stichworten von Relevanz aus der Taufe zu heben - perdú.
Wenn es richtig ist, dass Wikipedia wachsen muss und noch viel besser werden muss: misst Wikipedia heute Wissensträgern den Wert bei, der ihnen zukommt? Erhalten Fach-Autoren heute die Wertschätzung, die sie mit Stolz erfüllen würde? Werten wir Wikipedia auf!
Wieso kann ich auf Wikipedia keine Fotos / Grafiken / Filme beitragen, ohne sie gleichzeitig auch zur kommerziellen Verwertung freizugeben? So haben sich beispielsweise 2014 einige Nutzern der Foto-Community flickr ziemlich geärgert, als Eigentümer Yahoo ihre Bilder als Leinwand-Drucke vermarktete - und den gesamten Erlös für sich behielt [siehe Süddeutsche Zeitung]. Das war zwar rechtlich korrekt, aber die Nutzer fühlten sich trotzdem übervorteilt. Beim Hochladen von Bildern in die Wikipedia hat der Benutzer noch nicht einmal eine Alternative: er wird gezwungen, jedermann auf der ganzen Welt zu erlauben, mit seinem geistigen Eigentum Profit zu machen. Warum? Etliche Menschen in meinem Bekanntenkreis würden erst dann Medien zu Wikipedia beitragen, wenn diese Einschränkung fallen würde. Ich wünsche mir daher, dass man beim Hochladen zukünftig die Möglichkeit erhält, ein Medium unter die Lizenz Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen (BY-NC-SA) zu stellen. Ich bin überzeugt, dass
- Wikipedia auf diese Weise deutlich stärker wachsen würde;
- das Bewusstsein für Wichtigkeit, gemeinsam freie Medien zu entwickeln, die jedermann eine Nutzung und Bearbeitung ohne Abhängigkeit von kommerziellen Anbietern gestatten, gestärkt würde.
Insbesondere: die ganze Diskussion über die Neuregelung der Panoramafreiheit durch das Europäische Parlament - sie würde sich erübrigen, denn die nicht-kommerzielle Verwendung ist - Überraschung! - natürlich vorgesehen und gestattet. Wikipedia-Artikel könnten wie bisher mit Fotos aus dem öffentlichen Raum bebildert bleiben bzw. werden.
Die Schwelle zum Rowdytum ist doch dort niedrig, wo keine Konsequenzen zu befürchten sind. Auf Wikipedia wünsche ich mir eine Autorengemeinschaft mit Gesicht. Menschen, die verletzt wurden oder sich verletzlich fühlen, und auch Wikipedia-Administratoren sollen meinetwegen gern ein Pseudonym verwenden. Aber sollte es - angesichts der heute universalen Nutzung der Wikipedia und des Vertrauens, das ihre Leser ihr entgegenbringen - nicht prinzipiell möglich sein, die Identität eines Autors - bei Bedarf - festzustellen? Sollte dies nicht zumindest für Wikipedia-Administratoren und fachliche Artikel-Mentoren selbstverständlich sein? Dazu müsste die Identität gar nicht öffentlich werden - ich könnte mir vorstellen, dass es schon das Verantwortungsbewusstsein eines Autors erhöhte, wenn nur die Wikimedia Foundation seine Identität feststellen könnte...
Die Internet-Handelsplattform Amazon z.B. versichert sich der Identität seiner angegliederten Verkäufer über die Angabe einer Telefonnummer. Die Korrektheit dieser Nummer wird in Minutenschnelle dadurch überprüft, dass der Verkäufer einen automatischen Telefonanruf erhält, in dem eine Computerstimme ihn dazu auffordert, die auf dem Bildschirm angezeigte PIN über die Tastatur des Telefons einzugeben. So kann Amazon im Bedarfsfall die Identität eines Verkäufers leichter in Erfahrung bringen, während der Verkäufer weiterhin unter einem Pseudonym auftreten kann. Auch mittels Post-Ident-Verfahren könnte die Wikimedia-Foundation die Identität eines Wikipedia-Autors feststellen.
Zudem sollte jeder Wikipedia-Autor ermuntert werden, auf seiner Benutzerseite etwas über sich zu erzählen. Ein Wikipedia-Leser sollte die Möglichkeit haben zu schauen, wer da das Wissen bereitstellt, auf das er sich im Zweifelsfall verlassen können will. Es geht um Vertrauen. Öffnen Sie E-Mails von Absendern, die Sie nicht kennen?
Wikipedia: auf dem Weg vom Piraten-Projekt in die Mitte der Gesellschaft!
PS: Apropos "die kleinen Schwächen der Menschheit": Die 1000 meist geklickten Artikel in der Wikipedia im April 2013 holen einen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück... ;-)