Bildungsobleute (IG Metall)

Bildung als Machtfaktor

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Ende der fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis !972 gab es in der Gewerkschaft der IG Metall eine Diskussion über das Projekt der "betriebsnahen Bildungsarbeit" durch ehrenamtliche Bildungsobleute. Die Gewerkschaft wollte durch politische Schulung von aktiven Mitgliedern, den sogenannten Vertrauensleute, im Betrieb mehr Macht und Einfluss für Tarifverhandlungen und betriebliche Auseinandersetzungen gewinnen. Die Bildungsarbeit wurde mit der betrieblichen Gewerkschaftspolitik eng verzahnt. Anknüpfungspunkte gab es zu den Anfängen der Arbeiterbewegung, die durch Bildungvereine und den Vorstellungen von Wilhelm Liebknecht nach dem Motto der Aufklärung "Wissen ist Macht - Macht ist Wissen" die Arbeiter politisch qualifizieren wollten. Die Bildungsoffensive wurde auch durch den Zeitgeist und durch die 68er-Bewegung geprägt. 1965 wurde diese Bildungsarbeit auch vom IG-Metall-Gewerkschaftstag offizell beschlossen. In Betrieben mit über 100 Beschäftigte sollten Bildungsobleute gewählt werden, die in Zusammenarbeit mit den Vertrauensleutekörpern und den Verwaltungsstellen der IG Metall die betriebliche und örtliche Bildungsarbeit organisieren sollten. Da es für diese Mitglieder nur begrenzte Freistellungsmöglichkeiten von der Arbeit gab, wurden die Schulungen am Wochenende oder nach Feierabend in unmittelbarer Nähe des Betriebes durchgeführt. Die Ausbildung der betrieblichen Bildungsobleute hatte einen Umfang von neuen Wochen (ein 1-wöchiges, ein 2-wöchiges und ein 6-wöchiges Seminar). Es wurden regionale Referentenarbeitskreise aufgebaut, insgesamt die regionale Bildungsarbeit auf ehrenamtliche Füße gestellt. Die Bildungsarbeit nahm betriebliche Konflikte zum Ausgangspunkt, um dann gesellschaftliche, ökonomische und politische Ursachen für die Lage der Beschäftigten zu erarbeiten. Insgesamt kann die damalige Debatte und auch Umsetzung unter den Stichworten "Demokratisierung der Wirtschaft", "betriebsnahe Tarifpolitik (Lohn und Leistung)", "aktive Vertrauensleutearbeit", "Mitbestimmung am Arbeitsplatz" zusammengefasst werden. Eine wichtige Grundlage lieferte das Buch von Oskar Negt: Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen. Zur Theorie der Arbeiterbildung. Negt wandte sich in seinem Buch radikal an die Basis der Gewerkschaften - den organisieren und nichtorganisierten Beschäftigen als dem eigentlichen Subjekt der Bildungsarbeit. Von dem ursprünglichen Ziel, nämlich mindestens 6.000 Bildungsobleute in den Betrieben zu wählen, war die IG Metall im Jahr 1972 weit entfernt. Zwischen 1966 und 1972 absolvierten rund 1.500 Teilnehmer ein Bildungsobleute I-Seminar und 400 IG-Metaller haben einen den 6-Wochen-Kursen teilgenommen. Es wurde in den Betrieben viele Tausend Mitglieder geschult, aber eine fächendeckende Bildungsarbeit wurde vor Ort nicht erreicht. [1][2]

Mitgliederbeteiligung

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Der Hintergrund der Bildungsarbeit war der Mitgliederrückgang in der Gewerkschaft in der Betrieben und eine geringere Bereitschaft Konflikte offensiv auszutragen, denn die Betriebsräte als Entscheidungsträger aller Beschäftigten sind nach Betriebsverfassungsgesetz zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung verpflichtet. Viele Betriebsräte betreiben auch Co-Management und die Funktionärsschulung war danach ausgerichtet. Die Bildungsarbeit der Gewerkschaften spiegelte immer schon die Auseinandersetzungen um das gewerkschaftspolitische Selbstverständnis, die Ziele und Strategien wieder. Die heutige inhaltliche Ausrichtung der Bildungsarbeit in der IG Metall ist in der sechziger Jahre entstanden. Geprägt war sie von gewerkschaftlichen Kräften um den damaligen Vorsitzenden Otto Brenner und dem damaligen für Bildungsarbeit zuständigen Vorstandsmitglied Heinz Dürrbeck. [3]

Konflikte zwischen Betriebsräte und Vertrauensleute

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Das sichtbarste äußere oder bauliche Zeichen dieses Aufbruchs in der IG Metall war die Eröffnung des Bildungszentrums Sprockhövel in Nordrhein-Westfalen NRW. In NRW und damit im unmittelbaren Umfeld der Bildungsstätte lebten und arbeiteten damals etwa ein Drittel aller IG Metall-Mitglieder. Die Bildungsstätte umfasst acht Seminareinheiten und hat Platz für etwa 240 Teilnehmer und schaffte die Voraussetzungen für die Schulung der Bildungsobleute.

Die massenhafte Stärkung der Vertrauensleutearbeit und die Schaffung von Bildungsobleuten war in der IG Metall nie unumstritten. Zuviel Basisdemokratie und eine kritische Haltung auch der eigenen Führung und den Betriebsratsvorsitzenden gegenüber wurde in der IGM auch als Gefahr angesehen. Besonders Arbeitsdirektoren der IG Metall äußerten sich kritisch, sahen eine Konkurrenz zu den Betriebsräten und warnten vor wilden Streiks. Nach ihrer Auffassung sollten sich Vertrauensleute den Mitbestimmungsträger unterordnen und Helfer der Betriebsräte sein. Diese Stimmung übertrug sich auf viele Hauptamtliche und betriebliche Entscheidungsträger..[4] Die Ausbildung von Bildungsobleuten wurde 1972 eingestellt und die Vertrauensleutearbeit zunehmend der Betriebsrätearbeit untergeordnet. 1972 bekam auch Heinz Dürrbeck einen anderen Vorstandsbereich zugeordnet.

Heute werden Teile der Bildungsobleute-Seminare im Rahmen US-amerikanischen Organizing-Konzeptionnen revitalisiert bzw. wieder aufgriffen wie Kommunikation, Konfliktorienierung und die Kritik gewerkschaftlicer Stellvertreterpolitik.[5]

Literatur

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  • Stefan Müller: Linker Abbruch in der IG Metall-Bildungsarbeit in den 1960er Jahren, in: Marcel Bois, Bernd Hüttner (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte einer pluralen Linken, Heft 1, Luxemburg Papers, Berlin 2010, S. 47 -50
  • Stefan Müller: Gewerkschafter, Sozialist und Bildungsarbeiter. Heinz Dürrbeck (1912–2001). Klartext, Essen 2010, ISBN 978-3-8375-0201-5
  • Oskar Negt: Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen. Zur Theorie der Arbeiterbildung. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1971, ISBN 3 434 10039 3. 3. Auflage der überarbeiteten Neuausgabe von 1972
  • Udo Achten: Flächentarifvertrag & betriebsnahe Tarifpolitik. Vom Anfang der Bundesrepublik bis in die 1990er Jahre, VSA:Verlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-89965-224-6

Einzelnachweise

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  1. Stefan Müller: Gewerkschafter, Sozialist und Bildungsarbeiter. Heinz Dürrbeck (1912–2001). Klartext, Essen 2010, S. 332-333
  2. Stefan Müller: Linker Abbruch in der IG Metall-Bildungsarbeit in den 1960er Jahren, in: Marcel Bois, Bernd Hüttner (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte einer pluralen Linken, Heft 1, Luxemburg Papers, Berlin 2010, S. 47 -50
  3. Stefan Müller: Linker Abbruch in der IG Metall-Bildungsarbeit in den 1960er Jahren, in: Marcel Bois, Bernd Hüttner (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte einer pluralen Linken, Heft 1, Luxemburg Papers, Berlin 2010, S. 47 -50
  4. Stefan Müller: Gewerkschafter, Sozialist und Bildungsarbeiter. Heinz Dürrbeck (1912–2001). Klartext, Essen 2010, S. 367-368
  5. Stefan Müller: Linker Abbruch in der IG Metall-Bildungsarbeit in den 1960er Jahren, in: Marcel Bois, Bernd Hüttner (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte einer pluralen Linken, Heft 1, Luxemburg Papers, Berlin 2010, S. 50