Titel: Nuancierte Wahrheitsordnungen? Systemische Konkurrenz am Beispiel der community-basierte Content Moderation der Wikipedia
Beantragende Forscherin: Christina Dinar Koordination: Matthias C. Kettemann
Wikipedia ist unter den größten Websiten der Welt, die Einzige, die gemeinnützig ist. Bezeichnend dafür ist, dass sie nur durch Spenden finanziert wird und selbstbestimmt durch partizipative Prozesse der Community verwaltet wird. Die Online-Enzyklopädie scheint den Medienwandel hin zu einem dynamischen Web 2.0 überdauert zu haben und verbleibt weiterhin ein hochfrequentierter und wichtiger Ort der Selbstinformation für Internetnutzer:innen. Wenig bekannt ist, wie hochwertig ihr ausschließlich auf freiwilligem Engagement basiertes Content Moderations System ist. Aus dem Wissen, was dort kollektiv und im Austausch mit sehr partizipativen Verfahren produziert wird, entsteht eine Basis für die Verhandlung des Begriff von Wahrheit bei User:innen (Wikipedianer:innen). Der Begriff dieser Wahrheit, erzeugt durch den inneren Austausch in dem System Wikipedia, beschreibt eine kollektive Annahme der Wissensproduktion, die Definition was Wahrheit ist, verbleibt aber unklar. Es soll Teil der Erhebung sein, die Nuanciertheit dieses Begriffes von Wahrheit innerhalb des Selbstregulierungssystems der Inhaltemoderation zu erfassen.
Erforschung von Wikipedia als inhärentes Konkurrenzsystem neuer Ordnungen von Wahrheit entlang der bestehenden normativen Prinzipien
Die Forschung soll die Plattform und ihre Generierung von Wahrheit durch die Moderation der Wissensproduktion erheben - insbesondere wie die community-basierten Inhalte entstehen und untereinander verhandelt werden. Zu diesem Aspekt gibt es bereits etablierte Forschungen, besonders zur Diskussionskultur. In dem Bereich von Inhaltsregulierungen und der Art und Weise wie z.B. Löschungen und auch Entscheidungen über die Sperrung von Nutzer:innenaccounts oder auch nutzer:innengenerierte Inhalte stattfinden, gibt es bisher wenig systematisch erhobene Studien. Insbesondere in der Frage, was davon in Richtlinien für eine nuancierte Content-Moderation genutzt werden kann, die sich an demokratischen Standards messen lassen kann. Dieser Aspekt der Beforschung von Wikipedia als ein kollektives System (vgl. Stegbauer 2009) in dem sich inhärent in Konkurrenz neue Ordnungen von Wahrheit entlang der bestehenden normativen Prinzipien entwickelt, wurde jedoch übersehen und soll in diesem Projekt besonders beleuchtet werden. Ausgewählte zentrale Akteure der Wissensproduktion und auch normativ-regulatorischen Ordnung der Wikipedia (wie Administrator:innen, Check-User:innen oder auch Bürokrat:innen) werden in qualitativen Interviews zu dem Bereich der systemischen Konkurrenz der Produktion von Wissen und folglich auch Wahrheitssystemen befragt. Hier sollen besonders die Grenzbereiche und ihre Verschiebungen in den Fokus genommen werden - denn insbesondere eines der wikipedianischen Leitprinzipien “Wissen entsteht durch Teilen” scheint auch Verweise auf die Wahrheitsproduktion und die kollektive Verankerung zu geben.
Zielerreichung und Einbindung in die Sondertatbestände und an die bestehende Strukturen am HBI
Der Sammlung weiterer Erfahrungen in den Feldern, in denen der geplante Sondertatbestand eine Erweiterung vorsieht, also vor allem den Formaten der Wissensgenerierung, der Wissenschaftskommunikation werden vom Antrag addressiert. Darüber hinaus dient der Antrag dazu, weitere Kompetenzen im Rahmen des Private Ordering Observatorys aufzubauen. Die Forschung soll im FP2: ”Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen“ stattfinden und dort die Bestrebungen weiter voranbringen, die sich mit Nischenkommunikationsräumen und auch weiteren alternativen digitalen und öffentlichen Räumen als Experimentierfelder von einer demokratisch-orientierten Praxis, wissenschaftlich auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang werden Felder erschlossen, die bisher in Wissenschaft und Policyentwicklung übersehen worden sind. Leitend ist hierbei die Erhebung und Begründung von Regelbildung, insbesondere die Ausbildung von Nuancierungen in diesem Feld.
Fragestellung:
Welcher Begriff von Wahrheit, welcher Begriff von Wissen wird verwendet? Wie wird Wahrheits und Wissensproduktion differenziert und erklärt? Welche Prinzipien der Wahrheit werden verhandelt? Welche Ordnungssysteme liegen vor? Was sind die Grenzbereiche und wo erfolgen innerhalb des Systems der Wikipedia Sanktionen? Hat diese Grenze sich verschoben- wenn ja, was sind die Merkmale und Begründungen der Befragten?
Titel: Regeldurchsetzung im Kontext von community-involvierten Social Media Plattformen - User:innengerichte und andere Beteiligungsformat als stabilisierendes Moment des “Ownerships” Beantragende Forscherin: Christina Dinar Koordination: Matthias C. Kettemann
Die Inhaltsmoderation von Plattformen hat Einfluß auf Nutzer:innen von Social Media Plattformen. Besonders wenn es eine enge Communityzusammenarbeit und eine erhöhte Identifikation mit der Plattform gibt, entstehen häufig Mechanismen, in der Communities die Regeln, die von den Plattformen kommen, aktiv übernehmen und mit durchsetzen. In dem Forschungsprojekt soll das Verhältnis von Identifikation mit der Plattform, Communitybeteiligung und ihr Verhältnis zum Durchsetzen von Regeln erforscht werden. Dabei soll die Perspektive der Plattformen, besonders der kleinen und Nischenplattformen und ihre Communitybereiche miteinbezogen werden und ihre Erfahrungen und Methoden in dem Bereich zusätzlich zur Auswertung verschiedener Studien hinzugezogen werden. Befragt werden soll 4 Plattformen aus dem Bereich der Nischen- und kleineren Plattformen, zu denen bereits im Superwahljahr Kontakt aufgebaut wurde. Im Zentrum steht dabei die Wirkungsentfaltung ihrer Community Arbeit in Bezug auf “Ownership”. Diese Art des “Ownership” wird als eine Identifikation beschrieben, die Forschung möchte diesen Begriff in Zusammenhang mit den Angeboten zur Communitybeteiligungen zusammen bringen und qualitativ erheben. So gibt es eine Vielzahl von Beteiligungsformaten wie User:innengericht, “Superuserstatus”, vertrauensvolle Hinweisgeber:innen (“trusted Flagger”) und Schiedsgerichte, die Beteiligung. In wie fern fördern diese vor-institutionellen Formen eine hohe Identifikation und Engagement mit der Plattform selbst? Unterstützen sie die Normdurchsetzung oder erzeugen sie Dissens zu bestehenden Communityregeln der Plattform. In wie fern stabilisierien sie die Momente der Identifikation und des “Ownerships” einer Plattform? Wann und wie ist der Regelzusammenhang mit den (privat-unternehmerischen) Plattform bindend? Wie relevant ist die Zusammenarbeit mit der Plattform selbst? Diese Fragen sollen in der Erhebung erforscht werden und einen ersten Überblick über die Entwicklung von Ownership auf community-involvierten Social Media Plattformen geben und so auch besonders neue Perspektive in die bestehende Forschung über Communitys einbringen.
Zielerreichung und Einbindung in die Sondertatbestände und an die bestehende Strukturen am HBI
Der Sammlung weiterer Erfahrungen in den Feldern, in denen der geplante Sondertatbestand eine Erweiterung vorsieht, also vor allem den Formaten der Wissensgenerierung, der Wissenschaftskommunikation werden von Antrag adressiert. Darüber hinaus dient der Antrag dazu, weiteren Kompetenzen im Rahmen des Private Ordering Observatorys aufzubauen. Die Forschung soll im FP2: ”Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen“ stattfinden und dort die Bestrebungen weiter voranbringen, die sich mit Nischenkommunikationsräumen und auch weiteren alternativen digitalen und öffentlichen Räumen als Experimentierfelder von einer demokratisch-orientierten Praxis, wissenschaftlich auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang werden Felder erschlossen, die bisher in Wissenschaft und Policyentwicklung übersehen worden sind. Leitend ist hierbei die Erhebung und Begründung von Regelbildung, insbesondere die Rolle von Communities und die Art und Weise wie sie im Rahmen verschiedenen Regelbildungskonzepte wie das User:innen Gericht eingebunden wird.
Fragestellung:
Welche Arten der Identifikation und Beteiligung von Communitys gibt es und in wie fern unterstützen sie die Entwicklung und Durchsetzung von Regelbildung?