Die Entstehung von Mittelbach



Das Gebiet unserer engeren Heimat ist mit grosser Wahrscheinlichkeit bis ins 6. Jahrhundert unbesiedelt gewesen. Erst um diese Zeit drangen zunehmend Siedler von Osten her in diese Gegend vor. Sie nahmen jedoch keinen festen Wohnsitz, weil die Wälder nahezu undurchdringlich und der Boden sumpfig waren. Ihr Aufenhalt lässt sich noch heute einer Reihe geographischer Bezeichnungen nachweisen, die von den späteren deutschen Siedlern übernommen wurden. Namen wie Chemnitz (Steinbach), Pleißa (Sumpf, Teich), Würschnitz, Zwönitz und Oelsnitz sind rein slawischer Abstammung. Unser Raum wurde indessen schon damals von Handelswegen durchquert. Neben dem Hauptweg von Merseburg über Altenburg, Chemnitz nach Prag Führten schon Saumpfade über das heutige Totenstein Gebiet. Auch von Altenburg über Wüstenbrand, Jahnsdorf, Thum ins Böhmische soll ein Weg bestanden haben. Allmählich drängten die deutschen Stämme jedoch weiter ostwärts. Die Gründung der Burg Meißen (929) war dabei eine wesentliche Stütze für die Expansionsbestrebungen. Durch den Sieg König Heinrich 1. über den Stamm der Daleminzier wurden die Slawen dieser Gegend unterworfen und der Oberhoheit des deutschen Kaisers unterstellt. Die Undurchdringlichkeit dieses urwaldähnlichen Gebiets hatte zur folge, dass die Besiedlung durch Deutsche, vorwiegend aus dem Fränkischen und Thüringischen, fast noch 200 Jahre auf sich warten ließ. Die Tatsache, dass nachgeborene Bauern- und Rittersöhne im deutschen Altland kein eigenes Land und damit keine Existenz besassen, nutzen die deutschen Feudalherren und boten ihnen Land zur Rodung und Nutzung in diesem Gebiet zwischen Mulde und Chemnitz an. Das Alles geschah im Zeitraum von 1160 - 1200. Dieser hochmittelalterlichen Kolonisationszeit verdanken nahezu alle Dörfliche - bäuerlichen Siedlungen ihr Entstehen. Möglicherweise gilt es auch für Mittelbach. Da es jedoch nicht verbürgt ist, muss als Gründungsjahr für Mittelbach das Jahr 1331 gelten. in einer Urkunde von 02.06.1331 wird es erstmals erwähnt und festgelegt, dass in Mittelbach ein Kretscham (Gasthof) sein darf. 8000 Siedlerfamilien sollen damals in wenigen Jahrzehnten in diese Gegend um Mulde und Chemnitz gekommen sein. Gefördert wurde diese Besiedlung, indem die Feudalherren den Bauern persönliche Freiheit zusicherten und für die zehn Jahre keine Abgaben abforderten. Die Besiedlung erfolgt steht ´ s an Flussläufen. Das zugewiesene Land (Hufe) erstreckte sich quer zum Gewässer. Diese Anordnung der Felder hat sich über die Jahrhunderte erhalten. Solche Dörfer nennt man Waldhufer Dörfer. Auch Mittelbach ist ein typisches Beispiel dafür. Jeder neue Einwanderer siedelte sich wieder oben oder unten an, jeder hatte Anteil an Wasser, Wiese, Ackerland und Wald. Das Land zwischen den Gütern am Bach war gemeinsames Eigentum, "Gemeindeland" oder "Anger". Der Ortsname gründet sich mit grosser Wahrscheinlichkeit darauf, das die errichteten Bauernhäuser am mittleren von drei Bächen standen. Die Besiedlung unser Gegend war eine Auswirkung des Bestehens , das deutsche Reich nach Osten auszuweiten. Der Boden wurde den Markgrafen zu Leben gegeben und blieb Eigentum des Kaisers. Dieser setzte Ritter ein, die das Land verwalten mussten (Reichsministeriale). In unserem Heimatgebiet war es die Herrschaft Wartha, die sich nach der Gründung einer Burg in Waltenburg die "Herrschaft von Waltenburg" nannte. Ihnen wurden Ämter und Güter als Leihen übertragen. Sie stiegen dadurch in den Rang des niederen Adels auf und übten Gerichtsbarkeit und die Vogtei über das Gebiet aus. Darunter versteht man die Schutzherrschaft über Kirche und Klöster gehöhrenden Dörfer und Güter. Die Burg Rabenstein, die bis 1375 Waldenburg unterstellt war, ist ebenfalls als Herrschafts- und Verwaltungszentrum gegründet worden. Durch die Schwächung des Einflusses des deutschen Kaisers erhielten diese Adligen immer mehr Selbständigkeit und Macht. In den Ortschaften wurden zur Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit Lehnrichter eingesetzt, so auch in Mittelbach. Dieses "leihweise" Richteramt wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Neben der weltlichen Herrschaft drängte auch die geistliche Obrigkeit unter dem Deckmantel der Christianisierung nach Besitz und Bereicherung. So wurde auf Veranlassung Kaiser Lothars 3. in der Nähe der Kemnice (Fluß Chemnitz) und der Kreuzung der Salzstrasse. Merseburg - Prag mit der West-Ost-Passage das Bergkloster der Benediktiner im Jahre 1136 gegründet. Mittelbach hat mit grosser Wahrscheinlichkeit von Anfang an der Herrschaft Rabenstein gehört, muss aber bald dem Chemnitzer Kloster unterstellt worden sein. Denn als die Herrschaft Rabenstein im Jahre 1375 von Waltenburg an das Kloster verkauft wurde, wird Mittelbach dabei nicht erwähnt. Es war schon Klosterdorf. Auch gehörte seit den frühesten Zeiten eine Wiese des ansonsten von den Mittelbachern benutzen Angers das Kloster. Von der "Klosterwiese" mussten jährlich 20 Fuder Heu an das Kloster abgeliefert werden. Nach dem Kauf der Herrschaft Rabenstein (9 Dörfer) betrug der Besitz des Klosters 41 Ortschaften. So waren die Mittelbacher Bauern jahraus, jahrein den weltlichen und kirchlichen Herren zu Dienstleistungen und Naturalienabgaben verpflichtet. Aus jener Zeit wird berichtet, dass der Schatzmeister des Bergklosters an Zinstagen "489 Schock Groschen" vereinnahmte. "Dazu kamen Baugelder, Teichzinsen, als Naturalienabgaben Holz, Korn, Gerste, Flachs, Kuchen, Christbrote (Stollen), Haselnüsse, Karpfen und Hechte, Hasen und Rehe." Andererseits hatten das Kloster das Recht, die Bannmeile auszusprechen. Dem war auch Mittelbach unterworfen. Das bedeutete, dass in Mittelbach kein Bier gebraut werden durfte. Bier und Backwaren mussten aus der Stadt bezogen werden. Und als Handwerk aufkam, durften keine Waren für den Markt produziert werden. Solange gute Erntejahre waren, mag das Leben trotzdem erträglich gewesen sein. Zu den Zeiten der Dürre (1473) aber, oder wenn die Pest wütete (1406, 1427, 1438, 1456) werden die Mittelbacher grosse Not gelitten haben. Sie waren auch verpflichtet, die kriegerischen Auseinandersetzungen zu beschützen. In einer Urkunde von 1442 wird es von Chemnitz als zollfrei erklärt, weil es neben anderen Orten "den Zaun um die Stadt gehalten hat". Bis zur Reformation in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Ereignisse von Mittelbach bekannt geworden. Die immer grösseren Lasten, die den Bauern auferlegt wurden, schürten die revolutionären Strömungen des Bauernkrieges auch in unserer Gegend. Die Aufstände in dieser Zeit gegen den Feudaladel (1524 - Stollberg, Mülsengrund) und gegen die Klosterherrschaft (Rabenstein, Jahnsdorf) sind sicher von den Mittelbacher Bauern mit Sympathie verfolgt worden. Von einer unmittelbaren Teilnahme ist allerdings nichts überliefert. Nach der Niederlage des Bauernheeres (Frankenhausen) verschärfte der Feudaladel seine Unterdrückung noch, und dies führte zunächst zu einer Friedhof Ruhe in den Bauerndörfern. 1537 erfahren wir erstmals etwas Über die Grösse unseres Heimatdorfes. Mittelbach zählte damals 34 "besessene Mannen" (Besitzende, Gutsbesitzer) und 13 Hausgenossen (Häusler). Im Jahre 1541 wird das Chemnitzer Kloster im Rahmen der Überführung geistlicher Besitzes in weltlichen aufgelöst, und die umliegenden Dörfer wurden der Stadt "lehn- und zinsbar", 1546 wurde Mittelbach kurfürstliches Amtsdorf der Wettiner. Auch die Ober- und Niedergerichte stehen dem Amt Chemnitz zu. Lediglich ein "Richtergut" wird 1548 für Mittelbach zugelassen. Wirtschaftlich wurde unser Ort der Gemeinde als Filial Kirche Reichenbrand zugeordnet und erhielt erst 1889 eine eigene Pfarrkirche. Die nächsten Jahrzehnte mögen recht ruhig verlaufen sein. In den Wirren des 30 jährigen Krieges traten für die Mittelbacher zeitweise nahezu unerträgliche Belastungen auf. Durchziehende Heere sowohl der Kaiserliche als auch der Schweden verlangten Tribut (Abgaben) und plünderten den Ort. Die Pest wütete. Am 04.04.1639 kommt es sogar zu einem Gefecht zwischen den Schweden und kaiserlichen Truppen am unteren Ortseingang (roter Hügel), wo auch die gefallenen Soldaten beerdigt wurden. Noch im Jahre 1659 waren von den 34 Gütern 11 wüste, von 21 Häuseranwesen 6 ohne Besitzer und unbebaut. Nur 1 Gärtnergut war vorhanden. Der Ertrag war auf den fünften Teil zurückgegangen. Die Lage unseres Ortes an der Verbindungsstrasse von Zwickau nach Chemnitz ist auch in den Kommenden Jahrhunderten öfter zum Verhängnis als zum Vorteil seiner Einwohner gewesen. in den späteren Kriegswirren blieb Mittelbach niemals unbehelligt. So durchzogen im Siebenjährigen Krieg preußische und österreichische Truppen den Ort (am 01.12.1762 der Preußenkönig Friedrich II.), und zwischen 1805 und 1812 fuhren mindestens sechsmal bayrische, französische und russische Truppen durch Mittelbach (Napoleon am 15.05.1812). Die Drangsale, die das für die mittellosen Bauern und Häusler mit sich brachten, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Es wurde nicht nur geplündert und verwüstet sowie Tribut in Form von Geld erhoben, sondern bei Übernachtungen musste Futter für die Tiere und Verpflegung für die Truppen bereitgestellt werden. Aufgrund der unhygienischen Verhältnisse waren oft Krankheiten und Seuchen die Auswirkungen. Nicht immer nahmen jedoch die Mittelbacher die Bevormundungen ihrer Herren Wiederspruchs los hin. So brauten sie z.B. Bier, obwohl es ihnen verboten war. Der Chronist weis dazu aus dem Jahre 1691 folgendes zu berichten:

"Zwölf brauende Bürger aus Chemnitz halten mit dem Ratsknechte einen Bierausfall nach Mittelbach, finden in der Schenke des Richters 4 Tonnen fremdes Bier, trinken derb und zerschlagen die Fässer. Als aber zwei Söhne des Richters dazukamen, entsteht eine Schlägerei, wobei der Ratsknechte und der Weber Müller auf dem Platz blieben. Die übrigen Anstifter retten sich durch die Flucht."

Mit der Herausbildung der Manufaktur und der beginnenden Industrialisierung erwuchsen auch allmählich neue Ausbeuter. Das Verlagswesen brachte die kleinen Handwerker, Wirker, Weber u.a. in seine Abhänigkeit. Diese wirtschaftliche Macht nutzen die Verleger, um die "kleinen Leute" auf dem Lande zu bevormunden. Viele Männer, Frauen und Kinder waren es ebenfalls in Mittelbach. Während sich im 1. Drittel des 19 Jahrhunderts die Bindung an die Feudalherren allmählich lockerten (kaum noch Fron Dienste, nur noch Geld- und Naturalienabgaben) und die Fron Dienste in Mittelbach im Jahre 1836 endlich abgeschaft wurden, vergrösserte sich die Abhängigkeit des aufkommenden Proletariats von den Fabrikherren immer mehr. Sie wurden zu den "neuen Herren" im Dorf. 1873 wurde auch die Gerichtsbarkeit staatlich, so dass die Rechtsprechung nun entsprechend den Auffassungen des Grossbürgertums erfolgte. 1878 wurde Mittelbach endgültig der sächsischen Oberhoheit unterstellt. Wenn sich auch die gesellschaftlichen Verhältnisse in Mittelbach wie überall in Deutschland weiter entwickelten, änderte dies vorläufig nichts an der politischen Struktur und den daraus resultierenden Besitz- und Machtverhältnisse. Erst in unserer jüngsten Vergangenheit wurde eine entsprechende Wende vollzogen Qwelle: *http://www.mittelbach-chemnitz.de