Füge neue Diskussionsthemen unten an:
Klicke auf , um ein neues Diskussionsthema zu beginnen.Archiv |
Wie wird ein Archiv angelegt? |
Beitrag zur "Richterlichen Unabhängigkeit" - Art. 97 Abs. 1 GG
BearbeitenKritische Anmerkungen zu den Themen: Richterliche Unabhängigkeit, Gesetzesauslegung und Art. 97 Abs. 1 GG
BERT STEFFENS
Andernach
10.05.2007
Die einzige, weil grundlegende und Recht setzende Quelle über die Pflichten der deutschen Richter, ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 und in bestimmender Klarheit vor allem mit Art. 97 Abs. 1.
Rechtskommentare und Abhandlungen hierüber sind keine Rechtsquellen, sondern nur subjektive, kein Gesetz schaffende Meinungen. Vom Gesetzestext abweichende „Gesetzesauslegungen“ auch höchster Gerichte sind nicht anders zu bewerten: Deren Schöpfer repräsentieren keine Legalitätsquellen, zusätzlich oder an Stelle der Legislativen, der Gesetzgebenden Staatsgewalt.
Wenn also ein Richter vom Landgericht Halle im Rahmen der Diskussion zum Thema glaubt behaupten zu können, „enzyklopädisch relevante Kritik“ sei nicht ebenso „subjektive Meinungsäußerung“, wie jede andere auch, mit der man zudem gegen den „neutralen Standpunkt“ von Kritik verstoße, dann muss dieser Richter auf das eingangs und nachstehend nochmals Beschriebene verwiesen werden:
Nur das Grundgesetz und die weiteren Gesetze, soweit diese nicht das Grundgesetz und die Menschenrechte verletzen, sind – um die hallensischen Worte zu gebrauchen - der einzige „neutrale“, nämliche der gesetzesgemäße „Standpunkt“ in Gesetzesfragen. Alles andere ist subjektive Meinungsäußerung.
Und wenn derselbe Richter äußert, dass „ein „Gesetz immer ausgelegt werden muss“, dann muss diesem entgegengehalten werden, dass er im Wesentlichen einen Standardsatz des Nazi-Juristen Karl Larenz wiederholt, der in seinem unsäglichen Buch „Methodenlehre der Rechtswissenschaft“ (S. 196) geglaubt hat feststellen zu können:
„...vielmehr sind grundsätzlich alle Rechtstexte der Auslegung sowohl fähig wie bedürftig.“
Wenn ein Richter sich in der Lage fühlt, einen unverständlichen oder mehrdeutigen Gesetzestext „richtig auszulegen“, dann wird wohl auch der Gesetzgeber in der Lage sein einen verständlichen, nicht mehrdeutigen Gesetzestext zu schaffen, zumal nur dem Gesetzgeber, wie bereits sein Name besagt, die gesetzgebende Funktion zukommt. Das einzige Recht des „Auslegens“, das einem Richter zugestanden werden muss, ist zu bestimmen, ob ein Gesetz zum vorliegenden Rechtsfall angewandt werden kann. Das ist vergleichbar mit einem Handwerker, der das passende Werkzeug zu seiner Arbeit sucht.
Der Richter behauptet weiter, es werde „gegen die Auslegung von Gesetzen polemisiert.“ Richtig ist jedoch, dass der Richter und seine Kollegen gegen ihre Gesetzesunterworfenheit aus Art. 97 Abs. 1 GG „polemisieren“. Zum Letzteren darf nicht unerwähnt bleiben, dass „polemisieren“ eine sehr freundliche Kennzeichnung für den Bruch elementarer grundgesetzlicher Regeln ist.
Wenn weiter der Richter aus Halle den § 242 StGB (Diebstahl) als Beispiel für eine angebliche Unumgänglichkeit von „Gesetzesauslegung“ durch die Richter anführt, dann muss diesem entgegengehalten werden, dass man sich im Jahre 2007 über einen unklaren Text, der bereits am 15.05.1871 im Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs stand, nicht wundern darf. Seit Mai 1949 war Zeit genug, klare, eindeutige Gesetze zu schaffen, um so die vorgrundgesetzlichen zu ersetzen. Dies wurde vorsätzlich unterlassen. Nimmt man das Grundgesetz ernst, gilt allgemein der Grundsatz:
Schlecht formulierte Gesetze machen keinen Richter zum Gesetzgeber.
Zudem kann jeder Richter, wenn Gesetze unbestimmt, weil mehrdeutig oder schlicht unklar sind und deren Anwendung damit gegen das Grundgesetz oder speziell gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstieße, hierzu das BVerfG anrufen, so wie dies eigens Art. 100 GG vorsieht. Das BVerfG wiederum kann dann im Rahmen seiner grundgesetzlichen Aufgaben den Gesetzgeber zur Neuschöpfung oder Korrektur des Gesetzes anregen, in dem es beispielsweise das besagte Gesetz ganz oder in Teilen als grundgesetzwidrig oder für nichtig erklärt.
Nur zur Abgrenzung: Ist hier und im Folgenden von der Pflicht der Richter die Rede, so bestimmt Art. 92 GG deren Aufgabe, die hier aber nicht Thema sein soll. Ebenso ist nicht von der Stellung der Richter gemäß Art. 98 GG die Rede, wie auch nicht von der Stellung, Aufgabe und Organisation der Gerichte gemäß Art. 93 - 96 und 99 - 101.
Zurück zum Art. 97 Abs. 1 GG: Zur Pflicht der Richter stellt Art. 97 Abs. 1 GG unmissverständlich fest (der Text in den eckigen Klammern dient nur der Hervorhebung der beiden Satzteile):
„Die Richter sind unabhängig [erster Satzteil]
und nur dem Gesetze unterworfen.“ [zweiter Satzteil]
Die Realität in Deutschland zeigt aber, dass die Richterschaft als Judikative und die Justizverwaltung als Teil der Exekutive, die zudem im Rahmen des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) aufsichtsverpflichtete Behörde ist, praktisch ausnahmslos gegen Art. 97 Abs. 1 GG verstoßen. Die Technik hierzu ist simpel: Beide berufen sich stets auf dessen ersten Satzteil und unterschlagen den zweiten.
Einige der Hauptursachen dieses Verhaltens: Völlig am Grundgesetz vorbei, hat die Richterschaft, allen voran das BVerfG und der BGH, aus dem Wort „unabhängig“ eine Art „Königtum der Richter“ erfunden und konstruieren und begründen damit zahlreiche „Richterprivilegien“. Zusätzlich zur selbst erschaffenen, praktisch durchgehenden Unangreifbarkeit der Richter, haben diese „Richterprivilegien“ entwickelt, die beispielsweise hinsichtlich der Arbeitsgestaltung, Arbeitszeit und Nebentätigkeiten, mit dem Schutz und der Pflicht zur Gesetzesunterwerfung wirklich nichts zu tun haben. Diese Privilegien schufen den Richtern nur Freiräume, welche u.a. die Abwicklung von Rechtsfällen verteuern und verzögern und die notwendige Sorgfalt und Unabhängigkeit für ihre richterlichen Aufgaben herabsetzen. Die Mehrheit der Jurisprudenz widerspricht all dem nicht, wie auch nicht die Mehrheit der Politiker, setzen diese doch selbst interessengeleitet Bundesrichter in ihre Ämter und verstoßen damit gegen Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Man darf bei der deutschen Justiz und Jurisprudenz durchaus von einer „Tradition der Missachtung der Gewaltentrennung und der Gesetzesunterworfenheit“ sprechen, die nicht erst nach dem Mai 1949 ihren Anfang nahm. Das Grundgesetz dient nur als Dekoration, die den Schein von Demokratie umgibt, welche nur dann verteidigt wird, wenn es den Staatsgewalten gerade nützt. Den vielfältigsten Nutzen zum Machterhalt erbringt jedoch ganz offensichtlich deren Missachtung des Grundgesetzes und damit die Missachtung des Souveräns, des Volkes. Mit der Bezeichnung „fiktive Demokratie“ geißelt Hans Herbert von Arnim die politischen Zustände in Deutschland und gibt damit dem politischen Gesamtübel in Deutschland einen weiteren Namen.
Aber es gibt auch einen Hoffnungsschimmer, der von Außen kommt: Jenes „Richterprivileg“, das die Amtshaftung schon lange vor 1945 mittels des kaiserzeitlichen § 839 BGB Abs. 2 BGB aushebelte, wurde vom EuGH im Wesentlichen aus dem Weg geräumt . Angekommen ist dies in der deutschen Gesetzes- und Rechtsprechungswirklichkeit allerdings noch nicht wirklich.
Zudem, trotz der eindeutigen Gesetzesunterworfenheit der Richter, stellen sich diese offen als „zweite Legalitätsquelle“ dar und verletzen damit auch die unabänderbare Gewaltentrennung aus Art. 20 Abs. 2 GG in demokratiezerstörender Weise, denn:
Eine Gesetzgebende Staatsgewalt aus Parlament und zusätzlich aus der Richterschaft, dies sieht das Grundgesetz ausdrücklich nicht vor, wie auch der oben zitierte zweite Satzteil aus Art. 97 Abs. 1 zeigt.
Solches zu propagieren stellt nichts anderes dar als einen Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze oder korrekter formuliert, einen Verstoß gegen die Fundamente des Grundgesetzes. Diese sind aus gutem Grund durch die „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG unabänderlich im Art. 20 GG geschützt.
Der ebenso geschützte Art. 1 GG kennt in seinem Menschenwürdebegriff keine Menschen verschiedener Rangordnung und damit auch keine Bürger höheren Rechts, denn: Dies würde wiederum u.a. gegen Art. 20 Abs. 2 GG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, zumal letzterer richtig feststellt „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Die deutsche Richterschaft sieht dies offenbar anders und ihre Missachtung des Grundgesetzes stört sie nicht. Sie betrachten sich als die „Gleicheren“ im Staate. Praktisch ohne Ausnahme werden rechtsuchende Bürger mit berechtigten Dienstaufsichtsbeschwerden, Befangenheitsanträgen oder Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung, von der Justiz mittels der bereits erwähnten Technik, d.h. durch das Beschwören des ersten Satzteils und gleichzeitigem Unterschlagen des zweiten mit Standardsätzen „abgebügelt“.
Um solches grundgesetzwidrige Tun weiter „abzusichern“, wurde parallel hierzu vom BGH mit dem gewünschten Erfolg ein „Kernbereich richterlicher Tätigkeit“ konstruiert, u.a. mit dem Ziel, den § 339 StGB (Rechtsbeugung) und den § 26 DRiG (Dienstaufsicht) in den Bereich praktischer Nichtanwendbarkeit zu rücken. Tatsache ist aber: Die „Kernbereichstheorie“ des BGH findet nirgendwo im Grundgesetz ihre Bestätigung – sie ist frei erfunden. Sie verstößt maximal gegen das Grundgesetz und die darin enthaltenen Rechtsstaatsprinzipien.
Die nur wenigen vorgeschilderten Tatsachen sind, neben der „immerwährenden Gesetzsauslegung“, einige der Hauptursachen der Rechtsstaatsverdrossenheit der meisten Bürger, die zwangsläufig auch zur Ablehnung einer so erlebten „Demokratie“ führen muss. Solche Art von „Demokratie“ wird dann auch zu Recht nur noch als Willkürstaat und als bloße Farce wahrgenommen.
Wurde Galileo Galilei und seine Zeitgenossen vor und nach ihm noch vom Terror kirchlicher Inquisition drangsaliert, so ist heute eine Justiz, die sich ihrer Gesetzesunterworfenheit entzogen hat, an die Stelle kirchlicher Macht getreten.
Der Hauptsatz der Demokratie „alle Macht geht vom Volke aus“ ist zur hohlen, machtlosen Phrase geworden.
Als eines von unzähligen Beispielen von Willkür der deutscher Richter gegen rechtsuchende Bürger, sei der Fall Görgülü erwähnt, in dem es erst eines Druckes seitens des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte bedurfte, bis endlich das BVerfG Klartext in Richtung des OLG Naumburg sprach. Erst dieses führte zu einer Anklage der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft gegen die Naumburger Richter Deppe-Hilgenberg, Kawa und Materlik wegen deren Rechtsbeugung zum Schaden des Kazim Görgülü. Das Ergebnis steht noch aus.
Neu ist dies alles nicht: Die verheerenden Folgen des fast beliebigen Umgangs mit den Gesetzen, sprich der „Auslegung“ der Gesetzestexte durch Richter und andere, hatte bereits Cesare Beccaria in seinem berühmten Werk „Dei delitti e delle pene“ im Jahr 1764 beschrieben :
„Ein Missstand, der aus der strengen Beachtung des Buchstabens eines Strafgesetzes herrührt, ist nicht mit dem Übel zu vergleichen, das aus der Auslegung entsteht. Die mit jener verbundene augenblickliche Unzuträglichkeit treibt vielmehr zur leichten und notwendigen Verbesserung am Wortlaut des Gesetzes an, auf dem die Ungewissheit beruht.“
Man kann die von Beccaria aufgezeigten Überlegungen auch so formulieren:
Da Rechtsgesetze keine Naturgesetze sind und somit nicht durch messbare Größen oder Beobachtung bestätigt werden, vielmehr nur mittels des ungenauen Werkzeugs der Sprache dargestellt und vermittelt werden können, ist ein Mangel aus Mehrdeutigkeit oder schlicht Unklarheit nicht vermeidbar. Unklarheit der Gesetze aufgrund der Sprache ist also ein unvermeidbares, aber ein begrenzbares Übel. Dem entgegen ist ein Zulassen von Gesetzesauslegung ein vermeidbares, aber in seinen Dimensionen unbegrenzbares Übel.
Jahre vor Beccaria sah Montesquieu den Richter als
„...la bouche, qui prononce les paroles de la loi.“
und betrachtete die Bedeutung der Richter in der Gesellschaft als
„en quelque façon nulle“.
Heute wird ein Demokrat die Stellung der Richter, wie die jedes anderen Bürgers auch, aus dem Grundgesetz und den Menschenrechten bestimmt sehen. Kein Bürger ist „...in gewissem Grade nichts“.
Was aber bedeutet die oben zitierte Grundregel aus Art. 97 Abs. 1 GG wirklich? Zunächst ist festzustellen: Der Text erklärt sich selbst. Beide Satzteile widersprechen nicht einander, noch sind diese getrennt zu gebrauchen. Eine „Auslegung“, sprich Sinndeutung des Textes ist ganz offensichtlich nicht erforderlich, auch wenn der Leser nur in schlichter Weise der deutschen Sprache mächtig ist. Der letzte Satzteil „...und nur dem Gesetze unterworfen“ bedeutet genau das, was er nach allgemeinem Sprachgebrauch aussagt und beabsichtigt:
Die Richter sind nur dem Gesetz Unterworfene.
Daraus kann – wen man einfachste Denkgesetze nicht verletzen will - nur gefolgert werden, dass die Richter nicht Herren des Gesetzes sein können. Sie sind auch nicht vom Gesetz Unabhängige, denn: Jeder, der Regeln unterworfen ist, kann diese nicht gleichzeitig bestimmen. Anders ausgedrückt: Unterworfener und zugleich Herr der Regeln sein – das wäre ein Widerspruch, ja Unsinn.
Nun zum ersten Satzteil „Die Richter sind unabhängig..“: Wegen der Gesetzesunterworfenheit der Richter sind diese eben nicht gegenüber dem Gesetz unabhängig. „Unabhängig“ bedeutet hier nur, dass die Richter von keiner Staatsgewalt oder durch anderen Einfluss daran gehindert werden können, ihrer im Art. 92 GG gegebenen Aufgabe innerhalb ihrer Gesetzesunterworfenheit nachzukommen. Niemand will der Notwendigkeit solcher Unabhängigkeit widersprechen, wenngleich doch festgestellt werden darf, dass dieser erste Satzteil überflüssig ist, weil sich das erstrebte Normziel aus dem zweiten Satzteil zwangsläufig ergibt.
Die Bedeutung und der Grund der Existenz dieser Regel des Grundgesetzes wird auch dadurch deutlich, dass man ohne weiteres die Worte „Die Richter“ auch durch „Jeder Bürger“ ersetzen könnte, denn auch diese sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen. Gesetzesunterworfenheit und Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz - das gilt auch für „die Richter“, weil die Aussage „alle Menschen“ nicht steigerbar ist, noch Ausnahmen zulässt.
Und was soll Art. 97 Abs. 1 Satz 1 GG über den leicht verständlichen Text hinaus bezwecken? Er unterstreicht in besonderer Weise die Sicherung der Unabhängigkeit der Richter gegenüber anderen Staatsgewalten und Einflüssen, damit diese innerhalb ihrer Gesetzesunterworfenheit dem Volke, das bekanntlich den einzigen Souverän darstellt, dienen können und damit letztlich sich selbst, denn auch „die Richter“ sind gleichberechtigte Mitglieder des Volkes. Sie unterscheiden sich nur durch ihre berufliche Aufgabe, so wie sich auch Metzger von der Mehrheit des Volkes durch ihre berufliche Aufgabe unterscheiden. Richter können sich zum Schutz ihrer Pflichterfüllung auf diesen Artikel berufen und - was noch wichtiger ist - die anderen Bürger, die nicht Richter sind, können auf die Einhaltung des Art. 97 Abs. 1 GG pochen und dies auch dann, wenn die Richter sich selbst in Abhängigkeiten begeben oder ihre Pflicht zur Unparteilichkeit verletzen. Das zumindest garantiert das Grundgesetz. Dadurch wird auch die, noch dem Art. 97 GG vorangehende Rangstellung des Art. 20 GG deutlich, in dem es im Absatz 2, wie bereits zitiert heißt „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Das Volk ist der Souverän, der Herrscher und genau das macht jenes aus, was wir Demokratie, also Volksherrschaft nennen. Und daher darf gefragt werden: Welches Volk wäre so verblödet, dass es sich selbst ohne Not einen Souverän vor die Nase setzt, wo es doch selbst der einzige Souverän im Staate ist und auf Grund der Selbstbestimmtheit jedes Bürgers auch nur sein kann? Die Beantwortung der Frage liegt auf der Hand und hat zur Folge, dass auch jene „höchstrichterlichen“ und sonstigen Entscheidungen, wie auch jene Rechtskommentare, soweit diese Grundsätze aus Art. 20 Abs. 1 - 3 und Art. 97 Abs. 1 GG missachten, nichtig oder unbeachtlich sind, eben weil diese damit „Verfassungsgrundsätze“ zu beseitigen trachten. Wie jene Bürger zu bewerten sind, welche mit solch beharrlichem Handeln die „verfassungsmäßige Grundordnung ändern“ und den „Bestand der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen“, das kann jedermann im §§ 81 und 92 StGB nachlesen.
P.S.: Ich verweise auf mein Essay
„Von der (Un-)Klarheit der Gesetze
Teil 1
Artikel 5 Grundgesetz
Meinungsfreiheit oder Äußerungsfreiheit?“
z.B. unter www.justizskandale.de .
Anmerkungen und Quellen:
Larenz, Prof. Dr. Karl (1903 - 1993) Zivilrechtler und Rechtsphilosoph, u.a. „Methodenlehre der Rechtswissenschaft“, Springer-Verlag 1960, hier zitiert aus 5. Aufl., 1985. 1933 Lehrstuhl in Kiel, gehörte zur Gruppe nationalsozialistischer Professoren („Kieler Schule“). Versuchte unter Berufung auf Hegels Historizismus (siehe zu diesem Begriff: Popper „Die offene Gesellschaft, Bd. 2) die staatliche Ordnung unter dem Nationalsozialismus ethisch und rational zu rechtfertigen.
von Arnim, Prof. Dr. Hans Herbert „Vom schönen Schein der Demokratie“, 2000, Droemer.
(Haftung bei Amtspflichtverletzung) § 839 Abs. 2 BGB: „Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.“ Der Wortlaut des § 839 war in seiner Urfassung von 18.08.1896 (Rechtskraft 01.01.1900) fast gleich.
EuGH, NJW 2003, 3539 (3540 ff; EuGH Urteil v. 30.09.2003, Rs C-224 / 01, Köbler ./. Österreich; EuGH Urteil v. 13.06.2006, Rs C-173 / 03, Traghetti del Mediterraneo SpA in Liquidation ./. Italienische Republik.
Herzog, Prof. Dr. Roman: „Zwei Legalitätsquellen sind besser als eine.“ in seinem Aufsatz „Gesetzgeber und Richter – Zwei Legalitätsquellen?“, „Humboldt Nachrichten“ des Humboldt-Vereins Ungarn, Juni 2000, Heft Nr. 17;
Hirsch, Prof. Dr. Günter Erhard, siebter und derzeitiger Präsident des BGH beim „Schöffentag“ in Karlsruhe 2001: „Die Richter haben den in Gesetze geronnenen Willen des obersten Souverän zu effektuieren und dem leblosen Buchstaben des Gesetzes Wirkung in der Fülle der Lebenssachverhalte zu geben. Dies geht, wie festgestellt, nicht ohne Auslegung und Rechtsfortbildung. In diesem Rahmen der Gesetzesinterpretation setzt der Richter Recht im materiellen Sinne und durchbricht damit in legitimer Weise die Gewaltenteilung.“
BGH Dienstgericht, Urteil v. 14.04.1997 , RiZ (R) 1/96;
Schneider, Dr. Egon, Rechtsanwalt, Much, Richter am OLG a. D.: NJW (Echo), Heft 39/2001 v. 24.09.2001: „Richterliche Unabhängigkeit.“ (zu Hirth, NJW H. 33/2001, S. XXI).
U.a.: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Dritte Sektion, Rs Görgülü ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 74969/01, Urteil v. 26.02.2004.
Strafsache beim Landgericht Halle, Az.: 23 KLs 64 / 2006 - s 1 / 06 –
Marchese Cesare Beccaria Bonesana (Mailand 15.03.1738 – Mailand 28.11.1794): „Dei delitti e delle pene“, dort: § IV. „Interpretazione delle leggi”); zitiert und übersetzt aus anonymer Originalausgabe „Dei delitti e delle pene“, 6. Ausgabe 1767 – ohne Erscheinungsort (wahrscheinlich Lucca), Vermerk „Buglione“ (ital. Familienname , frz. „Bouillon“); siehe auch: „Beccaria - Über Verbrechen und Strafe“, Insel Taschenbuch, 1966, Insel Verlag, Frankfurt/Main.
Steffens, Bert, 2005 “Vom Prinzip der Menschenwürde – Wann habe ich dich legitimiert”, dort 1. Bd., XI. Kap. .
Montesquieu, vollständig: Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu (1689 - 1755), zitiert aus 1748 „De L’Ésprit des Lois“, Buch XI, Kapitel VI („De la constitution d’Angleterre“). Das erste Zitat heißt vollständig: „Mais les juges de la nation ne sont, comme nous avons dit, que la bouche qui prononce les paroles de la loi;...“.
Prof. Rüthers fragt: Demokratischer Rechtsstaat oder oligarchischer Richterstaat? 2002 - 2007
Bearbeiten1.) 2002 In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien am 15. April 02 ein Artikel von Prof. Dr. Bernd Rüthers (Universität Konstanz): "Reise in den Richterstaat". Der Artikel fußt auf einem Vortrag von Prof. Rüthers vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 10. April 2002. Der Vortrag wurde abgedruckt in der JuristenZeitung (JZ), siehe Link. Die ersten beiden Seiten dieses Abdruck sehen Sie unten. Der Vorsitzende des "Verein gegen Rechtsmissbrauch", Horst Trieflinger, schrieb zu dem Artikel in der F.A.Z einen Leserbrief, der am 11.5.2002 erschien:
"Prof. Dr. Bernd Rüthers vertritt im Artikel 'Reise in den Richterstaat' (F.A.Z. vom 15. April 2002) zu Recht die Auffassung, dass die Richter der oberen Bundesgerichte den Rechtsstaat teilweise aushöhlen und an diese Stelle den Richteerstaat in Form von geltendem Recht gesetzt haben. Hierfür zwei Beispiele: Gemäß ständiger Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes soll nur der schwerwiegende, dass heißt der elementare Rechtsbruch Rechtsbeugung sein. Die Professoren Günter Bemmann, Manfred Seebode und Günter Spendel belegen in der "Zeitschrift für Rechtspolitik" 1997, Seite 307 f, dass diese Auslegung gesetzeswidrig ist, weil sie den Gesetzeswortlaut missachtet. Ebenfalls in ständiger Bundesgerichtshof-Rechtsprechung soll die Dienstaufsicht im Kernbereich der richterlicher Tätigkeit nur bei offensichtlichen Fehlentscheidungen zulässig sein. Der Bundesgerichtshof-Richter a.D. Herbert Arndt erläuterte in der "Deutschen Richter-Zeitung" 1978, Seite 78, dass die "Offensichtlichkeit" im Gesetz (§ 26 Absatz 2 Deutsches Richtergesetz) keine Stütze findet. die gesetzwidrige, einschränkende Auslegung und Anwendung des § 339 StGB (Rechtsbeugung) und des § 26 Absatz 2 Deutsches Richtergesetz (Dienstaufsicht) durch den Bundesgerichtshof sind die hauptsächlichen Gründe dafür, dass die der Rechtsprechung auferlegte Selbstkontrolle praktisch außer Kraft gesetzt ist. Die Richterschaft braucht Sanktionen, wie sie jeder Bürger bei Fehlverhalten zu gewärtigen hat, so gut wie nicht zu fürchten. Die Folge ist der mehr als bedenkliche Zustand der Rechtsprechung. Angemerkt sei, dass die gesetzwidrige, einschränkende Auslegung und Anwendung beider Rechtsnormen außerdem gegen Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz verstößt, wonach die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist. Es bleibt zu hoffen, dass Prof. Rüthers nicht müde wird in seinem Bemühen für den Rechtsstaat und gegen den Richterstaat.
Horst Trieflinger Frankfurt am Main Link zum Beitrag: http://www.beschwerdezentrum.de/Bilder&Grafiken/auszug_jz.jpg
2.) 2007 Leserbrief Wer ist der Gesetzgeber?
Der Präsident des Bundesgerichtshofs, Günter Hirsch, behandelt in der F.A.Z. vom 30. April unter der Überschrift "Rechtsstaat - Richterstaat" die Diskussion, ob und wie weit der Richter vom Gesetz abweichen darf. Er verweist dabei auf den alten Streit zwischen der objektiven Auslegungstheorie, nach der nur der Gesetzeswortlaut maßgebend ist, und der subjektiven Theorie, nach der der Wille des "Gesetzgebers" entscheidend sein soll.
Die hier behandelte Frage wird meist schon ungenau gestellt. Bindend wie das Gesetz können Verlautbarungen, die nicht im Gesetz stehen, nicht sein; denn dann wäre das genau in der Verfassung geregelte Gesetzgebungsverfahren überflüssig. Aber natürlich sind die Äußerungen und Meinungen der an der Gesetzgebung beteiligten Personen und Institutionen eine wichtige Erkenntnisquelle, und sie stellen auch eine gewisse Autorität dar, ähnlich wie Rechtsprechung und Lehre.
Typisch für den Methodenstreit ist es, dass immer wieder vom "Gesetzgeber" die Rede ist. Ich war lange in Bonn, bin ihm aber nie begegnet. Die relevanten Quellen sind vielfältig. Kennzeichnend ist, dass die Sitzungen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages, in denen die Gesetze vornehmlich beraten werden, "nur für den Dienstgebrauch" protokolliert sind, also für den normalen Gesetzinterpreten geheim bleiben. Wer im Gesetzgebungsverfahren gemachte Äußerungen für maßgeblich hält, sollte genau fragen, wer was wozu gesagt hat und auf welchen politischen Kompromissen ein Gesetz eventuell beruht. Philipp Heck, der vielen, etwa dem von Hirsch erwähnten Bernd Rüthers, als maßgebender Vertreter der subjektiven Auslegungstheorie gilt, hat sich zum Schluss - aus seiner Sicht durchaus folgerichtig - auf die nationalsozialistische Weltanschauung berufen. Das macht dessen wissenschaftliche Lehre sicher nicht irrelevant, zeigt aber doch, was sich alles hinter dem Phänomen "Gesetzgeber" verbergen kann. Es ist ein typisch deutsches Gedankengut, ein Surrogat des Hegelschen Weltgeistes. Zwar wird auch in anderen Ländern außerhalb des angloamerikanischen "common law" den Quellen eine gewisse Bedeutung beigemessen, etwa in Frankreich. Aber einen Methodenstreit wie in Deutschland gibt es dort nicht.
Wer nach Gründen dafür sucht, warum der Richter vom Gesetz abweichen darf, zäumt das Pferd von hinten auf. Man hat vielmehr umgekehrt nach den Gründen für die Bindung des Richters an das Gesetz zu fragen. Es werden hierfür - je nach Zählweise - acht bis zehn Gesichtspunkte genannt. Erst wenn man geprüft hat, wie weit diese Gründe jeweils stichhaltig sind, kann man begründet entscheiden, wann der Richter befugt ist, sich vom Gesetz zu lösen. Dem kann man nicht, wie Hirsch meint, entgegenhalten, das Gesetz sei lückenhaft. Hier wird ein wesentliches Problem verdrängt; denn es bleibt auch bei "planwidrigen Unvollständigkeiten" des Gesetzes - so die herrschende Definition der Lücke - immer noch die Frage, welche Bedeutung denn der Text hat, der im Gesetzesblatt steht, und ob es nicht im konkreten Fall Gründe gibt, diese gesetzlichen Grenzen zu beachten.
Der Methodenstreit entsteht aus der verbreiteten Neigung der deutschen Juristen, auch bei einer Eigenwertung aus angeblich Vorgegebenem abzuleiten. Dabei stützt man sich auf ein Phantom wie den "Gesetzgeber" statt die Gesichtspunkte pro und contra klar darzulegen und so die Abweichung vom Gesetzeswortlaut zu rechtfertigen.
Dr. Rudolf Westerhoff, Hamburg
Text: F.A.Z., 12.05.2007, Nr. 110 / Seite 8