Benutzerin:Ktiv/Feier der Geburt Jesu in Bethlehem (4. Jahrhundert)
Die Feier der Geburt Jesu ist eine Besonderheit der Jerusalemer Liturgie des späten 4. Jahrhunderts, bei der die christlichen heiligen Stätten in und um Bethlehem einbezogen waren. Es handelt sich um das Epiphaniasfest (5./6. Januar), das eine eine Woche lang gefeiert wurde; im Gegensatz zu anderen östlichen Traditionen war in der Jerusalemer Liturgie die Geburt Jesu der einzige Festinhalt.[1] (Das Weihnachtsfest am 24./25. Dezember entstand im lateinischen Westen des Römischen Reiches und wurde erst im Verlauf des 5. Jahrhunderts auch im Osten übernommen.)
Unsere Quellen für den Ablauf der Feier sind das armenische und das georgische Lektionar sowie das Itinerarium der Pilgerin Egeria.
Ebenso wie bei der Feier der Heiligen Woche, war bei der Herausbildung der Jerusalemer Liturgie für das Epiphaniasfest der Wunsch bestimmend, an den – aus damaliger Sicht – historischen Stätten des Lebens Jesu zur richtigen Stunde Gottesdienste zu feiern.[2] Die Entfernung zwischen Bethlehem und Jerusalem war mit rund 7 km so groß, dass Bethlehem nur selten in die Jerusalemer Liturgie einbezogen wurde. Außer für die Epiphanias-Festwoche ist dies nur für den 40. Tag nach Ostern bezeugt (der Grund hierfür ist die in Bethlehem gezeigte Grotte der Unschuldigen Kinder, deren Gedächtnis an diesem Tag begangen wurde.)[3]
Hirtenfeld
BearbeitenAm Nachmittag des 5. Januar versammelte sich die Gemeinde auf dem Hirtenfeld nahe Bethlehem zu einer Andacht (Statio), die das Evangelium von der Verkündigung an die Hirten (Lk 2,8–20 LUT) beinhaltete.
Ein Exzerpt des Petrus Diaconus (De locis sanctis) enthält die wohl älteste Beschreibung des griechisch-orthodoxen Hirtenfeldes bei Bait Sahur: „Nicht weit davon aber liegt die Kirche, die Bei den Hirten (Ad Pastores) genannt wird, wo nun ein Garten ist, sorgfältig mit Mauern rings umschlossen. Und dort ist auch die überaus prächtige Höhle (spelunca lucidissima) mit einem Altar an dem Ort, wo den Hirten, als sie Nachtwache hielten, ein Engel erschien und ihnen die Geburt Christi verkündete.“[4] Die Quelle dieser Informationen ist wahrscheinlich der Pilgerbericht der Egeria.
Ausgrabungen auf dem Gelände der griechisch-orthodoxen Kirche (Keniset er-Ra‘wat), das etwa 1 km östlich von Bait Sahur liegt, erbrachten die Erkenntnis, dass eine heilige Grotte das älteste Element des Komplexes darstellt. Sie war schon im 4. Jahrhundert mit einem Mosaikfußboden ausgestattet worden. Im 5. Jahrhundert gestaltete man diese Grotte zu einem Kirchenraum um, von dem das Bodenmosaik (Amphore mit Ranken und Trauben, Stifterinschrift) erhalten ist. Im 6. Jahrhundert wurde die Oberkirche vergrößert und erhielt ein Atrium, um die Pilger zu fassen, die diesen Ort besuchten. Noch später wurde der Ort zu einer byzantinischen Klosteranlage mit Wohnquartier erweitert.[5]
Geburtskirche
BearbeitenVom Hirtenfeld wanderten die Gläubigen dann nach Bethlehem und stiegen in die Geburtsgrotte der Basilika hinab.
Die Tradition, wonach Jesus in einer Höhle geboren wurde, wird erstmals im 2. Jahrhundert durch Justin von Nablus überliefert: „Als dann das Kind in Bethlehem geboren worden war, nahm Josef, da er er in jenem Dorfe nirgends Unterkunft finden konnte, in einer Höhle in der Nähe des Dorfes Quartier.“ Origenes kannte anscheinend aus eigener Anschauung eine Grotte, um die sich im 3. Jahrhundert ein reger Pilgerbetrieb entwickelt hatte. Man zeige in Bethlehem die Höhle, in der Jesus geboren wurde, und darin die Krippe, in die er gelegt wurde. Zwischenzeitlich war dieser Ort fast hundert Jahre ein Adonisheiligtum, ehe im 4. Jahrhundert die konstantinische Basilika über der Grotte gebaut wurde.[6]
In der Krypta der Geburtskirche zu Bethlehem schloss sich sehr wahrscheinlich ein Wortgottesdienst mit der Weihnachtsgeschichte nach Matthäus (Mt 1,18–25 LUT) an.[2]
In der Basilika der Geburtskirche fand danach ein nächtlicher Gottesdienst (Vigil) mit elf Prophetenlesungen statt. Die Ähnlichkeit zur Ostervigil ist deutlich, die Lesungen stimmten teilweise überein (Schöpfungsgeschichte, Rettung am Schilfmeer Ex 14,24–15,2, drei Jünglinge im Feuerofen Dan 3,1–90 LUT). Diese ähnlich ausgestaltete Vigilfeier ist „eine bewußte Deutung der Geburt im Lichte des österlichen Erlösungsmysteriums.“[7]
Darauf wurde als Epistel Tit 2,11–15 LUT gelesen und als Evangelium Mt 2,1–12 LUT.
Von Bethlehem nach Jerusalem
BearbeitenNach der Eucharistiefeier zog die Gemeinde von Bethlehem nach Jerusalem und sang dabei Psalm 118 mit dem Kehrvers: „Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Weil man wegen der Mönche recht langsam gehen müsse, schreibt Egeria, erreiche man Jerusalem erst beim Morgengrauen.
Ziel der Prozession war die konstantinische Auferstehungskirche (Anastasis), die durch viele Lichter festlich erleuchtet war. Nach einem Psalm wurden die Gläubigen vom Bischof gesegnet und kehrten in ihre Herbergen zurück, um sich auszuruhen.
Morgens gegen 7 Uhr versammelten sich die Christen wieder im Martyrium der Anastasis und feierten den Morgengottesdienst mit anschließender Eucharistie. Egeria betonte, dass der Gottesdienst ein Lichterfest sei. Hier ist eine Übernahme von Elementen des Chanukkafestes möglich, welches kurz zuvor in der jüdischen Gemeinde gefeiert worden war.[8]
Festwoche
BearbeitenDie Festwoche dauerte acht Tage; die Gottesdienste waren auf verschiedene Jerusalemer Kirchen verteilt, neben der Anastasis waren die Eleona-Kirche auf dem Ölberg, das Lazarium (Grab des Lazarus in Bethanien) und die Kirche auf dem Zion einbezogen.
„In Bethlehem aber herrscht die ganzen acht Tage hindurch täglich dieser Glanz, und von den Priestern, vom gesamten Klerus des Ortes und von den Mönchen, die zu jenem Ort gehören, wird das gleiche Freudenfest gefeiert.“[9]
Rezeption
BearbeitenDie Jerusalemer Stationsliturgie am Epiphaniasfest hat Auswirkungen auf die Liturgie von Weihnachten gehabt.
In der römischen Basilika S. Maria Maggiore ließ Papst Sixtus III. eine Nachbildung der Geburtsgrotte von Bethlehem einbauen. Denn zum Reliquienschatz dieser Basilika gehören Stücke von den Holzbrettern der Krippe sowie ein Teil des Wickeltuchs (panniculum), in das Jesus nach seiner Geburt gehüllt worden sein soll.
Dann wurde in S. Maria Maggiore nach dem Vorbild der Geburtskirche eine Mitternachtsmesse (missa in nocte) gefeiert. Die Lesungen der Bethlehemer Vigil mit ihrem Bezug zur Osternacht wurden zwar nicht übernommen, „doch das Motiv der Nacht wird – analog zum Osterfest – zu einer beherrschenden theologischen Metapher für das gesamte Weihnachtsfest.“[7]
Literatur
Bearbeiten- Egeria: Itinerarium – Reisebericht. Mit Auszügen aus Petrus Diaconus: De Locis Sanctis – Die heiligen Stätten. Übersetzt von Georg Röwekamp (Fontes Christiani, 4. Folge, Band 20), Herder, Freiburg 2017, ISBN 978-3-451-38143-0.
- Max Küchler: Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-50170-2.
- Stephan Wahle: Ein Geheimnis findet zu seinem Fest. Einblicke in die frühe Weihnachtsliturgie. In: Welt und Umwelt der Bibel 4/2007, S. 50–55.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Georg Röwekamp: Itinerarium – Reisebericht. S. 78 (Einleitung: Das Kirchenjahr).
- ↑ a b Stephan Wahle: Ein Geheimnis findet zu seinem Fest. Einblicke in die frühe Weihnachtsliturgie. S. 52.
- ↑ Georg Röwekamp: Itinerarium – Reisebericht. S. 62–63 (Einleitung: Zur Topographie Jerusalems im 4. Jahrhundert).
- ↑ Egeria: Itinerarium – Reisebericht. Mit Auszügen aus Petrus Diaconus: De Locis Sanctis – Die heiligen Stätten. S. 299.
- ↑ Othmar Keel, Max Küchler: Orte und Landschaften der Bibel. Band 2, S. 644–646.
- ↑ Othmar Keel, Max Küchler: Orte und Landschaften der Bibel. Band 2, S. 621–627.
- ↑ a b Stephan Wahle: Ein Geheimnis findet zu seinem Fest. Einblicke in die frühe Weihnachtsliturgie. S. 53.
- ↑ Georg Röwekamp: Itinerarium – Reisebericht. S. 79 (Einleitung: Das Kirchenjahr).
- ↑ Egeria: Itinerarium – Reisebericht. Mit Auszügen aus Petrus Diaconus: De Locis Sanctis – Die heiligen Stätten. S. 223.