Auf dieser Seite berichte ich über die Wikimania 2018 in Kapstadt. Mein Blog ist Teil des Kurier-Extrablatts, in dem die WMDE-Stipendiatinnen und Stipendiaten über ihre Erfahrungen bei der Konferenz berichten. Viel Spaß beim Lesen!
Dienstag:
Ankunft in Kapstadt. Nach einem fast 12-stündigen Flug von Amsterdam nach Kapstadt geht nur noch eins: Schlafen.
Mittwoch:
Vorhang auf, Tafelberg. Das Konferenzhotel Southern Sun bietet einen fantastischen Ausblick auf das Wahrzeichen Kapstadts. Es ist Winter in Südafrika, doch es ist über 20 Grad warm. Bei strahlendem Sonnenschein erkunden wir zunächst die recht hässlich verbaute Fußgängerzone rund um das Hotel. In der Mitte der Einkaufsstraßen bieten Verkäufer Souvenirs und Markenhandtaschen feil, fliegende Händler verkaufen Sandwiches aus Pappkartons. Es ist Nelson Mandela Day, ein Feiertag, der in diesem Jahr ganz besonders ist, da Mandelas 100. Geburtstag gefeiert wird. Niedliche Schulkinder in grünen Schuluniformen tanzen im Kreis in der Fußgängerzone zu Trommelmusik und wir werden gleich eingeladen, später in einem Hotel mit ihnen weiter zu feiern. Keine Zeit, wir müssen doch erstmal die Stadt ansehen.
Weil es so praktisch ist, nehmen wir einen der roten Touristenbusse mit Audioguide. Hans heißt der Fahrer. "My father's name was Hans too", sagt mein Begleiter. Antwort: "He must have been a naughty man.". Hans bringt uns zum Fuß des Tafelbergs vorbei an vielen neuen und ganz wenigen alten niederländischen Bauten. Endstation, nun steigen wir um in die Seilbahn, die uns innerhalb kürzester Zeit auf das Hochplateau bringt. Der Aufstieg hätte ungefähr drei Stunden gedauert und einige Kletterei erfordert. Oben weht ein leichter Wind und die Aussicht auf Kapstadt und das Meer ist wunderschön.
Am Rand des Berges entdecken wir Tiere, die wir noch nie gesehen haben, die Klippschliefer. Ganz entspannt hocken sie am hunderte Meter tiefen Abgrund auf den grauen Steinen und schauen die Touristen an, die sie natürlich alle zu fotografieren versuchen. Oben auf dem Berg treffen wir Daria von Wikimedia UK, die nach oben gewandert ist, aber mit uns die Seilbahn zurück nimmt.
Per Bus erkunden wir die Küste Kapstadts, wo die Reichen hinter Stacheldraht und Elektrozäunen residieren. Sicherheit ist ein großes Thema hier, vor nächtlichen Alleingängen durch die Innenstadt wird gewarnt.
Um 17 Uhr treffen sich alle Stipendiatinnen und Stipendiaten, die durch die Förderung Wikimedia Deutschlands angereist sind, für eine Info-Veranstaltung mit Martin und Veronika von WMDE, um Tipps für besonders interessante Workshops und Vorträge auszutauschen. Bei einem gemeinsamen Abendessen und Drinks lassen wir den ersten Tag ausklingen, schön ist es hier.
Donnerstag:
Heute geht es los, auch wenn die offizielle Wikimania-Eröffnung erst am Freitag stattfindet. Wikimedia Deutschland hat um 17 Uhr zu einem Drink eingeladen, und alle sind sie da, das WMDE-Präsidium, die Stipendiaten und Mitarbeitende von WMDE. "Stay away from ze Germans", empfiehlt Lukas Mezger in seiner Begrüßungsansprache. Bloß nicht das Mingling mit den anderen Leuten auf der Wikimania vergessen. Gelegenheit dazu gibt es auf der Opening Reception, die in einem Aquarium stattfindet. Von Fischen, Seepferdchen und Seesternen in den Bassins ganz gelassen ignoriert, lernen sich Wikimedia-Menschen aus der ganzen Welt kennen und kommen ins Gespräch. Alte und neue Bekannte treffen, gemeinsam essen und trinken und natürlich Fische fotografieren - der Abend geht schnell rum. Die Organisation ist übrigens in diesem Jahr sehr gut. Ohne Warteschlangen bringen die Busse uns zurück ins Hotel, alles läuft prima, nun kann die Wikimania endlich los gehen.
Freitag:
Nach der Eröffnungszeremonie mit Grußworten beginnt der inhaltliche Teil dieser Wikimania. "Babel's Tower: South Africa's Wikipedias" heißt die erste Session, die ich mir ausgesucht habe. In Südafrika gibt es 11 verschiedene Landessprachen, neben Englisch und Afrikaans noch neun verschiedene Bantu-Sprachen, die seit 1994 gleichberechtigt mit den Hauptsprachen Aafrikans und Englisch sind. Auch die kleinen Sprachen haben eigene Wikipedia-Versionen, doch sie sind noch klitzeklein. Twin Mosia, der extra 12 Stunden lang von Mamafubedu/Petrus Steyn nach Kapstadt gefahren ist um dabei zu sein, erzählt mir, dass es in seiner Sprache Xitsonga nur 500 Artikel gibt. Was ist also zu tun, um diese Sprachversionen zu unterstützen? Zuerst einmal geht es darum überhaubt Zugänge zu schaffen. der Offline-Reader Kiwix, Zero-Rating und Wikifundi - diese Worte fallen auf der Konferenz immer wieder (um herauszufinden, was das ist, bitte die Links klicken!). Dann gibt es da noch dieses Problem mit den Quellen. Wo kaum Schriftlichkeit ist, finden sich auch kaum Quellen, das trifft auf die Bantusprachen zu. Ob es denn nicht eine sehr kolonialistische Denkweise sei, fragt eine Teilnehmerin, wenn man den kleineren Sprachversionen die Regeln der Großen (also die Belegpflicht) überstülpt. Aber die Verwendung von Oral History als Quelle ist höchst umstritten. Das Internet dekolonisieren war ein Ziel der Vorkonferenz, aber wie denn? Die Frage, wie dieses Dilemma zu lösen ist, wird auch bei dieser Wikimania unbeantwortet bleiben. Auch am Nachmittag, bei der Podiumsdiskussion der Whose Knowledge Foundation findet sich keine Antwort. Interessant ist es aber trotzdem, einmal die Perspektive einer Dalit-Frau(aus der indischen Kaste der sogenannten Unberührbaren in Indien) auf die Wissensgesellschaft zu hören. Während die Südafrikaner auf der Konferenz in ihrem Land zwar sozial und finanzielle deutlich benachteiligt sind, aber zumindest rechtlich gleichgestellt, sind die Dalit noch immer roher Gewalt und massiver Diskriminierung ausgesetzt, berichtet Thenmozhi Soundararajan.
Am Abend steht die jährliche Postersession an, bei Wein und Desserts präsentieren Menschen vor Postern ihre Projekte (ein kleiner Trost für diejenigen, deren eingereichte Vorschläge das Programm-Komitee abgelehnt hat. Im 32. Stock ist anschließend noch eine kleine Party der Wikimedia Foundation, ein schöner Abschluss.
Samstag:
Wie können neue Generationen für die Wikimedia-Projekte gewonnen werden? Mit dieser Frage befasst sich Isla Haddow aus Südafrika, die Schulprojekte in ihrem Land organisiert. Nur 22 Prozent der Viertklässler können sinnerfassend lesen, berichtet sie in ihrem Vortrag. Trotz der Bildungskrise (Zitat: „It's a nightmare!“) will sie junge Menschen für eine Wikipedia-Mitarbeit gewinnen, stößt aber oft auf Widerstand, weil die starren Lehrpläne solche Projekte gar nicht vorsehen und die staatlichen Schulen wenig offen sind. Mit Privatschulen sei die Kooperation deutlich einfacher, berichtet sie. Auch an der Elfenbeinküste, in Nigeria, Ägypten und Indien gibt es Programme für Schülerinnen und Schüler oder Studierende. In Deutschland gibt es die zur Zeit nicht, da der Erfolg (neue WP-Mitarbeiter) wohl zu gering ausgefallen ist, beziehungsweise kaum messbar ist. Ich finde das sehr bedauerlich, weil die Digitalisierung an Schulen, das Medienkompetenz-Training eine zentrale Aufgabe ist und ich mir wünschen würde, dass die Wikimedia-Bewegung sich daran beteiligen würde, Schulen aus der Kreidezeit ins internetzeitalter zu befördern. Selbst wenn nicht alle Kinder und Jugendlichen, die mal an einem Wikipediaworkshop teilgenommen haben, sofort zu neuen Autoren werden, kann das ja später mal passieren. Hier im Video wird WikiAfrica Schools vorgestellt: https://www.youtube.com/watch?v=iKpoZIOzjfQ
Sonntag:
Am Sonntag besuche ich einen Workshop zum Thema, wie Wiki-Veranstaltungen angenehmer und sicherer für alle Beteiligten werden können. Es geht um Awareness, also darum das Gespür dafür zu schärfen, was Menschen brauchen um sich wirklich eingeladen und willkommen zu fühlen. Mich überrascht, dass drei Männer (Joe Sutherland, Patrick Earley und noch jemand) den Workshop durchführen und auch die Zahl der teilnehmenden Männer die der Frauen überwiegt. In einem Rollenspiel wird erprobt, wie man als Veranstalter (einer Konferenz, eines Editathons, etc.) vorgehen könnte, wenn eine Person sich belästigt fühlt. Außerdem tauschen wir Erfahrungen aus, die ziemlich persönlich sind und darum hier nicht dargestellt werden. Ich finde es toll, dass es diesen Workshop gibt, denn auch auf der Wikimania, so schön sie auch sein mag, kommt es immer wieder zu Situationen, die dazu führen, dass Leute