Zirkuläres Bauen ist eine Methode des nachhaltigen Bauens. Schon verbaute Baustoffe sollen nach Ende der Lebenszeit eines Gebäudes wiederverwendet und neue Baustoffe sollen so eingesetzt werden, dass sie beim Rückbau eines Gebäudes ohne großen Aufwand und idealerweise ohne Materialschwund wiederverwendet werden können.

Geschichte

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Die Idee des zirkulären Bauens basiert auf der konsequenten Kreislaufwirtschaft, die in dem Konzept Cradle to Cradle Ende der 1990er Jahre von Michael Braungart und William McDonough entwickelt wurde.[1]

Die Niederlande haben es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Verbrauch von Primärrohstoffen zu halbieren, um bis 2050 das Land zirkulär zu organisieren. Dabei ist die Baubranche neben Wasserwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie und Energiewirtschaft nur ein Baustein.[2]

In Deutschland ist der Begriff „Zirkuläres Bauen“ so neu, dass Anna Braun mit Expertinnen und Experten eine Definition erarbeitete, die sie auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) 2022 vorstellte:

„Im Sinne des zirkulären Bauens setzen sich die Akteure der Bau- und Immobilienwirtschaft mit dem Erhalt, der Aufwertung und der Aktivierung des Gebäudebestands auseinander, nehmen sie diesen als wertvolle Materialquelle und als Lager wahr und nutzen vorhandene Materialströme und Werte. Darüber hinaus ermöglichen sie eine langfristige Nutzung und zukünftige Verwendung in geschlossenen Kreisläufen, so dass über den gesamten Lebenszyklus kein Abfall entsteht. Unter der Berücksichtigung von ökologischen und gesundheitlichen Aspekten fördern sie damit den Erhalt oder eine Steigerung der Qualitäten und ökonomischen Werte von Quartieren, Gebäuden, Bauprodukten und Materialien. Als Akteure einer zirkulären Gesellschaft leisten sie durch ihr zirkuläres Denken und Handeln wichtige und positive Beiträge zu diversen Nachhaltigkeitszielen. Sie agieren konsistent mit Naturkreisläufen und entkoppeln ihre wirtschaftlichen Aktivitäten vom Konsum nicht erneuerbarer Ressourcen“

Anna Braune[3]

Der Deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale Venedig hat sich unter dem Titel „Open for Maintenance / Wegen Umbau geöffnet“ dieses Themas angenommen und zahlreiche Protagonisten, die an diesem neuen Thema produktiv arbeiten, eingeladen, ihre Ansätze erfahrbar zu machen.[2]

Vorgehen

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Der Grundgedanke ist also, keine Material zu verbrauchen. Daraufhin werden alle Bausysteme und -methoden überprüft. Kein Rohstoff soll untrennbar mit einem anderen verbunden werden, d.h. Kleben, Leimen, Gießen sind Vorgehen, die zukünftig zu vermeiden sind. Kein Baustoff soll nach einem Abriss auf der Müllhalde landen, weil es zu aufwendig und kostspielig ist, die Bestandteile voneinander zu trennen. Das Baumaterial soll vielmehr mit geringem Mehraufwand wieder verwendbar sein.

Um ausreichend Baumaterial für ein Projekt zur Verfügung zu haben, muss dem ein ausgefeilter Planungsprozess vorausgehen. Das niederländischen Architekturbüro Superuse Studios entwickelte dafür die Methode „Design by availability“.[2]

Ausreichende Menge

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zum richtigen Zeitpunkt

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richtige Qualität

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Stecken und Fügen statt Kleben

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Besonders für Haustechnik-Systeme findet man oft keine andere Lösung, als sie in Wände einzubetten oder in Betonplatten einzugießen und damit irreversibel zu verbinden. Demgegenüber stehen Lösungen mit mechanischen und steckbaren Verbindungen. Maxime für ein Design for Disassembly ist, dass alle Bauteile eines Gebäudes mit den gleichen Prozessen demontiert werden können, wie sie zusammengebaut wurden.[4]

Bestand ertüchtigen

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Sortenreine Materialien

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Katalogisierung

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Bauteilbörsen

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Internetbörsen, Lager, Warenhäuser

Architekturbüros mit zirkulärem Ansatz

Weitere Stichworte

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Reversible Architektur, Design for Disassembly (DfD)[4]

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Modularität

Repetitivität vs. Kreativität: Antón Garcia-Abril - Hemeroscopium House

BIM-Design

virtuelle digitale Zwillinge

Dennoch stießen alle Pioniere auf ähnliche Probleme mit länderspezifischen Bauvorschriften. Ausreichend verfügbare zweifach verglaste Fenster durften etwa im Recyclinghaus in Hannover nicht eingebaut werden, da dreifach verglaste Fenster vorgeschrieben waren. Stahlträger konnten nicht wiederverwendet werden, da jeder einzelne auf Tragfähigkeit hätte geprüft werden müssen. Handwerker übernehmen nicht die Gewähr für den Einbau gebrauchter Materialien.[2]

„Kaum jemand hat genügend Fachwissen, um alle Arten von Bauteilen professionell demontieren, aufarbeiten und überprüfen zu können. Erst wenn effiziente Prozesse der Wiederverwendung für die verschiedensten Baumate­rialien und Gewerke entwickelt und erprobt sind, kann die Wiederverwendung zum Mainstream werden.“

Bauteile wiederverwenden

Bauorganisation

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Suche nach Abbruchbaustellen, Eignungsbeurteilung, Herkunftsrecherche, Dokumentation (Katalog mit Details, Fotos), Koordination, Erwerb von Bauteilen, Rückbau durch Spezialisten, Transport zur Baustelle, Transport zu Aufbereitungsunternehmen, Transport ins eigene Lager, Transport zur externen Lagerung, Aufbereitung durch Spezialist, Montage von Bauteilen, Unterhalt

Recht: Vertrag mit Abbruchbaustelle (Dokumentation, Beurteilung, Erwerb), Vertrag über schadlosen Rückbau, Vertrag mit Lager, Einbau der Bauteile ohne Gewährleistung (bestehende Regelungen passen nicht, müssen individuell geregelt werden)

Beteiligte: Bauherr, Architekt, Fachplanung für Beurteilung, Spezialisten für Beurteilung, Bauunternehmen, Zulieferer[5]

Treibhausgas-Emissionen

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Beim Modellprojekt K.118 wurde pro Bauteil eine entsprechende Berechnung erstellt. Der weitaus größte Teil der Treibhausgas-Emissionen fällt an beim Transport: zwischen 69 % und 99 %.

Die Berechnung eines vergleichbaren Baus mit neuen Bauteilen ergab eine Einsparung von 59 % an Treibhausgasen beim Einbau von gebrauchten Teilen.[6]

8 Thesen

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Ansprüche hinterfragen

Wertschöpfung für neue Spezialisten

Geerbte Identität

Vielfalt der Bauweisen

Begreifbare Konstruktionen

Neue Räume aus alten Teilen

Am Werkstück entwerfen

Sampeln und das Glück des Zufalls[7]

Bausysteme

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Ein Lösungsweg zur reversiblen Architektur ist die Modularität und Normierung, wie sie aus dem Systembau bekannt ist. In diesem Sinne entwickelte der Schweizer Fritz Haller das modulare Bausystem MIDI 100.[4]

Die Kosten für die neue Methode des Zirkulären Bauens müssen anders kalkuliert werden. Im Modellprojekt der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) K.118 in Winterthur wurde berechnet, dass die Planungskosten an und für sich ca. 15 % höher sind als bei herkömmlichem Vorgehen und während der Planungs- und Bewilligungsphase schon Bauteilkosten anfallen können, um die Bauteilbeschaffung rechtzeitig zu gewährleisten. In der Ausführungsphase relativierten sich die Bauteilkosten wieder. Dennoch sind individuelle Lösungen mit wiederverwendeten Bauteilen oft notwendig, möglicherweise aufwendig und damit teurer.

Damit waren die Investitionskosten lange vor der Baufreigabe durch Planung und Bauteilbeschaffung 15 % höher als beim konventionellen Bauvorgehen, dies konnte später wieder durch billigere Bauteile kompensiert werden. Kostentreiber waren individuelle Anschlusslösungen, schwer kalkulierbare Materialreste und das Fehlen von etablierten Abläufen und Märkten. Es wurde festgestellt, dass die zirkuläre Methode geringfügig teurer ist, was auch mit der Neuheit der Methode zusammenhängt.[8]

Architekturbeispiele

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Design for Disassembly[4]

  • Crystal Palace
  • IBM Travelling Pavilion, Renzo Piano (Brettschichtholz, Polycarbonat, Aluminium)
  • Pavillon auf der Expo 2000, Hannover, Peter Zumthor
  • Pavillon für Bahrain auf der Expo 2015, Mailand, Anne Holtrop (Betonfertigteile)
  • Circular Building, Ove Arup
  • Circle house, Lendager Group, 3XN Architects und Vandkunsten
  • Wohnhaus, Werner Sobek (Leichtbau, Null-Energie-Verbrauchsbilanz, Stahlstruktur aus Standardprofilen, einfach kubische Form, dreifach verglaste Standardmodule, Stahlseile, aufgeschraubte Platten, keine inneren Trennwände aus Gipskarton oder Ziegeln, Metallplatten und Magnete für Toiletten-Abtrennung, Fußboden aus Massivholz, Massivholzparkett, Abgehängte Decken aus Aluminiumpaneelen, Dachabdeckung: PV-Paneele, Bauzeit: 1 Monat)
  • 2007: Villa Welpeloo, Einfamilienhaus mit einer Fassade aus dem Holz alter Kabeltrommeln, Enschede, Architekturbüro: Superuse Studios[9]
  • 2009: Blade Mad Playground: Kinderspielplatz aus abgebauten Windrädern, Rotterdam, Architekturbüro: Superuse Studios[10]
  • 2017: Blue City Kantooren, Umbau eines Spaßbades zu Büros, Werkstätten und Veranstaltungsräumen, Rotterdam, Architekturbüro: Superuse Studios[11]
  • 2019: Triodos Bank, Frankfurt am Main, Rau Architekten[12][13]
  • 2020: Kven – Parkpavillion aus 90% wiederverwendeten Bauteilen, Eindhoven, Architekturbüro: Superuse Studios[14]
  • 2020: Recyclinghaus, Hannover, Architekturbüro: Cityförster[15]
  • 2021: kHaus Basel, flexibler Um- und Innenausbau einer ehemaligen Kaserne in ein Coworking-, Kultur- und Veranstaltungszentrum, Architekturbüro: Focketyn del Rio[16]
  • 2022: Ausbauhaus Südkreuz, Berlin, Praeger Richter Architekten[17]
  • 2022: Feuerwehrhaus, Straubenhardt, Wulf Architekten[18]
  • 2022: Impact Hub im CRCLR House, Berlin-Neukölln, LXSY Architekten[19]
  • im Umbau: Altes Hobelwerk Winterthur, baubüro in situ[20]

Literatur (Auswahl)

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Die Literatur wird nach Erscheinungsdatum aufgelistet:

  • Johannes Meyser: Ressourcenschonung durch Wiederverwendung von Betonfertigbauteilen – Die Lehrbaustelle Plattenvereinigung. In: bwp Spezial. Band 5, 2011, S. 1–15 (bwpat.de [PDF]).
  • Ute Dechantsreiter, Angelika Mettke, Stefan Asmus, Stephanie Schmidt, Peter Horst, Florian Knappe, Joachim Reinhardt, Stefanie Theis, Jens Jürgen Lau: Instrumente zur Wiederverwendung von Bauteilen und hochwertigen Verwertung von Baustoffen. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau 2015.
  • Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Institut Konstruktives Entwerfen und andere (Hrsg.): Bauteile wiederverwenden. Ein Kompendium zum zirkulären Bauen. Park Books, Zürich 2021, ISBN 978-3-03860-259-0.
  • Dokumentation: Jahrestagung des Forschungsverbunds Ecornet Berlin. Motto: Wissen. Wandel. Berlin. 2021 - Klimaneutrales Wohnen und Bauen für alle? Ecornet Berlin, Berlin 2021 (ecornet.berlin).
  • Eva Stricker: Architektur der Wiederverwendung: Zur Wiederentdeckung einer baukulturellen Praxis. In: Die Wiederverwendung von Bauteilen: Ein Überblick aus rechtlicher Perspektive. Dike, Zürich 2021, ISBN 978-3-03891-308-5, S. 3–6.
  • Edeltraut Haselsteiner: Robuste Architektur - Lowtech Design. Edition Detail, München 2021, ISBN 978-3-95553-585-8.
  • Anja Rosen: Urban Mining Index. Entwicklung einer Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufkonsistenz. Dissertation. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2021, ISBN 978-3-7388-0605-2.
  • Matthias Ballestrem, Tim Simon-Meyer, Johanna Schmeißer (Hrsg.): Zinnergie/21/22/HH/W. HafenCity Universität Hamburg, Hamburg 2022, ISBN 978-3-947972-54-8, doi:10.34712/142.33.
  • Eva Stricker: Zirkuläres Bauen. In: 5. BDA Hochschultag der Architektur: Für eine neue Praxis. Lehren und Lernen in Zeiten des Klimawandels, Berlin, Deutschland, 7. Oktober 2022. 2022.
  • Wie funktioniert zirkuläres Bauen? Einblicke in die Transformation des Bausektors. In: ndion Podcast. Martin Pauli interviewt Linda Hildebrand. Nr. 28. Rat für Formgebung, Frankfurt am Main 2023 (ndion.de).
  • Felix Heisel, Dirk E. Hebel (Hrsg.): Urban Mining und kreislaufgerechtes Bauen. Die Stadt als Rohstofflager. Fraunhofer Informationszentrum Raum und Bau (IRB), Stuttgart 2021, ISBN 978-3-7388-0563-5.
  • Marcus Weismann, Marcus Herget, Nadine Funck, Raphael Dietz: Zirkuläres Bauen in der Praxis. Ein Status Quo. Hrsg.: Wirtschaftsförderung Region Stuttgart. 2023.
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Einzelnachweise

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  1. Pia Hettinger: Der Übergang zum zirkulären Bauen. In: DGNB Blog. 4. März 2022, abgerufen am 27. Mai 2023 (deutsch).
  2. a b c d Zirkuläres Bauen: Wie Architektur nachhaltig den Kreis schließt. AD, 21. April 2023, abgerufen am 27. Mai 2023 (deutsch).
  3. https://blog.dgnb.de/uebergang-zirkulaeres-bauen/ Definition Zirkuläres Bauen
  4. a b c d Bauteile wiederverwenden. S. 138–140.
  5. Bauteile wiederverwerten. S. 238–247.
  6. Bauteile wiederverwenden. S. 258–263.
  7. Bauteile wiederverwenden. S. 264–288.
  8. Bauteile wiederverwenden. S. 248–255.
  9. Villa Welpeloo. Superuse Studios, abgerufen am 27. Mai 2023 (niederländisch).
  10. Blade Made Speeltuin. Superuse Studios, abgerufen am 27. Mai 2023 (niederländisch).
  11. BlueCity Kantoren. Superuse Studios, abgerufen am 27. Mai 2023 (niederländisch).
  12. Triodos Bank / RAU. ArchDaily, 13. Oktober 2019, abgerufen am 27. Mai 2023 (englisch).
  13. Triodos Bank Nederland. In: RAU Architects. Abgerufen am 27. Mai 2023 (niederländisch).
  14. KEVN – Expo, Food & Drinks. Superuse Studios, 2020, abgerufen am 27. Mai 2023 (niederländisch).
  15. Recyclinghaus. Cityförster, abgerufen am 27. Mai 2023 (englisch).
  16. Über das kHaus | kHaus. Abgerufen am 27. Mai 2023.
  17. Ausbauhaus Südkreuz / Berlin 2022. Praeger Richter Architekten, 2022, abgerufen am 27. Mai 2023 (englisch).
  18. Feuerwehrhaus in Straubenhardt. wulf architekten, abgerufen am 27. Mai 2023.
  19. Impact hub Berlin at CRCLR-house. LXSY Architekten, abgerufen am 27. Mai 2023.
  20. Altes Hobelwerk Winterthur. baubüro in situ, abgerufen am 27. Mai 2023.

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