Bestandserhaltungsmigration

in der Demographie jene Zuwanderung (Migration), die eine Region benötigt, um ein bestimmtes Ziel – demografisch, wirtschaftlich oder sozial – zu erreichen

Bestandserhaltungsmigration[1] (englisch replacement migration von replacement „Ersatz, Austausch“) bezeichnet in der Demographie jene Zuwanderung (Migration), die eine Region benötigt, um ein bestimmtes Ziel – demografisch, wirtschaftlich oder sozial – zu erreichen[2]. Im Allgemeinen befassen sich Maßnahmen, die dieses Konzept verwenden, mit dem enger gefassten Ziel, den Rückgang der Gesamtbevölkerung und den Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu vermeiden.

Häufig werden diese allgemeinen Bevölkerungsrückgänge durch niedrige Fruchtbarkeitsraten beeinflusst. Wenn die Fruchtbarkeit unter dem Ersatzniveau von 2,1 Kindern pro Frau liegt und eine hohe Lebenserwartung besteht, verändert sich die Altersstruktur im Laufe der Zeit.[3] In diesem Fall sinkt die Bevölkerung, da es nicht genügend Kinder gibt, die die schwindende Bevölkerung ersetzen. Der Bevölkerungsanteil der älteren Menschen nimmt dagegen weiter zu. Ein Problem dabei ist, dass die Altersabhängigkeitsquote betroffen sein wird, da die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter mehr Angehörige im höheren Alter zu unterstützen hat (so genanntes Erwerbspersonenpotenzial). Dies wirkt sich negativ auf Wirtschaftswachstum und Sozialversicherungssysteme aus.[4] Daher wurde mit der „Bestandserhaltungsmigration“ eine hypothetische Kalkulation erstellt, um in einem Land oder einer Region die abnehmende Bevölkerungszahl und die Überalterung der Bevölkerung zu bekämpfen und den Anteil der Menschen in den erwerbsfähigen Altersgruppen zu erhalten.

Berechnungen des Migrationsersatzes sind in erster Linie demographischer und theoretischer Art und keine Prognosen oder Empfehlungen. Diese demografischen Informationen können jedoch dazu beitragen, dass die Regierungen die Migration durch politische Veränderungen erleichtern.[5]

Das Konzept der Bestandserhaltungsmigration kann je nach Studie und je nach Kontext, in dem sie Anwendung findet, variieren. Es kann unter anderem eine Anzahl von jährlichen Einwanderern betreffen[6], eine Nettomigration[7] oder eine zusätzliche Anzahl von Einwanderern im Vergleich zu einem Referenzszenario sein[8].

Arten der Ersatzmigration

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Die Bestandserhaltungsmigration kann verschiedene Formen annehmen, da mehrere Projektionsszenarien zur Bevölkerungsentwicklung das gleiche Ziel erreichen können. Es dominieren jedoch zwei Formen: die geringfügige Bestandserhaltungsmigration und die konstante Bestandserhaltungsmigration.

Die geringfügige Bestandserhaltungsmigration

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Bestandserhaltungsmigration ist eine Mindestmigration ohne Überschuss, um ein gewähltes Ziel zu erreichen. Diese Form der Bestandserhaltungsmigration kann zu großen Schwankungen zwischen den Perioden führen. Ihre Berechnung hängt vom gewählten Ziel ab. Marois berechnet beispielsweise die Bruttogesamtanzahl der Einwanderer, die benötigt werden, um einen Bevölkerungsrückgang in Quebec zu verhindern. Die Formel lautet dann wie folgt:[9]

 

Dabei bezeichnet:

  • R(t)' = Bestandserhaltungsmigration zur Vermeidung des Bevölkerungsrückgangs im Jahr t
  • A(t) = Bindungsrate der Einwanderer im Jahr t, definiert durch (1 - momentane Abgangsrate)
  • ∆P(t,t+1) = Veränderung der Gesamtpopulation im Zeitintervall t, t+1

Konstante Bestandserhaltungsmigration

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Die konstante Bestandserhaltungsmigration schwankt nicht und bleibt während der gesamten Projektionsperiode gleich. Beispielsweise wird sie mit einer Projektion berechnet, die eine Migration von X über den gesamten Zeithorizont ergibt.

Ergebnisse

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Die Rohergebnisse der Bestandserhaltungsmigration sind, je nach Art der vom Autor verwendeten Bestandserhaltungsmigration, nicht unbedingt vergleichbar. Dennoch treten die wichtigsten demographischen Resultate periodisch immer wieder auf:

  • Die Bestandserhaltungsmigration erreicht ein in der Praxis nicht mögliches Niveau, um eine Alterung der Bevölkerung zu vermeiden, den Abhängigkeitsgrad zu halten oder die Altersstruktur einer Region signifikant zu beeinflussen.
  • In Regionen mit einer relativ hohen Geburtenrate ist die Bestandserhaltungsmigration, die einen Rückgang der Gesamtbevölkerung oder des Erwerbsalters verhindert, nicht übermäßig hoch. In Regionen mit sehr niedriger Fruchtbarkeitsrate ist der Wanderungsersatz jedoch sehr hoch und daher unrealistisch.
  • Das Niveau der Fruchtbarkeit ist viel wichtiger als die Immigration über Alter und Altersstruktur.
  • Die Hauptwirkung der Einwanderung zielt auf ihre Bevölkerungswirksamkeit, ohne die Struktur der Bevölkerung wesentlich zu verändern.

Bestandserhaltungsmigration, so wie im Jahr 2000 durch die Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN DESA) vorgestellt, wird weitgehend als unrealistisch empfunden, da sie nur eine einzige Methode zur Bekämpfung der Alterung der Bevölkerung darstellt.[10][11][12] Grund dafür ist, dass die Bestandserhaltungsmigration in der Regel nur als vorübergehende Lösung für eine alternde Bevölkerung gelten könne. Anstatt Bestandserhaltungsmigration zur Bekämpfung von Bevölkerungsrückgang und Überalterung zu nutzen, könnten staatlicherseits politische und soziale Veränderungen umgesetzt werden.[13] Daher sei die Bestandserhaltungsmigration nur als analytisches oder hypothetisches Instrument nützlich.[14]

Eine zunehmende Migration könne die Altersabhängigkeitsquote verringern, die in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich erheblich steigen werde.[15] Allerdings sei der Einwanderungsbedarf, um der Überalterung vieler Industrieländer wirksam zu begegnen, unrealistisch hoch.[16]

Es wird ebenfalls befürchtet, dass die Bestandserhaltungsmigration die Umwelt negativ beeinflusse.[17] Rückläufige und alternde Bevölkerungszahlen sind typischerweise in den entwickelteren Ländern zu beobachten, da diese Länder über eine bessere Infrastruktur für die Gesundheitsversorgung und den Zugang zu Bildung verfügen, was sowohl die Sterblichkeitsrate als auch die Fruchtbarkeitsrate in der Bevölkerung verringert.[18] Einwanderer bewegen sich in der Regel aus Gebieten mit geringeren Ressourcen oder wirtschaftlichen Möglichkeiten, da der Zugang zu mehr Ressourcen und wirtschaftlicher Wohlstand ein Pull-Faktor für diese Migranten sein kann, in ein anderes Land zu ziehen. Ein großer Zustrom von Einwanderern aus einem Gebiet, das arm ist oder nur unzureichende Ressourcen wie Nahrung, Wasser, Land, Energie usw. hat, in ein Land, das über mehr solcher Ressourcen gebietet, könne die Verfügbarkeit von Ressourcen verändern, da es dann mit mehr Menschen mehr Verteilungskonflikte geben würde.[19]

Die Bevölkerung in manchen Ländern kann gegen die Einwanderung sein. Durch fremdenfeindliche Haltungen werden neue Einwanderer diskriminiert, so dass sie Schwierigkeiten haben können, sich in ihr neues Land einzuleben.[20] Die einheimische Bevölkerung dieser Länder kann gleichzeitig auch Widerstand gegen die Befürchtung des Verlusts der nationalen Identität, der homogenen nationalen Kultur und den Verlust von Vorteilen entwickeln.

Fortschritte in den Bereichen Robotik und KI könnten den Bedarf an Wanderarbeitskräften allerdings verringern, insbesondere bei gering qualifizierten Arbeitsplätzen.[21]

Literatur

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  • Jakub Bijak et al. 2005. « Replacement Migration Revisited: Migratory Flows, Population and Labour Force in Europe, 2002–2052 » In UN ECE Work Session on Demographic Projections, Wien, 21.–23. September 2005. [1]
  • Jared Diamond, 1997 Guns, Germs and Steel: A short history of everybody for the last 13,000 years.
  • Guillaume Marois. 2007. « Démystification de l’impact de l’immigration sur la démographie québécoise : des résultats surprenants », Mémoire déposé lors de la Consultation publique en vue de la planification triennale des niveaux d’immigration pour la période 2008–2010, Commission de la culture, Gouvernement du Québec. [2]
  • Guillaume Marois. 2008. « La « migration de remplacement » : un exercice méthodologique en rapport aux enjeux démographiques du Québec », Cahier québécois de démographie, vol. 37, n° 2, S. 237–261 [3]
  • United Nations. 2000. Replacement Migration, UN Population Division, New York. [4]

Einzelnachweise

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  1. Vereinte Nationen - Abteilung Bevölkerungsfragen: Bestandserhaltungsmigration: Eine Lösung für abnehmende und alternde Bevölkerung? (un.org [PDF]).
  2. Vgl. Guillaume Marois: La «migration de remplacement» : un exercice méthodologique en rapport aux enjeux démographiques du Québec / Replacement migration : methodological and demographic issues in Quebec
  3. Vgl. United Nations, Department of Economic and Social Affairs; Population Division. Replacement Migration: Is it a Solution to Declining and Ageing Populations? Vol. no. 206, United Nations, New York, 2001
  4. Johann Fuchs, Alexander Kubis und Lutz Schneider: Zuwanderung und Digitalisierung - Wie viel Migration aus Drittstaaten benötigt der deutsche Arbeitsmarkt künftig? In: Bertelsmann-Stiftung.de. 2019, S. 10, abgerufen am 15. Juli 2020.
  5. Bijak, Jakub et al.: Replacement Migration Revisited: Simulations of the Effects of Selected Population and Labor Market Strategies for the Aging Europe, 2002-2052, Population Research and Policy Review, Vol. 27, No. 3, 2008, pp. 321–342. JSTOR
  6. Im Internet-Archiv unter Mémoire pour la Consultation publique en vue de la planification triennale de niveau d'immigration pour la période 2008-2010 – Démystification de l'impact de l'immigration sur la démographie Québécoise: Des résultats surprenants
  7. Vgl. www.un.org
  8. Archiviert unter Jakub Bijak, Dorota Kupiszewska, Marek Kupiszewski: Replacement Migration Revisited: Migratory Flows, Population and Labour Force in Europe, 2002–2052, Originaldokument nicht mehr verfügbar
  9. Guillaume Marois: La «migration de remplacement» : un exercice méthodologique en rapport aux enjeux démographiques du Québec. In: Cahier québécois de démographie. Band 37, Nr. 2, 2008, S. 237–261.
  10. Chris Wilson, Tomáš Sobotka, Lee Williamson, Paul Boyle: Migration and Intergenerational Replacement in Europe. In: Population and Development Review. Band 39, 2013, S. 131–157, doi:10.1111/j.1728-4457.2013.00576.x (wiley.com [PDF]).
  11. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 20. Mai 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oeaw.ac.at
  12. D. A. Coleman: Replacement migration, or why everyone is going to have to live in Korea: a fable for our times from the United Nations. In: Philos. Trans. R. Soc. Lond. B Biol. Sci. Band 357, Nr. 1420, 2002, S. 583–98, doi:10.1098/rstb.2001.1034, PMID 12028794, PMC 1692968 (freier Volltext).
  13. Frederick A. B. Meyerson (2001). Population and Environment. 22 (4): 401–409
  14. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 20. Mai 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oeaw.ac.at
  15. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 20. Mai 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oeaw.ac.at
  16. http://www.popcouncil.org/uploads/pdfs/councilarticles/pdr/PDR301Bongaarts.pdf
  17. Frederick A. B. Meyerson (2001): A Questionable Tactic for Delaying the Inevitable Effects of Fertility Transition. In: Population and Environment. 22 (4): 401–409.
  18. John R. Weeks: Population: An Introduction to Concepts and Issues. Cengage Learning, 2015, ISBN 978-1-305-09450-5.
  19. Frederick A. B. Meyerson (2001): A Questionable Tactic for Delaying the Inevitable Effects of Fertility Transition. In: Population and Environment. 22 (4): 401–409.
  20. John R. Weeks (2015). Population: An Introduction to Concepts and Issues. Cengage Learning. ISBN 978-1-305-09450-5
  21. Delphine Strauss: „Robots could replace migrant workers, says think-tank“, Financial Times, 4. Juli 2016