Bettlertaler
Die Bettlertaler, auch Kröpeltaler und Prachertaler genannt, zeigen auf einer Seite das Reiterbild des heiligen Martins mit dem Bettler, daher werden sie auch Martinstaler genannt. Die Bezeichnungen Kröpel- (= Krüppel) bzw. Prachertaler (Pracher niederdeutsch = Bettler) charakterisieren ebenfalls die Münzen, die von mehreren Münzherren geprägt wurden. Als Vorbild der Bettlertaler kann der Dicken bzw. Vierteltaler der Stadt Colmar von 1499 angesehen werden.[1][2]
Geschichte
BearbeitenAuf den Bettlertalern ist die Legende vom heiligen Martin (* um 316/317; † 397) bildlich dargestellt. Die Gepräge zeigen, wie der heilige Martin auf dem Pferd sitzend mit dem Schwert ein Stück von seinem Mantel abschneidet, um einen am Weg meist sitzenden und notdürftig bekleideten Bettler damit zu schützen. Diese besondere Episode der Mantelteilung des Heiligen, der erst Soldat und zuletzt Bischof von Tours war, wurde im 16. Jahrhundert ein beliebtes Sujet auf Münzbildern. Kröpeltaler heißen diese Münzen wegen der, so Schmieder, „oft abscheulichen Figur des Bettlers“ und Prachertaler vom Niedersächsischen Pracher, Bettler.[3]
Überlieferung
BearbeitenZur Mantelteilung ist folgende Szene überliefert:
„Am Stadttor von Amiens/Civitas Ambianensium spielt die von Sulpicius Severus überlieferte Szene: Mitten im Winter begegnet Martinus am Tor der Hauptstadt der Ambianer, Amiens, einem notdürftig bekleideten Armen. Dieser bittet die Vorübergehenden, sich seiner zu erbarmen. Es gehen aber alle an seinem Elend vorbei. Da zieht Martinus das Schwert, teilt seinen Soldatenmantel in zwei Teile, gibt den einen dem Armen und hüllt sich selbst in den anderen.“[4]
Die Bettlertaler machten die Mantelteilung im Umlauf über Ländergrenzen hinweg bekannt.
Bekannte Bettlertaler
BearbeitenBekannte Bettlertaler stammen von von[5][6]
- Schwarzburg – von 1525, 1606 und 1608,
- Kurmainz, – von 1568 und 1602,
- Horn, – von 1668 und 1733,
- Schwyz – von 1653,
- Herrschaft Heyd,
- Herrschaft Bleit und
- Republik Lucca von 1737.
Der Dicken von Colmar von 1499 gilt als Vorbild der Bettlertaler.[7][8]
Beschreibung besonderer Gepräge
BearbeitenDicken (¼ Bettlertaler) von 1499 der Stadt Colmar
BearbeitenDer Dicken (¼ Bettlertaler) der Stadt Colmar von 1499 gilt als Vorbild der Bettlertaler. Das silberne Gepräge wiegt 7,30 g, der Durchmesser beträgt 29 mm. Die Münze stammt aus der Münzstätte Colmar. Der spätmittelalterliche Dicken ist eine Münzsorte in Süddeutschland und in der Schweiz im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert und entspricht etwa dem italienischen Teston. Als Vorderseite ist hier nicht die Seite mit dem Namen der Stadt angegeben (Münzherr), sondern die Seite mit dem heiligen Martin. Das Bild mit dem Heiligen im Münzfeld ist eine beachtliche künstlerische Darstellung der Spätgotik.[9]
Die Vorderseite zeigt den heiligen Martin nach links reitend. Mit dem Schwert teilt er seinen Mantel, um einen am Boden kauernden notdürftig bekleideten Bettler zu schützen.
- Umschrift: S' MARTI – N⁹ PATRO'⁹ = S(anctus) MARTIN(us) PATRO(nus). Die der Ziffer 9 ähnelnde Abbreviatur steht für (us).
- Übersetzung: Heiliger Martin, Schutzpatron.
Die Rückseite zeigt einen Adler. Darunter befindet sich der Stadtschild von Colmar.
- Umschrift: + MONETA NO(va) C – OLMAR 1499 (die Zahl 4 ist in gotischer Form zu sehen).
- Übersetzung: Neue Münze von Colmar.[10]
Scudo der Stadt Lucca von 1737
BearbeitenDer Scudo der Stadt Lucca ist eine talerförmige Münze ohne Münzmeisterzeichen mit dem Motiv der Bettlertaler. Sie besteht aus Silber, hat einem Durchmesser von 43 mm und wiegt 28,18 g. Die Münzstätte ist die Stadt Lucca der Stadtrepublik Lucca. Als Vorderseite ist in Abweichung zu den typischen Bettlertalern die Seite mit dem heiligen Martin angegeben. Der silberne Scudo ist die Sammelbezeichnung für talerähnliche Silbermünzen (Scudo d'argento) in Italien.[11]
Die Vorderseite zeigt den heiligen Martin zu Pferde in einer steinigen bewachsenen Ebene, der mit dem Schwert seinen Mantel teilt, um den vor ihm stehenden dürftig bekleideten Bettler damit zu schützen. Auch dieses Münzbild ist eine beachtliche künstlerische Darstellung der Barockzeit.
- Umschrift: SANCTUS – MARTINUS (Heiliger Martin).
Die Rückseite zeigt das bekrönte Wappen von Lucca in barocker Kartusche mit einem schräg verlaufenden Band mit der Aufschrift LIBERTAS (Freiheit).
- Umschrift: RESPUBLICA – LUCENSIS (Republik Lucca) mit der Jahreszahl 1737.
Literatur
Bearbeiten- Helmut Kahnt: Das große Münzlexikon von A bis Z. Regenstauf 2005.
- Heinz Fengler, Gerd Gierow, Willy Unger: transpress Lexikon Numismatik. Berlin 1976.
- Friedrich von Schrötter, N. Bauer, K. Regling, A. Suhle, R. Vasmer, J. Wilcke: Wörterbuch der Münzkunde. Berlin 1970 (Nachdruck der Originalausgabe von 1930).
- Carl Christoph Schmieder: Handwörterbuch der gesammten Münzkunde, Halle und Berlin 1811.
- Philipp Filtzinger: Martinus – Soldat und Christ. Universität Tübingen, 2015
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Helmut Kahnt: Das große Münzlexikon von A bis Z. (2005), Seite 49
- ↑ Heinz Fengler: transpress Lexikon Numismatik. (1976), Seite 40
- ↑ Carl Christoph Schmieder: Handwörterbuch der gesammten Münzkunde (1811), S. 49
- ↑ Philipp Filtzinger: Martinus – Soldat und Christ. Universität Tübingen, 2015.
- ↑ Helmut Kahnt: Das große Münzlexikon von A bis Z. (2005), Seite 49: Bekannte Bettlertaler
- ↑ Carl Christoph Schmieder: Handwörterbuch der gesammten Münzkunde (1811)
- ↑ Helmut Kahnt: Das große Münzlexikon von A bis Z. (2005), Seite 49: Vorbild
- ↑ Friedrich von Schrötter: Wörterbuch der Münzkunde. (1970, Nachdruck von 1930, S. 73
- ↑ MK Berlin: Dicken
- ↑ MK Berlin: Lat. Umschrift
- ↑ MK Berlin: Scudo