Bienenstich
Bienenstich ist ein traditioneller Blechkuchen aus Hefeteig mit einem Belag aus einer Fett-Zucker-Mandel-Masse, die beim Backen karamellisiert. Häufig wird er mit einer Vanille- oder Sahnecreme gefüllt. Eine Variante ist der Bienenstich in Tortenform. Bienenstich gilt als ein Klassiker der deutschen Küche.[1]
Nach den Leitsätzen für feine Backwaren des Deutschen Lebensmittelbuchs muss der Anteil des Belags mindestens 20 % des Teiggewichts betragen; 30 % des Belags muss aus Ölsaaten bestehen. Für Mandel-Bienenstich dürfen nur Mandeln verwendet werden. Die Verarbeitung anderer Ölsamen als Walnüsse, Haselnüsse oder Mandeln muss deklariert werden.[2]
Herstellung
BearbeitenGrundlage ist ein süßer Hefeteig, der fingerdick auf einem Blech ausgerollt wird. Darauf wird vor dem Backen eine Röstmasse aus gekochtem Zucker oder Honig, Fett, Sahne und gehobelten Mandeln aufgebracht. Die Masse wird relativ heiß aufgetragen, da sie sonst nicht streichfähig ist. Nach dem Backen und Auskühlen wird das Gebäck horizontal geteilt.
Gefüllt wird Bienenstich mit Sahne, Buttercreme, leichter Vanillecreme oder einer Puddingmasse, der nach dem Kochen sofort Eischnee untergezogen wird. Da die Masse sehr locker ist, ist eine Form zum Füllen des Bodens notwendig. Daher wird die Decke vor dem Auftragen geteilt, weil sie sonst nicht schneidbar ist. Da die Füllung nicht ganz durcherhitzt wird, gilt Bienenstich als anfällig für Keime[3] und wird daher in lebensmittelhygienischen Experimenten als Probematerial verwendet.[4]
Geschichte und Namensherkunft
BearbeitenIn der neubearbeiteten Fassung des Deutschen Wörterbuchs ist der älteste Beleg für das Wort Bienenstich in der Bedeutung als Kuchen eine Passage aus dem Roman Berlin Alexanderplatz von Alfred Döblin aus dem Jahr 1929.[5] Die Existenz eines Bienenstichkuchens lässt sich jedoch für das Deutsche Kaiserreich schon um kurz nach 1900 belegen.[6] Die Herkunft des Namens „Bienenstich“ ist allerdings unklar. In einem Kochbuch des Badischen Frauenvereins von 1913 bezieht sich das Wort Bienenstich noch primär auf die Röstmasse.[7]
Die ersten Bienenstich-Rezepte beinhalteten vermutlich keine Füllung, da in der Deutschen Frauen-Zeitschrift (Graz) 1914 hierauf gesondert hingewiesen wird: „Zuweilen wird der Bienenstich auch gefüllt.“[8] Frühe Rezepte finden sich in Zeitungsanzeigen der Firma Dr. Oetker, die mit einzelnen Rezepten Werbung für ihre Backbücher machte. Der Bienenstich wird dort als „für jede Jahreszeit geeignet“, „außerordentlich preiswert“ und „noch nicht allgemein bekanntes Gebäck“ beschrieben. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass eine Buttercreme-Füllung möglich ist.[9]
Bienenstich in der Bäckerjungensage
BearbeitenIn jüngerer Zeit entstand eine Variante der Bäckerjungensage, die die Erfindung des Bienenstichkuchens in das Spätmittelalter verlegt. Dieser Sage nach planten 1474 die Einwohner von Linz am Rhein einen Angriff auf das südlich gelegene Andernach, da der Kaiser den Linzern den Rheinzoll entzogen und den Andernachern zugesprochen hatte. Am besagten Morgen jedoch gingen zwei Andernacher Bäckerlehrlinge die Stadtmauer entlang und naschten aus den dort hängenden Bienennestern. Als sie die Angreifer sahen, warfen sie die Nester nach ihnen, so dass die Linzer – von den Bienen gestochen – flüchten mussten. Zur Feier wurde ein besonderer Kuchen gebacken – der Bienenstich.
Im Text der Bäckerjungensage von Karl Simrock findet sich jedoch noch kein Bezug zum Bienenstich. Es handelt sich also bei der Sage um eine moderne Herkunftslegende. Der Kuchen wurde ohne historische Grundlage in die Sage eingefügt.
Voraussetzung für die Lagerung eines Kuchens mit verderblicher Cremefüllung ist eine Kühlmöglichkeit, die vor dem 19. Jahrhundert nur in wenigen Haushalten gegeben war. Die meisten heute bekannten Sahne- und Cremetorten stammen aus der Zeit ab dem 19. Jahrhundert. Die oben angeführten Quellen legen nahe, die Entstehung des Bienenstichkuchens zu Beginn des 20. Jahrhunderts anzusetzen.
Sonstiges
BearbeitenEine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1984 wurde als Bienenstichfall bekannt.[10][11]
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Food Service Nr. 3/2009, S. 120
- ↑ Deutsches Lebensmittelbuch, Leitsätze für Feine Backwaren, Abschnitt II 10
- ↑ Lebensmittel Zeitung 15/1996, S. 30
- ↑ Kopplung von immunomagnetischer Separation und ELISA zum Schnellnachweis von Salmonellen in Lebensmitteln in Fleischwirtschaft 7/1996, S. 749
- ↑ „BIENENSTICH, m“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm / Neubearbeitung (A-F), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB2?lemid=B03057>.
- ↑ Gesetze und Verordnungen sowie Gerichtsentscheidungen betreffend Lebensmittel, Bd. 7 (1916), S. 53: "In dem Bäckerladen des Angeklagten in der N.-Straße wurden im Februar 1913 zu drei verschiedenen Malen einer Frau, die für 50 bzw. 60 Pfg. Buttergebäck verlangte, verschiedene Stücke Blätterteig, Bienenstichkuchen, Schweinsohren, kleine Törtchen und ähnliches Gebäck verabfolgt, in dem an Stelle der Butter Maragarine [sic] verwendet war."
- ↑ „Zum Streußel oder auch Bienenstich genannt, wird die Butter erhitzt, der Zucker 3-4 Min. darin geröstet, die geschälten, geriebenen Mandeln ebenfalls 3-4 Min. mitgeröstet und die Masse zum Verkühlen auf die Seite des Herdes gestellt.“ E. Wundt/A. Rothmund/M. Künzler/M. Knaufenberger (Bearb.): Kochbuch der Haushaltungs- und Kochschule des Bad. Frauenvereins, Abt. 1. Mit einem Anhang für Haushaltungskunde, 2. Aufl. Karlsruhe: Braun 1913, S. 428f., hier 429. URL: https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:31-56151/fragment/page=3302040 (BLB Karlsruhe)
- ↑ Rezension zu Maria Lorenz: Die Hausbäckerei. 1000 Rezepte von M. Lorenz, Essen: Fredebeul & Koenen [1914]: Deutsche Hausbäckereien, in: Deutsche Frauen-Zeitschrift, Beilage zu Nr. 125 des „Grazer Tagblattes, 24. Mai 1914“
- ↑ Karlsruher Tagblatt Nr. 381, Donnerstag, 20. August 1925 (Morgen-Ausgabe), S. 2. URL: https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:31-146931/fragment/page=2544458 (BLB Karlsruhe)
- ↑ Lebensmittel Zeitung, Ausgabe 25/2010, S. 32
- ↑ Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung 11/2010, S. 19