Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte

Förderschule mit gymnasialer Oberstufe und Internatsunterbringung für blinde und sehbehinderte Schüler in Königs Wusterhausen

Die Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte ist eine Förderschule mit gymnasialer Oberstufe und Internatsunterbringung für blinde und sehbehinderte Schüler in Königs Wusterhausen. Auf dem Gelände der Schule befinden sich – mit Unterbrechungen – seit 1901 Einrichtungen für blinde Menschen. Die Hauptgebäude wurden 1899–1901 als Landesblindenheim nach Entwürfen von Ludwig Möckel im neugotischen Backsteinstil errichtet und stehen heute unter Denkmalschutz.[2] Von 1952 bis 1989 war die Blindenschule in Königs Wusterhausen die einzige Schule in der Deutschen Demokratischen Republik, an der Blinde das Abitur erwerben konnten.[3]

Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte
Logo
Schulform Förderschule mit gymnasialer Oberstufe für Blinde und Sehbehinderte
Gründung 1951
Ort Königs Wusterhausen
Land Brandenburg
Staat Deutschland
Koordinaten 52° 17′ 26″ N, 13° 37′ 2″ OKoordinaten: 52° 17′ 26″ N, 13° 37′ 2″ O
Träger Landkreis Dahme-Spreewald
Schüler 90 (Schuljahr 2009/2010[1])
Lehrkräfte 25 (Schuljahr 2009/2010[1])
Leitung Fred Oelschläger
Website blindenschule-kw.de
Hauptgebäude der Schule, ehemals Landesblindenheim
Großes Mercator-Panorama des Hauptgebäudes

Geschichte

Bearbeiten
 
Internatsgebäude der Schule, ehemals Feierabendhaus

Herrmann-Schmidt-Stiftung und Landesblindenheim (1889–1933)

Bearbeiten

Der Hamburger Großhandelskaufmann Hermann Wilhelm Schmidt und dessen Ehefrau Marie Caroline Anna Schmidt geb. Ursinus stifteten 1889 mit einem Vermächtnis 500.000 Mark für die Errichtung eines „Heims für deutsche Blinde“. Kaiser Wilhelm II. übernahm das Patronat über die Herrmann-Schmidt-Stiftung und stellte Land aus dem Hofkammergut Königs Wusterhausen zur Verfügung. Nach Plänen von Ludwig Möckel wurde 1899–1901 ein Gebäudekomplex mit Hauptgebäude, vier Wohnhäusern, einem Maschinenhaus und einem Werkstättenhaus errichtet. Am 1. April 1901 wurde das Heim eröffnet.[3]

Im Heim konnten bis zu 100 erwerbsfähige Blinde aufgenommen werden, die als Bürsten- und Korbmacher, Flechter oder Seiler arbeiteten und in diesen Berufen auch ausgebildet wurden. Die Ferdinand-Warburg-Stiftung errichtete auf dem Nachbargrundstück für nicht mehr erwerbsfähige Blinde ein „Feierabendhaus“, das am 1. November 1911 eröffnet wurde. Im Gebäude des Feierabendhauses befindet sich heute das Hauptgebäude des zur Blindenschule gehörigen Internats.[3]

Nutzung der Gebäude durch das Reichspropagandaministerium (1933–1945)

Bearbeiten

In der Zeit des Nationalsozialismus nutzte das Reichspropagandaministerium die Gebäude des Blindenheims, da sich in der Nähe der Sender Königs Wusterhausen befand. Zum Kriegsende wurde der Gebäudekomplex als Lazarett genutzt.[3]

Oberschule für Blinde in der DDR (1951–1990)

Bearbeiten

Im Februar 1951 wurde in Neue Mühle bei Königs Wusterhausen eine Blindenschule gegründet, die mit Beginn des Schuljahrs 1952/53 in das ehemalige Blindenheim einzog.[3] 1956 konnten die ersten acht blinden Schüler die Schule mit dem Abitur verlassen.[3]

Im Jahr 1957 übernahm Hans Heinold (* 1922) den Direktorenposten an der Schule, den er bis 1968 innehatte. 1959 wurde hier die Erweiterte Oberschule für Sehgeschädigte und Polytechnische Oberschule für Blinde gegründet, die bis zum Ende der DDR der Weg zum Abitur für blinde und sehgeschädigte Kinder in der DDR war. Dabei wurden 1958 die Klassen 9–12 der Sehschwachenoberschule Berlin übernommen.[4]

Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte (seit 1990)

Bearbeiten

Bei der Überführung der Schule aus den zentralistischen Strukturen des DDR-Bildungswesens nach der Wiedervereinigung übernahm der Landkreis Dahme-Spreewald die Trägerschaft für die Schule, allerdings nicht für das Internat, das vorerst vom Land Brandenburg übernommen wurde. Mitte der 1990er Jahre waren 90 % der knapp 150 Schüler der Blindenschule im Internat untergebracht. Ein knappes Drittel der Internatsschüler kam jedoch nicht aus dem Land Brandenburg, was für Probleme bei der Finanzierung des Internats sorgte.[5] Von 2004 bis 2014 war die Gemeinnützige GmbH Sächsisches Förderzentrum Chemnitz (SFZ) Träger des Internats. Das SFZ wurde 2001 in Chemnitz aus dem Berufsbildungswerk für Blinde und Sehbehinderte Menschen heraus gegründet,[6] und steht in der Tradition der Chemnitzer Blindenschule, mit der Königs Wusterhausen als weiterführende Schule schon in DDR-Zeiten kooperierte. Seit August 2014 ist das Internat, ebenso wie die Schule, in Trägerschaft des Landkreises Dahme-Spreewald.

Schulsport

Bearbeiten

Seit 1992 ist der Schulsportverein Blindenschule Königs Wusterhausen (SSV Blindenschule) Landesleistungsstützpunkt.[7] Heute gibt es im Land Brandenburg im Behindertensport vier solcher Landesstützpunkte zur Förderung des leistungssportlichen Nachwuchses.[8]

Besonders im Goalball ist der SSV stark, gewann mehrmals die Deutsche Meisterschaft (zuletzt 2009 und 2010[9]) und stellt Teile der deutschen Nationalmannschaft.

Mehrere Absolventen der Blindenschule haben bisher an den Paralympics teilgenommen und dort auch Medaillen erkämpft,[10] darunter Siegmund Turteltaube (Silber 1992 beim Diskus B1 und Silber 1996 beim Diskus F10.[11]), Gerd Franzka (2 × Silber 1996, jeweils in der 4-mal-100-Meter-Staffel T10-12 und in der 4-mal-400-Meter-Staffel T10-12.[12]) und Rayk Haucke (Silber 1996 und Bronze 2000 beim Pentathlon P10, sowie Silber 2000 beim Speerwurf F11.[13]).

Bekannte Schüler

Bearbeiten
Bearbeiten
Commons: Blindenschule Königs Wusterhausen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Gesamtdossier mit Stand vom 3. September 2010 auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg.
  2. Denkmalliste des Landes Brandenburg, Landkreis Dahme-Spreewald (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive) (PDF; 210 kB) Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege, mit Stand vom 30. Dezember 2009, S. 18.
  3. a b c d e f Geschichte der Schule Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte, abgerufen am 27. Juli 2010.
  4. Hans Heinold: Mathematikunterricht an Blindenschulen in kybernetischer Sicht. In: Sven Degenhardt, Waltraut Rath (Hrsg.): Blinden- und Sehbehindertenpädagogik. Beltz, Weinheim 2009, ISBN 3-407-57216-6, S. 149.
  5. Uta Schiller: Angst um den Platz im Internat. In: Berliner Zeitung, 23. April 1997.
  6. Sächsisches Förderzentrum Chemnitz gGmbH (Memento vom 2. November 2013 im Internet Archive) beim Paritätischen Landesverband Brandenburg (Das SFZ ist seit November 2004 Mitglied und hat die MO-Nr. 472/13)
  7. sf: Gute Leistungen im SSV Blindenschule. In: Berliner Zeitung, 26. Mai 1997.
  8. Liste der Landesstützpunkte beim Landessportbund Brandenburg (Memento vom 28. Juli 2010 im Internet Archive) (PDF; 14 kB) abgerufen am 29. Juli 2010.
  9. GOALBALL: Den Titel verteidigt. In: Märkische Allgemeine. 23. April 2010, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 10. Juli 2010.@1@2Vorlage:Toter Link/www.maerkischeallgemeine.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  10. stl: Blinde aus KW in Atlanta. In: Berliner Zeitung, 21. August 1996.
  11. Ergebnisse von Siegmund Turteltaube bei den Paralympics auf der Website des IPC, abgerufen am 29. Juli 2010.
  12. Ergebnisse von Gerd Franzka bei den Paralympics auf der Website des IPC, abgerufen am 29. Juli 2010.
  13. Ergebnisse von Rayk Haucke bei den Paralympics auf der Website des IPC, abgerufen am 29. Juli 2010.
  14. Heide Popig: »Ein Wiedersehen zwischen Einst und Jetzt«. In: Joana Zimmer: Blind Date – Die Welt mit meinen Augen sehen. Kösel, München 2013, ISBN 978-3-466-34588-5, S. 40f.