Der Breitkopf-Katalog, sogenannt nach seinem Autoren, dem Leipziger Gelehrten, Buch- und Musikalienhändler Johann Gottlob Immanuel Breitkopf (1719–1794),[1] ist ein „thematischer-“ oder „Incipit-Musikalienkatalog“, der aufgrund seiner Ausführlichkeit und seines Umfangs dem Musikalienhandel im 18. Jahrhundert einen großen Aufschwung gab. Instrumentale und vokale Kompositionen aller Gattungen sind darin mit ihrem Anfangsthema und/oder den ersten Takten (lateinisch Incipit ‚Beginn‘) verzeichnet und so für Interessierte und Käufer identifizierbar.

Der Anfang

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Im Jahr 1755 gab Johann Gottlob Immanuel Breitkopf im Leipziger Verlagsgeschäft seines Vaters Bernhard Christoph Breitkopf dem bisherigen Kupferstich-Notendruck durch Verfeinerung und Optimierung der beweglichen Notendrucktypen einen neuen Aufschwung. Ein erstes Verzeichnis von 1761 wurde noch nicht gedruckt. Ab 1762 begann er mit Hilfe der modernen Noten-Drucktechnik seine umfangreiche Notensammlung für den Handel anzubieten und dafür systematisch nach Gattungen zu katalogisieren, wobei er jedes Werk durch ein kurzes (gedrucktes) Notenincipit kenntlich machte. Es handelte sich um mehrere tausend Musikstücke, die von da an in jährlich aufeinanderfolgenden Katalogen zur Leipziger Messe angeboten wurden. Dem ersten gedruckten Breitkopf-Katalog zur Leipziger Neujahrsmesse 1762[2] folgten weitere fünf Bände und 16 Supplementbände fortfahrend bis 1787. Er ging so vor, indem er beispielsweise die Auswahl der Notenwerke nach Titelbegriffen wie Sinfonie (des ersten Bandes) durch jeweils immer wieder andere aktuelle Gattungsbezeichnungen in den Folgebänden, z. B. Concerti, Quartetti oder Operntitel usw. ersetzte.

Breitkopfs Notensammlung

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Im Unterschied zu einem individuellen Katalog für einen einzelnen Komponisten (z. B. das Köchelverzeichnis für die Werke Mozarts), verzeichnet der Breitkopf-Katalog Musikwerke zahlreicher Komponisten aus ganz Europa, hauptsächlich des 18. Jahrhunderts. Darunter finden sich sowohl bekannte Namen (Haydn, Händel), wie unbekannte (Jänichen). Es handelt sich um die mehrere Tausend Werke umfassende Musikalien-Verkaufs-Sammlung – weltliche und geistliche Musik aller Gattungen – die von Breitkopf in einem Lager gehalten wurde; sie wurde der Grundstock des als heute ältester Musikverlag der Welt angesehenen Unternehmens. Er selbst nannte den Aufbewahrungsort seiner Noten „meine Officin“ nach der Art seiner Arbeit daran, dem mechanisierten Setzen musikalischer Werke und ihrer Incipits.[3] Die Frage, wie er zu dieser Sammlung kam und wie das Material beschaffen war, wie viele Drucke bzw. anteilmäßig Handschriften dazu gehörten, ist im Gesamten nicht untersucht. Er muss mit dem Sammeln begonnen haben, als er noch nicht im Geschäft seines Vaters arbeitete, das er, dessen einziger Sohn, zunächst nie übernehmen wollte.[4]

Über Breitkopfs musikalische Ausbildung und Musikpflege – Grundvoraussetzung seiner Noten-Sammlung – ist nur bekannt, dass er „einige Jahre seiner akademischen Laufbahn den Musen gewidmet“ habe.[5] Von den Noten ließ er auf Bestellung Kopien zum Verkauf anfertigen, die sogenannten Breitkopf-Kopien. Welche Bedeutung manchen Breitkopf-Kopien zukommt, wird speziell bei seiner Überlieferung Bach’scher Motetten klar.[6] Breitkopf stand mit seinen Kunden, ob Einzelpersonen oder Höfe, Hofkapellmeister, Komponisten (deren Werke er druckte und vertrieb) oder städtische Kulturschaffende, in Korrespondenz.[7]

Zweifelhafte Zuschreibungen

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In seiner Nacherinnerung am Ende des ersten Katalogbandes beschreibt Breitkopf, wie er die musikalischen Werke der Komponisten durch die Katalogisierung ihrer Themata auch nach ihrem Namen „kenntlich zu machen und von einander zu unterscheiden gesucht habe, so wie man die Bücher nach ihren Titeln unterscheidet.“ Dabei gab es, wie er betont, oftmals „zweifelhafte Fälle“ bei der Autorenfrage und „gewisse, unvermeidliche Fehler“ bei der Zuschreibung:

„Wie manchen Streit hat man nicht auszumachen, und wie manchen geheimen Kampf zu überwinden, wenn man jedem Verfasser das Seinige geben, und die unter verschiedenen Nahmen [beide Wörter hervorgehoben] vorkommenden Stücke ihren wahren Meistern zueignen will? Und wenn man in so zweifelhaften Fällen, dergleichen mir gar oft vorgekommen sind, durch Nachfragen nicht viel herausbringt […]“

Nacherinnerung Breitkopfs 1762

Quellenwert geschriebener Musikalien

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Der Breitkopf-Katalog verzeichnet nach Werkgattungen, nicht nach Komponistennamen. In jedem der Hauptbände sind Kompositionen (auch von Anonymi) spezieller Werkgruppen zusammengestellt, anhand derer sich Musiker und Liebhaber einen Überblick verschaffen konnten. Allerdings wird auch heute grundsätzlich betont, dass „Echtheit und Quellenwert der von Breitkopf besorgten Abschriften (...) in jedem Falle besonderer Untersuchung“ bedürfen.[8] Bereits im „Vorbericht“ seines Musikalienverzeichnisses von 1761, noch vor dem ersten Incipit-Katalog, äußerte sich J. G. I. Breitkopf selbst speziell zur Echtheitsfrage (Autorenfrage) bei den nicht gedruckten Notenmanuskripten:

„Einen größern Fehler haben die geschriebenen Musikalien, in der öfters, theils aus Vorsatz, theils aus Irrtum falschen Angabe der Verfasser“

Breitkopfs Vorbericht im Musikalienverzeichnis von 1761

Neuausgabe 1966 und Bewertung

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Die Neuausgabe des Breitkopf-Katalogs bietet ein zusätzliches alphabetisches Komponisten-Verzeichnis aller Breitkopf-Incipit-Kataloge: Barry S. Brook (1918–1997), USA: The Breitkopf Thematic Catalogue: The Six Parts and Sixteen Supplements 1762–1787. Dover Publications, New York 1966. In dieser Ausgabe sind alle Bände als Faksimile vereint als eine praktische Fundgrube für Forscher und Wissenschaftler; „(…) zu Recht gelten die [Breitkopf-] Verzeichnisse handschriftlicher und gedruckter Musikalien noch heute als ein zentrales bibliographisches Quellenwerk“.[9]

Wie der Aufsatz Robert Dearlings Annotations to The Breitkopf Thematic Catalogue and Supplements von 1975[10] anhand vieler Autoren-Recherchen zeigt, muss man beim Breitkopf-Katalog, wie von Breitkopf selbst bedauert, ungenaue Autorenangaben und zahlreichen Doppelt- und Mehrfach-Nennungen unterschiedlicher Autoren für ein und dasselbe Werk einkalkulieren;[11] die Bedeutung des Katalogs liegt darin, einen umfassenden Überblick über die Gattungen und Strömungen der Musik Europas im 18. Jahrhundert zu bieten.[12]

Siehe auch

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Literatur

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  • Johann Georg Eck: Biographie Herrn Joh. Gottlob Immanuel Breitkopfs. Leipzig 1794; urn:nbn:de:bsz:14-db-id3219733212.
  • Oscar von Hase: Breitkopf und Härtel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 296–303.
  • Ulrich Konrad, Jürgen Heidrich, Hans J. Marx (Hrsg.): Musikalische Quellen – Quellen zur Musikgeschichte: Festschrift für Martin Staehelin zum 65. Geburtstag. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-27820-9.
  • Herta Schetelich: Immanuel Breitkopfs Verlagskataloge. In: Pasticcio auf das 250jährige Bestehen des Verlages Breitkopf und Härtel. Beiträge zur Geschichte des Hauses. VEB Breitkopf und Härtel, Leipzig 1968, S. 54 ff.
  • Peter Schmitz: „Es ist eine Ehre vor unsere Nation, daß ein Breitkopff in diesem Seculo gebohren“ – Johann Gottlob Immanuel Breitkopf und die Entwicklung des deutschen Musikalienhandels im 18. Jahrhundert. In: Carsten Lange, Brit Reipsch (Hrsg.): Komponisten im Spannungsfeld von höfischer und städtischer Musikpflege. Bericht über die Internationale Wissenschaftliche Konferenz […] 2010, anlässlich der 20. Magdeburger Telemann-Festtage (= Telemann-Konferenzberichte XVIII). Olms. Hildesheim usw. 2014, ISBN 978-3-487-15197-7, S. 238–254.
  • Verzeichnis des Musikalien-Verlages von Breitkopf & Härtel in Leipzig (1717–1902). Breitkopf und Härtel, Leipzig 1902; urn:nbn:de:s2w-6509.
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Einzelnachweise

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  1. Barry S. Brook: The Breitkopf thematic catalogue: the six parts and sixteen supplements 1762–1787. Dover Publications, New York 1966 (Vollständige Wiederauflage aller Bände, mit Einführung und Register).
  2. So die Datumsangabe der Unterschrift von Breitkopfs Nacherinnerung am Ende des ersten Bandes Catalogo delle Sinfonie, che si trovano in Manuscritto nella Officina Musica di Giovanno Gottlob Immanuel Breitkopf, in Lipsia. Parte 1ma. 1762, Digitalisat in der Google-Buchsuche.
  3. Siehe Breitkopfs Nacherinnerung 1762 am Ende des ersten Katalogbandes. (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  4. Johann Georg Eck: Biographie Herrn Joh. Gottlob Immanuel Breitkopfs. 1794, S. 2 bis 4.
  5. Johann Georg Eck: Biographie Herrn Joh. Gottlob Immanuel Breitkopfs. 1794, S. 11.
  6. Uwe Wolf: Zur Schichtschen Typendruck-Ausgabe der Motetten Johann Sebastian Bachs und zu ihrer Stellung in der Werküberlieferung. In: Jürgen Heidrich, Hans Joachim Marx, Ulrich Konrad (Hrsg.): Musikalische Quellen, Quellen zur Musikgeschichte: Festschrift für Martin Staehelin zum 65. Geburtstag. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-27820-9, S. 269–286, hier S. 280 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Ernst Suchalla (Hrsg. und Kommentator): Briefe von Carl Philipp Emanuel Bach an Johann Gottlob Immanuel Breitkopf und Johann Nikolaus Forkel. Hans Schneider, Tutzing 1985, ISBN 3-7952-0470-4. Hier geht es meist um Drucke für den Komponisten und deren Pränumeration und Verkauf. Mit Register anderer beteiligter Personen.
  8. Werner Neumann, Hans-Joachim Schulze (Hrsg.): Bach-Dokumente. Band 3: Dokumente zum Nachwirken Johann Sebastian Bachs 1750–1800. Bärenreiter, Kassel/Leipzig 1972, S. 170.
  9. Peter Schmitz 2014: Es ist eine Ehre vor unsere Nation (…) S. 244.
  10. Robert Dearling in: Haydn Yearbook IX, Wien 1975, S. 256–302.
  11. Breitkopfs Nachwort zum ersten Band 1762. (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
  12. Bedeutung der Kataloge