Schulen und Systeme des Buddhismus

historische Herkunft heute bestehender Systeme
(Weitergeleitet von Buddhistische Schulen)

Der Buddhismus hat im Verlauf seiner 2500-jährigen Geschichte zahlreiche Schulen und Systeme hervorgebracht. Die Begriffe »Schule« (vada)[1] (Sanskrit वाद vāda) und (Sanskrit यान yāna), »Gehen« (yana)[2] sind in etwa vergleichbar mit den Begriffen »Richtung«, »Denomination«, »Konfession« oder »Sekte«, wobei dem Wort »Sekte« keine negative Wertung anhaftet und alle genannten Begriffe die gleiche Bedeutung haben.

Schulen des Buddhismus

Chronologie

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Chronologie: Entwicklung und Verbreitung buddhistischer Traditionen. (ca. 450 v. Chr. – ca. 1300 n. Chr.)
  450 v. Chr. 250 v. Chr. 100 n. Chr. 500 n. Chr. 700 n. Chr. 800 n. Chr. 1200 n. Chr.
Buddhismus in Indien Früher Buddhismus  
Frühe buddhistische Schulen Mahāyāna Vajrayāna
 
 
   
Sri Lanka &
Südostasien
     
Theravāda
     
Buddhismus in Tibet   Nyingma
 
Kadam/Gelug
Kagyu  
Dagpo Kagyu
Sakya
  Jonang
Ostasien   Frühe buddhistische Schulen
und Mahāyāna
(entlang der Seidenstrasse
nach Ostasien)
Esoterischer Buddhismus in China (Zhenyan, Tangmi, Mizong)
Sechs Nara-Schulen Shingon-shū
Chan  
Thiền, Seon
  Zen in Japan
Tiantai zong & Amitabha-Buddhismus (Reines Land)  
Tendai  
  Nichiren
  Jōdo shū
Buddhismus in Zentralasien & Tarimbecken   Graeco-Buddhismus  
Verbreitung entlang der Seidenstrasse
  450 v. Chr. 250 v. Chr. 100 n. Chr. 500 n. Chr. 700 n. Chr. 800 n. Chr. 1200 n. Chr.

Legende: Theravada Mahayana Tantrischer Buddhismus verschiedene und synkretistische Richtungen

Hauptrichtungen

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Im Wesentlichen bestehen zwei große Hauptrichtungen: Der Theravada, die »Schule der Älteren« und das Mahayana, das »große Fahrzeug«. Die Bezeichnung Hinayana »kleines Fahrzeug«, wie sie im Mahayana für den frühen Buddhismus häufig gebraucht und mit dem Theravada gleichgesetzt wird, ist im Theravada selber unbekannt und wird auch nicht akzeptiert, da sie eine offensichtliche Abwertung[3] darstellt (»hina« heißt wörtlich nicht »klein« – wie zumeist behauptet wird –, sondern »schlecht«, »gemein«, »minderwertig«). Zudem sind die frühen Schulen, die im Mahayana damit gemeint sind (Vaibhasika und Sautrantika, Unterschulen der Sarvastivada) längst ausgestorben. Der heutige Theravada hat nie zu diesen Schulrichtungen gehört und vertritt auch andere Sichtweisen.

Von den beiden großen Hauptrichtungen ist der Theravada die ältere, während das Mahayana sich erst ab der Wende zur christlichen Zeitrechnung (100 v. Chr. bis 600 n. Chr.) herausgebildet hat. Als dritte große Hauptrichtung gilt das Vajrayana oder Tantrayana, das jedoch trotz spezifischer Eigenheiten philosophisch dem Mahayana zuzuordnen ist. Das Vajrayana hat sich in Indien in der Zeit von 400 bis 1000 n. Chr. herausgebildet und war vom wiederauflebenden Hinduismus (insb. Tantrismus) beeinflusst.

Im Unterschied zum Theravada bildet das Mahayana keine eigentliche und einheitliche Lehrtradition und Praxis. Die zahlreichen Schulen orientieren sich auch nicht – wie im Theravada – an dem in den Jahrhunderten nach Buddhas Tod auf drei Konzilien festgelegten Kanon der Lehrreden des Buddha in Pali-Sprache (dem Pali-Kanon, auch Tipitaka), sondern an einem Restbestand an parallel entstandenen und später ins Chinesische oder Tibetische übersetzten, im Original zumeist verloren gegangenen Sanskrit-Sutras, sowie an einer Vielzahl später entstandener und für sich existierender Mahayana-Sutras (in Sanskrit). Diese wurden von den verschiedenen Schulen jedoch nur selektiv anerkannt und zur jeweils eigenen Grundlage gemacht. Es gibt im Mahayana somit keinen gemeinsamen Kanon, wohl aber chinesische (San-ts’ang) und tibetische Sammlungen (Kanjur) von verschiedenen, aus dem Sanskrit übersetzten Texten, plus eigenen chinesischen oder tibetischen Texten.

Alle Richtungen des Buddhismus halten sich an die »Vier Edlen Wahrheiten« Buddhas vom Leiden, seiner Entstehung, seiner Überwindung und dem zur Überwindung des Leidens führenden »Achtfachen Pfad«, der zur Leidenserlösung (Befreiung aus den Fesseln der Täuschung und Anhaftung) führt. Diese Leidensbefreiung wird Nibbana (P.) oder Nirvana (Skr.) (»Erlöschen« von Gier, Hass und Verblendung) genannt, welches das allen Denominationen gemeinsame Heilsziel darstellt. Die in der Realisierung des Nirvana und damit Verwirklichung der Buddhaschaft (Buddhata) bestehende Zielsetzung ist also überall die gleiche, verschieden sind lediglich die Wege, die zu diesem Ziel führen.

Die nachfolgende Auflistung nennt nicht sämtliche Schulen, Sekten oder Denksysteme, die sich im Verlauf der langen Geschichte des Buddhismus herausgebildet haben. Aufgeführt werden lediglich die wichtigsten, die in der Vergangenheit oder Gegenwart von großer Bedeutung waren beziehungsweise sind.

Theravada (Lehre der Älteren)

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  • Entstehung: 4. Jh. v. Chr. in Indien.
  • Gründer: Keine zentrale Gründergestalt.
  • Systematiker: Buddhadatta (4./5. Jh.), Buddhaghosa (5. Jh.), Dhammapala (5. Jh.), Anuruddha (12. Jh.)
  • Verzweigungen:
  • Heutige Verbreitung: Sri Lanka, Myanmar (Birma), Bangladesh, Thailand, Laos, Kambodscha, Vietnam, VR China (in Yunnan), westliche Welt.
  • Wichtigste Quellen: Tipitaka (Dreikorb) oder Pali-Kanon; Visuddhimagga, Milindapañha, Abhidhammatthasangaha.
  • Heilsweg: Überwindung des Leidens durch Aufhebung der Leidensursachen Gier, Hass und Wahn mittels Tugend, Meditation und Erkenntnis.

Erloschene Systeme

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  • Mahasanghika. Gegründet im 4. Jh. v. Chr. Vorbereiterin des Mahayana, in dem sie schließlich aufging.
  • Pudgalavada. Gegründet im 3. Jh. v. Chr. Eine der großen frühbuddhistischen Schulen. Untergang im 7. Jh.
  • Sarvastivada. Gegründet im 3. Jh. v. Chr. Frühbuddhistische Schule mit großer Wirkmächtigkeit. Ging mit der islamischen Eroberung Indiens unter.
  • Sautrantika. Gegründet im 2. Jh. n. Chr. Frühbuddhistische Schule, die mit ihren Lehren viele Impulse zur Entstehung des Mahayana lieferte.

Systeme des Mahayana

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Madhyamaka

  • Entstehung: 2. Jh. n. Chr. in Indien.
  • Gründer: Nagarjuna (2. Jh. n. Chr.).
  • Systematiker: Aryadeva (3. Jh.), Buddhapalita (5./6. Jh.), Bhavaviveka (6./7. Jh.), Candrakirti (7. Jh.), Shantideva (7./8. Jh.).
  • Verzweigungen: (1) in China: Sanlun; (2) in Japan: Sanron.
  • Heutige Verbreitung: Als eigenständige Schule nicht mehr existent, doch starke Durchdringung vor allem des tibetischen und sino-japanischen Buddhismus.
  • Wichtigste Quellen: Prajñaparamitasutra, Mulamadhyamakakarika.
  • Heilsweg: Erkenntnis der Leerheit (Shunyata) aller Daseinsphänomene und Einsicht, dass diese Leerheit das Absolute = Erlöstheit ist.

Vijñānavāda (Yogacara)

  • Entstehung: 3./4. Jh. n. Chr. in Indien.
  • Gründer: Maitreyanatha (3./4. Jh.).
  • Systematiker: Asanga und Vasubandhu (4. Jh.), Dignaga (5./6. Jh.), Dharmakirti (7. Jh.).
  • Verzweigungen: (1) in China: Faxiang-zong; (2) in Japan: Hossō-shū.
  • Heutige Verbreitung: Als eigenständige Schule außerhalb Japans nicht mehr existent, doch starke Durchdringung vor allem des tibetischen und sino-japanischen Buddhismus.
  • Wichtigste Quellen: Yogacarabhumishastra, Samdhinirmocana, Avatsamsaka, Lankavatara.
  • Heilsweg: Erkenntnis, dass alles »nur Geist« (cittamātra) ist und Rückwendung zum Reinen Geist, dem Grundbewusstsein = Absoluten = Erlösung.

Reines Land, Amidismus (Amitabha-Buddhismus, Glaubensschule)

  • Entstehung: 1. Jh. n. Chr. in Indien.
  • Gründer:
  • Systematiker: (1) in China: Huiyuan (334–416), Tanluan (476–542); Daochuo (jap. Doshaku) (562–645) Shandao (jap. Zendō) (613–681) (2) in Japan: Hōnen Shonin (1133–1212) und Shinran Shonin (1173–1263).
  • Verzweigungen: (1) in China: Jìngtǔ-zōng; (2) in Japan: Jōdo-shū, Jōdo-Shinshū.
  • Heutige Verbreitung: China, Japan, Taiwan, Korea, Vietnam, Singapur.
  • Wichtigste Quellen: Das Große Amitabha Sutra (Sukhâvatîvyûha-mahâyânasûtra, jap. Muryôju-kyô), das Kleine Amitabha Sutra (Sukhâvatîvyûhonâma-mahâyânasûtra, jap. Amida-kyô) und das sog. Meditations-Sutra (Amitâyurdhyâna-sûtra, jap. Kanmuryôju-kyô)
  • Heilsweg: (1) Vertrauen in den helfenden Beistand des transzendenten Buddha Amitabha (Amida); (2) Entlastung vom Karma durch den helfenden Beistand heilswirksamer Bodhisattvas; (3) Wiedergeburt in einem Zwischenparadies (Sukhavati); (4) Selbst ein Bodhisattva werden.

Saddharmapundarika (Lotos-Schule)

Vajrayana (Esoterischer Buddhismus/Tantrayana/Mantrayana)

  • Entstehung: ab dem 3. Jh. in Indien entstanden, es gibt Ähnlichkeiten zum indischen Tantrismus
  • Gründer: Keine zentrale Gründergestalt. (1) in Tibet: Padmasambhava (8. Jh.) [Vertreter des Vajrayana]; (2) in Japan: Kobo Daishi [Kukai] (774–835) [Vertreter der Shingon-shu].
  • Systematiker: In Tibet: Atisha (980–1054), Marpa (1012–1097), Tsongkhapa (1357–1419).
  • Verzweigungen: (1) in China: Zhenyan Mizong; (2) in Japan: Shingon; (3) in Tibet: Nyingma, Kadampa, Kagyü, Sakya, Gelug
  • Heutige Verbreitung: Tibet, Sikkim, Bhutan, Mongolei, Burjatien, Kalmückien, Ladakh, China, Korea, Japan, westliche Welt.
  • Wichtigste Quellen: Tantra-Literatur.
  • Heilsweg: Erlösung durch Erfahrung der All-Identität und Erschließung des Absoluten im eigenen Innern mittels geheimer psychoaktiver Techniken.

Chan/Zen/Son/Thien (Meditationsschule)

Siehe auch

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Literatur

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  • Nalinaksha Dutt: Buddhist Sects in India. Motilal Banarsidass, New Delhi 1998, ISBN 978-81-8315-198-6.
  • Bibhuti Baruah: Buddhist Sects and Sectarianism. Bibhuti Baruah, Sarup 2000, ISBN 81-7625-152-6.
  • Nalinaksha Dutt: The Spread of Buddhism and the Buddhist Schools. Rajesch Publications, New Delhi/Allahabad 1950 (fdocuments.in auf fdocuments.in).
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Einzelnachweise

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  1. sprechend, sagend, Sprecher, ein Musikinstrument spielend; Ausspruch, Äußerung, Aussage; Lehre, Doktrin; Gespräch, Unterhaltung; Diskussion, Disput, Debatte, Kontroverse; Erzählung, Bericht; These; Erklärung, Erläuterung
  2. hin führend zu, auch das Gehen, Reiten, Fahren, Marschieren; Bahn; Fuhrwerk, Wagen, Vehikel, Gefährt; Weg. Die Begriffe stehen als Metapher des geistigen Weges.
  3. Arvind Sharma: A Note on the Use of the Word Hīnayāna in the Teachings of Buddhism, Eastern Buddhist Society – Band 9, Issue 2, 1976 Digitalisat
  4. Fire in The Lotus, Daniel B. Montgomery, Mandala 1991 S. 280